Musik verstehen - Gewinn oder Verlust?

  • Hallo Musikfreunde,


    soeben habe ich folgenden Satz gelesen:


    "Ja, das köstlichste, was der Mensch hat, die innere Zufriedenheit selbst hängt, wie jeder leicht wissen kann, irgendwo zuletzt an einem solchen Punkte, der im Dunkeln gelassen werden muss, dafür aber auch das Ganze trägt und hält, und diese Kraft in dem selben Augenblicke verlieren würde, wo man ihn in Verstand auflösen wollte."


    Dies schrieb Friedrich Schlegel.


    Ist das so, und lässt sich das auch analog auf das Musikhören übertragen? Gehen der Reiz, der Zauber und das innere Gefühl verloren, wenn ich hinter das technische Verfahren oder hinter andere Voraussetzungen blicke?


    Soll ich versuchen, dahinterzukommen, warum mir ein Musikwerk gefällt? Oder begebe ich mich in Gefahr, die Spontaneität und dabei die "innere Zufriedenheit" zu verlieren?


    Wie seht Ihr das?


    Schöne Grüße,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Hallo!!


    Ich würde sagen es ist eine Gradwanderung zwischen Tiefes Eintauchen in die Materie und dabei trotzdem "genießen" zu können.


    Ich habe mal versucht, beim Opernhören Partitur mitzulesen und das Werk zu analysieren. Ich war eine zeitlang total Feuer und Flamme für so was, aber ich habe schnell die Motivation verloren, da ich merkte, wie mir gleichzeitig der Spass und die Fähigkeit nur zuzuhören verloren ging.


    Ich versuche immer noch öfter, die gehörte Musik in Gedanken in Noten umzusetzen aber es macht keinen Spaß.


    Spannender finde ich es unbekannte Werke nur aufgrund der Noten kennenzulernen, was ich sehr gerne mache.


    Es muss jedem selbst überlassen sein, wie tief er in ein Werk oder ein Genre eintaucht.


    Bei mir ist es so, dass je tiefer ich eintauche (Bei Opern ins Libretti) die Begeisterung schnell steigt, aber dann nach einiger Zeit wieder abflaut, da ich doch lieber "nur" zuhöre.


    LG joschi

  • Hallo Uwe,


    hochinteressanter thread!! Ich glaube, daß zwischen Reflexion und Unmittelbarkeit der Wirkung kein Widerspruch bestehen muß. Häufig habe ich erkannt, daß ich auf ganz bestimmte Akkorde, Akkordabfolgen, auf bestimmte Schemata, wie bestimmt Umdeutungen von Akkorden sehr positiv reagiere. Auch längeres Sinnieren kann mir nicht die unmittelbare Freude nehmen. Da ich eh Affinität zum Thema Musikpsychologie habe, habe ich auch keine Befürchtungen in dieser Hinsicht.


    :hello:
    Wulf

  • Ich kann diese Frage nur für mich persönlich beantworten und daher nur mit einem entschiedenen "Nein".


    Für mich ist Musik etwas göttliches. Ein Komponist eines Meisterwerkes also einer, der mit einer besonderen Gabe beschenkt ist.


    Erkenne ich einmal eine Gleichheit zwischen Inhalt und Form (was meinen so gut wie nicht vorhandenen theoretischen Musikkenntnissen eher selten vorkommt), so jagd es mir trotzdem einen Schauer über den Rücken. Mitunter erst Recht dann.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Gehen der Reiz, der Zauber und das innere Gefühl verloren, wenn ich hinter das technische Verfahren oder hinter andere Voraussetzungen blicke?


    Hallo Uwe,


    die Alternative "emotional oder verstandesbetont hören" gibt es in Wirklichkeit nicht, denn fast immer ist beides beteiligt, allerdings je nach Musik und je nach Hörer (sogar: je nach Situation) mit unterschiedlichem Schwerpunkt. Für mich schliesst sich das ganz und gar nicht gegenseitig aus - ich kann einiges über ein Musikstück wissen (Aufbau, Komponist, Stil usw.) und trotzdem noch den Reiz und Zauber spüren. Oft (aber nicht immer) ist es sogar so, dass sich durch das Wissen der Zauber noch verstärkt.


    :hello: Andreas

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Uwe Schoof


    Ist das so, und lässt sich das auch analog auf das Musikhören übertragen? Gehen der Reiz, der Zauber und das innere Gefühl verloren, wenn ich hinter das technische Verfahren oder hinter andere Voraussetzungen blicke?


    Soll ich versuchen, dahinterzukommen, warum mir ein Musikwerk gefällt? Oder begebe ich mich in Gefahr, die Spontaneität und dabei die "innere Zufriedenheit" zu verlieren?


