Sind Libretti Literatur?

  • Liebes Forum,


    folgende Frage: Soll man Libretti als eigenständige, also von der Musik unabhängige Literatur lesen können und sie nach dementsprechenden Maßstäben beurteilen? Oder sind sie ein fester Bestandteil der plurimedialen Oper, den man nicht einfach so herauslösen sollte/kann?


    Wenn sie getrennt von der Musik bestehen müßten, dann gäbe es wohl da nicht allzuviel, was hohen Ansprüchen gerecht würde. Warum ist dem so? Oder sind die Libretti besser als ihr Ruf? Oder sollte man sie gar nicht lesen, wenn man nicht dabei auch gleichzeitig hört?


    Mit den besten Wünschen,


    :hello:
    M.

  • Salü,


    grundsätzlich ordne ich Libretti durchaus in der Literatur ein - die Musik selbst gilt ja auch als Literatur. Aber ein Libretto, dass auf die Fertigung von spezieller Musik Rücksicht nimmt bzw. Rücksicht nehmen muss/sollte, mit einem Drama von Shakespeare, Goethe oder sonstwem direkt zu vergleichen, ist nicht zulässig: Folgend wären alle Dramen, Schauspiele und sonstigen Theaterstücke auch keine Literatur, weil sie sich eben nicht vertonen liessen: Schillers "Räuber" wären demzugolge ein schlechtes Libretto...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,


    Libretti sind natürlich nicht als eigenständige, von der Musik unabhängige Literatur gedacht. In vielen Fällen sind sie m.E. ohne Musik, fast ebenso häufig auch mit Musik, wenig wert.


    Dennoch gibt es Ausnahmen: So habe ich mich schon häufig dabei erwischt, Wagners Ring-Libretto zu lesen, ebenso den Wozzeck und Zemlinsky-Opern sowie auch mehrere Opern des 20ten Jahrhunderts.


    Ich finde übrigens, dass in der "neueren" Musik mehr Sorgfalt auf die Qualität der Operntexte bzw. Konformität von Text und Musik gelegt wurde (und wird) als in der klassischen.


    Aber halt: Den "Don Giovanni" lese ich auch sehr gerne.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Ich finde übrigens, dass in der "neueren" Musik mehr Sorgfalt auf die Qualität der Operntexte bzw. Konformität von Text und Musik gelegt wurde (und wird) als in der klassischen.


    Salü,


    es mag durchaus sein, dass modernere Libretti eine andere Wortwahl aufweisen und auch in sich schlüssiger sind, was die Handlung betrifft - aber ihr Anspruch ist ja auch ein ganz anderer, oder nicht? Jedenfalls kann ich die Aussage, dass "Konformität von Text und Musk" in der klassischen Musik weniger beachtet wurde als heute, nicht so stehen lassen. Gerade Mozart oder Kraus [noch mehr!] lassen jedem Sänger das Wort auf der Zunge zergehen, Mozart änderte Libretti radikal ab, nicht nur der Musik wegen, sondern der Ausdrucksweise wegen.


    Und dass manches z. B. in der Zauberflöte oder Entführung für heute kitschig klingt, dafür können ja die Autoren nichts.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Ulli,


    Du argumentierst gerade mit einer Ausnahme. Das habe ich ja auch mit meinem letzten Satz, exempl. dem Don Giovanni, ebenfalls sagen wollen.


    Wenn ich mir jedoch die vielen Libretti der Nicht-Ausnahmen anschaue, gewinne ich im Allgemeinen eher den Eindruck von Beliebigkeit und Halbherzigkeit.


    Wenn ich jedoch verfolge, wie seit Wagner, Zemlinsky oder Schönberg bis heute (s. auch Berg, Britten, Ligeti, Henze) an dem Zusammenwirken von Text und Musik gearbeitet, wieviel Liebe und Sorgfalt dem Text entgegengebracht wird, so drängt sich mir obige Aussage auf. Häufig entstehen die Texte gemeinsam, Schritt für Schritt, mit der Musik und verschmelzen damit; das gehört natürlich nicht zum Thema, soll jedoch verdeutlichen, wieviel Sorgfalt und kompositorische Wichtigkeit dem Libretto in den heutigen Zeiten häufig beigemessen wird.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salü,
    grundsätzlich ordne ich Libretti durchaus in der Literatur ein - die Musik selbst gilt ja auch als Literatur. Aber ein Libretto, dass auf die Fertigung von spezieller Musik Rücksicht nimmt bzw. Rücksicht nehmen muss/sollte, mit einem Drama von Shakespeare, Goethe oder sonstwem direkt zu vergleichen, ist nicht zulässig: Folgend wären alle Dramen, Schauspiele und sonstigen Theaterstücke auch keine Literatur, weil sie sich eben nicht vertonen liessen: Schillers "Räuber" wären demzugolge ein schlechtes Libretto...


    Lieber Ulli,


    es ist eben nicht immer so eindeutig, ob ein Libretto tatsächlich auf die Musik Rücksicht nimmt. Das ist von der Arbeitsweise des Komponisten abhängig. Es gab Libretti, die dem Komponisten einfach vorgelegt und die dann komponiert wurden. Daneben gibt es außerdem das Phänomen der sogenannten Literaturoper, d.h. ein Libretto, das gegenüber einer literarischen Vorlage nicht oder eben nur geringfügig verändert wurde.
    Deine Schlußfolgerung würde ich nicht unterschreiben. Daß man an ein Libretto die Forderung erhebt, auch unabhängig von er Musik gut zu sein, hat nichts damit zu tun, daß man dann etwa Schiller o.ä. vertonen können muß (das folgt auch rein logisch gar nicht aus der ersteren Forderung!).


    Ich denke, daß es gewiß auch Librettisten gab, die ihre Arbeit ganz gewiß auch als eigenständige literarische Kunstwerke betrachtet haben: Hofmannsthal, D'Annunzio, Zweig usw.


    Ich finde nicht, daß ein Libretto, nur weil es vertont wird, auch allein, also von der Musik isoliert, nicht gut sein muß. Ich finde, daß es auch allein bestehen muß. Ein gutes Libretto ist dann außerdem ein ungemeiner Gewinn für die Oper, ebenso wie ein schlechtes nahezu tödlich wirken kann. Man nehme den großartigen Guercoeur von Magnard. Herrliche Musik - aber verglichen mit dieser Geschichte ist etwa Parsifal ein haarsträubender Action-Thriller...
    Ein Libretto, das ich übrigens wunderbar finde, ist der Blaubart von Béla Balázs.


    Salve,


    :hello:
    M.

  • Salü Lieber,


    ich stimme Dir schon grundsätzlich zu - bei Beibehalten meiner These: Man sollte vielleicht bei der Betrachtung noch beachten, welcher Komponist [Haydn oder Wagner?] in welchem Stil für welches Publikum komponiert/e. Dahingehend sind die Libretti wohl roundabout recht gut zugeschnitten [manche machten es gar selbst]. Für Kraus z.B. wäre durchaus auch ein unverändertes Schillersches Drama durchaus im Bereich der näheren Möglichkeiten anzusiedeln, man bedenke nur sein geschätzte 7 Stunden andauerndes Monster "Aenaeas in Carthago".


    Zitat

    Es gab Libretti, die dem Komponisten einfach vorgelegt und die dann komponiert wurden.


    Auch da muss man differenzieren zwischen "altbewährten Libretti" wie beispielsweise "La Clemenza di Tito" oder "Griselda" bzw. grundlegend die Libretti von Metastasio. Ich glaube nicht, dass im 18. JH irgendwelche als Schauspiele konzipierte Texte einfach mal eben vertont wurden, vielleicht kennst Du ja Beispiele?


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von raphaell


    Wenn ich mir Wagners Texte anschaue, auf jeden Fall!


    Weia! Waga!
    Woge, du Welle!
    Walle zur Wiege!
    Wagalaweia!
    Wallala weiala weia!
    Heiaha weia!



