Altfranzoesische "Bergerette"

  • Ich bin neu in diesem Forum und sage erst mal freundlich Guten Tag. Durch Empfehlung eines Musikers hier gelandet, ist es mir seit gestern noch bei weitem nicht gelungen, mich durch das vielgefaecherte Themenspektrum zu wuehlen. Das wird wohl Wochen dauern. :untertauch:
    Ich interessiere mich brennend fuer Musik in fast allen Schattierungen und habe eine gewisse Vorliebe fuers Vokale, da ich selbst singe.
    Zuerst habe ich eine Frage:
    Kennt hier jemand die Liedgattung "Bergerette" und kann etwas dazu sagen?
    Ist das hier der richtige Ort fuer diese Frage oder gibt es einen speziellen Bereich fuer alte Musik?
    Ich habe ein Buechlein mit Bergerettes (Schaeferliedchen) von 1913 geschenkt bekommen und finde diese Melodien und Texte sehr sehr huebsch und singenswert, weiss aber so gut wie ncihts darueber. Die Texte sind sehr bukolisch und drehen sich um Liebe und Schaeferromantik, Troubardouraspekte sind auch noch zahlreich vorhanden.
    Die Begleitung ist anscheinend fuer Laute notiert, ein einziges System im Violinschluessel.
    Mangels Laute ueberlege ich , ob man das nciht auch mit der rechten Hand am Klavier selbst begleiten kann. Oder auch mit Gitarre oder Harfe.
    Wenn jemand irgendetwas dazu weiss, bin ich sehr dankbar.
    Fairy Queen

  • Also ganz so viel kann ich vielleicht auch nicht beitragen, aber ich schätze mal es geht hier um die "Brunettes" das waren Schäferlieder die um 1700 in Mode kamen und dann bis weit ins 19. Jahrhundert noch starke Verbreitung fanden.



    Der Ursprung ist das Ballet de Cour.
    Bzw. die Überbleibsel - die Airs de Cour. Lautenlieder, die oftmal aber auch Reste ganzer Ensembleszenen waren.


    Diese Airs de Cour wurden meist nur mit Laute, Gambe oder Cembalo begleitet, meist für eine Stimme. Von Michel Lambert sind aber auch mehrstimmige Airs überliefert.


    Daraus entwickelten sich die Airs serieux und Airs à boire.
    Sie stellen gewissermaßen die Vorstufe zum Schäferlied da und haben gleichzeitig auch die frz. Kantate inspiriert.



    Diese "Volksmusik" stammt also teilweise von höfischen Komponisten, wie Boesset, Lully, Lambert, du Bailly oder Couperin - und genauso übernahmen diese Komponisten auch Volkstümliche Melodien.



    Die Schäferlieder wurden dann häufig auch mit den entsprechenden Instrumenten begleitet, Drehleier und Musette (Dudelsack).


    Die Begleitung ist aber niemals festgelegt - man kann das machen wie man will. Gegen Ende des 18. jahrhunderst wurden diese Lieder häufig auch mit der Harfe oder dem Fortepiano begleitet.


    Viele der Melodien stammten auch aus Opern, oder Balletten und wurden dann eben nur mit neuen Texten versehen.

  • Herzlichen Dank fuer diese ausfuehrliche Antwort!
    Die Melodien sind so kunstvoll, wenn auch nicht wirklich kompliziert, dass ich mir gut vorstellen kann, dass sie aus fruehen Opern stammen. Sie liegen irgendwo zwischen Lied und Arie.
    Ideal für helle Tenor oder Sopranstimmen.
    Aus deinem Namen und deiner Kenntnis schliesse ich, dass du dich in frz. Vokal- Barockmusik gut auskennst.
    Leider wird sie in Deutschland nicht so anerkannt und aufgefuehrt wie es vielleicht angemessen waere.
    Ich frage mich, ob das daran liegt, dass Ballett und Tanz nicht so verbreitet ist wie in Frankreich oder dass, anders als in England und Frankreich, die Stimmen , die diese Art Musik idealerweise singen koennen eher seltener sind. ?(
    Ich bin z.B. begeistert von den Opern von Rameau. Gibt es hier ein eigenes Forum fuer alte Musik oder packt man das bei Fragen einfach unter Vokalmusik oder ins Opernforum?


    Was die Bergerettes angeht eignen die sich auch bestens fuer Gesangsanfaenger und ich werde vielleicht probieren, die Begleitung irgendwie fuer den Hausgebrauch mit Klavier hinzubekommen. Wenn du sagst, dass das auch damals mit Fortepiano begleitet wurde, habe ich weniger Scheu.
    Die Texte entsprechen ganz und gar der im 18. JH so verbreiteten Schaefer-Idylle. Man sieht geradezu die Gemaelde von Watteau vor dem geistigen Auge.
    Nochmal danke
    Fairy Queen

  • Hallo Fairy Queen,



    sieh Dir mal das Themenverzeichnis an - da habe ich ein paar ( :D ) Threads über frz. Barockmusik ins Leben gerufen. da wirst Du bestimmt was finden.
    Im Moment funktioniert die Suchfunktion nicht - aber im Themenverzeichnis sind sehr viele Threads aufgelistet.


    Ein eigenes Forum für Alte Musik gibt es auch nicht. Wir wollen keine Ghetto-Bildung :D


    Ansonsten, denke ich kannst Du in der Interpretation Dir eigentlich alle Freiheiten nehmen, diese Lieder sind ja dafür gedacht.
    Auch vieles was sonst in dieser Zeit veröffentlicht wurde, war nur selten auf spezielle Instrumente festgelegt - die Stücke sind so komponiert, dass man sie auf fast allen gebräuchlichen Instrumenten spielen konnte - erhöhte die Verkaufszahlen der Drucke.


    Eigentlich kann man behaupten, dass hier auch die Wurzeln des Chansons liegen.
    Das berühmteste Lied dieses Gengres ist wohl "Plaisir d'Amour" von Martini - soweit ich weiß sogar noch von Edith Piaf gesungen - Martini war der letzte Surintendant in Versailles....


    Ja da gibt es in der Tat sehr viele schöne Stücke zu entdecken.


    :hello: