Ist das schon/noch Klassik? Musik jenseits der Schubladen...

  • Alle Puristen jetzt mal weglesen... Tummelt euch woanders :D


    Inspiriert zu diesem Thread wurde ich durch das Stöbern einiger Kartons, in denen seit dem letzten Umzug einige CDs ein Schattendasein fristeten. Ich entdeckte eine CD, die mich seinerzeit sehr beeindruckte, die in Ermangelung aber einer eindeutigen Kategorisierung in eben jene Kiste wanderte und jahrelang im Dunkeln vor sich hinstaubte.


    Klassik, Pop, Jazz, Volksmusik, die Grenzen scheinen sicher, die Zäune hoch genug, alleine so manches Schlupfloch läßt sich finden, wo sich allerlei Exotenvolk tummelt und ungeachtet der Schubladen ein fröhlich Stelldichein feiert. Ob nun Crossover oder Klassik im Rockgewand (es scheuen sich ja einige subversive Gestalten nicht, Klassik im Disco-Gewand der 70er zu hören), es gibt Musik, die erwächst im einen Genre und erblüht im anderen. Bevor mein salbadernder Ton aber endgültig ins Schlingern kommt, möchte ich das Album nicht vorenthalten, was diesen Thread ins Starten brachte.



    Mark Hollis war seinerzeit Gründer und Mastermind der Pop-Gruppe Talk Talk und hatte in den 80er einige Hits. Nach und nach wurden die Alben der Band aber, trotz kommerziellen Schiffbruchs vor Augen, immer freier vom engen Gerüst eines gewöhnlichen Popsongs. Bis 1992 das Ende der Gruppe eingeläutet wurde und sechs Jahre später Mark Hollis ein Solo-Album auf den Weg brachte, auf dem Klavier, Gitarre, Holzbläser und sonstige stromlose Instrumente (in meinen Augen) wunderbare Songs zum Besten gab, die ich nicht einfach in die Pop-Ecke stecken will und kann.


    Kennt ihr Alben, von denen ihr nicht wisst, wohin sie gehören? Ist das schon Klassik? Ist das noch Pop? Rock? Jazz? Sibirischer Volkstanz?

  • Tolle Idee, dieser Thread!


    Die Hollis-Platte hab ich auch, aber ewig nicht mehr gehört. Wenn ich mich recht erinnere, besteht die äußerst sparsame Musik ungefähr zur Hälfte aus Pausen und ein Lied handelt vom 1. Weltkrieg.


    Mein Beitrag:



    Hier sind zu Texten u. a. von Paul Simon das Kronos-Quartett und Linda Ronstadt, die ich für ihre frühen Platten sehr schätze, zu hören.
    Als die Platte 1985/1986 erschien, war sie noch vor Koyaanisqatsi meine erste Begegnung mit der Musik von Philipp Glass und sie hat damals ziemlich eingeschlagen; ich mag sie immer noch sehr gerne.

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

  • Wenn Du das Attribut "jenseits der Schubladen" verwendest, warum fragst Du dennoch, ob es schon/noch Klassik ist und steckst es nicht stattdessen in die große Schublade "Jenseits der Schubladen"? :D


    Oder Du erfindest eine neue Schublade, wie es im Populärbereich ständig geschieht (Speed metal, Death metal, trash metal, killer metal)


    "acoustic art pop" oder was auch immer, Klassik ists jedenfalls nicht :D


    Scheint mir im Zweifelsfalle sinnvoller als die Schublade Klassik beliebig auszuweiten (weil man das irgendwie doch als Adelsprädikat ansieht?)


    viele Grüße


    JR (der es ziemlich absurd findet, dass etwas, auf das man beim besten Willen nicht verzichten kann, wie Schubladendenken, immer so runtergemacht wird...)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich hätte da auch noch so einen Problemfall:



    Shaun Davey, The Brendan Voyage


    Für den einen ist er der ultimative Ausdruck von Romantik und Nostalgie, für den anderen schlichtweg eine Ohrenbeleidigung: Der Irische Dudelsack!


    Shaun Davey hat ein Konzert für Dudelsack und Orchester komponiert - oder ist es eher eine Suite? Oder eine konzertante Suite? Oder einfach nur ein "Album"?
    Jedenfalls ist es Programmusik. Die zehn Sätze der Komposition schlildern die Reise des heiligen Brendan, der bereits im 5. Jahrhundert von Irland nach Nordamerika gesegelt sein soll.
    Das hörbare Ergebnis selbst besteht aus einer Mixtur von Folk, Rock und Klassik. Schubladenfanatikern mag dies Kopfschmerzen bereiten. Ich schlage dagegen vor, sich einfach nur zurückzulehnen und von der eingängigen Musik angenehm berieseln zu lassen (soweit man irische Dudelsäcke mag).


    Viele Grüße
    Frank

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Wenn Du das Attribut "jenseits der Schubladen" verwendest, warum fragst Du dennoch, ob es schon/noch Klassik ist und steckst es nicht stattdessen in die große Schublade "Jenseits der Schubladen"? :D


    Das könnte ich natürlich tun, rührt aber nichts an meiner Meinung, dass es "Grenzüberschreitungen" gibt. Da ich Schubladen aber mag, ist eine große "Jenseits der Schubladen" irgendwie doof...