    M.f.G. Laurenz :D

    `
    (...) Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik betrifft einen Abend, an dem das Rothschild-Quartett bei uns ein hochmodernes Werk von Egon Wellesz spielen sollte. Die Stühle waren den Musikern zu niedrig, so nahmen sie unsere Bände mit Schubertscher Kammermusik, um damit ihre Sitze zu erhöhen. Ich dachte, wieviel schöner es wäre, wenn sie auf Wellesz sitzend Schubert spielen würden (...)


    — aus „5000 Abende in der Oper“ von Sir Rudolf Bing —
    .

  • Oder auch."Garstig glatter
    glitschriger Glimmer!
    Wie gleit ich aus!
    Mit Händen und Füßen
    nicht fasse noch halt ich
    das schlecke Geschlüpfer!


    Libretti sind immer Literatur. Gute Libretti sind gute Literatur,
    und schlechte Libretti sind schlechte Literatur.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Das erinnert mich daran, dass ich mir während meines Germanistikstudiums ein "Sehr gut" verhaute, weil ich darauf beharrte, Wagners Libretti seien bestenfalls schlechte Literatur, wenn überhaupt. :untertauch: Mein Prüfer war treuer Wagnerianer (was ich nicht wusste), und ich verließ den Raum zwar lebend, aber mit einem Befriedigend :wacky:
    lg Severina :hello:

  • Hallo Herbert,
    schon einmal überlegt, daß diese Stelle sehr humorvoll, fast wie eine Selbstparodie der "Ring"-Sprache, gemeint sein könnte?


    Hallo Laurenz,
    ein paar Jahre später hätte man das als Frühform des Dadaismus gepriesen und natürlich zur Avantgarde-Literatur gerechnet.


    Hallo Severina,
    auch von mir bekämest Du allenfalls ein "Genügend", aber auch nur dann, wenn Du bereit wärest, zwecks tieferer Erkenntnis zumindest das "Ring"-Libretto auswendig zu lernen.


    -----------------------------------


    Hätte es nicht Raphaell so schön auf den Punkt gebracht, hätte ich es geschrieben: Wagners Texte sind natürlich Literatur. Wer bei Wagner auf die Suche nach schlechten Formulierungen geht, könnte mit selbigem Anspruch selbst bei Goethe einiges an Mist finden. Und durchaus nicht nur in Texten, die für eine Musikalisierung bestimmt waren.


    :hello:

    ...


  • Eine gekonnte Lautmalerei, verknüpft mit dem übermütigen Singen und Spielen der 3 Rheintöchter zu Beginn des Gesamtkunstwerks, das ist Richard Wagners einmaliges Genie :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Edwin,
    ich habe ja den Text aus dem Rheingold nicht abqualifiziert,
    sondern als humorvolle Fortsetzung des Eingangstextes zitiert.
    Im übrigen schätze ich das Werk musikalisch sehr, ganz besonders,
    das Orchester-Vorspiel.Ich glaube, ich liebe Richard Wagner auf jeden Fall mehr als Du, Giuseppe Verdi. :D



    :hello:Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,

    Zitat

    Ich glaube, ich liebe Richard Wagner mehr, als Du Giuseppe Verdi


    Ja, das glaub' ich Dir auf's Wort! :angel:


    Zitat

    ich habe ja den Text aus dem Rheingold nicht abqualifiziert, sondern als humorvolle Fortsetzung des Eingangstextes zitiert.


    Dann paßt's ja schon! :D


    :hello:

    ...

  • Ulli hat ihn schon erwähnt:


    den von mir so bewunderten Dichter Pietro Metastasio - für mich der ungekrönte "König der Librettisten" im 18. Jahrhundert! :jubel:


    Von seinen Zeitgenossen wurde er hochgeschätzt - seine Libretti sind, wie seine "normalen" Theaterstücke, von bewundernswerter Spracheleganz und einer ihnen bereits innewohnenden Musikalität, die für mich den besten Beweis dafür darstellt, dass man das Italienische auch als die "Sprache der Musik" bezeichnet!


