Mahler: Das Lied von der Erde - Version für Kammerorchester (Schönberg/Riehn)

  • hallo,


    ich höre gerade Herreweghes Version mit Kammerorchester des Liedes von der Erde an und bin hellauf begeistert von der Durchhörbarkeit der Partitur sowie von Blochwitz und Remmert.


    Ich wußte gar nicht, dass es so eine Version gibt, daher die Frage: von wem stammt dieser Version für Kammerorchester? Von Mahler selbst?


    Und was sagen andere Mahler-Liebhaber zu dieser Aufnahme, die bei mir ab sofort unter die Top 3 gehört!


    vielen Dank,


    Hyperion

  • Hallo,


    es gibt zwei Transkriptionen:


    von Arnold Schönberg (1921) und von Rainer Riehn (1983). Mahler selbst soll ja dieses Werk als seine VIII. Symphonie bezeichnet haben.


    Enstanden 1908 - 1909; Untertitel: Eine Symphonie :D
    Text-Vorlage: "Die chinesische Flöte" - Nachdichtungen chinesischer Lyrik von Hans Bethge (ein recht mittelmäßiges Werk).


    Das Werk hat wunderbare Passagen, beispielsweise im "Abschied", wo tiefe Haltetöne eine Art Verlust symbolisieren sollen. Dann setzt eine Soloflöte ein (Erwachen?) und dann die Solo-Stimme.


    Ich halte dieses Werk musikalisch gesehen für eines der Schlüsselwerke zum Verständnis Mahlers, der Text ist ein Schmarren :D

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Hallo zusammen,


    die Transkription ist von Schönberg und Riehn, es handelt sich nicht um zwei verschiedene!


    Geplant war sie eigentlich von Schönberg für den "Verein für musikalische Privataufführungen", der folgende Grundsätze hatte:


    "1. Klare, gut einstudierte Aufführungen.
    2. Oftmalige Wiederholungen.
    3. Die Aufführungen müssen dem korrumpierenden Einfluss der Öffentlichkeit entzogen werden, das heisst, sie dürfen nicht auf Wettbewerb gerichtet und müssen unabhängig sein von Beifall und Missfallen."


    Man wählte reduzierte Transkriptionen, aus materiellen Zwängen sicher, aber auch, um die Stücke auf das Wesentliche reduziert hören zu können. Berg sagte dazu: "...moderne Orchesterwerke - aller Klangwirkung, die nur das Orchester auslöst, und aller sinnlichen Hilfsmitten entkleidet - hören und beurteilen....".


    Im Rahmen des Vereins entstanden etwa Transkriptionen der 6. und 7. Sinfonien Gustav Mahler für Klavier vierhändig (AFAIK durch Alexander von Zemlinsky), der 4. Sinfonie und der "Lieder eines fahrenden Gesellen" für Kammerensembles (durch Erwin Stein und durch Schönberg), und auch von Schönbergs op. 16 oder seiner 1.Kammersinfonie.


    Als der Verein 1921 aus finanziellen Gründen aufgeben musste, war die geplante Transkription Schönbergs von "Das Lied von der Erde" immerhin soweit gediehen, dass in der Partitur für großes Orchester Anweisungen von Schönberg für die reduzierte Instrumentierung eingetragen waren. Diese "skizzierte Transpkription" hat Reiner Riehn 1983 dann ausgearbeitet.


    Hoffe, geholfen zu haben!


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Besten Dank, Claus! Wieder was dazu gelernt! =)

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Noch ein Nachtrag ;) Wer sich für diese Transkriptionen interessiert, einige sind auch aufgenommen worden.


    Das Linos-Ensemble hat sich der Kammerorchester-Fassungen der 4. Mahlers (Stein) und der 7. Bruckners (sic!! Stein und Eissler) angenommen:



    Die Mahlerschen "Lieder eines fahrenden Gesellen" (Schönberg) und die Klavierquintettfassung der 1. Kammersinfonie Schönbergs (Webern) gibt es mit dem Bariton Christian Gerhaer und dem Hyperion-Ensemble sehr preiswert:



    Die Klavierfassungen (vierhändig) der 3. Sinfonie Bruckners (Mahler) und Mahlers 6. (Zemlinsky) und 7. (Casella) gibt es mit dem Duo Trenker-Speidel:



    und die Walzer-Transkriptionen, ein besonders Leckerli, häufiger, etwa:



    Beste Grüssse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Zitat

    Original von Rocco
    der Text ist ein Schmarren :D


    Hallo Rocco,


    ich habe dich nicht verstanden. Sollte das ein Witz sein oder eine Begründung für die besondere Bedeutung des Werkes?


    Gruß

  • Hallo,


    also ich habe mich auch erst langsam an den Text gewöhnen müssen, empfinde ihn schon lange NICHT mehr als einen schmarren.


    Und noch ein paar Transkriptionen von Schönberg, Berg und Webern.
    Wer´s mag... (ich zum Beispiel)


    Gruß aus Frankfurt


  • Hallo peet,


    was ich damit sagen wollte ist, dass der Text von Bethge vom literarischen her eher mittelmäßig ist. Den Wert der Komposition kann er aber in keinem Falle schmälern ;)

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Hallo!


    Im falschen Thread schrieb ich bereits



    Ja! Die Aufnahme und Version gefällt mir sehr gut! Sie ist sehr schön transparent und ich mag sie. Blochwitz und Remmert haben überaus passende Stimmen, die mich sehr beeindrucken.