    Das von Dir angesprochene Problem betrifft nicht nur die Musik, sondern jeden Kunstgenuß, der nicht rein äußerlich-oberflächlich verläuft. Im Prinzip ist egal, ob Du eine Symphonie hörst, ein Gemälde betrachtest oder durch ein Theatergebäude durchschreitest, das als Gesamtkunstwerk angelegt ist (Wiener und Dresdner Oper nur mehr mit Einschränkungen, aber von Fellner und Helmer ist genug erhalten, auch die Budapester Oper oder das Cottbuser Theater). Als sensibler Mensch wird man spüren, daß da der "naive" Konsum zwar schön ist, aber nicht genug. Dann setzt das Hinterfragen und das Analysieren ein. Studenten in den Anfangssemestern geraten dann oft in ein Stadium, wo sie sich fragen, ob wir dadurch die Werke oder deren "Zauber" nicht zerstören und agieren wie ein seelenloser Pathologe am Seziertisch, der technisch brillant den Leichnam zerstückelt, aber vom Geheimnis des Lebens keine Ahnung hat (für Curt-Goetz-Leser: Sozusagen ein Prof.Spiter der Kulturwissenschaft). Das ist einerseits sehr verständlich, andererseits wird man bei ernsthaftem Bemühen das bald als Durchgangsstadium begreifen und danach gerade dank der tieferen Erkenntnis auch ein Kunsterlebnis haben, das nicht nur vom Intellekt oder vom Gefühl bestimmt ist (beides kann täuschen), sondern von beidem in Synthese. Die Gefühlsfähigkeit soll und muß man sich unbedingt bewahren. Denn sonst wird man zum intellektuellen Kultursnob, der nur mehr ums Eck denken kann und der Analyse mehr abgewinnt als dem Anlaß dafür, der aber deswegen auch nur mehr einseitigen Zugang zum Original hat. Was Musikwissenschaftlker, Kunsthistoriker usw. leisten, sollte aber Dienst am Werk sein. Wir können durch unsere Interpretationen und Kommentare das Werk nicht ersetzen, wir können nur den Weg dorthin bereiten. Außerdem ist man mit der Erkenntnis eines echten Kunstwerks nie am Ende. Wenn ich mir Furtwänglers "Pastorale" anhöre, egal, ob mit den Berliner oder Wiener Philharmonikern, so ist das eine unendliche Freude und zugleich ein unendliches Rätsel. Würde ich es anders empfinden, wär's ja auch nicht mehr so spannend.
    Dienst am Werk heißt natürlich nicht Tabuisierung. Das wäre eine unzulässige Vereinnahmung und eine Normierung vergänglicher Momentansichten. Aber genauso wenig bedeutet es Willkür, sondern sehr verantwortungsvolle Tätigkeit, die ein gewisses Maß an Ehrfurcht ebenso einschließt wie die Neugier nach dem Unerklärten und die Bereitschaft, unbekannte Wege zu erproben.


    Ich habe das jetzt sehr geschwind und unrein formuliert, hoffe aber mich trotzdem irgendwie verständlich gemacht zu haben.


    LG


    Waldi


  • Jaja, Schlegel, der alte Rauner. Damals konnte man eben noch gut munkeln. Vor allem, wenn man was im Dunkeln vermutete...



    Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Ist das so, und lässt sich das auch analog auf das Musikhören übertragen? Gehen der Reiz, der Zauber und das innere Gefühl verloren, wenn ich hinter das technische Verfahren oder hinter andere Voraussetzungen blicke?
    Soll ich versuchen, dahinterzukommen, warum mir ein Musikwerk gefällt? Oder begebe ich mich in Gefahr, die Spontaneität und dabei die "innere Zufriedenheit" zu verlieren?


    Ich kann das Unbehagen nachvollziehen, denn es hat ja was von einem Kinde, dem man erzählt, den Weihnachtsmann gäbe es nicht und auch die Elfen im Garten sind Gespinste, gestrickt aus einem poetischen Stoff des animistischen Weltverständnisses. Andererseits eröffnen die Einblicke in die Strukturen - das Forum ist für mich ein wunderbarer Punkt, meine Einsichten zu vertiefen - manchesmal tieferen Genuss. Als analoges Beispiel möchte ich ein schönes Buch anführen, dass zwar mit Musik nichts zu tun hat, aber das Motiv der Threadstellung ergänzt: "Die Entzauberung des Regenbogens" von Richard Dawkins. Dadurch, dass Dawkins alle unwissenschaftliche Erklärungsversuche wegmythologisiert räumt er den Blick frei auf die tatsächlich vorhandene Poesie der Naturwissenschaft. Da ist nicht alles kalt und technokratisch. Genauso geht es mir mit Erkenntnissen über die Strukturen und die Technik in der Musik.


    Je mehr ich verstehe, desto tiefer und befriedigender der Genuss. Und wenn ich weiß, warum ich etwas nicht mag, ist die Chance, etwas zu finden, dass mir gefallen könnte weitaus größer...

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich glaube, daß zwischen Reflexion und Unmittelbarkeit der Wirkung kein Widerspruch bestehen muß. Häufig habe ich erkannt, daß ich auf ganz bestimmte Akkorde, Akkordabfolgen, auf bestimmte Schemata, wie bestimmt Umdeutungen von Akkorden sehr positiv reagiere. Auch längeres Sinnieren kann mir nicht die unmittelbare Freude nehmen.


