Schaurig schön - Musik mit dem gewissen Gruselfaktor

  • Liebe Taminotiten!!


    Wenn ich mich recht entsinne, existieren bereits mehrere threads, in denen Musik gelistet wurde, die einen bestimmten affektiven Gestus hat: feierlich, pathetisch etc.


    Heute möchte ich euch mal aufrufen nach Werken zu suchen, die ihr bei Dunkelheit lieber nicht allein genießt - Musik, bei der euch leicht mulmig wird - Musik als Gruselfaktor. Beginnen möchte ich mit vier Beispielen, die mir spontan in den Sinn kommen:


    1.) Ludwig van Beethoven - Klavierkonzert Nr. 4 - II. Satz


    Als Kind war ich zugleich fasziniert und irritiert von diesem Satz, um nicht zu sagen: ich hatte Schiss. Vor allem wenn diese teuflische aufsteigende Trillerpassage im Klavier kam, ich konnte nicht weg - es zog mich in seinen Bann
    Auch heute noch (mit den richtigen Pianisten) ein Gruselkabinett!


    2.) Sergej Prokofieff - Romeo & Julia - Montagues und Capulets


    Ich hoffe, ich irre nicht bei der Einordnung, aber es gibt da eine Crsecendo-Stelle im Orchester, bei der es urplötzlich zu einer vermeintlich dissonanten Orchesterexplosion kommt - wer schwache Nerven hat: nur bei Licht genießen und möglichst nicht alleine ;)


    3.) Andre Caplet - La Conte fantastique


    Dieses Werk, von dem ich schon anderer Stelle geschrieben habe, basiert auf einer Geschichte von E.A.Poe - Harfe als Gruselfaktor - c'est magnifique!!


    4.) B. Bartok - Musik f. Saiteninstrumente, Schlagzeug & Celesta - III.Satz


    S. Kubrick wird schon gewußt haben, warum er sich bei einen der großen Meister des 20. Jhd für seine Stephen King-Adaption "Shining" bedient hat.
    Der dritte Satz, ein typisches Beispiel für Bartoks "Nocturnes", denen allen das Unheimliche gemein ist - hier scheints auf die Spitze getrieben. Beginn mit mit einem Eintonrhythmus auf dem Xylophon, Paukenglissandi kündigen eine unheilvolle Stimmung an - der genialische Höhepunkt: böse Streicherglissandi, die von Celestaläufen begleitet werden - in der typsichen Bartokmanier so fesselnd, daß man nicht aufhlören kann zu lauschen trotz des sich einstellen Flauegefühl in der Magengegend. Mein Lieblings-Schocker!!!


    So, und nun ihr!


    :hello:
    Wulf

  • Hallo,


    Schubert: Erlkönig, DIe "Unvollendete" - 1.Satz
    Saint-Saens: "Aquarium" aus dem "Carnaval"
    Czerny: Ouvertüre characteristique et brillante Op.54
    Mendelssohn: Sommernachtstraum Ouvertüre + Scherzo, Die Hebriden
    Chopin: Ballade Nr.1, Fantasie-Impromptu
    Brahms: Symphonie Nr.3 - 1.Satz
    Dohnanyi: Suite in fis-moll Op.19 - Scherzo
    Janaceck: Sinfoniatta - Moderato
    Faure: Sicilienne aus "Pelleas et Mellisande"
    Moussorgsky: Nacht auf dem Kahlen Berge, BIlder einer Ausstellung: Der Gnom, Das alte Schloss, Bydlo,
    Ravel: Daphnis et Chloe
    Ligeti: Lux Aeterna
    Nono: Como una ola de fuerza y luz ( :faint: - ich sterbe bei dieser Musik vor Angst...!!!)
    Penderecki: Threnos
    Rachmaninoff: Prelude Op.3


    Um nur einige - teils sehr prominente - Beispiele zu nennen.


    LG
    Raphael

  • Ein absoluter Gruselschocker und toller "party-gag":
    Beginn des Penderecki Cellokonzerts.
    Da hat noch jeder Gänsehaut bekommen...

  • Mir läuft bei Mahlers Fünfter stellenweise wirklich vor Angst der Schauer den Rücken herunter, vorallem wenn ich sie am Abend bei Dunkelheit höre.
    Dann noch der Totentanz von Liszt und Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" und natürlich seine ganze Winterreise.
    Hmm, vielleicht noch Stravinskys Le Sacre du Primtemps ...

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  • Ich habe gerade Furtwänglers Aufnahme von Bruckners Siebenter gehört. Von der gruseligen Aufnahmetechnik mal abgesehen - gegen Ende des dritten Themas verwackeln die Blechbläser übelst den Einsatz; heraus kommt eine Dissonanz, die sich gewaschen hat. Da wurde mir gerade tatsächlich ein wenig mulmig. ;-)

  • Irgendwie schauerlich: Der zweite Satz aus dem Klavierkonzert von Khatschaturjan. Wenn das Flexatone einsetzt vermag man die leichenblasse Dame in Weiss hinter seinem Rücken schwebend zu spüren und man::untertauch:


    gruselige Grüße
    Frank

  • Zitat

    Original von flotan
    Lieber Raphaell,
    Nr. 2, brrrr


    :untertauch: Entläd sich hier gerade deine Wut auf meine schlechten Augen oder unterstreichst du deinen Höreindruck mit onomatopoetischen Begriffen?
    ?(


    LG
    Raphael


    Jedenfalls Danke für die Aufklärung! :D

  • Hallo zusammen!


    Zu dem Begriff "schaurig schön" fällt mir spontan ein:


    Schubert: Der Tod und das Mädchen, Der Erlkönig, Der Zwerg


    Britten: Das Finale von Peter Grimes


    Löwe: Edward


    Verdi: Macbeth: Die Schlafwandelszene der Lady, die Hexen-Szenen


    Donizetti: Lucia di Lammermoor: Die Wahnssinnszene der Lucia


    Chopin: Marche funebre


    Schostakowitsch: Die Streichquartette


    bei all diesen Werken rinnen mir beim Anhören kalte Schauer über den Rücken.

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  • Schaurig-schöne Musik mit dem gewissen Gruselfaktor...


    ...das ist für mich Brittens "The Turn of the Screw", und zwar von vorne bis hinten. Alles ist so "unheimlich" doppeldeutig - und durch die sensible Verwendung des Kammerorchesters bekommt alles eine sehr persönliche Note und verstärkt den Gruselfaktor.


    Besondere Erwähnung findet dabei für mich das Duett der beiden "Geister": The ceremony of innocence...


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)


  • ... das war so ein onomat.... Begriff. Ich hätte das "2" auch nicht erkannt!
    :hello:

  • Alfred Schnittke, Viola-Konzert
    Besonders zu Beginn des Konzertes bekomme ich regelrechte Beklemmungsgefühle.


    Viele Grüße
    Frank

    From harmony, from heavenly harmony
    this universal frame began.

  • Hoffmanns Erzählungen


    Antonia-Akt: Wenn Doktor Mirakel illusionistisch der Antonia in einer Vision ihre Mutter vorführt, dann wirken alle guten Opern-Geister zu einem schaurig-schönen Erlebnis zusammen. Der absolute Höhepunkt eines der genialsten Akte der Operngeschichte!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Liebhaber des musikalischen Grusels,


    meine persönlichen, schaurig schönen Lieblingsstellen mit Gruselfaktor möchte ich nun auch noch hinzufügen.
    Besonders die ersten drei Beispiele verbreiten eine enorme unheimlich-bedrohliche Atmosphäre, die ich allerdings - um den Gruseleffekt noch zu steigern - am liebsten des Nachts und evtl. bei Kerzenschein auf mich wirken lasse:


    Erwin Schulhoff (1894-1942): Flammen - Oper in 2 Akten, opus 68 1927-29: I. Akt, Szene 4: Chimäre


    Karol Szymanowski (1882-1937): Symphonie Nr. 3 B-dur "Das Lied von der Nacht" für Tenor, gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 27 1914-16


    Karol Szymanowski (1882-1937): Król Roger (König Roger) - Oper in 3 Akten, opus 46 1918-25


    Gustav Holst (1874-1934): The Planets - Suite in 7 Sätzen, opus 32; H 125 1914-17: 7. Neptune, the Mystic


    Béla Bartók (1881-1945): A Kékszakállú Herceg Vára (Herzog Blaubarts Burg) - Oper in 1 Akt, opus 11; Sz 48 1911


    In dem von Raphael bereits genannten Ballett Ravels finden sich meiner Meinung nach ebenfalls einzelne schaurig schöne Momente, die einen herrlichen Grusel auslösen können:


    Maurice Ravel (1875-1937): Daphnis et Chloé - Ballett-Symphonie in 3 Teilen 1909-12 (Chorfassung)


    :hello:
    Johannes

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  • Salü,


    gruselige Musik? Höre ich höchstens aus Versehen mal... das liegt dann aber eher an der Interpretation :rolleyes: ich kann z. B. am 2. Satz Beethovens 4ten Konzertes nichts dergelichen finden. In den Bann zieht mich die T[h]rillerstelle dennoch.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Jörg,


    Zitat

    Original von klingsor
    hm, also unter 'gruselig' verstehe ich wohl was anderes als die meisten hier ?( :no:


    dann nenn' doch mal Deine Grusel-Favorites. ;) Würde mich echt interessieren! :yes:


    LG
    Johannes

  • Irre ich mich, oder ist tatsächlich noch nicht die "Symphonie fantastique" von Hector Berlioz genannt worden? Vor allem die beiden letzten Sätze - "Marche au Supplice" und "Songe d'une Nuit du Sabbat" - haben für mich sehr gespenstige Züge.


    raphaell: Über Geschmack kann man bekanntlich streiten: was bitte findest du an Brahms 3. Sinfonie, 1. Satz gruselig? Ich liebe dieses Werk, aber es ist doch alles andere als gruselig (zumindest für mich...)

