Hallo zusammen,
versucht man das, was die „Essenz“ der Musik Beethovens und Schuberts jeweils ausmacht, mit wenigen Worten zu beschreiben, so bleibt nicht viel Gemeinsames:
Beethoven, das ist: Konzentration auf motivische Zusammenhänge, im Zentrum stehen Themen, Motive, teilweise sogar nur mehr Motivfetzen; Melodien stehen ihm zwar zur Verfügung wenn er sie braucht, aber eigentlich braucht er sie nicht. Überspitzt formuliert: in Beethovens Werken gibt es eine formale, „architektonische“ Logik, alles ist „aufeinander bezogen“.
Schubert hingegen: das ist Melodie, manchmal sogar „endlose“ Melodie, formal stehen Ideen reihenförmig hintereinander, in den Liedern z.B. wird oft stereotyp die Strophenform verwendet, diese wird dann allerdings – textbezogen – abgewandelt.
Nun waren die beiden aber Zeitgenossen, und Schubert zumindest hat Beethoven sehr bewundert. Die Zeitgenossenschaft lässt natürlich schon Bezüge erwarten, ebenso das gemeinsame Lebenszentrum Wien. Und trotzdem: an einigen Stellen sind die Gemeinsamkeiten schon frappierend.
Würde ich nicht wissen, dass der Quartettsatz D. 703 in c-moll von Schubert wäre, ich würde Beethoven ohne weiteres für möglich halten.
Bei Beethoven wiederum findet sich so etwas Schubertisches wie der zweite Satz der Klaviersonate Nr. 27, op. 90, mit der Überschrift „Nicht zu geschwind und sehr singbar vorzutragen“. Die zweite Strophe aus dem zweiten Lied des Zyklus „An die ferne Geliebte“, auf einem(!) Ton gesungen, das ist auch ein Schubert-naher Einfall.
Mich würde interessieren: gibt es mehr dieser Stellen? - was hören Andere? – ein wenig habe ich mich nämlich im Verdacht, als langjähriger Musikhörer derlei angesichts fleißig und verdient erworbener Scheuklappen auf den Ohren gar nicht mehr wahrzunehmen.
Gruß
Pylades
P.S.: Das Schöne und Praktische zugleich an dem Thema ist seine flexible Ausbaufähigkeit: sehr schnell stößt man auf Fragen, ob der Richard sich von Mendels Sohn hat inspirieren lassen, wo der Brahms sich selbst über-Lisztet oder ob Strauss machmal bei Gustav abmahlert. Wenn mir aber jemand erzählen will, wo Boulez den Donizetti plagiiert: das gehört schon aus rein rechtlichen Gründen nicht in diesen Thread.