    Ich kenne diesen Effekt bei mir ebenso. Ich bemerke immer wieder, wie ich auf bestimmte musikalische Mittel mit Gänsehaut oder einfach nur Gefallen reagiere. Ich kann diese Faktoren sehr fein herausarbeiten. Dennoch stellt sich der Effekt stark und unmittelbar ein.


    Man kannes vielleicht auch mit der betrachtung eines Regenbogens vergleichen. Ich weiß, dass es Wassertröpfchen in der Luft sind, in denen sich das einfallende Sonnenlicht bricht und die Spektralfarben so aufgesplittet wieder an anderen Tröpchen projeziert werden. Man könnte auch Berechnungen darüber anstellen, welcher Einfallswinkel des Sonnenlichts und welche Tröpfhcenmenge einen Einfluss auf die Eigenschaften des Regenbogens haben. Ich kann hier die allergrößte Wissenschaft und Analyse betreiben.
    Und doch stehe ich jedesmal wieder wie ein kleines Kind vor einem solchen Bogen und staune auf eine ganz einfache und tiefe Weise über die Schönheit eines solchen Moments.


    Insfern denke ich auch nicht, dass Analyse eine Sache kaputt machen kann. Sie kann im Gegenteil sogar neue Ebenen des Verständnisses und damit auch des Genusses erschließen, die vorher verborgen schienen..



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Salut,


    Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Soll ich versuchen, dahinterzukommen, warum mir ein Musikwerk gefällt?


    das ist z.B. der Grund, warum ich überhaupt mit dem Komponieren begann... ich wollte wissen, warum ich die Musik so toll finde und wie man es "nachbaut".


    Und dennoch:


    Zitat


    Man kannes vielleicht auch mit der betrachtung eines Regenbogens vergleichen. Ich weiß, dass es Wassertröpfchen in der Luft sind, in denen sich das einfallende Sonnenlicht bricht und die Spektralfarben so aufgesplittet wieder an anderen Tröpchen projeziert werden. Man könnte auch Berechnungen darüber anstellen, welcher Einfallswinkel des Sonnenlichts und welche Tröpfhcenmenge einen Einfluss auf die Eigenschaften des Regenbogens haben. Ich kann hier die allergrößte Wissenschaft und Analyse betreiben.
    Und doch stehe ich jedesmal wieder wie ein kleines Kind vor einem solchen Bogen und staune auf eine ganz einfache und tiefe Weise über die Schönheit eines solchen Moments.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Mit dem Unterschied, dass ich nun Regenbogen nachbauen kann...


    :angel:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Es ist wichtig, daß man es als Musiker nachbauen kann oder könnte.
    ( Ich kann und will es nicht, aber ich könnte, wenn ich wollte, aber ich will nicht.... )
    Genau so wichtig erscheint mir aber, dann zu lernen, dies alles wenigstens für einen Moment wieder zu vergessen, um den Zustand des kleinen Kindes wieder zu erreichen, das staunend davorsteht und einfach genießt.
    Dieser Schritt zurück ist aber unendlich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.


    Schweres Thema,


    LG,
    Michael

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Dieser Schritt zurück ist aber unendlich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.


    Funktioniert eigentlich wunderbar... ich habe jedenfalls kein Problem damit, tolle Werke [oder Stellen daraus] abgöttisch zu bewundern und zu lieben. Weil ich eben diese Idee nicht hatte... [dafür andere].


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ein Beispiel:
    Mein bester Freund hat mir vor Jahren eine schöne Cellosonate komponiert.
    Er hat mir dann alles analysiert, aber ich habe ihm ziemlich schnell Einhalt geboten, denn er machte mir dadurch einen spontanen, unschuldigen Eindruck seines Werkes erst einmal kaputt.


    Mir war sehr daran gelegen, erst einmal herauszufinden, wie das Werk auf mich wirkt, wenn ich "nur" die Musik spiele.
    Ich wollte erst instinktiv erfassen, ob es sich um lohnende Musik handelt.


    Nun, das war der Fall, und im Augenblick studiere ich das Werk wieder für eine Aufnahme ein.
    Dieses Mal bin ich voll im Bilde, habe aber eher die Schwierigkeit, die alte Spontanität wieder zu erreichen.
    Über diesen Punkt muß ich rüber, und das ist nicht leicht.


    Ich meine, beide Aspekte im Gleichgewicht zu halten, ist die Kunst.
    Und je mehr man weiß, um so interessanter wird es, aber nur, wenn man ein Gleichgewicht hält.
    Und man muß auch nicht immer alles wissen.


    Das herrliche langsame Thema vor der Schlußvariation in Rachmanninoffs Rhapsodie über ein Thema von Paganini z.B. ist das Paganini-Thema auf den Kopf gestellt und dann rückwärts gespielt.


