Gewöhnung an die Klangsprache unbekannter Komponisten

  • Eigentlich hatte ich geglaubt, das Thema schon gestartet zu haben, als ich es in meine "Ideenkartei" fand - aber ein Blick ins Thread-Directory, bzw in die Suchfunktion, belehrt mich eines Besseren.


    Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, ob die Ablehnung von weniger bekannten Komponisten, wenn man das erst Mal mit einnem Werk von ihnen konfrontiert wird, nich vor allem in der "Fremdheit" ihrer Tonsprache besteht.


    Andere Komponisten hingegen werden als Epigonen abgetan, weil sie die Tonsprache eines anderen, in der Regel berühmten Komponisten, so emulieren, daß man ihre Werke als nicht eigenständig wahrnimmt, bzw sie generell übersieht.


    Widmen wir uns daher der ersteren Gruppe.


    Auch diese Komponisten sind in der Regel dem Geist ihrer Zeit verfallen, entsprechen aber nicht völlig den Vorstellungen die man damit verknüpft.
    Beim Ersthören stellt sich ein beliebiges bis leicht widerwilliges Empfinden ein.


    Die führt in der Regel dazu, daß man die bisherige Einstufung des betreffenden Komponisten als "Kleinmeister" bestätig sieht - und sich nicht länger mit ihm befasst.


    Mit ist es oft so ergangen - und in vielen Fällen wurde die Einspielung auch ad acta gelegt, der Komponist (von mir) wieder vergessen.....


    Einige Male jedoch, siegte die Beharrlichkeit oder der Zufall: Bein 2. oder dritten Abhören eines bis dato verschmähten Werkes "funkte" es plötzlich - der Zugang war gefunden.


    Ohne mich jetzt über Details auszulassen, so ging es mir beispielsweise mit RAFFs Sinfonien - und auch Haydn war in meiner Jugend davon betroffen - als ich meinte Haydn und Mozart müssen ähnlich klingen - und immer wieder eines Besseren belehrt wurde.....



    Wer hatte ähnliche Erlebnisse - und mit welchen Komponisten - bzw wann machte es "Klick" ??


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eigentlich ging es mir bei allen meiner heutigen Favoriten so, denn als relativ traditionell (Fledermaus; Hänsel und Gretel; Lortzing, Mozart, Tschaikowski) eingebürgert Klassikliebhaber war mir die Tonsprache vieler heute geliebter Komponisten damals oftmals noch zu "komplex". Selbst bei einem vermeintlichen Selbstläufer wie Verdi blieb mir ein heutiger Favorit wie SIMON BOCCANEGRA lange verschlossen, was sicher nicht (nur) an der Frankfurter Aufführung lag, die ich in den 60er Jahren als Erstes sah. Der Prozess hält heute noch an, und zwar sowohl in Richtung spätes 20. Jahrhundert als auch vom Barock an rückwärts.


    Bei der Gewöhnung an die KLANGSPRACHE eines Komponisten halte ich das für normal. Da habe ich schon bei Werken, die bereits 100 Jahre alt sind, meine Probleme, obwohl ich mir durchaus vorstellen kann, dass mir z.B. Zemlinski und Schreker einmal viel näher stehen werden, während ich bei Max von Schillings MONA LISA wohl nie werde verstehen können, was man mal daran fand, trotz des immerhin sehr interessanten Librettos. Womit nichts gegen die Anhänger dieser Oper gesagt sein soll, eher manches über meine Aufnahmebereitschaft, die ja selbst die Mehrzahl der Wagner-Opern als herrliche Orchestermusik mit - manchmal leider - obligatem Gesang empfindet. :untertauch:


    Bei den vermeintlichen Kleinmeistern scheint es mir aber weniger eine Frage der Klangsprache als eine der mangelnden Vertrautheit zu sein, oder besser der Möglichkeiten, früh genug mit ihnen vertraut zu werden. Hinzu kommt, dass oftmals das Bessere der schlimmste Feind des Guten ist. Warum, wenn nicht aus reiner bzw. wissenschaftlicher Neugier oder Sammelleidenschaft, soll man Süßmayer hören, wenn man die Zeit viel besser mit dem (Wieder-)Hören eines Werks von Mozart verbringen kann?


    Aber es gibt auch Werke, die einen beim ersten Hören regelrecht umwerfen, so dass man sich nur wundert, warum die nicht zum Kanon der etablierten Meisterwerke gehören. Bei mir war das zuletzt bei Carl Nielsens herrlicher Oper MASKERADE und Magnards GUERCOEUR (danke diesem dafür) der Fall. Andere wirken zunächst eher spröde, wie auf mich ursprünglich mein heutiger Favorit Berlioz, und bedürfen, nein, verlangen eine intensivere Beschäftigung, die bei mir durch die Lektüre seiner auch literarisch bedeutenden Erinnerungen ausgelöst und erleichtert wurde.