    Und seine dramaturgischen Fähigkeiten, zwischen meist nur 6 handelnden Personen derart raffiniert fein gewebte Intrigen zu spinnen, die über 3 Akte hinweg ein ganzes Stück "ohne Hänger" am Laufen und für die Handelnden die unterschiedlichsten Affekte bereit halten sowie am Ende den verworrenen Knoten elegant (und ganz ohne einen "Deus ex machina") wieder zum gewünschten "Lieto fine" auflösen - das hat ihm keiner so leicht nachmachen können!


    Für mich - auch als Liebhaber der italienischen Sprache - echte Meisterwerke und auf jeden Fall Literatur!

    In dem Thread ist mit Literatur wohl: "Gute und künstlerisch hochwertige Literatur" gemeint, denn streng genommen sind ja auch "Groschenromane" oder Gebrauchsanleitungen Literatur... ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)


  • :yes: :yes: :yes: :yes::yes: :yes: :yes: :yes: :yes: :yes: :yes:
    lg Severina :hello:


  • Hallo Edwin,
    calma ti - heute, 30 Jahre später und seeehr abgeklärt, bin ich eh nicht mehr so streng mit deinem geliebten Wagner ;) (Du bist ja mit 20 wahrscheinlich auch noch kein wandelndes Musiklexikon gewesen wie heute ;) ) Dass sich allerdings ein Dichter selbst parodiert, ist mir neu - das hieße ja, dass er selbst die Schwächen seinerTexte erkennt! (Was wiederum FÜR Wagner spräche :D )
    Und Wagner in einem Atemzug mit Goethe zu nennen, also bei aller Liebe........ :no: :no: :no: :no: :no: :no:
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Mengelberg
    folgende Frage: Soll man Libretti als eigenständige, also von der Musik unabhängige Literatur lesen können und sie nach dementsprechenden Maßstäben beurteilen? Oder sind sie ein fester Bestandteil der plurimedialen Oper, den man nicht einfach so herauslösen sollte/kann?


    Hallo Mengelberg,


    Dann habe ich eine Gegenfrage. Wo gehören D.E. die Libretti von Lortzing?
    Ich persönlich finde ihn einen sehr großen Librettoschreiber, der nebenbei auch nicht schlecht komponierte.
    Ich genieße auch ohne Musik von seinen Texten.


    LG, Paul



  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Laurenz,
    ein paar Jahre später hätte man das als Frühform des Dadaismus gepriesen und natürlich zur Avantgarde-Literatur gerechnet.


    Naja, da bin ich nicht so sicher - Hugo Balls Karawane geht doch ganz erheblich anders. Onomatopoetisch ist die Wagner-Passage naklar schon - aber cool killers im Sinne eines Aufstands der Zeichen ist Richis wogendes Gewabere ganz sicher nicht. Herrn Wagners Lautmalereien sind explizit semantisiert - Balls Karawane? - Hören Sie selbst (leider kann ich die grafischen Finessen hier nicht - oder nur eingeschränkt - re-produzieren):


    jolifanto bambla ô falli bambla
    grossiga m'pfa habla horem
    égiga goramen
    higo bloiko russula huju
    hollaka hollala
    anlogo bung
    blago bung
    blago bung
    bosso fataka
    [...]


    Semantisiert?


    Raoul Hausmann (oder war's Richard Huelsenbeck?) hat »Dada« einmal als einen Protest gegen die »Fiktion vom Mehrwert gereimter Wörter« bezeichnet... Ist das Wagner??


    Lieber Edwin,
    entschuldige bitte, ich habe heute irgendwie eine defaitistische Ader... :(
    Herzlichst
    Medard

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  • Lieber Ulli,


    mir ist kein Text aus dem 18. Jh. bekannt, der unabgeändert in ein Libretto eingegangen ist. Die Literaturoper ist ja eigentlich auch eher ein Phänomen des 20. Jh. - und da gibt es dann etliche Beispiele. Ich glaube, daß Debussy Maeterlincks Pélleas 1:1 übernommen hat. Das war 1902 und damit sicherlich eine der ersten Literaturopern. Dann sind natürlich auch ältere Texte ins Repertoire aufgenommen worden: King Lear (Reimann/Shakespeare) oder William Ratcliff (Mascagni/Heine).