    Hervorragende Kompositionstechnik, ein alter Trick, aber nun denke ich jedesmal an dieser Stelle an die Kompositionstechnik und das frühere Schwelgen an dieser Stelle ist vorbei. :(


    Schweres Thema,


    Gute Nacht,
    :hello:


    Michael

  • Hallo,


    Ich kann Michael da nur beipflichten!
    Ein ausgewogenes Verhältniss von fühlen und analysieren ist perfekt!
    Ein einseitiger Zugang verhindert oft das Entdecken von Details - das ist dann sehr schade..auch wenn der einseitige Hörer davon meist nix mitbekommt...:-)


    LG
    RL

  • Zitat

    Original von Ulli
    Mit dem Unterschied, dass ich nun Regenbogen nachbauen kann...


    Aber auch das wird an meiner Freude über das Ergebnis nichts ändern. Und um diese Freude geht es doch, und nicht die Mystifizierung von Musikstücken oder Regenbögen.
    Übrigens sind solche Momente, solche tollen Werke, auf eine gewisse Art doch ein kleiner Gottesbeweis. Zumindest fühle ich manchmal eine große Dankbarkeit, soetwas erleben zu können, und da ich die Dankbarkeit lieber zielgerichtet verströme.. :D


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Ich meine, beide Aspekte im Gleichgewicht zu halten, ist die Kunst.
    Und je mehr man weiß, um so interessanter wird es, aber nur, wenn man ein Gleichgewicht hält.


    Lieber Michael,


    dieses Gleichgewicht kann von Stück zu Stück sehr unterschiedlich sein. Natürlich gibt es Stücke, die man "naiv" genießen kann. Man genießt sie aber nicht wirklich naiv, sondern weil man mit der Sprache der Stücke vertraut ist, man hat da schon ein Verständnis, das geprägt ist von einer bewusst oder unbewusst aufgenommenen gesellschaftlichen Erfahrung.


    Es gibt auch Stücke, die gerade geschrieben sind für Leute, die möglichst über ihren Erlebniswert nichts erfahren wollen. Leopold Mozart weist seinen Sohn ausdrücklich einmal an, für diese Leute zu komponieren - was heißt, dass Wolfgang Amadée es im Regelfall nicht tat.


    Ich halte einmal dagegen: Keinem Stück, das etwas wert ist, wird eine (nachträgliche) Analyse schaden, eigentlich im Gegenteil.


    Wenn ich Neues kennen lernen will, dann möchte ich es gerne im Konzert, in der Aufführung (ersatzweise, wenn es denn nicht anders geht, auf der CD) erleben, bevor ich es mir (vielleicht auch erst nur das eine oder andere davon) genauer anschaue. Aber in dem Erleben des Neuen steckt eben auch schon viel Erfahrung aus der Analyse des Alten :) Und bin ich mit der Sprache des Komponisten nicht so vertraut, habe ich gerne Vorinformationen (etwa via Programmheft).


    Sich als Künstler ein Stück zur Interpretation erarbeiten, ist sicher wieder eine ganz andere Sache.


    Zitat

    Und man muß auch nicht immer alles wissen.


    Das herrliche langsame Thema vor der Schlußvariation in Rachmanninoffs Rhapsodie über ein Thema von Paganini z.B. ist das Paganini-Thema auf den Kopf gestellt und dann rückwärts gespielt.


    Hervorragende Kompositionstechnik, ein alter Trick, aber nun denke ich jedesmal an dieser Stelle an die Kompositionstechnik und das frühere Schwelgen an dieser Stelle ist vorbei. :(


    Das kann ich so ganz nicht verstehen. Komponieren heißt doch Lösungen suchen, Lösungen finden, Lösungen erfinden - wenn ich die Aufgabestellung nicht kenne, werde ich die Lösung auch nicht goutieren können. Hier scheint es so zu sein, dass du dich durch den Lösungsweg betrogen fühlst, weil er nichts Neues, sondern etwas bewährtes Altes war, zu dem offensichtlich für dich nichts Innovatives dazu kam (denn das macht ja Kunst aus, dass da Neues erfunden wird). Ich wieder finde die Lösung eine überzeugende Idee und sie nimmt mir nichts von meinem Kunstgenuss, sondern steigert ihn eben.


    Könnte es sein, dass diese "Entwertung" mehr mit deiner Erwartung an Rachmaninoff zu tun hat, als mit der entdeckten Lösung?


    Zitat

    Schweres Thema,


    O ja ...


    LG Peter

  • Banner Trailer Gelbe Rose

  • Genau!! Dem großen Physiker Feynman wurde mal die Frage gestellt, ob er sich überhaupt noch der Schönheit einfacher Dinge, wie eines Blattes, erfreuen kann, wenn er stets die phsyikalisch-chemischen Vorgänge sieht bzw. kennt. Seine Antwort war, er fände es umso bewegender und ertsaunlicher, daß sich ein solch schönes Ding und deren Funktion überhaupt begreifen lasse.


    Für manche scheint der Zauber zu verfliegen, wenn sie verstehen. Ich behaupte, die Leute finden nicht die Sache an sich, sondern ihre Unkenntnis und eine Art Übermystifizierung der Sache schön.


    Wer die Sache an sich liebt oder für schön befindet, dem kann Kenntnis diese Schönheit nicht rauben, denke ich.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Genau!! Dem großen Physiker Feynman wurde mal die Frage gestellt..