    Da muss jeder wohl seinen eigenen Weg finden, auf dem sicher erhebliche Strecken mit dem wiederholten Anhören zunächst als wenig inspiriert bzw. inspirierend befundener Werke gehören. Die Diskussionen im Tamino können bei dem Verständnis mancher Werke sehr helfen. Aktuell gilt das bei mir für Alfreds Favoriten DITTERSDORF, den ich inzwischen für - auch von mir einmal - stark unterschätzt halte. Dabei kann ich nicht sagen, ob die heute sehr geringe Aufführungs- und Einspielungsquote seines umfangreichen Werk das Huhn oder das Ei, also Ursache oder Folge dieser Missachtung ist. Derart verkannte Komponisten gibt es leider viele, und nur für manche wird wenigstens hier von eingefleischten "Fans" eifrig - und ersichtlich nicht erfolglos - die Werbetrommel gerührt.


    Eines wird deshalb, in Umkehrung eines berühmten Spruches von Max Liebermann, sicher auf Dauer gelten, solange die Lebenswerwartung des Menschen nicht mehrere Jahrhunderte umfasst: man kann gar nicht soviel hören, wie man lieben könnte.


    Ich bin Tamino deshalb besonders dankbar dafür, dass seine Mitglieder immer wieder Schneisen in den unüberschaubaren Teil des Dschungels namens Musik schlagen. Weitere Tipps in diesem und anderen Threads sind deshalb stets erwünscht.


    :hello: Rideamus

  • Hallöchen,


    die Gewöhnung an die Klangsprache eines (mir) unbekannten Komponisten umfasst ja sicherlich eine andere Dimension als bei so manch anderem.
    Sicherlich habe ich in den gut zweieinhalb Jahren des intensiveren Beschäftigen mit klassischer Musik sehr viel kennen gelernt - dennoch kann ich mich halt sehr gut daran erinnern, wie es eigentlich bei so ziemlich jedem Komponisten - ob nun eine feste Größe wie Beethoven oder ein Kleinmeister wie Zemlinsky oder Svendsen - war, dass ich beim ersten Hören meistens nicht viel anfangen konnte - natürlich gab es die auch von Rideamus angesprochenen Ausnahmen, aber dennoch: alles war Neuland und auch allseits bekannte und wenn auch mir vom Namen her geläufige Komponisten hatten ja eben eine mir unbekannte Klangsprache.
    Sicherlich hat so jeder angefangen - denn irgendwann begann eben jeder von uns mit dem Hören, was ich hier aber versuche konstruktives beizutragen ist eine Stellungnahme noch hierzu :rolleyes:


    Zitat

    Bei den vermeintlichen Kleinmeistern scheint es mir aber weniger eine Frage der Klangsprache als eine der mangelnden Vertrautheit zu sein, oder besser der Möglichkeiten, früh genug mit ihnen vertraut zu werden.


    Diesen Satz von Rideamus fand ich sehr interessant.
    Dadurch, dass ich klassische Musik betreffend mit Tamino als Ziehmutter groß geworden bin oder eben noch am gedeihen bin, war und ist mir genau diese Möglichkeit gegeben. Kleinmeister lerne ich von Klein auf kennen - das ist nichts Fremdes, eigentlich bleibe ich bei keinem 'Großmeister' hängen, sondern schwinge mich von einem zum andern...
    Somit besteht eigentlich kein Unterschied bei mir zwischen den Komponisten, ob nun bekannt oder verstaubt und ausgegraben. Alle fangen gleichzeitig bei Null an und müssen sich ihren Stellenwert bei mir erarbeiten.
    Und da gebe ich eigentlich im Normalfall jedem mehrere Möglichkeiten, denn sowohl vieles von Beethoven als auch ein Zemlinsky haben sich mir nicht beim ersten Hören erschlossen.


    Eigentlich mag ich nicht mal von Klangsprache sprechen, welche sich mir eröffnet - eher von Schönheit des Werkes.
    Passt in jedem Fall besser zu mir...


    Auf jeden Fall versuche ich neuen unbekannten Namen im CD-Zufluss dieser Zeit eben diese auch zu gönnen: Zeit.
    Sicherlich nicht ewig auf einmal, wenn es eben bei einigen Vertrauensannäherungen nicht funkt, dann vielleicht in ein paar Monaten oder auch Jahren...


    Für mich ist also die Klassik sehr häufig eine Gewöhnungsphase.


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Zitat

    Original von Maik
    (...) dennoch kann ich mich halt sehr gut daran erinnern, wie es eigentlich bei so ziemlich jedem Komponisten - ob nun eine feste Größe wie Beethoven oder ein Kleinmeister wie Zemlinsky oder Svendsen


    Das tut mir ja doch ein bischen weh: Alexander von Zemlinsky ist doch kein "Kleinmeister"... Er gehört zu den wichtigsten Komponisten seiner Zeit, dessen Karriere durch den Nationalsozialismus faktisch beendet wurde.


    Die zwölf Jahre der Faschisten haben ausgereicht, eine ganze Generation hochbegabter Künstler "vergessen" zu machen. Nach dem Krieg war es eher die zweite Wiener Schule, an die man sich wieder erinnerte: Schreker, Zemlinksy oder Korngold blieben erstmal in der Versenkung.


    Und sie - und andere Komopnisten mehr - haben es auch heute noch schwer, wenn es um den Platz in der Musikgeschichte geht, der ihnen aufgrund ihrer künstlerischen Kraft zusteht.


    Bitte nicht schimpfen, ich bin etwas ot, aber an dieser Musik hängt schon auch mein Herz dran, sodass ich mich da nur schwer eines Kommentares enthalten kann.

  • Hallo,
    bei unbekannten Werken oder Komponisten höre ich mir das so weit an wie mir möglich erscheint :D
    Muss ich abschalten wegen Nichtgefallen, wandert die Aufnahme an einem anderen Tag wieder in den Player. (Tagesform meinerseits)


    Wenn ich aber nach 3-5 maligem anhören keinen Zugang finde wird die CD dem Archiv gnadenlos zugeführt. :boese2:


    Bis zur wunderlichen Wiederauferstehung eines fernen Tages.


    So des öfteren geschehen nach Radiosendungen.
    Was war das für ein interessantes Stück?
    Warten auf den Kommentar...und dann: Die hab ich doch!


    Beispiele: Varese, Ligeti, Raff Sym., Barber Klavierkonzert, Corigliano, Dutilleux,
    Penderecki, Lutoslawski....usw. :wacky:


    Oder Zufallsfunde beim sortieren der Regale...hä, wasn das?
    Einlegen, hören, wundern, freuen...


    Plötzlich ist der Zugang da.


    Aber nicht immer...endet manchmal auch so 8o :kotz: :faint:


    Ich gebe der Musik aber immer eine Chance... :pfeif:
    fast immer :stumm:


    Gruß
    embe

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Also bei mir ist das auch nicht ein so krasser Unterschied beim ersten Hören von Klein- oder Großmeistern - das erste Hören geht meistens nicht so gut.


    Dann gewöhnt man sich dran und es wird besser.


    Ist ja eine banale Antwort, aber viel mehr kommt da nicht heraus.


    Alfreds Frage nach Beispielen ist bei mir sinnlos, da ich wohl Hundertschaften von Komponisten anführen könnte. Man kann natürlich das "Klick-Machen" abstufen - Alfreds Lieblingsbeispiel Raff hat bei mir wohl kaum zu einem Klick geführt - da ist es nach dem allmählich besser gefallen recht bald wieder zu einem allmählich schlechter gefallen (Virtuosengedudel) gekommen - war aber wohl kein Hauptwerk, was ich da habe ...


    Und bei vielen Komponisten "klickt" es nicht punktuell sondern gaanz langsam graduell.


    Also: Man soll nicht aufhören, sich zu gewöhnen.
    :pfeif:

  • Zitat

    Original von Alviano
    Das tut mir ja doch ein bischen weh: Alexander von Zemlinsky ist doch kein "Kleinmeister"... Er gehört zu den wichtigsten Komponisten seiner Zeit, dessen Karriere durch den Nationalsozialismus faktisch beendet wurde.


    ...


    Bitte nicht schimpfen, ich bin etwas ot, aber an dieser Musik hängt schon auch mein Herz dran, sodass ich mich da nur schwer eines Kommentares enthalten kann.



    Ei...hier muss man echt aufpassen...
    Erst einmal muss ich dazu sagen, dass ich Zemlinsky sehr schätze! Und was ich bisher von ihm hörte weckte mein Interesse, mehr und mehr von ihm kennen zu lernen.


    Das Beispiel des Klein- und Großmeisters war eher so gedacht: Was kennt ein 'normaler' Mensch vielleicht, ein oberflächlicher Klassikhörer. Und von diesem Aspekt ist da sicherlich nicht unbedingt Zemlinsky zu nennen. Meine persönliche Meinung, die allerdings mit dem Stellenwert zu tun hat, den eher bei mir oder auch bei jemandem hat, welcher sich intensiver mit klassischer Musik beschäftigt und halt auch mal abseits von Mozart, Schubert, Beethoven und Bach hinein hört.


    Man muss ja nu net schon wieder diskutieren, wer oder was ein Groß- oder Kleinmeister war/ist/sein wird.


    Irgendwie musste ich ja versuchen dieses Beispiel zu verdeutlichen...hätte ich einen anderen Komponisten genannt, der etwas, nur ein bisschen etwas, bekannter wäre, dann wären sicherlich wieder andere gekommen: "Das ist doch kein Kleinmeister, wie kann man nur :motz:"
    Na ja...leidiges Thema...




    Danke, so hätte ich es auch ausdrücken müssen :angel:


    Gruß, Maik



    PS: Der OT-Teil wird/wurde von mir entfernt...

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7