Schnitte: Perfekter Kunstgenuß oder Heucheley?

  • Salut,


    ist Euch eigentlich bewußt, wieviele Schnitte heutzutage gemacht werden, um eine "perfekte" CD-Einspielung zu erhalten? Es ist von 600 und mehr Schnitten pro Einspielung die Rede... Das "perfekte" ist wohl dann eher aus Sicht der Geschnittenen zu betrachten... es ist also der oder die jeweilige[n] Künstler größtenteils für die Auswahl der Noten [ja, man kann glaube ich derart ins Detail gehen] verantwortlich.


    Ich habe lange Zeit derlei Einspielungen nicht sonderlich gutgeheißen, da sie einfach nicht der Realität entsprechen: Das, was man von der CD hört, wurde in dieser Form - in diesem Zusammenhang [von live-Mitschnitten einmal abgesehen] so gar nicht gespielt; vielmehr handelt es sich um Zusammenschntte der "best ofs" mehrerer Sessions.


    Mittlerweile schätze ich den Gebrauch dieser Technik durchaus, um "perfekte" Werke ohne Störgeräusche und Verspieler, die ja durchaus menschlich sind und vorkommen können, zu genießen - letztlich ist es eine Art Audionalisierung des Notentextes, wobei es durchaus noch Interpretationsunterschiede gibt, die gar nicht so gering ausfallen. Wenn ich allerdings Kunst erleben möchte, greife ich zu live-Mitschnitten oder realen Konzerten, die ich Besuche.


    Wie also stehen Taminas und Taminos zu den Schnitten bei CD-Einspielungen? Habt Ihr Euch darüber einmal Gedanken gemacht? Was haltet Ihr grundsätzlich davon? Wurdet Ihr durch überhöhte Dosen Schnittwurst bereits von Live-Erlebnissen enttäuscht?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Lieber Ulli,


    ich sehe Schnitte und andere technische Möglichkeiten sehr positiv, erlauben sie es den Musikern doch, ihrer Vorstellung größere Priorität über ihre Körperlichkeit zu geben. Kl'Empereurs legendäres Diktum "Lotte, ein Schwindel!" kann ich daher nicht so ganz nachvollziehen - ich finde es schön, wenn die Musiker jetzt die Möglichkeit haben, ihr Allzumenschliches besser zu kontrollieren als zuvor.


    Die Konsequenz der übersteigerten Sensibilität für Live-Pannen kenne ich auch, bei mir war sie allerdings ein Zwischenstadium. Mittlerweile denke ich, dass "Kunst" in beiden Formen möglich ist, wobei die größere Perfektion und Künstlichkeit der CD auch sehr gut zur inneren Haltung beim privaten Musikkonsum zB über Kopfhörer passt.


    Scheint habituell zu sein: wieder mal ein schallendes sowohl-als-auch.


    LG,
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Das eine ist eine CD-Einspielung und das andere ein Livemittschnitt. Ich genieße beides.


    Ich habe nichts gegen eine "Produktion" wenn sie gut gemacht ist und einem gewissen Anspruch folgt. Dann ist es mir egal, wie viele "Takes" es gebraucht hat.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo allerseits,


    Schnitte sind meiner Meinung nach in erster Linie motiviert durch den Perfektionsanspruch der Käufer. Eine CD mit beispielsweise offensichtlichen "Verspielern" würde nicht nur von der Kritik in der Luft zerrissen, sondern auch von den Käufern abgelehnt werden - und welches Label kann sich das angesichts der ohnehin schon kleinen Schar von Klassikhörern erlauben? Da würde ich es eher als heuchlerisch empfinden, wenn ich einerseits Perfektion erwarte und mich andererseits über Schnitte aufregen würde. Selbst bei Aufnahmen, die als "Live" deklariert werden, wird geschnitten - im Regelfall bekommt man hier ein "Best Of" aus mehreren Mitschnitten.


    Ein Beispiel: Die erste Gesamtaufnahme der Bruckner-Sinfonien, die ich in meiner Sammlung hatte, war eine mächtige LP-Kassette von Philips, aufgenommen mit dem Concertgebouw-Orchester und Bernhard Haitink. Zu Beginn des ersten Satzes der 9. Sinfonie waren an einer Stelle Trompeten und Pauke nicht synchron - das war überdeutlich zu hören, weil die Streicher noch im piano ihr Tremolo auf d spielten ("Brucknerscher Urnebel"). Jedesmal, wenn ich diese Aufnahme gehört habe, habe ich mich darüber geärgert und mich gefragt, warum dieser Fehler beim Abhören der Aufnahme nicht erkannt und korrigiert wurde. Mit welchem Recht könnte ich mich da über Schnitte beschweren?


    Bei einem Konzert hört man Fehler einmal, was für mich ohne weiteres tolerierbar ist; bei einer Aufnahme hört man ihn aber immer wieder, und das ist ärgerlich. Insofern habe ich gegen Schnitte nichts einzuwenden, wenn sie nicht zu offensichlich hörbar sind (was dann wiederum genauso stört wie ein Fehler) und wenn ein vernünftiges Maß eingehalten wird. Die Zahl von 600 Schnitten halte ich für stark übertrieben - das wäre bei einer Stunde Musik alle 6 Sekunden ein Schnitt!


    Über eines darf man sich nicht hinwegtäuschen: Das, was auf einer CD zu hören ist, hat in den meisten Fällen mit dem, was tatsächlich bei der Aufnahme zu hören war, nicht viel gemeinsam. Wenn man in Booklets Fotos von den Aufnahmen mit etlichen Stützmikrofonen und hinterher dann die Künstler vor einem Riesenmischpult beim Abhören der Aufnahme sieht, bekommt man eine leise Ahnung davon, welche Manupulationsmöglichkeiten es gibt - und durch die Digitaltechnik sind es noch mehr geworden. Ich habe vor einigen Jahren mal einen Beitrag von einem Tonmeister der DGG gelesen, der beschrieben hat, was nach der Aufnahme alles getan wird, um die Ansprüche der Käufer zufriedenzustellen - das war für mich doch einigermassen desillusionierend. Unter anderem schrieb er, dass Stützmikrofone eigentlich unumgänglich seien, weil man sonst kaum ein analytisches Klangbild hinbekomme, bei dem die Instrumente genau zu orten sind. Im Konzert sei das Orten kein Problem, weil man die Musiker ja sieht - bei Aufnahmen müsse man da aber nachhelfen und künstlich ein Klangbild erzeugen, das man im Konzert nie gehabt hätte.


    Viel schlimmer als Schnitte sind meiner Meinung nach z. B. Hinzumischen von Hall, Ändern des Frequenzgangs oder sogar Ändern der Geschwindigkeit bei gleichbleibender Tonhöhe - all dies ist mit der Digitaltechnik problemlos möglich und wird auch praktiziert.


    :hello: Andreas

  • Zitat

    Original von Fugato
    .....
    Viel schlimmer als Schnitte sind meiner Meinung nach z. B. Hinzumischen von Hall, Ändern des Frequenzgangs oder sogar Ändern der Geschwindigkeit bei gleichbleibender Tonhöhe - all dies ist mit der Digitaltechnik problemlos möglich und wird auch praktiziert.


    :hello: Andreas


    Hallo Andreas.


    In diesem Fall kann man wohl nur hoffen, dass ein Tontechniker etwas vom entsprechenden Werk versteht, was sicher nicht immer der Fall ist. Die Frage ist nur, wo lernt man dies, außer der Bedienung dieser Apparate. Etwas sehr unrealistisch gesagt: der beste Tonmeister wäre wohl der Interpret selbst, oder er sollte zumindest ein Mitspracherecht haben.


    LG Micha

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo,


    zu diesem Thema möchte ich einmal von der anderen Seite her beleuchten: nicht von der des Hörers sondern der des Künstlers.


    Ich habe in verschiedenen Chören bereits mehrere CD-Produktionen miterlebt, die letzte liegt gerade mal 14 Tage zurück.


    Meist muss in einer endlichen, und damit immer zu kurzen Zeit ein bestimmtes Werk oder Anzahl von Werken aufs Band (heute sind es natürlich Festplattenrecorder oder gleich PCs) gebracht werden. Bei allen perfektionistischen Ansprüchen hat ein Ensemble, wie es ein Orchester oder ein Chor ist, jedoch sehr mit solchen Aufnahmebedingungen zu kämpfen. Es sind eben alles Individuen, und jeder kann sich theoretisch an jeder Stelle verspielen oder versingen. Auch der Dirigent zeigt hier und dort Nerven. Zudem kommen viele gruppendynamischen Effekte zusammen, wie das Absinken der allgemeinen Konzentrationsfähigkeit, Müdigkeit, Lustlosigkeit.. bei 10 Stunden am Tag auf der Chorbühne hinter den Mikrofonen kann das schon mal vorkommen.