    Interessanterweise lese ich gerade seine Biographi, ein sehr tolles und lustiges Buch :)


    Zitat

    Für manche scheint der Zauber zu verfliegen, wenn sie verstehen. Ich behaupte, die Leute finden nicht die Sache an sich, sondern ihre Unkenntnis und eine Art Übermystifizierung der Sache schön.


    Ich weiß was Du meinst, halte aber diese Aussage trotzdem für etwas gewagt. Es hat vielleicht vielmehr damit zu tun, dass eine analytische Erklärung das bisherige Bild von einer Sache, sei es ein Musikstück oder ein Naturschauspiel, verrückt und damit verändert. Viele Menschen mögen keine Veränderungen, und darüber stolpern sie genau in diesem Moment.
    Dabei ist doch eben diese Art Veränderung kein Verlust, sondern stets ein Gewinn.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Ich würde hier diverse Unterscheidungen treffen:


    - Es gibt verschiedene Ebenen der Rezeption und Reflexion. Häufig scheint mir die Angst vor der "Entzauberung" auf einer Verwechslung solcher Ebenen zu bestehen. Der ästhetische und emotionale Eindruck des "bestirnten Himmels über mir" ist erstmal unabhängig davon, ob ich weiß, dass Sterne sehr weit entfernte heiße Gaskugeln sind, noch weniger davon, ob ich gewisse Gleichungen, die das Verhalten dieser Gaskugeln beschreiben, kenne und verstehe. Der Eindruck der Erhabenheit bleibt, ebenso wie ein Berg erhaben bleibt, auch wenn man ihn bestiegen hat.
    Bei Naturphänomenen, die ästhetisch erlebt werden, ist also diese Ebene so deutlich von der "analytischen" verschieden, dass ich diese Angst für eher unbegründet halte


    - Ein bißchen schwieriger ist es, wenn man, wie hier, die musikalische Analyse eines Kunstwerks betrachtet. Denn die Wirkung gründet natürlich in den technisch-musikalischen Mitteln, die der Komponist einsetzt. Man könnte jetzt meinen, dass man dies wie einen Zaubertrick durchschauen könnte, worauf der Trick seine Wirkung verloren hätte. Das halte ich aber für ein falsches Bild; ich jedenfalls reagiere auf Musik nicht wie auf Zaubertricks, nämlich mit Verblüffung, sondern die Reaktion ist völlig anders und außerdem viel komplexer. Auch hier gibt es unterschiedliche Ebenen, aber in einem anderen Sinne. Es gibt "Oberflächenwirkungen", die häufig auch der völlig unbefangene und unerfahrene Hörer wahrnehmen wird. Es gibt aber schon hier Details und dann solche auf "tieferen" Ebenen, die man erst bei näherer Beschäfitgung erkennt. Ähnlich ist es mit Strukturen, die etwa die "Einheit" eines Werks, die man sonst nur vage erahnt, deutlicher machen, wenn man sie explizit erkennt. Oder mit Anspielungen oder "Witzen", wenn etwa bestimmte Erwartungen, die man hat, wenn man entweder bestimmte Konventionen oder das vorliegende Werk gut kennt, enttäuscht werden. Selbst solche Kniffe verlieren aber ihre Wirkung nicht durch Analyse. Denn sonst müßten, Gags wie falsche Reprisen oder Schlüsse, unvorhergesehen Auflösungen usw. fade werden, wenn man ein Stück zum wiederholten Mal hört oder gut kennt, was der Erfahrung widerspricht (das Argument stammt nicht von mir, ich glaube Rosen bringt es).


    - Das heißt aber auch, dass einem bei *sehr*oberflächlichem Hören einiges entgeht. Um ein sehr einfaches Beispiel zu bringen, das ganz ohne Noten-oder Theoriekenntnis auskommt. Wer den ersten Satz aus Mozarts A-Dur-Sonate KV 331 hört, ohne wahrzunehmen, dass es sich hier um Variationen über das eingangs vorgestellte Thema handelt, der mag charmante und hübsche Musik hören, aber ihm entgeht offenbar etwas ziemlich Fundamentales. Und zwar keine hermetische Tiefenstruktur, sondern eine Ebene, von der Mozart mit ziemlicher Sicherheit erwartete, dass jeder Hörer sie wahrnehmen würde.


    Ähnlich sieht es mit anderen Strukturen aus. Es ist nicht wichtig, ob man mit Lehrbuchformen vertraut ist. Wer aber im Kopfsatz der Eroica nicht hört, wenn Durchführung beginnt, Reprise eintritt und den Beginn der Coda nicht wahrnimmt, der verpaßt einen wesentlichen Teil der Dramaturgie des Satzes. Er muß diese Begriffe gar nicht kennen, aber er muß die entsprechenden Stellen (und ein paar andere) als signifikante musikalische Ereignisse wahrnehmen.
    Andernfalls hört er einfach eine Reihe von mehr oder weniger lauten Klängen, aber keinen dramatischen Verlauf. Gewiß werden die wenigsten ungeschulten Anfänger in einem solch langen Satz diese Stellen bewußt, wenn überhaupt wahrnehmen (obwohl sie sehr deutlich "markiert" sind). Aber um ein rudimentäres Verständnis zu erleichtern, halte ich es daher für sinnvoll, gute Beschreibungen/Konzertführer zu verwenden, die auf solche Gelenkstellen und einiges andere hinweisen.
    Fast immer steigert Wissen die Faszination; ich erinnere mich noch sehr gut, wie mir jemand, da war ich ca. 17 eine Partitur mit Kommentar zu Beethovens 1. Sinfonie schenkte; ich als typischer Neuling hatte die 1. immer als etwas halbgar oder harmlos angesehen, was sich bei der dann erfolgten näheren Beschäftigung aber gründlich änderte.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Naja,