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

  • Hallo Gerald,


    Ich finde es einfach immer wieder schauerlich wie sich dieser Satz zu beginn harmonisch und dynamisch entwickelt. Da Steckt für mich ein Hauch Wahnsinn drin - es ist auch nur der Beginn...vielleicht besonders die ersten 10, 15 Takte.


    Dieser Satz ist nicht mysteriös-gruselig aber gruselig im Sinne von Wahnsinnig!


    LG
    Raphael

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  • Hallo, miteinander!


    Weiter oben war wohl schon von ähnlichen Solokonzerten die Rede (Penderecki, Schnittke). Ich kenne sie noch nicht, das soll sich ändern. :)


    Kennt jemand das Cellokonzert Nr. 2 aus dem Jahre 1966 von André Jolivet? Mein Mitschnitt wird immerhin interpretiert von Mstislaw Rostropowitsch und dem Orchestre National de l´ORTF, Paris, geleitet vom Komponisten.


    Eine Musik von leidender, schreiender Aggressivität, hoch emotional, gänzlich undistanziert. Faszinierend. Nicht nur beim ersten Hören wahrlich erschreckend.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Es dürfte Hunderte Stellen geben, von mir nur drei:


    Das Ende von Blaubarts Burg von Bartok.


    Der Anfang von Schostakowitschs 14. Sinfonie.


    und besonders:
    Il Prigioniero von Dallapiccola.


    Thomas

  • Spontan fällt mit der zweite Satz von Beethovens Neunter ein. Das ständige Aufflammen hat sowas von "und willst Du nicht, so brauch ich Gewalt"...
    Ich kann mich trotzdem nicht satthören daran - Faszination der Gefahr ?!?!


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Sag mal Wulf, Du hast vielleicht einen Humor - im Backofensommer kommst Du mit Gruselgeschichten... :rolleyes:


    Bei mir ist es auch die fantastische Symphonie des Herrn Berlioz, die noch am ehesten Gruseln lässt; diese Opiumbezüge erinnern mich immer (nein! nicht an meine eigenen Exzesse... :beatnik: ) an E.A.Poe , den man uns als Knirpse im Zeltlager als Gute-Nacht-Grusel-Geschichten erzählt hat.



    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Mahler - Trinklied vom Jammer der Erde


    Wenn die Stelle kommt, wo es da heißt:


    Seht doch hinab! Im Mondschein auf den Gräbern
    Hockt eine wild-gespentische Gestalt!
    Ein Aff ist's! Hört ihr, wie sein Heulen
    Hinausgellt in den süssen Duft des Lebens!


    Ja. Dann hör ich diesen Affen heulen und versteck mich tief
    unter der Decke, die dann höchstens die Gänsehaut noch vermag
    zu heben und denk: Oh jeh. Es hat mich schon wieder erwischt.



    8o

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  • Hallo zusammen,


    in Smetanas Streichquartett "Aus meinem Leben" gibt es die Stelle, an der die kreischende Violine den Hörsturz symbolisiert, der fast schlagartig zur Taubheit des Komponisten führte. (Anhand des Quartetts kann man wohl sicher sein, dass es sich um Tinnitus in schwerster Form gehandelt haben muss.)


    Schaurig und beängstigend.


    Gruß
    Pylades

  • Hallo,
    eine der gruseligsten Musiken für mich ist im Soundtrack von Dracula zu finden, Die Jagd. Der Komponist ist Wojciech Kilar :untertauch:



    Das hat schon was, da möchte ich nicht im dunklen Wald alleine wandern
    wenn das im mp3 Player läuft :faint:


    Gruß
    embe

  • Hallo,


    ein Moment, bei dem mir sich die Haare kräuseln, ist der prononcierte Eintritt der Pauke (T. 26) in der Freischütz-Ouvertüre, wie man sie hier bei Furtwängler hört:




    Liebe Grüße


    Peter

  • Ich habe gestern nochmal die Tosca gehört(siehe entsprechender Thread hier) und fand diese Oper absolut schaurig. Die Folterszene im Hintergrund, die scheinbar gefakte Hinrichung Cavaradossis, die dann doch echt ist und die Ermordung Scarpias durchTosca: also schauriger gehts für mich kaum noch. :no:
    F.Q.

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