Hildebrandts HIP-CDs für die Insel

  • Verzichten möchte ich eigentlich auf kaum eine meiner CDs oder LPs; für die Ausnahmen gibt es ja einen eigenen Thread.
    Aber ein paar liegen mir sicherlich mehr am Herzen als andere. Wenn man davon die abzieht, die hier schon von anderen empfohlen worden sind, bleiben immer noch ein paar übrig, denen ich ein größeres Publikum gönne (und die den Schrankkoffer für die einsame Insel füllen würden).


    Als erstes eine perfekte Cembalo-Aufnahme:
    „J. S. Bach and the Möller Manuscript“
    Music for Harpsichord



    Die Möllersche Handschrift ist nach Ihrem späteren Besitzer so benannt, der eigentliche Schreiber war der große Bruder von Johann Sebastian, zugleich dessen erster Lehrer. Und dass Johann Christoph schon zwischen 1703 und 1705 Stücke seines kleinen Bruders sauber in einen Sammelband einträgt, will etwas heißen.
    Aus diesem Manuskript sind neben Kompositionen von JSB Stücke von Zachow, Böhm, Reincken, Ritter, Fabricius und Lully auf der CD versammelt - zum Teil bekannte Sachen, aber meistens in unbekannten Fassungen. Andere Stücke bekommt man sonst nirgends zu hören, so etwa die von Johann Christoph Bach angefertigte Bearbeitung der Chaconne aus Lullys Oper Phaeton.
    Und spielen kann die Frau! Souverän, exakt, virtuos, lyrisch – ohne Fehl und Tadel, dabei meckere ich doch so gerne.
    Ein Genuss sind obendrein die beiden Cembali, eine Zell- und eine Fleischer-Kopie, die schön unterschiedlich klingen. Beim Zell rauscht’s gewaltig, das Fleischer wirkt intimer, klingt wesentlich wärmer.
    Ein Genuss wird es aber erst durch die Aufnahmetechnik, und auch an der kann ich nichts aussetzen. Ob über Kopfhörer oder angemessene Lautsprecher – klarer und deutlicher geht’s nimmer.
    Das Booklet bietet Informationen zur Quelle und zu allen Stücken, ist auch hübsch aufgeräumt und lässt sich in Englisch, Französisch und Deutsch lesen.
    Hier stimmt alles: Bestnoten in sämtlichen Disziplinen!



    Der einzige Minuspunkt: Carole Cerasi ist türkisch/sephardischer Herkunft, in Schweden geboren, hat in den Niederlanden studiert und lebt in England. Wie um Himmels Willen spreche ich ihren Namen richtig aus?


    Ach ja, eine Homepage hat die Dame auch: einfach ihren Namen bei Google eingeben...
    Dass sie aussieht wie Buxtehudes Tocher (siehe
    Blackadders Feuilleton), dafür kann sie ja nichts.
    Aber man soll sie ja schließlich HÖREN, nicht sehen. :D


    edit: ich liebe Teppfihler X(

    Einmal editiert, zuletzt von Hildebrandt ()

  • Eine schon ein bisschen betagte Aufnahme, die aber für mich immer noch weit vor allen anderen, auch den jüngeren Konkurrenten rangiert. Die ehemaligen LPs sind günstig als CDs zu haben.


    Christie spielt auf höchstem Niveau, wobei er alles Akademische und gewollt Historisierende weit hinter sich gelassen hat. Die Charakterstücke bekommen Charakter, ein bisschen Agogik darf sein, und die Verzierungstechnik hat genau das Spielerische und doch Exakte, was bei dieser Musik einfach dazugehört. Und wo immer angebracht, macht er auch ein Fass auf und schont die beiden immerhin etwa 260 und 360 Jahre alten Cembali ganz und gar nicht. Und dann wird es wieder ganz poetisch; es gibt sogar ein wunderbar weiches peau-de-buffle-Register (in der Sarabande der A-Dur-Suite) zu hören.
    Im CD-Booklet findet sich zu den Instrumenten wenig – das war bei den LPs noch anders. Geht man aber auf mediatheque.cite-musique.fr/masc/ über „collections...“ und „instruments...“ zur Suchmaske und gibt dort unter Mot-clé(s) : „Clavecin“ und unter Facteur, auteur ou sujet : „Goujon“ ein – respektive „Clavecin“ und „Ruckers“ (es ist das von 1646) –, bekommt man auch einen optischen Eindruck von der Pracht, die diese Töne hervorbringt.
    Französische Cembalokunst auf höchstem Niveau – in jeder Hinsicht.

  • 16th Century English Harpsichord and Virginals



    Die Tradition der englischen Virginalisten hat für viele vielleicht etwas Staubiges, Altertümliches, das in die Regale der Historiker gehört. Wer aber einmal gehört hat, wie Pinnock hier einen kleinen Querschnitt durch diese Musik präsentiert, wird das nicht mehr behaupten wollen.


    Es handelt sich um Hausmusik im besten und anspruchsvollsten Sinne. Die Stücke wurden abgeschrieben und weitergereicht. Oft entstanden ganze Sammlungen, die berühmteste ist das „Fitzwilliam Virginal Book“, benannt nach einem späteren Besitzer, in dem knapp 300 Stücke für die Tasteninstrumente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts versammelt sind. Unter den Urhebern finden sich so erlauchte Namen wie Byrd, Tallis, Gibbons, Bull, Farnaby, aber auch viele anonyme Stücke.
    Es gibt einfache Lied- und Tanzsätze, die aber oft sehr reizvoll sein können, wie “My Lady Careys Dumpe“ mit ihren treibenden Bordunbässen. Dann wieder finden sich für Tasten gesetzte Lautenstücke von Dowland, in denen es natürlich melancholisch zugeht. Die Krönung sind aber solche Virtuosenstücke wie „The King’s Hunt“ oder – als Vorgriff auf Franz Liszt :D– „Barafostus’ Dreame“ von Thomas Tomkins, bei denen auch Pinnock den Zuhörer schwindlig spielt.


    Ein hübscher Nebenaspekt sind die von ihm verwendeten Instrumente, die denen der Damaligen Gegebenheiten entsprechen. Man hört also nicht nur Cembalo, sondern auch Virginal und Muselaar (beides rechteckige Kisten, bei denen die Klaviatur entweder rechts (Virginal) oder links (Muselaar) in die vordere Längsseite eingelassen ist). Besonders das Muselaar hört man selten; schon deshalb lohnt sich die Anschaffung.


    Die CD ist eine LP-Übernahme aus den 70ern. Zwischendurch gab es auch Niedrigpreis-Auflagen, die allerdings auf solche Luxuria wie eine Textbeigabe verzichtet haben. Man muss bestimmt nicht die derzeit verlangten Preise einiger Anbieter bezahlen, wenn man warten kann.
    Die Aufnahme klingt frisch und sauber und ist auch nicht so direkt aufgenommen, dass dem Zuhörer die Springer quasi um die Ohren fliegen.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Der einzige Minuspunkt: Carole Cerasi ist türkisch/sephardischer Herkunft, in Schweden geboren, hat in den Niederlanden studiert und lebt in England. Wie um Himmels Willen spreche ich ihren Namen richtig aus?


    Wenn ich von türkischer Aussprache ausgehe: den Vornamen wie im Französischen, den Nachnamen "Dscherasi" mit stimmhaftem "Dsch".


    Scheint ja eine CD für die Wunschliste zu sein ... Buxtehudes Tochter stelle ich mir allerdings wesentlich unattraktiver vor.

  • Zitat

    Original von miguel54
    Wenn ich von türkischer Aussprache ausgehe: den Vornamen wie im Französischen, den Nachnamen "Dscherasi" mit stimmhaftem "Dsch".


    Merci. Sowie ich der Dame gegenüberstehe, probier ich's aus. (Falls ich dann nicht ins Stottern komme :D)



    Zitat

    Scheint ja eine CD für die Wunschliste zu sein ...


    Unbedingt! :yes:

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  • Zitat

    Original von miguel54



    Wenn ich von türkischer Aussprache ausgehe: den Vornamen wie im Französischen, den Nachnamen "Dscherasi" mit stimmhaftem "Dsch".


    wenn du dann noch das türkische i ohne i-punkt rüberbringst, hast du wohl alle register bei ihr gezogen...
    (obwohl man bei eigennamen nie weiß :rolleyes: )

  • Zitat

    Original von observator


    wenn du dann noch das türkische i ohne i-punkt rüberbringst, hast du wohl alle register bei ihr gezogen...
    (obwohl man bei eigennamen nie weiß :rolleyes: )


    Mir hat unser zeitweiliger türkischer Konzertagent, der ein solches im Nachnamen hatte, das Kompliment gemacht, ich würde es richtig aussprechen, im Gegensatz zu den meisten Europäern .... bei Frau Cerasi gehe ich wegen der sephardischen Herkaungt und weil es auf ihrer Website mit "i" geschrieben ist, davon aus, das es einen Punkt hat ... ;)