    die Zaubertricks sind schon reizvoll... aber das macht es ja nicht uninteressanter. Es gibt ja zumindest bei mir noch soetwas wie "Liebe auf das erste Hören". Da ist bei mir zunächst [!] alles egal: ich höre und höre und höre und genieße... und irgendwann kommt dann eben doch die Frage nach dem Warum?


    Musik verstehen - Gewinn oder Verlust?


    Für jene, die "mehr" verstehen, als andere, ist dies zumeist ein Gewinn. Für die übriggebliebenen aber ist es kein Verlust, dass sie weniger wissen... sondern ebenfalls ein effektiver Gewinn.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Peter,


    Zitat

    Könnte es sein, dass diese "Entwertung" mehr mit deiner Erwartung an Rachmaninoff zu tun hat, als mit der entdeckten Lösung?


    Ich sehe, daß ich bei diesem Beispiel danebengegriffen habe, diese Stelle ist natürlich nach wie vor für mich schön, eigentlich bin ich mit Dir ganz einer Meinung.
    Ich bin vielleicht traurig durch eine gewisse "Entzauberung", auf der anderen Seite bewundere ich die Kompositionstechnik von Rachmaninoff, auch wenn sie nicht auf seinem Mist gebaut ist, aber auf diese Idee muß man erst einmal kommen...



    Ich schrieb auch nicht aus der Sicht des Musikhörens, sondern der Erarbeitung eines Werkes.


    Die Kenntnis des Sonatenhauptsatzes und der meisten anderen Kompositionstechniken wie Variationen, Fugen usw. ( ein rudimentäres Kompositionsstudium täte vielen Musikern gut... ) habe ich in diesem Falle vorausgesetzt.


    Mich interessiert vor allem immer, was hinter den Noten steht: Farben, Ausdruck, man sollte mit der Zeit, in der das jeweilige Werk komponiert wurde, vertraut sein, was hat der Komponist gelesen, in welchem Umfeld hat er gelebt, etc. pp.


    Und es erscheint mir wichtig, sich auch wieder in die Lage versetzen zu können, Muaik "naiv" hören zu können.
    Aber das klappt bei mir natürlich meistens nicht mehr.


    Zitat

    Ich halte einmal dagegen: Keinem Stück, das etwas wert ist, wird eine (nachträgliche) Analyse schaden, eigentlich im Gegenteil.


    Richtig, ich habe mich wirklich nicht besonders geschickt ausgedrückt.
    Natürlich hast Du recht.


    Ich stelle leider immer wieder fest, daß es mir nicht gegeben ist, alles genau so aufzuschreiben, wie ich es mündlich in einem Gespräch oder im Unterricht wiedergeben würde.


    Ich verliere dann auch schon mal den Faden.
    Mit dem Gleichgewicht meine ich allerdings trotz allem, daß sich Analyse und Phantasie ergänzen müssen, wenn es um die Erarbeitung eines Werkes geht.


    Johannes Roehl und Du, lieber Peter, haben sehr viel sinnvolleres zu diesem Thema geschrieben, Aussagen, die ich unbedingt teile.


    Tut mir leid, daß ich etwas konfus geworden bin.
    Das Beispiel mit der Sonate meines Freundes lasse ich aber so stehen, denn es ist m.e. sein Job, die Kompositionstechniken zu beherrschen.
    Das Werk muß sich aber trotzdem auch bei ziemlicher Unkenntnis, wie es gemacht wurde, irgendwie erschließen.
    Nur die Tatsache, daß dieser oder jener Lauf die Spiegelung, Umkehrung oder sonstetwas ist, macht ihn nicht musikalisch wertvoll.


    Das sollte man später wissen, muß man aber erst einmal nicht, finde ich.


    LG,
    Michael

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich habe mal einen schönen Satzfetzen über die Verliebtheit aufgenaschnappt "als wir uns fremd waren und nichts weiter". So ähnlich geht es mir mit Musikstücken. In ein Musikstück kann ich mich nur verlieben, wenn ich es nicht analysiere (bzw. in dem Moment des Hörens so ergriffen bin, dass ich nichts analysiere). Doch nicht jedes Musikstück, in das ich mich verliebe, eignet sich auch für eine Ehe. Musikstücke, die mich mein Leben lang begleiten, verlieren nicht dadurch, dass ich sie durchschaue.