    Liebe Severina,


    ich habe früher Romanistik studiert und kenne das Problem. Libretti werden von der Literaturwissenschaft stiefmütterlich behandelt, wenn überhaupt. Ich erinnere mich an eine zugegebenermaßen ohnehin etwas merkwürdige Dozentin, die bei der Nennung des Wortes Libretto und des Namens Metastasio gleich wild mit dem Kopf schüttelte, gestikulierte und Grimassen schnitt: Nein, mit so etwas befassen wir uns hier nicht!
    Jetzt bin ich allerdings an einer anderen Uni und arbeite an einer musikwissenschaftlichen Dissertation über einen italienischen Librettisten des 20. Jahrhunderts. Es geht also - bloß nicht in der erzkonservativen Literaturwissenschaft.


    Lieber Paul,


    Lortzing kenne ich leider nicht gut genug, um Deine Frage zu beantworten. Mich würde deshalb interessieren, warum Dir die Libretti Lortzings so gut gefallen!


    Lieber Herbert,


    wenn Du sagst, daß gute Libretti gute Literatur seien und schlechte Libretti schlechte Literatur - meinst Du dann, daß man die Libretti von der Oper losgelöst lesen sollte? Wenn ja, was denkst Du denn dann über die Verdi-Libretti?


    Beste Grüße!
    :hello:
    M.

  • Lieber Mengelberg,
    ich halte die meisten Libretti von Verdi in der Originalsprache für gut, besonders: Rigoletto, Traviata, und Macbeth, und für sehr gut. Otello und Falstaff. Es besteht für mich allerdings kein Grund sie losgelöst von der Musik Verdis zu lesen.Das gilt auch für die hervorragenden Libretti einiger anderer Opern, z.B.: Tiefland, Salome, Elektra, Rosenkavalier, oder Wozzeck.Sie sind sehr schön, werden aber durch die Musik noch geadelt, dazu sind sie ja auch da.Ich habe keinen der Texte losgelöst von der Musik gelesen, außer: Salome von O.Wilde, und Wozzeck von G.Büchner. Die beiden Dramen wurden ja auch fast wörtlich von R.Strauss und von A.Berg vertont.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Medard,

    Zitat

    entschuldige bitte, ich habe heute irgendwie eine defaitistische Ader...


    Ich hab ja auch Tage, an denen mir ein simples Sauerkraut besser schmeckt als ein Coq au vin...! :hahahaha:


    Abgesehen davon: Der Versuch, etwas durch bloße bloße Lautmalerei darzustellen, ist immer wieder vorgenommen worden - und ich denke, daß Wagner einer der ersten war.
    Außerdem empfinde ich dieses Lied der Rheintöchter als eine Art Wiegenlied, und schon sind wir bei "Eia popeia" und Ähnlichem.
    Sicher keine ganz große Dichtung bei Wagner - aber die kommt dann ja auch noch - im überwiegenden Teil von vier Abenden!


    :hello:

    ...


  • Einverstanden - über die »ganz große Dichtung bei Wagner« haben wir ja schon an anderer Stelle etwas gerangelt... :D
    Ganz herzlich,
    Medard


    p.s.: ist jetzt Hugo Balls Karawane das Sauerkraut oder Wagners Ring-Dichtung ?? ;)

  • Zitat

    Original von Klawirr
    über die »ganz große Dichtung bei Wagner« haben wir ja schon an anderer Stelle etwas gerangelt... :D



    :baeh01:



    Ein Indiz für die Literarizität von Texten ist auch ihre literarische Rezeption, insbesondere wenn diese über den Horizont einer Nationalliteratur hinausreicht.