    Was ich mit all dem sagen will:
    Es ist unglaublich schwer, eine wirklich gute Aufnahme einzuspielen. Vor allem eine perfekte. Und genau letzteres wird vom CD-Hörer sehr genau wahrgenommen. Klapptert bei einem Chorstück mal an einer Stelle ein Abschluss-"t", fällt das sofort auf. Die vielen perfekten Abschlüsse zuvor werden wohlwollend zur Kenntniss genommen, aber das eine, was nicht gut klingt, bleibt im Gedächtniss hängen.
    Daher muss bei einer Aufnahme, bei allen furchtbar vielen Bedingungen und Befindlichkeiten der Künstler, eben an solchen Kleinigkeiten akribisch gearbeitet werden. Das frisst sehr viel Zeit und Kraft, es ist wirklich echte und harte Arbeit.


    Für mich als Chorsänger, der in einer solchen Situation hinter dem Mikro steht und ein schlichtes Volkslied einsingen soll (Volkslieder sind übrigens sauschwer einzusingen, da gerade hier der pefektionistische Anspruch besonders hoch ist und man außerdem durch die transparente Struktur der Lieder jeden noch so kleinen Fehler später hört) ist es ein wirklicher Segen, dass es Schnitte gibt. So können eben solche kleinen Patzer aus einer sonst wirklich ausgesprochen guten Aufnahme rausgeworfen werden. Lieder lassen sich nun strophenweise einsingen oder manchmal sogar in kleiner Schnitte unterteilen. Größere Werke kann man nun Pause zu Pause (beliebte Schnitt-Stellen) erarbeiten und aufnehmen. Es ist für die Künstler wirklich eine riesige Erleichterung.


    Natürlich kann man es mit der Schneiderei auch furchtbar übertreiben. Am meisten ärgere ich mich als Hörer, wenn man Schnitte auf der CD hört. Das raubt mir völlig den Genuss und macht mich jedesmal fuchsteufelswild. Solche Tontechniker sollte man am nächsten Mikrofonständer aufhängen. :motz:


    Im übrigen ist die Art der Mirkofonierung und auch Nachbearbeitung sehr wirchtig für eine Aufnahme. Die Technik "hört" nun mal einfach völlig anders als wir. Um der Aufnahme eine räumliche Tiefe oder Ortbarkeit zu vermitteln, müssen halt diverse Tricks wie Stütz und Raummikrofone und was weiß ich nicht noch alles angewandt werden. Das mag in den Augen bzw. Ohren vieler als eine Form des Betrugs erscheinen. Es ist aber einfach notwendig, damit die Musik am Ende auf der Aufnahme so klingt, dass man sie als Hörer gerne hört und zumindest ein klein wenig den Eindruck vermittelt bekommt, man säße im Kozert. Nicht umsonst also ist das Studium des Tonmeisters (oder~Ingeneurs) ein hartes und langes..


    Im übrigen ist der Vergleich von CD-Aufnahme und live-Konzert nicht wirklich sinnvoll. Beides sind eben wirklich völlig unterschiedliche Dinge. Bei einer Live-Aufnahme kommt für Künstler und Publikum gleichermaßen zum Musizieren und Hören noch die besondere Stimmung, die unterschwellige Kommunikation zwischen Ensemble und Hörerschaft, Begeisterung (oder auch nicht; in jedem Falle schlägt diese sich auf die Mitglieder des Ensembles nieder) und vielleicht auch eine kleine Aufgeregtheit. All das läßt das live-Erlebnis so besonders und einmalig werden. Kleine Patzer werden hier nur wenig bemerkt, dafür umsomehr der Ausdruck und Ausstrahlung eines Ensembles. Dies kann eine CD einfach nicht einfangen, aber wie schon oben beschrieben stellt sie andere Eigenschaften des Dargebotenen in den Vordergrund.


    Fazit: Ohne Schnitte wäre ein Großteil der heutigen CDs beiweitem nicht so hörenswert und damit liebenswert wie sie es jetzt sind.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Zitat

    Original von Michael
    In diesem Fall kann man wohl nur hoffen, dass ein Tontechniker etwas vom entsprechenden Werk versteht, was sicher nicht immer der Fall ist. Die Frage ist nur, wo lernt man dies, außer der Bedienung dieser Apparate. Etwas sehr unrealistisch gesagt: der beste Tonmeister wäre wohl der Interpret selbst, oder er sollte zumindest ein Mitspracherecht haben.


    Ich kann berichten, dass zum Tonmeister-Studium nicht nur unzählige Praktika und Produktionen gehören, sondern auch expliziet künstlerische Arbeit. Sicher lernt man vieles erst beim Ausüben des Berufs. Aber der Tonmeister oben am Kopfhörer ist der einzige, der bestimmte Patzer, Fehler oder vielleicht sogar interpretatorische Probleme einigermaßen objektiv beurteilen kann. Insofern ist es sehr wirchtig, dass er notwendigen Fähigkeiten besitzt, dies auch beurteilen zu können.
    Und so wie ich es bei Produktionen erlebt habe, können dies auch viele.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Hallo Thomas, danke für deinen interessanten Beitrag. Dazu vielleicht noch etwas Lustiges:
    Die Schwarzkopf hat sich bei ihrem letzten Interview auf einer Bühne zunächst strikt geweigert, in ein Mirkophon zu sprechen, mit der Begründung, man habe sie noch immer bis in die letzte Reihe bestens gehört.
    Als man sie dann davon überzeugt hat, dass eine Aufzeichnung ohne Mikro nicht möglich sei, fügte sie sich schließlich ungern aber auf charmante Art.


    LG Micha :hello:

  • Zitat

    Original von Chorknabe
    Bei allen perfektionistischen Ansprüchen hat ein Ensemble, wie es ein Orchester oder ein Chor ist, jedoch sehr mit solchen Aufnahmebedingungen zu kämpfen. Es sind eben alles Individuen, und jeder kann sich theoretisch an jeder Stelle verspielen oder versingen. Auch der Dirigent zeigt hier und dort Nerven. Zudem kommen viele gruppendynamischen Effekte zusammen, wie das Absinken der allgemeinen Konzentrationsfähigkeit, Müdigkeit, Lustlosigkeit.. bei 10 Stunden am Tag auf der Chorbühne hinter den Mikrofonen kann das schon mal vorkommen.


    Hallo Thomas,


    gut, dass Du die Situation mal aus der Sicht der Musiker geschildert hast! Das weckt hoffentlich etwas mehr Verständnis bei denjenigen, die perfekte Aufnahmen wollen, aber sich über Schnitte beschweren. Je grösser das Ensemble, desto schwieriger ist wohl eine Aufnahme. Der Dirigent Willem Mengelberg soll gesagt haben: "Einer kann alles verderben" - je mehr beteiligt sind, desto grösser ist das Risiko :D


    :hello: Andreas

  • Zitat

    Original von Chorknabe
    Im übrigen ist der Vergleich von CD-Aufnahme und live-Konzert nicht wirklich sinnvoll. Beides sind eben wirklich völlig unterschiedliche Dinge. Bei einer Live-Aufnahme kommt für Künstler und Publikum gleichermaßen zum Musizieren und Hören noch die besondere Stimmung, die unterschwellige Kommunikation zwischen Ensemble und Hörerschaft, Begeisterung (oder auch nicht; in jedem Falle schlägt diese sich auf die Mitglieder des Ensembles nieder) und vielleicht auch eine kleine Aufgeregtheit.


    Hier möchte ich doch Einspruch anmelden.
    Ich erwarte diese besondere Stimmung und Aufgeregtheit sehr wohl auch von einer CD. Wenn sie fehlt, und das ist leider zu schätzungsweise 99% der Fall, dann ist die Aufnahme für mich höchstens zu Informationszwecken, aber nicht zum Musikhören geeignet. Sicher gehen diesbezüglich die Erwartungshaltungen verschiedener Hörer weit auseinander, und ich gehöre eben dem einen Extrem an.
    Chorknabe hat sehr schön beschrieben, warum es auf diese Weise nicht funktionieren kann: 10 Stunden Dienst bis zum Umfallen, damit auf Teufel komm raus wenigstens alles perfekt zusammen ist. Das deckt sich - leider - auch mit meinen Erfahrungen (ist schon ein besonderes Manko mit deutschen Texten! In Italienisch gibt's solche Probleme nicht...). Am Ende hat man eine perfekt zusammengeschnittene Version, deren Einzelteile im Wesentlichen keine Musik enthalten. Und niemand kann mir weismachen, das merke man nicht, und man könne doch mit dieser Art von Interpretation auch zufrieden sein.