    Dennoch bin ich der Meinung, daß das "Lied von der Erde" - trotz Mahlers Untertitel "Eine Symphonie" - ganz zu Recht nicht als Sinfonie gezählt wird: Mir fehlt es für eine Sinfonie durchaus aus größeren Nur-Ochester-Passagen, die ich bei Mahler eigentlich wesentlich mehr schätze, als seine Gesangskompositionen.


    Die Herreweghe-Einspielung ist m. E. eine tolle Bereicherung für jeden Mahler-Haushalt!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli,


    wenn wir uns das nächste mal sehen (oder es gibt ja auch noch den postalischen Vermittlungsweg), sollte ich Dich mal mit den Einspielungen Kubeliks, Bernsteins (2x), Walters (mindestens 2x), Horensteins und Klemperes (mindestens 1x) etc. bekanntmachen....


    wäre doch gelacht, wenn Du den vokalen Reizen einer Janet Baker, Christa Ludwig und ihrer Kolleginnen nicht erliegen würdest....


    :D :hello:

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo!


    Kubelik würde mich durchaus sehr interessieren, da ich die Gesamteinspielung mit den Sinfonien habe. Diese schätze ich überaus. Leider ist dort das LvdE nicht enthalten, was ich andernorts bereits moniert habe [das scheint wohl an den unterschiedlichen Rechteinhabern zu liegen...] Allerdings haben wir dafür ja den anderen Thread.


    Danke!


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli!



    Dem kann ich mich voll und ganz anschließen!
    Diese Kammerversion hat mir den bis dahin holprigen Zugang zum Lied von der Erde deutlich erleichtert! Sehr feine Sache, das! :yes:


    Jetzt brauche ich nur noch Kammermusikversionen der anderen Symphonien...dann könnts was werden mit mir und Mahler... :D


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von C.Huth
    Geplant war sie eigentlich von Schönberg für den "Verein für musikalische Privataufführungen" .....


    Wer über diesen Verein mehr wissen möchte, wird mit dem Heft 36 der Musik-Konzepte gut bedient:



    Hierein findet sich auch ein Aufsatz über das "Lied von der Erde" in Schönbergs Bearbeitung.
    edition text und kritik

  • Hallo miteinander,


    seit neuestem besitze ich ebenfalls die Herrweghe-Aufnahme und schließe mich der allgemeinen Begeisterung an.


    Es ist erstaunlich, wie gut die Klangfarben des ansonsten riesigen Orchesterapparats auf 13 Soloinstrumente aufgeteilt wurden.
    Durch die kammersinfonische Besetzung wirkt Mahlers "persönlichstes" Werk (so wie sich Mahler gegenüber Bruno Walter äußerte) sehr intim und verinnerlicht.


    Beide Gesangssolisten bestechen durch eine klare Artikulation und verzichten auf opernmäßige Übertreibungen. Sie stellen ihre Vorträge hinter den Text und inszinieren sich nicht selbst.


    Fazit: Eine gelungene und reizvolle Alternative, die ich künftig nicht mehr missen möchte.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Bon Giorno,


    bei meiner allmorgentlichen Recherche habe ich noch eine Einspielung der Kammerversion von Mahlers "Lied von der Erde" entdeckt, die relativ frisch auf dem Markt ist:



    Gustav Mahler [1860-1911]
    Das Lied von der Erde
    Kammerversion Schönberg/Riehn


    Margriet van Reisen
    Andres Post
    Ensemble Oxalys


    Vielleicht kennt jemand diese Einspielung?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Seit gestern bin ich auch im Besitz von Herreweghes Einspielung und ebenfalls recht angetan. Es ist frappierend, wie gut das kleine Ensemble die Klangfarben des Orchesters evozieren kann. Es wäre interessant von der reduzierten Besetzung ausgehend, einmal genauer darauf zu achten, wie wichtig einzelne Instrumente und ihre Soli schon in der großorchestralen Fassung sind.


    Leider steht nicht im Beiheft, für wie viele Stimmen/Musiker das nun genau gesetzt ist. Irgendwie spukt die Zahl 10 herum, aber m.E. müssen es mindestens 12-13 sein:


    Klavier
    Streichquintett inkl. Kontrabass
    Flöte/Piccolo
    Klarinette (Bassklar. ist in der Diskographie nicht ausgewiesen, würde mich aber wundern, wenn die nicht teils auch gespielt würde)
    Oboe/Englischhorn
    Fagott/Kontrafagott
    Horn
    Harmonium
    Pauken/Schlagzeug sind in der Diskographie nirgendwo ausgewiesen, kommen aber vor, jedenfalls Triangel und noch mehr im Mittelteil von "Von der Schönheit". Muß vielleicht der Pianist spielen. Damit wären es nur 12 Musiker + die beiden Sänger.


    Schönbergs 1. Kammersinfonie ist für 15 Solostimmen (Streicher und 10 Bläser).
    Auch auf der Seite des Schönberg-Centers finde ich weder hierfür noch für das LvdE die genaue Besetzung, nur den Hinweis, dass die Celesta (für das Ende) fakultativ sei (sie kann aber sicher an dieser Stelle vom Pianisten (oder Schlagzeuger) gespielt werden).


    Jetzt habe ich doch etwas gefunden, in der Diskographie des Schönberg-Center, und oben ergänzt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)