    Zitat

    Oder Du erfindest eine neue Schublade, wie es im Populärbereich ständig geschieht (Speed metal, Death metal, trash metal, killer metal)


    "acoustic art pop" oder was auch immer, Klassik ists jedenfalls nicht :D


    Kann ich nicht beurteilen, zumindest höre ich im Falle Hollis einige Anleihen, die kurzzeitige Assoziationen durchaus zulassen. Ich würde einige Tori-Amos-Songs auch als Lieder durchgehen lassen, weniger als Popsongs... Warum ist Hollis' Album keine Klassik?


    Zitat

    Scheint mir im Zweifelsfalle sinnvoller als die Schublade Klassik beliebig auszuweiten (weil man das irgendwie doch als Adelsprädikat ansieht?)


    Vielleicht ist der Grund simpler: Es ist für Pop zu anspruchsvoll? Es erfordert einen höhere Konzentration beim Konsumieren? Es ist notiert? Die Nähe von Hollis zu einem klassischen Komponisten ist mir zum Beispiel plausibler als die Schubladennähe zu einem Bohlen...


    Zitat

    JR (der es ziemlich absurd findet, dass etwas, auf das man beim besten Willen nicht verzichten kann, wie Schubladendenken, immer so runtergemacht wird...)


    Merkwürdig, dass ich den Eindruck erwecke, ich würde Schubladendenken runtermachen. Ich liebe Schubladen. Nur hab ich zu wenig davon, wie ich oben bereits bemerkte...


    Ist es also ausgeschlossen, dass aus populärer Musik etwas entstehen kann, das qualitativ etwas darstellt wie zeitgenössische Klassik? Jenseits von Kommerz? Nein, keine Antwort... ich kann sie mir denken. Überzeugt mich zwar nicht, aber ich kann sie bis hierher hören :D


    Blackadder (der in der Einstiegszeile extra darauf hingewiesen hat, dass Puristen sich woanders tummeln sollten) :D

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Blackadder
    Merkwürdig, dass ich den Eindruck erwecke, ich würde Schubladendenken runtermachen. Ich liebe Schubladen. Nur hab ich zu wenig davon, wie ich oben bereits bemerkte...


    Da ich ein großer Ordnungsfanatiker bin, liebe ich ebenfalls Schubladen an sich. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass eine größere Anzahl von Schubladen wieder zum Durcheinander führen kann, was ja wohl nicht gewollt ist...


    Jedenfalls hätte ich keine Bedenken, den von mir oben erwähnten Shaun Davey in meinem alphabetisch geordneten CD-Regal zwischen Da Falla und Debussy einzusortieren.


    Zitat

    Original von Blackadder
    Ist es also ausgeschlossen, dass aus populärer Musik etwas entstehen kann, das qualitativ etwas darstellt wie zeitgenössische Klassik? Jenseits von Kommerz? Nein, keine Antwort... ich kann sie mir denken. Überzeugt mich zwar nicht, aber ich kann sie bis hierher hören :D


    Auf jeden Fall nein! (War das die gedachte Antwort?)


    Viele Grüße
    Frank

  • Schubladen? Das ist fürchterlich. Mal ganz im ernst: Füre meine eigene Plattensammlung muß ich mir ein Kriterium ersinnen, nach dem ich meine Platten -oder CD's- wiederfinde. Das ist aber auch der einzige Sinn und Zweck. Alles andere steht im Ruch der Wertung. Und da gilt für mich nur meine Subjektivität.


    So viele Ben Cohrs' könne da gar nicht geboren werden, um mich etwa von meinen Vorstellungen von Bruckners 9. abzubringen. Von jenem Österreicher, der da alles von Bruckner sukzessive reloaden muss ganz zu schweigen.


    Lieber Blackadder, der Du so göttliche Texte zu verfassen weist: hör Dir die Musik an, die Dir gefällt. Kategorien sind ganz gut zum Wiederfinden in eigenen Plattensammlungen. Ansonsten taugen sie bestenfalls als Schlagdraufargument (HIP vs. wie ehedem etc).


    Diese Frage ist eine grundsätzliche: Du bist Dein Maßstab, nicht etwas, das von außen kommt. Kauf Dir einen Schrank mit vielen Schubladen. Aber bestimme Du, was hineinkommt. Was haben denn andere da zu melden, außer eigenen Meinungen? Genau: Nichts.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    PS: Letztes Jahr war das 40. Jubiläum des Erscheines des Beatles-Albums "Revolver". Dieses Jahr betrifft es "Stg. Pepper". Nächste Jahr müsste "White Album" dran sein. Das wird mal Kanon sein. Und die Beatles haben zur gleiechn Zeit publiziert wie Boulez, Stockhausen, Kagel, Ligeti etc. Wir müssten "Stg. Pepper" gegen die "Atmospheres" setzen, "Abbey Road" gegen Zimmermanns "Ecclesiastische Aktion" usw.


    Stellen wir also fest: Wir leben in einer Zeit, in der sich Musiker ihrem Selbstverstädnis nach kategorisieren und von daher als "die Besseren" und die Anderens als "die Schlechteren" ansehen. Haben wir in der bilden Kunst auch. Einfach ignorieren.


    Ich bin ich. Dagegen muß wer anders erst einmal ankommen!

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Es ist doch wie immer: am besten lässt sich bekanntlich (nicht) über Geschmack streiten...


    Phil Glass mit "liquid days" auf der einen Seite, Michael Nyman auf der anderen (Klavierkonzert, z. B.), Klaus Nomi mit Ausschnitten aus "Dido" oder vielleicht E, L & Palmer mit "Pictures" - eventuell kennt auch noch der eine oder die andere "Novalis" - die haben Bruckners - ich glaube, es war die dritte - bearbeitet.


    Wenns gefällt - warum nicht?