    Zurück zum Ausganspunkt - mit der Zahl der Schnitte hat dies überraschenderweise gar nichts zu tun (abgesehen vielleicht von der Tatsache, daß sich im Zuge fortschreitender technischer Möglichkeiten jener Machbarkeitswahn eingeschlichen hat, der das inspirierte Musizieren als unabdingbare Voraussetzung einer guten Aufnahme ignoriert).
    Im Extremfall können die erwähnten - nicht übertriebenen! - 600 Schnitte auf einer CD auch dadurch zustande kommen, daß man für jeden Satz etwa 2 konzertmäßig (=aufgeregt, inspiriert, mit voller Konzentration) gespielte Takes aufnimmt und zwischen diesen beiden hin und her schneidet (die Abschluß -t's deutscher Chormusik wird man auf diese Weise leider nicht zusammenkriegen).


    Bisher ist es zumindest hierzulande häufig so, daß die CD-Aufnahmen von Seiten der Musiker wie eine intensive Probe angesehen werden, ja sogar gerne als Vorbereitung für ein Konzert genutzt werden. Wenn man Glück hat, gibt's am Ende der Probe noch einen Durchlauf als Generalprobe, und wenn man noch mehr Glück hat, paßt der in Tempo und Ausdruck zu den restlichen, vorher aufgenommenen Takes dazu.


    Ich sehe gewisse Chancen, daß die moderne PC-Aufnahmetechnik, die es erlaubt, sofort an Ort und Stelle mit dem Schnitt zu beginnen, hier ein Umdenken einleitet. Früher hat die Ungewißheit, welche Takes denn beim späteren Schnitt wie zusammenpassen würden, die Tonmeister geradezu gezwungen, möchlichst viel Material zu sammeln, um für alle Unwägbarkeiten gewappnet zu sein.


    Ich würde mich freuen, wenn wir uns auch als Hörer dieses Umdenken erlauben. Langweilige Aufnahmen haben wir alle schon genug.


    Gruß,
    Khampan

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Fugato
    Der Dirigent Willem Mengelberg soll gesagt haben: "Einer kann alles verderben"


    Und Ravel soll gesagt haben: "Der Kontrabass ist das wichtigste Orchesterinstrument- er kann alles kaputtmachen."


    Tja...


    Meine persönlichen Erfahrungen mit CD-Aufnahmen decken sich übrigens mit denen von Chorknabe, ein wahrer Alptraum. Schrecklich, ich habe unglaublichen Respekt vor allen, die da wenigstens noch ansatzweise Musik hinbekommen - ich habe mich irgendwann nur noch gefürchtet und auf Sicherheit gespielt. Zermürbend...


    :hello:
    BBF

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Zitat

    Original von Khampan
    Ich erwarte diese besondere Stimmung und Aufgeregtheit sehr wohl auch von einer CD.


    Was genau meinst Du mit "besonderer Stimmung und Aufgeregtheit"?


    :hello: Andreas

  • Hallo Andreas,
    na die in dem Zitat von Thomas (Chorknabe) genannte. Ich hab's jetzt zum leichteren Verständnis dort hervorgehoben.

  • Huhu :)


    Danke erst mal für Deinen schönen Beitrag


    Zitat

    Original von KhampanIch erwarte diese besondere Stimmung und Aufgeregtheit sehr wohl auch von einer CD. Wenn sie fehlt, und das ist leider zu schätzungsweise 99% der Fall, dann ist die Aufnahme für mich höchstens zu Informationszwecken, aber nicht zum Musikhören geeignet. Sicher gehen diesbezüglich die Erwartungshaltungen verschiedener Hörer weit auseinander, und ich gehöre eben dem einen Extrem an.


    Ich denke jedoch nach wie vor, dass man eine bestimmte Stimmung bei einer Aufnahme, außer sie ist live wärend eines Konzertes mitgeschnitten worden, nicht wirklich einfangen kann. Wenn man in einem Konzert sitzt, sei es auf der Bühne (ok..als Chorist steht man dort eher) oder im Publikum, spürt man diese Stimmung des Besonderen. Musiker wie Auditorium haben vorbeitet, hegten Erwartungen, lebten auf den Abend hin. So eine Stimmung kann man wohl aber niemal in einem Tonstudio erreichen.


    Zitat

    Am Ende hat man eine perfekt zusammengeschnittene Version, deren Einzelteile im Wesentlichen keine Musik enthalten. Und niemand kann mir weismachen, das merke man nicht, und man könne doch mit dieser Art von Interpretation auch zufrieden sein.


    Wärend ich lese was Du geschrieben hast verstehe ich was Du meinst. Aber ich erlebe es, zum Glück, anders. CDs sind für für mich Kunstwerke. Und Kunstwerke muss man schaffen, sicher auch mit viel Trickserei. Sie sind in jedem Falle künstlich und nicht echt. Sie versuchen die Wirklichwkeit widerzuspiegeln und werden es doch nie perfeklt schaffen. Insofern störe ich mich wenig an dem Manko der fehlenden live-Atmosphäre und genieße andere Aspekte der Aufnahme.


    Zitat

    Bisher ist es zumindest hierzulande häufig so, daß die CD-Aufnahmen von Seiten der Musiker wie eine intensive Probe angesehen werden, ja sogar gerne als Vorbereitung für ein Konzert genutzt werden. Wenn man Glück hat, gibt's am Ende der Probe noch einen Durchlauf als Generalprobe, und wenn man noch mehr Glück hat, paßt der in Tempo und Ausdruck zu den restlichen, vorher aufgenommenen Takes dazu.


    Es kommt sehr darauf an, wieso man einen Mitschnitt macht. Das Ziel muss nicht immer lauten, eine CD zu produzieren. Oft erzeugt die Mitschnitt-Atmosphäre auch eine gespannte Arbeitsstimmung im Ensemble. Zudem kann die Aufnahme hernach abgehört und bislang unbemerkte Fehler und Macken wahrgenommen werden. Gerade als Vorbereitung für Wettbewerbe (und hier muss ja nun wirklich alles möglichst exakt sitzen) sind diese Proben-Mitschnitte ideal geeignet. Zudem ist es für das Ensemble stets eine tolle Erfahrung, zu hören, wie sie selbst klingen. In jedem Falle hebt es nachhaltig die Qualität, schult die Konzentration und die Fähigkeit, auf den Punkt eine Leistung zu erbringen.


    Wenn am Ende auffällt, dass eine Aufnahme so gut geworden ist, dass man sie auf ein CD packt und publiziert, ist es dabei ein schönes Nebenbei-Ergebnis. Aber eben nicht das Ziel.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Zitat

    Original von Chorknabe
    Ich denke jedoch nach wie vor, dass man eine bestimmte Stimmung bei einer Aufnahme, außer sie ist live wärend eines Konzertes mitgeschnitten worden, nicht wirklich einfangen kann. Wenn man in einem Konzert sitzt, sei es auf der Bühne (ok..als Chorist steht man dort eher) oder im Publikum, spürt man diese Stimmung des Besonderen. Musiker wie Auditorium haben vorbeitet, hegten Erwartungen, lebten auf den Abend hin. So eine Stimmung kann man wohl aber niemal in einem Tonstudio erreichen.


    Das sehe ich auch so, deswegen hatte ich bei Khampan nachgefragt. Diese "besondere Stimmung und Aufgeregtheit" ist im Studio einfach nicht da, weil das Publikum fehlt und die Situation ganz anders ist. Man mag das bedauern oder nicht, aber es ist einfach so.


    Nach dem, was ich so gehört habe, ist es auch nicht so, dass CD-Aufnahmen als Probe oder Generalprobe für ein Konzert oder eine Konzertreihe angesehen werden. Meistens ist es umgekehrt: Wenn das Werk mehrfach aufgeführt wurde und man im Konzert Erfahrungen damit gesammelt hat, geht man ins Studio. Beispiel: Der Sohn eines guten Bekannten war vor einigen Jahren Preisträger bei "Jugend musiziert". Von dem zeitgenössischen Wettbewerbsstück jedes Preisträgers sollte eine Aufnahme für den Rundfunk gemacht werden. Diese Aufnahme wurde ganz bewusst nach den ganzen Konzerten gemacht, die sich an die Preisverleihung anschlossen. Er sagte mir damals, dass die Aufnahme bei allen Preisträgern nach zwei Durchläufen "im Kasten" war; es gab keinerlei Probleme.


    :hello: Andreas

  • Banner Trailer Gelbe Rose