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

  • Das Thema finde ich sehr sehr interessant und danke dem Themensteller. :jubel:
    Etwas Schlauereres und Treffenderes als meinen klugen Vorrednern faellt mir auch nicht ein und es faellt auch nicht leicht, das Alles in Worte zu fassen.
    Da kann man ganze rezeptionsaestethische Abhandlungen drueber schreiben.
    Irgendwie muss ich spontan an Marcel Proust und seine "Verlorene Zeit" denken.An die beruehmte Episode mit der Madeleine(Biskuit), die in den Tee getaucht wird und damit eine ganze Welt in ihm auferstehen laesst.
    Wenn ich ein Musikstueck zum ersten Mal hoere und genau DAS passiert, dann kann keine Analyse der Welt mir diese interne Analyse herbeizaubern oder auch nur einen Grad verstaerken.
    Eine Analyse kann aber sehr wohl meinen Respekt vor einem Werk noch steigern. So ergangen mit Alban Bergs Violinkonzert. Schon beim ersten Hoeren war ich verloren fuer alle Zeit, aber erst als ich verstand, dass ein Bachchoral eingebaut ist, welche biographischen Hintergruende etc etc, war mein intellektuelles Verstaendnis ebenfalls da. Existentiell waere es nicht gewesen, eher ein Hilfsmittel.
    Den Vergleich mit dem sich Verlieben finde ich absolut treffend.
    Aber: wenn ich mich einmal in ein Musikstueck verliebt habe, gibt es kaum Abnutzungserscheinungen. Ein Musikstueck laesst zumindest keine schmutzigen Socken herumliegen........ :D


    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem


    Ich schrieb auch nicht aus der Sicht des Musikhörens, sondern der Erarbeitung eines Werkes.


    Die Kenntnis des Sonatenhauptsatzes und der meisten anderen Kompositionstechniken wie Variationen, Fugen usw. ( ein rudimentäres Kompositionsstudium täte vielen Musikern gut... ) habe ich in diesem Falle vorausgesetzt.


    Das ist eben auch ein wichtiger Punkt. Leute wie Du, mit 30 Jahren Musizier- und Hörerfahrung setzen mitunter stillschweigend Dinge voraus, die auch ein nicht mehr ganz frischer "Nur-Hörer" längst nicht alle weiß, und meinen dann nur technische Finessen, die weit jenseits der Laienkenntnisse liegen. Ich selbst kann mich aber noch vage daran erinnern, was ich als Anfänger alles nicht gehört habe. Ich höre immer noch sehr viel nicht, v.a im Harmonischen, weil ich nur wenige Jahre ein Melodieinstrument gespielt habe, aber selbst rudimentäres eigenen Musizieren oder Singen bringt m.E. ziemlich viel.


    Zitat


    Und es erscheint mir wichtig, sich auch wieder in die Lage versetzen zu können, Musik "naiv" hören zu können.
    Aber das klappt bei mir natürlich meistens nicht mehr.


    Ist das nicht zumindest teilweise ein schlichter Gewöhnungseffekt? Auch der technisch ahnungslose Hörer kennt irgendwann ein Stück ziemlich gut aus der Erinnerung.


    Zitat


    Das Beispiel mit der Sonate meines Freundes lasse ich aber so stehen, denn es ist m.e. sein Job, die Kompositionstechniken zu beherrschen.
    Das Werk muß sich aber trotzdem auch bei ziemlicher Unkenntnis, wie es gemacht wurde, irgendwie erschließen.
    Nur die Tatsache, daß dieser oder jener Lauf die Spiegelung, Umkehrung oder sonstetwas ist, macht ihn nicht musikalisch wertvoll.


    Es gibt hier einen Briefwechsel zwischen Schönberg und Kolisch (ich kenne das leider nur aus zweiter Hand, daher keine genaue Quelle). Kolisch hatt ein 12-Tonwerk (IIRC das 3. Str.Quartett) vor der Uraufführung minutiös analysiert und hatte einige technische Fragen. Schönberg soll sehr verwundert gewesen sein und geschrieben haben, dass es aus seiner Sicht überhaupt nicht notwendig sei, das so detailliert zu analysieren. Nichtmal für den Interpreten, dann gewiß auch nicht für den Hörer.


    @ Faerie Queene: Meines (und Googles und der englischen Grammatik) Wissens heißt es "Where the bee suck*s* there suck I" Entschuldige für die Korinthenpickerei, aber das fällt mir jedesmal auf. Falls das doch die originale Schreibung irgendeines Folio oder Quarto ist, bitte um Entschuldigung ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo zusammen!


    Für mich ist Musik verstehen, analysieren, ein absoluter Gewinn der den Hörgenuss erst vollständig macht. Beim ersten Anhören eines Werkes verlasse ich mich allerdings nur auf mein "Bauchgefühl", erst wenn dieses mir sagt, dass Stück gefällt mir, beschäftige ich mich auch intellektuell damit, d.h. ich versuche auch die Hintergründe der Entstehung des Werkes, die Zeitumstände, usw. als auch das Werk selbst zu verstehen. Beim ersten Anhören eines Werkes bin ich also ein staunendes, unwissendes Kind, danach versuche ich zu lernen und erwachsen zu werden, der Zauber der Kindheit geht dann zwar ein bisschen verloren, darfür gewinne ich Erkenntnisse, die mich das Werk neu hören lassen. Im Idealfall ergänzen sich die beiden Welten und ich erlebe wirklich einen perfekten Hörgenuss.

