Obertonmusik

  • Hallo,


    ich möchte hier mal ein Thema anschneiden, welches bisher in diesem Forum noch keine wirkliche Beachtung gefunden hat. Es ist auch zugegeben eine Gratwanderung, denn es hat nur am Rande mit der Klassischen Musik zu tun. Dennoch halte ich es für so interessant und spannend, dass es hier einmal Erwähnung finden sollte. Das Thema lautet Obertonmusik.


    Obertöne sind allgegenwärtig. Fast jedes Instrument und auch jedes Stimme produziert sie, manche mehr, manche weniger. Sie lassen einen Ton klar, voll, hell oder präsent klingen, sie machen die Musik erst zu einem echten Genuss. Wirden sie durch verlustbehaftete Kompressionsverfahren heausgefiltert, klingt das Ergebnis oft flacher und reizloser. Insofern sind sie nicht wegzudenken aus der Musik.


    Hier soll es aber um Musik gehen, die die Obertöne in den Vordergrund stellt und sie aktiv als Stimme bzw. Instrument ausnutzt.


    Die Ursprünge der Obertonmusik, vor allem des Obertongesanges sind recht alt und im spirituellen wie folklorischen Bereichen seit vielen Jahrhunderten verbreitet. In Ländern wie Tibet oder der Mongolei bspw. wird sie bis heute praktiziert.


    Im 20. Jahrhundert schließlich wurde die Obertonmusik von der westlichen Musikwelt entdeckt. Als erste Werk, in dem Obertongesang als aktives Stilmittel eingebaut wurde, gilt Karl Heinz Stockhausens Stimmung. Jedoch wird das Stilmittel der aktiven Modulation der Obertöne bis heute in der E-Musik nur selten eingesetzt. Ein jedoch recht aktuelles Beispiel ist die Water Passion von dem bekannten chinesischen Komponisten Tan Dun.


    Dennoch war Stimmung eine Art Startschuss für viele Musiker und Tonkünstler, den Bereich der Obertonmusik zu ergründen. Neue Gesangstechniken etwa wurden entwickelt, aber auch Instrumentalisten entdeckten diese Tonsprache für sich.



    Zur Theorie:
    Obertöne entstehen fast in jedem Instrument oder Stimme. Letztere erzeugen beim Sspielen einen Ton, der aus physikalischer Sicht eine Schallwelle mit einer bestimmten Frequenz ist. Aber neben der Hauptfrequenz entstehen weitere Frequenzen, die sogenannte Vielfache der Hauptfrequenz sind. Der erste Oberton ist eine Oktave höher als der Grundton, der nächste noch eine Quinte höher, der nächste 2 Oktaven über dem GT, dann Terz, Quinte, eine Septe (eine harmonische, daher ist sie sehr tief und liegt wzischen der kleinen und großen Septe der wohltemperierten Stimmung). Darauf folgt nunmehr die 3. Oktave über dem grundtoon, daran schließen sich weitere, immer enger abgestufte Obertöbe an. Diese Tonleiter iist theoretisch nach oben unbegrenzt, praktisch jedoch nimmt die Amplitude der Töne nach oben hin ab, sie werden also immer leiser.


    Je nach Instrument klingen diese Obertöne also stets mit dem Hauptton mit, nur meist deutlich leiser als der Grundton. Ihre Lautstärke-Verteilung ist es dann, die den Grundton brilliant oder dumpf klingen lassen.
    Durch verschiedene Spiel- und Gesangstechniken kann man diese Töne einzeln so anschwellen lassen, dass sie tatsächlich hörbar werden. So klingen nun 2 wirklich vollwertige Töne, die sich (im Rahmen der Obertonleiter) unabhänig voneinander modulieren lassen.



    Insbesondere auf dem Gebiet des Obertongesanges gibt es seit den 60er Jahren eine größere Belebung. Viele Obertonkünstler und -Chöre haben sich gegründet und beschäftigen sich mit den fast wundersam erscheinenden Klängen. Bekannte Künstler dieses gengres sind David Hykes, Christian Bollmann und sein Obertonchor Düsseldorf oder Michael Vetter
    Aber auch einige Instrumentalisten haben sich dieser Form der Tonkunst gewidmet. Als wichtiger Vertreter sei Stuart Dempster (Blasinstrumente wie Horn, Posaune oder Didgeridoo) genannt. Seine CDs sind ware Klangkunstwerke, stets aufgenommen in riesigen halligen Räumen wie Kathedralen.


    Sehr zu empfehlen zu diesem Thema ist der Wikipedia-Eintrag:
    "http://de.wikipedia.org/wiki/Oberton"


    sowie die Website des deutschen Obertonkünstlers Wolfgang Sauss:
    "http://www.oberton.org/"
    Hier wird das Phänomen erklärt, zudem gibt es eine Übersicht der wichtigsten Vertreter dieser Musik. Aktuelle Oberton-News sind hier auch zu bekommen.



    Vielleicht hat sich der eine oder andere ja auch schon mit diesem Thema beschäftigt. Ich würde mich freuen, hier auf Interessierte wie schon Begeisterte zu stoßen oder einfach über dieses tolle Thema zu debattieren.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Hallo,


    Obertonmusik finde ich ebenfalls faszinierend, geht sie doch klanglich sehr tief.


    Zwei sehr interessante Erfahrungen habe ich hörend gemacht: So war ich vor mehreren Jahren in einem Solokonzert mit Michael Vetter; nachdem er sich warmgesungen hat, ließ er viele Obertöne erklingen, so dass sogar längere und schnelle Melodiefolgen entstanden.


    In Vietnam habe ich in einem Kloster ebenfalls Obertongesang vernommen; da wurden über längere Zeiträume nur wenige Obertöne erzeugt, dies aber beharrlich. Das hat auf mich einen großen Eindruck gemacht.


    Zum Spaß habe ich auch einmal Obertöne auf "O" trainiert. Ich habe nur langsam Fortschritte gemacht; immerhin habe ich aber vier oder fünf Töne hinbekommen, am besten in der Badewanne.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • In Frankreich gibt es einen Verfechter des Oberton-Gesanges -
    Iegor Reznikoff, Prof an der Universität Paris X - Nanterre.


    Seine Bemühungen respektiere ich sehr, bloß reizen mich
    persönlich diese oktavenübergreifenden Schwingungen in ihrer
    traditionellen, "historischen" Dimension nicht. Irgendwie will
    ich nicht verstehen, wieso man die Diatonik zugunsten
    der urtümlichen /natürlichen/ Temperierung aufgeben soll.


    Ein ferner KLAAANNNGGGG mag den URKNALLLLL
    ausgelöst haben und somit die Basis der Schöpfung
    gewesen sein, bloß der Anfang der Kultur
    /lat. "Pflege des Geistes"/
    liegt m. E. in der Diatonik :untertauch:
    und nicht im Obertonfach, das den Eindruck einer
    Mehrstimmigkeit zu erwecken heischt.


    Mit tibetischen und mongolischen Sängern, die diese
    Kunst traditionell pflegen habe ich mich
    vor vielen Jahren ein wenig beschäftigt, war aber
    nicht mein Fall.


    Die akkulturierte, zeitgenössische Verwendung
    des Obertongesangs als Stilmittel finde ich dagegen reizend,
    weil es zugleich kontrastierend und dekonstruktivistisch
    wirken kann. Nebst Karlheinz Stockhausen findet man
    Vokalverfärbungen in den Kompositionen von La Monte Young.


    p. s.
    http://www.musicandmeaning.net…showArticle.php?artID=3.2


    Gruß


    :hello:

  • Zitat

    Original von Uwe SchoofZum Spaß habe ich auch einmal Obertöne auf "O" trainiert. Ich habe nur langsam Fortschritte gemacht; immerhin habe ich aber vier oder fünf Töne hinbekommen, am besten in der Badewanne.


    Hallo,


    schade dass sich so wenige für diese Form der Musik interessieren. Es ist halt nicht Mozart.. :untertauch::baeh01:


    Ich kann übrigens auch kein halliges Treppenhaus auslassen um die Obertöne zu üben. Momentan versuche ich noch eher sie ordentlich zu modulieren und einzeln zu betonen. Aber von einer echten Zweistimmigkeit, wie sie David Hykes oder Christian Bollmann vormachen, bin ich noch weit entfernt..


    Übrigens hilft die Beschäftigung mit Obertönen, andere Tonphänomene zu verstehen, bspw. Klangfarbe und Spitze einer Stimme. Durch das Üben von Obertongesang lernt man auch sie bewusst wahrzunehmen. Und wenn man es mal wirklich gut kann, ließe es sich ja auch zum wirklich sauberen Anstimmen im Chor verwenden :D



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Ich finde das Thema auch sehr interessant, habe allerdings dazu nur einie einzige CD mit mongolischen Obertönern...


    gibt es was auf youtube?


    Wie kann man Obertonmusik ansonsten noch greifbarer/hörbarer machen ?

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  • Ein britischer Dirigent (der Name ist mir im Moment nicht präsent) hat die Musik zum Shostakovich-Film "Odna" (dt. Allein) restauriert und kürzlich in England und beim Hessischen Rundfunk aufgefuehrt. Dabei wurde ein Obertonsänger verwendet.


    Mikko

  • Ich habe vor einiger Zeit bei uns in Hamburg mongolische Obertonsänger als Straßenmusikanten gesehen und vor allem gehört. Ich fand es unglaublich faszinierend.


    Empfehlen kann ich CDs von "Huun-Huur-Tu". Ich habe drei: "60 Horses in my Heards", "Best Live" und "The Bulgarian Voices Angelite feat. Huun-Huur-Tu".


    Wunderbare Musik, vor allem wenn man mal allein sein möchte. Meine Frau jedenfalls verläßt sofort den Raum :stumm:

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Ich sehe grad, dass es bei Youtube etliches von Huun-Huur-Tu gibt.


    Sehr schön z.B. hier


    Viel Spaß!!!

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Zitat

    Original von m-muellergibt es was auf youtube?


    Aur der bereits benannten Seite von Wolfgang Sauss: "http://www.oberton.org" gibt es eine tolle Übersicht zu Obertonkünstlern, viele viele Links aber auch einige Klangbeispiele. Videos von westlichen Obertonkünstlern habe ich auf youtube kaum gefunden..


    Zitat


    Wie kann man Obertonmusik ansonsten noch greifbarer/hörbarer machen ?


    Es gibt wie bereits erwähnt verschiedene Gesangstechniken. Eine davon ist die der Mongolische Kehlgesang. Man kann aber auch ganz "normal" einen Ton singen und dann die Obertöne mittels Mundraum verstärken. Das ist die beschriebene "westliche" Art.



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Abgesehen von sozusagen »richtiger« Obertonmusik, sollte man auch nicht vergessen, dass es einzelne Künstler gibt, die versuchen, klassische Kompositionen so zu interpretieren, dass die Obertöne erklingen können.


    Zwei prominente Beispiele sind etwa die Pianisten Valery Afananssiev oder aber auch der italinische Geheimtipp Claudio Crismani.


    Um dabei die Obertöten sich entwickeln zu lassen, ist es ntowendig, ein bestimmtes Tempo nicht zu überschreiten, einen stehenden, statt fließenden Duktus zu wählen sowie anti-dramatisch zu spielen. Also alles Eigenschaften, die gewöhnlich im s.g. klassischen Repertoir als unauthentische Interpretationen (wohl zurecht) und idiosynkratische Spinnereien (völlig zu unrecht) abgelehnt werden.


    Besonders eindrückliche Beispiele sind etwa folgende Aufnahmen:



    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

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