    Dazu nur ein kleiner Auszug (zu klein für eine Copyright-Verletzung) aus einem der Schlüsselwerke der englischsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts:



    What are the roots that clutch, what branches grow
    Out of this stony rubbish? Son of man,
    You cannot say, or guess, for you know only
    A heap of broken images, where the sun beats,
    And the dead tree gives no shelter, the cricket no relief,
    And the dry stone no sound of water. Only
    There is shadow under this red rock,
    (Come in under the shadow of this red rock),
    And I will show you something different from either
    Your shadow at morning striding behind you
    Or your shadow at evening rising to meet you;
    I will show you fear in a handful of dust.
    Frisch weht der Wind
    Der Heimat zu
    Mein Irisch Kind,
    Wo weilest du?

    "You gave me hyacinths first a year ago;
    They called me the hyacinth girl."
    —Yet when we came back, late, from the Hyacinth garden,
    Your arms full, and your hair wet, I could not
    Speak, and my eyes failed, I was neither
    Living nor dead, and I knew nothing,
    Looking into the heart of light, the silence.
    Öd' und leer das Meer.



    T. S. Eliot, The Waste Land (1922)


  • Hallo Brend,
    ob Mr. Eliot wohl tatsächlich viel mehr als die ersten drei Minuten des Tristan überstanden hat...


    :baeh01:


    Herzlichst
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Hallo Brend,
    ob Mr. Eliot wohl tatsächlich viel mehr als die ersten drei Minuten des Tristan überstanden hat...


    :baeh01:


    Herzlichst
    Medard



    Hallo Medard,


    offensichtlich schon, wie der Tristan-Kenner :baeh01: sofort merkt, denn die Zeile "Öd' und leer das Meer" stammt ja aus dem dritten Akt...


    Viele Grüße


    Bernd



  • Hi Bernd,
    bist Du sicher? Meines Wissens stammen die Verse aus dem Lied des jungen Seemanns, der in I.1. spottend vom Mast herunter tönt. Geht sein Liedl nicht:


    Westwärts
    schweift der Blick:
    ostwärts
    streicht das Schiff.
    Frisch weht der Wind
    Der Heimat zu
    Mein Irisch Kind,
    Wo weilest du?
    Sind's deiner Seufzer Wehen,
    die mir die Segel blähen?
    Wehe, wehe, du Wind!
    Weh, ach wehe, mein Kind!
    Irische Maid,
    du wilde, minnige Maid!


    Dann hätte Mr. Eliot doch wirklich nur die ersten drei Minuten hören müssen (allerdings nur wenn Kna dirigert, bei den meisten anderen hätte er schon eher abschalten können).
    Aber ich bin ja kein Wagner-Experte .... :baeh01: :baeh01:


    Aber du hast na klar recht: den letzten Vers hab ich überlesen... Manchmal ist genaues Lesen doch nicht so schlecht, oder... :O :(
    Eliot hat also wohl doch weiter gehört...


    Herzlichst,
    Medard

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Dennoch gibt es Ausnahmen: So habe ich mich schon häufig dabei erwischt, Wagners Ring-Libretto zu lesen, ebenso den Wozzeck und Zemlinsky-Opern sowie auch mehrere Opern des 20ten Jahrhunderts.


    Der Wozzeck-Text ist doch kein Libretto sondern ein Theaterstück, ebenso Lulu, die Soldaten, Hamletmaschine u.a.
    :hello:

  • Um wieder zum Libretto zurückzukehren. Ein Libretto ist auf jeden Fall Literatur.Es ist natürlich eine spezielle Literatur, die eng mit der Komposition verbunden ist. Ein Opernlibretto mit vielen Arien und Ensembles ist zum lesen wenig geeignet,während man z.B.den wagnerschen Ring recht gut lesen kann, weil er durchkomponiert ist.
    Das gilt auch für Salome oder Wozzeck und die meisten neueren Opern. Aber der eigentliche Sinn eines Librettos ist ja nicht, daß man es lesen kann, wie ein Drama von Schiller.
    (Es gibt auch den Begriff: "Librettologie",der sich mit diesem Thema befaßt (Wickipedia).


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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