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Gehen der Reiz, der Zauber und das innere Gefühl verloren, wenn ich hinter das technische Verfahren oder hinter andere Voraussetzungen blicke?


    Soll ich versuchen, dahinterzukommen, warum mir ein Musikwerk gefällt? Oder begebe ich mich in Gefahr, die Spontaneität und dabei die "innere Zufriedenheit" zu verlieren?
    Uwe


    Servus Uwe,


    Ich unterscheide zwischen "klassischer" Musik und moderner Musik. Im ersten Fall lasse ich das mir bisher unbekannte Stück einfach auf mich wirken und lese gerne hinterher, im zweiten Fall hat es sich bewährt, mich vorher zu informieren - erst dann höre ich moderne Musik mit Gewinn. Ohne vorherige Information stehe ich der Moderne ziemlich hilflos :D gegenüber. Andererseits will ich nicht bei Wagner, Bruckner und Mahler stehenbleiben....


    LG
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Beim Lesen all dieser schönen Beiträge in diesem Thread fällt mir einiges interessantes über meine eignenen Hörgewohnheiten und meine Herangehensweise zur Musik auf.


    Themenvorstellung..Durchführung..Reprise..Coda..Sonatenhauptsatzform - all das sind mir wohlbekannte Begriffe. Aber eigentlich interessieren sie mich nicht wirklich in der Musik. Die intellektuelle Struktur ist sicher interessant und beeindruckend, aber es ist nicht das Moment, welches mich (bislang) an die Musik fesselt. Es ist aber auch kein kindliches Staunen. Vielmehr kann man es als sehr tiefe und ursprüngliche Beziehung zu den den Klänge, die an mein Ohr strömen. Das meint man auch, wenn man sagt: Musik rührt. Sie rührt an der Seele, am innersten. Natürlich kann sie auch am Verstand rühren, und diese geistige Durchdringung ist eine ganz andere und auch schöne Form des Gefallens und der Faszination. Aber sie ist eine andere.


    Vielleicht ist auch allesdies ein Grund dafür, dass ich mit der Musik der Klassik, wie Mozart, nur wenig anfangen kann. Eben darum, weil mich die Art der Themenverarbeitung, die Kunstgriffe des Komponisten nicht rühren. Es sind die Klänge, Harmonien und deren Zusammenspiel, die Rhythmen und manchmal wenn auch sehr selten die Texte denen ich regelrecht schutzlos ausgeliefert bin und die so zum Allerinnersten vorzudringen vermögen.


    Wie kann man dies alles jetzt in das grundlegende Problem des Musik Verstehens einzuordnen?


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Zitat

    Original von Chorknabe
    Beim Lesen all dieser schönen Beiträge in diesem Thread fällt mir einiges interessantes über meine eignenen Hörgewohnheiten und meine Herangehensweise zur Musik auf.


    Themenvorstellung..Durchführung..Reprise..Coda..Sonatenhauptsatzform - all das sind mir wohlbekannte Begriffe. Aber eigentlich interessieren sie mich nicht wirklich in der Musik. Die intellektuelle Struktur ist sicher interessant und beeindruckend, aber es ist nicht das Moment, welches mich (bislang) an die Musik fesselt.


    Es ist m.e. ein fundamentales Mißverständnis, wenn man die Sonatenform als eine "intellektuelle" Struktur "hinter" der Musik auffaßt. Um das zu vermeiden schrieb ich, dass die Kenntnis der theoretischen Begriffe völlig sekundär ist. Aber wenn man beim Hören nicht *erlebt" wie (normalerweise) in der Durchführung plötzlich Instabilität, gleich ob hochdramatisch oder eher spielerisch, herrscht und die Reprise als stabilisierende "Heimkehr" erlebt, verpaßt man den dramatischen Ablauf der meisten Sonaten. Das kann unbewußt oder aufgrund von Erfahrung erlebt werden oder dadurch erleichtert, dass man es sich "theoretisch" klarmacht.
    Aber diese Struktur hängt so eng mit dem dramatisch-musikalischen Ausdruck zusammen, dass man den nicht wahrnimmt, wenn man diesen Ablauf überhaupt nicht mitkriegt. Bei sehr dramatischen Sätzen wie in einigen Beethovensinfonien ist das natürlich offensichtlicher (und auch für den kaum verpassen, der theoretisch ahnungslos ist) als in einer eher spielerischen Sonate von Haydn oder Mozart.
    Andernfalls ist das so ähnlich wie wenn man einen klar gegliederten Text liest, aber nicht weiß, was die Argumentation und die Konklusion ist.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes, ich habe nicht das von dir gemeinte s,sondern ein Anderes vergessen.Danke fuer den Hinweis, ist berichtigt.
    Fairy Queen :angel: