Igor Markevitch - Vom Glühen der Strukturen

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    Igor Markevitch gehört wie etwa seine Kollegen und Zeitgenossen Ferenc Fricsay, Antal Dorati oder Karel Ancerl zu jenen Dirigenten, die heute zumeist nur noch Sammlern und eingeschworenen Fans ein Begriff sind, obwohl sie zu ihrer Zeit durchaus bekannt waren und nicht wenige Schallplattenenspielungen hinterlassen haben. Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein. Zum einen hatten sie wohl weniger Talent und Neigung zur Selbstdarstellung als vergötterte Pultstars wie Leonard Bernstein oder Herbert von Karajan und waren daher den Marketingmechanismen des Business entsprechend als „Marke“ weniger zu gebrauchen. Andererseits waren ihre Interpretationen nicht primär von klanglicher Süffigkeit oder orchestraler Hochpolitur geprägt, sondern eher, wenn man es so pathetisch formulieren will, von der größtmöglichen Treue zum Komponisten und zum Werk, ohne dabei jedoch in kapellmeisterliche Biederkeit oder Pedanterie zu verfallen. Igor Markevitch insbesondere verstand es, die Strukturen einer Partitur wie in einem Längsschnitt mit dem analytischen Skalpell freizulegen und sie gleichzeitig von innen heraus dramatisch zum Glühen zu bringen. Eine glückliche Kombination aus russischer Dämonie und französischer clarté, den beiden entscheidenden Einflüssen von Herkunft und Erziehung Markevitchs.



    Auch Igor Markevitch ist ein Kind des berühmten Dirigenten-Jahrganges 1912, dem u.a. Sergiu Celibidache, Günter Wand, Kurt Sanderling, Sir Georg Solti, Erich Leinsdorf und Ferdinand Leitner angehören. Geboren wurde er am 27. Juli in Kiew auf dem Schloss der Familie, in dem schon Michael Glinka, ein entfernter Verwandter, seine berühmte Oper „Ivan Susanin/Ein Leben für den Zaren“ geschrieben hatte, ein Werk, das Markevitch später selbst für die EMI aufnehmen sollte. Die Familie siedelte 1914 erst nach Paris um, um sich dann endgültig im westschweizerischen Vevey niederzulassen, wo Igor schon früh als Kind mit seinem Vater Boris, einem Pianisten, vierhändig Klavier spielte und auch öffentliche Konzerte gab. Das musikalische Talent des Jungen fiel dem französischen Pianisten und Komponisten Alfred Cortot als erstem auf und so gab er dem erst Neunjährigen den ersten Kompositionsunterricht. 1926 ermöglichte er dann dem musikalisch Hochbegabten weitergehende Studien bei der berühmten Nadia Boulanger in Paris, wo er u.a. auch die Bekanntschaft von Igor Stravinskys Sohn Soulima machte.


    Die Öffentlichkeit nahm zuerst 1929 von Markevitch Notiz, als dieser sein erstes Werk, ein Klavierkonzert, eigenhändig in London erfolgreich uraufführte. Im Jahr darauf hatte seine Ballett "L´habit du Roi" bei den Ballets Russes von Serge Dhiagilev Premiere, 1931 folgte die Partita für Klavier und Kammerorchester, 1932 dann wohl sein wichtigstes Werk "L´Envol d´Icare" für Orchester. Markevitch begann sich nun immer mehr für das Dirigieren zu interessieren, nahm Unterricht bei Pierre Monteux und dann bei Hermann Scherchen und debutierte 1933 bei Concertgebouw Orchester mit seinem Werk "Rébus". Zu dieser Zeit galt er als eines der hoffnungsvollsten jungen Kompositionstalente, „eine der herausragenden Persönlichkeiten der zeitgenössischen Musik“, wie Bela Bartok ihn nannte. Sein kompositorischer Stil erinnert entfernt an Stravinsky oder Prokofiev, war stark horizontal-polyphon geprägt, erhielt aber teilweise schon Experimente mit aleatorischen Formen (zuverlässige, wenn auch nicht überragende Aufnahmen seiner Werke liegen beim Label "Marco Polo" vor).


    Der Zweite Weltkrieg bedeutete auch für Markevitch einen starken Einschnitt in seinem Leben. Als er sich 1939 in Italien aufhielt, um sein Oratorium "Lorenzo Il Magnifico" zu vollenden, wurde er vom Kriegsausbruch überrascht. Durch den Kriegseintritt Italiens in Florenz festsitzend, schloss Markevitch sich der italienischen Resistenza an. Nach der Befreiung durch britische Truppen im Jahre 1944 wurde er dann mit der Reorganisation des florentinischen Musiklebens betraut. Von nun an arbeitetete er gänzlich als Dirigent, zunächst beim Maggio Musicale Fiorentino vor allem mit der Aufführung von Opern beschäftigt.


    Ab Ende der 1940er Jahre machte er sich als Gastdirigent in den Konzertsälen der Welt einen Namen, wobei ihm nicht nur sein phänomenales Gehör, sondern auch seine absolut klare, bewegliche und elegante Dirigiertechnik eine große Hilfe war. Seine völlig unabhängig voneinander agierenden Hände, unterstützt von kontrollierenden Blicken, machten den Orchestermusikern seine interpretatorischen Wünsche fast immer sofort verständlich. Ihm ging so der Ruf eines hervorragenden Orchestererziehers voraus, der selbst mit einem mittelmäßigen Orchester nach wenigen Proben jedes technisch noch so schwierige Konzertprogramm aufführen konnte. Aufgrund dieser Fähigkeiten war Markevitch ein sehr gefragter Dirigierlehrer, der überall auf der Welt Meisterkurse gab (u.a. auch in Salzburg) und sich auch musikwissenschaftlich beschäftigte. Während seiner Karriere hatte er jeweils nur kurzzeitig dirigentische Chefposten beim Orchestre Lamoureux, in Montreal und Monte Carlo sowie beim Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia inne, die Verbreitung und Festigung seines Rufes lag aber vor allem in senen skrupulösen Schallplattenaufnahmen begründet, die erst dann begannen, wenn Markevitch sich sicher war, dass das Ergebnis seinem Perfektionsideal entsprach.


    Als Grundstock einer Markevitch-Sammlung bietet sich die bei der Deutschen Grammophon in der „Original Masters“-Serie erschienene Box „Igor Markevitch – Un véritable Ariste“ an, die sowohl Mono- als auch Stereo-Aufnahmen aus den 1950er und 1960er Jahren vereint, die sein weitgespanntes Repertoire bezeugen (Mozart, Gluck, Cimarosa, Haydn, Schubert, Beethoven, Brahms, Wagner, Kodaly, Gounod, Debussy, Bizet und Tchaikovsky).



    Bei den Aufnahmen der Symphonien Mozarts (Nr. 34, 35 und 38, Berliner Philharmoniker und Orchestre Lamoureux) und Beethovens (Nr. 3 und 6, diverse Ouvertüren, NBC Symphony Orchestra und Orchestre Lamoureux) nimmt man mit Erstaunen zur Kenntnis, dass Markevitch schon in den 50er Jahren eine Art HIP-Stil avant la lettre pflegte: wenig Pathos, reduzierte Streicher, historisch korrekte Sitzordnung, Heraushebung der Bläserstimmen, die aber dennoch im Gesamtklang des Orchesters integriert bleiben, schnelle Tempi, insbesondere in den Menuetten Mozarts, die damit dem ursprünglichen Tanztempo wieder angenähert wurden. Dabei weiss er aber ganz genau, wie man die so freigelegten Strukturen durch teilweise unmerkliche Tempoverschiebungen, -rückungen und -verzögerungen zum Leben erweckt, ihnen ein hörbares Relief verleiht, wie etwa in der „Leonore III“, wo er bei ca. 11:54 die Streicher mit allmählicher Verzögerung vortasten lässt, bevor sie sich Gruppe für Gruppe crescendierend mit revolutionärem Elan in den Jubeltaumel stürzen. Und doch: bei aller Bewegung und loderndem Feuer wirkt alles stets kontrolliert, die Musik klingt zwar aufregend, ist aber nicht aufgeregt, sie „schwitzt“ trotz Hitze der Interpretation nicht. Gefühl und Verstand in harmonischem Ausgleich.


    Aus der Fülle seiner Einspielungen, von denen mittlerweile durch die Auswertung der Back-Kataloge wieder viele zugänglich sind (insbesondere in der Universal-„Originals“-Serie), seien stellvertretend folgende Aufnahmen genannt:


    - Berlioz, "La Damnation de Faust"



    Eine Interpretation aus Feuer und Eis mit einem sich bei den Höhepunkten angemessen hysterisch überschlagenden Orchester und der gewissen Portion Vulgarität etwa im „Ungarischen Marsch“, durch den dieser die nötige Abgeschmacktheit bekommt.


    - Haydn, "Die Schöpfung"



    Eine erklärte Lieblingsaufnahme Markevitchs mit den Berliner Philharmonikern, strahlend schön in ihrer subtilen und schlichten Gradlinigkeit.


    - Strawinsky- und Prokofiev-Boxen (Philips, EMI)


    Für die Philips-Box habe ich keine Abbildung gefunden!



    Hier ist Markevitch sozusagen auf ureigenstem Terrain, herausragend der „Sacre“, die „Geschichte vom Soldaten“ (mit Cocteau als Erzähler und Ustinov als Teufel) und die „Psalmensymphonie“ (eine Aufnahme aus der UdSSR).


    - Strawinsky: „Sacre“ (Testament, BBC)




    Wer weniger investieren möchte, dem seien die auch einzeln erhältlichen „Sacre“-Aufnahmen empfohlen, insbesondere die atemberaubend harte BBC-Live-Aufnahme mit dem London Symphony Orchestra, gekoppelt u.a. mit einer „Francesca da Rimini“ von Tchaikovsky, die sich als veritable Höllenfahrt erweist.


    Igor Markevitch starb am 07. März 1983 in Antibes.


    Wie ich bei der Recherche für diesen Artikel feststellen konnte, ranken sich allerdings auch merkwürdige Verschwörungstheorien um die Person Igor Markevitch. Diese beziehen sich allerdings nicht auf seine eher abweisende, verschlossene Persönlichkeit oder seine langjährige Heroinabhängigkeit, sondern kreisen um die Entführung des damaligen italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro. Hinter der Entführung Moros 1978 durch die Brigate Rosse (Roten Brigaden) vermuten einige (linke) Journalisten einen Coup westlicher Geheimdienste, die den aus ihrer Sicht politisch unbequemen Moro aus dem Weg räumen wollten, weil diese im sog. "Historischen Kompromiss" der Christdemokraten Moros mit den italienischen Eurokommunisten unter Berlinguer ein Abrücken Italiens aus der westlichen Allianz in Richtung Neutralität befürchteten. Markevitch, der in erster Ehe mit der Tochter Nijinskys, in zweiter Ehe mit einer Prinzessin aus der einflussreichen Adelsfamilie der Caetani verheiratet war (woraus ein Sohn, der Dirigent Oleg Caetani, hervorging), soll danach seit seiner Zeit in der italienischen Widerstandsbewegung beste Kontakte zum britischen Geheimdienst unterhalten und die Sache des „Westens“ unterstützt haben. Die Rolle Markevitchs, die ihm in diversen Theorien zugeschrieben wird, ist widersprüchlich. Mal wird er als organisatorischer Kopf der Entführung bezeichnet, in dessen Haus Moro versteckt und ermordet wurde, mal als Verhandler mit den Roten Brigaden im Auftrag der italienischen Regierung, da er aufgrund seiner bewiesenen antifaschistischen Gesinnung auch auf Seiten der Linken Ansehen genoss. Ganz verrückt wird es dann bei den Theorien, welche Markevitch als hohen Würdenträger der Rosenkreuzer oder als Großmeister der „Bruderschaft vom Berg Sion“ (bekannt durch den unsäglichen Bestseller „Sakrileg“) entlarvt haben wollen. Wie gesagt, alles nur ziemlich abstruse Verschwörungstheorien, die ich mir natürlich nicht zu eigen mache.


    Viele wichtiger ist der Musiker Markevitch und seine akustische Hinterlassenschaft. Wie schätzt ihr die Bedeutung Markevitchs und die Qualität seiner Aufnahmen ein? Welche gefallen Euch, welche gefallen Euch nicht (falls es solche Aufnahmen überhaupt gibt :D )?


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Gerade vor Kurzem kaufte ich in einem Warenhaus hier in Helsinki eine CD mit Igor Markevitch : Aufnahmen französischer Musik mit dem Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks (Debussy, Ravel, Roussel, Satie), und das fuer 6 €! Besonders faszinierend Saties 1917 entstandene Parade, bei der man sogar Schreibmaschinen und Autohupen hören kann. Des Weiteren kenne ich von Markevitch dessen Einspielungen von Haydns Schöpfung, von Mozarts Krönungsmesse, von
    Brahms 4. Sinfonie, die mir alle sehr gut gefallen.
    Besonders empfehlen möchte ich seine Gesamtaufnahme der Tshaikovski-Sinfonien fuer alle Karajan-Verächter!


    Mikko

  • Von Markevich sind mir seit meines Lebens zwei Aufnahmen immer präsent geblieben, die bis heute nicht übertroffen wurden. Zum einen Cherubinis "Männerchor-Requiem", das hier, trotz eines nur mässigen Orchesters und eines eher engbrüstigen Chores allein aufgrund der glühenden, charismatischen
    Präsenz des Dirigenten zu einer Sternstunde der Cherubini-Diskographie gerät:



    Ähnlich verhält es sich mit Gounods "Caecilien-Messe" einer Musik, die mich unter "normalen Umständen" eher das Weite suchen denn zuhören lässt.
    Aber auch hier bin ich, einmal Dank der großen Irmgard Seefried und wiederum
    Dank dieses Ausnahme-Dirigenten "einfach hin-und weg" ! :D


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    Tschaikowski gehört gewiss NICHT zu meinen Lieblingskomponisten, und wenn er denn schon sein muss, dann ebenfalls am liebsten in der Lesart von Markevich !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Markevitch ist klar einer meiner bevorzugten Dirigenten. Er verkörpert wie Fricsay und Rosbaud den wirklich modernen Dirigenten der Nachkriegszeit, der in der Moderne gleichermaßen zu Hause ist wie in der Klassik, hochprofessionell als Orchestererzieher, mit hervorragenden Resultaten, dabei ohne Starallüren. Leider übernahmen dann bald die Selbstmarketingspezialisten die Vorherrschaft. :rolleyes:


    L'histoire du Soldat ist meines Wissens die klassische Einspielung diese Stückes schlechthin, natürlich auch wegen Cocteau (jpc hat sie, jedoch ohne Bild).
    In der von Giselher genannten DG-Box sind m.E alle Aufnahmen lohnend (da ich auch kein allzu großer Tschaikowsky-Fan bin habe ich die 6. und Francesca nicht mit den späteren Stereo-Aufnahmen verglichen, zum Rest gibt es meines Wissens keine späteren Alternativen).
    Hervorheben möchte ich davon noch Haydns Sinfonia Concertante und Schuberts 3. (letztere auch separat mit der 4. zu haben, die 4. ist mir ein bißchen zu schlank und kantig), die zu meinen Lieblingsaufnahmen dieser Werke gehören. Die ebenfalls enthaltene Aufnahme von "La Mer" genießt legendären Status; es ist eine weniger auf Klangrausch als auf Spannung und Intensität abzielende Lesart.
    Auch die Wagner-Auszüge, sind obwohl teils mono von außerordentlicher Klarheit und Klangkultur.


    Berlioz Faust ist meine favorisierte Einspielung des Stücks (das auch mal einen thread verdient hätte!), obwohl ich die Marguerite (Consuelo Rubio) nicht ideal finde. Der "vulgäre" Klang, auch des Chors paßt in der Auerbachs-Keller-Szene und den Soldaten/Studenten-Chören sehr viel besser als Hochpoliertes.


    Aus Frankreich ist noch eine CD mit Beethovens 5. u. 8. Sinfonie erhältlich. Klanglich und klangtechnisch (stereo) teils etwas ruppig, aber ungeheuer vital und mitreißend.
    Weiß jemand, ob Markevitch jemals Opern, etwa von Mozart, dirigiert hat? Und was ist mit Bartok? Der fehlt irgendwie auch in der Diskographie...


    Noch zwei Dinge, die die deutlich zurückgehende Präsenz Markevitchs in seinen letzten 20 Lebensjahren verständlich machen: Meines Wissens wurde er taub, für einen aktiven Musiker sicher sehr bitter und er war ohnehin von recht fragiler Konstitution, er soll sich mal beim Proben (oder war es durch einen Hustenanfall?) eine Rippe gebrochen haben.


    Zu den Kompositionen Markevitchs hatte Edwin dankenswerterweise schonmal was geschrieben, das finde ich aber leider, trotz Suche mit unterschiedlichen Schreibweisen nicht.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    Markevitch hat meines Wissens nur die folgenden Gesamtaufnahmen von Bühnenwerken gemacht:


    - Berlioz: La Damnation de Faust (DG)
    - Glinka: Ivan Susanin/Ein Leben für den Zaren (EMI)
    - Offenbach: La Périchole (EMI)
    - Stravinsky: L´Histoire du Soldat (Philips)


    Ansonsten gibt es noch Aufnahmen orchestraler Suiten aus Opern (z.B. beide "Carmen"-Suiten, sehr empfehlenswert!) und einiger Ouvertüren (z.B. von Verdi bei Philips). Aufnahmen von Mozartopern existeren wohl nicht. Fast wäre ein "Tannhäuser"-Mitschnitt aus Bayreuth (1954) zustande gekommen. Aber Markevitch hatte mit der Koordination von Orchester und Chor aufgrund der Bewegungsregie von Wieland Wagner Schwierigkeiten (er konnte als Bayreuth-Neuling den Chor aufgrund der Schalldecke nicht richtig hören) und hatte zudem ernsthafte Magenprobleme, so dass er nach der Generalprobe ausstieg und durch den mit den akustischen Verhältnissen im Graben vertrauten Keilberth ersetzt wurde.


    Zu Markevitchs Kompositionen hat Edwin Folgendes geschrieben:


    Zitat

    ad Markevitch
    Nahezu alle seine Werke sind Jugend-Werke bzw. die Werke eines sehr frühreifen Genies. Die Musik Markevitchs ist unglaublich! Die Harmonik ist modern, stark chromatisch, die Funktionstonalität ist aufgehoben. Die Melodien entwickeln sich in eigenwilligen Kurven. Die Instrumentierung ist farbintensiv, aber primär so ausgewählt, dass die Struktur der Musik deutlich wird, einen Eigenwert hat die Farbgebung sehr selten. In der Erstfassung von "L'Envole d'Icare" verwendet Markevitch auch Vierteltöne. Und der in ruhiger pannung gehaltene Schlusssatz ist eine Art Gamelan.
    Markeitch, der plötzlich zu komponieren aufhörte, hat sich als Dirigent für seine Werke nie besonders eingesetzt. Davon wurde oft abgeleitet, dass er selbst sie für minderwertig hielt (was nicht der Fall war, er sagte "meine Musik kann warten"), weshalb man sie kaum aufführte. Und damit beraubt man sich einiger der schönsten und kühnsten Werke, die in dieser Zeit entstanden.



    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo,
    die wenigen Aufnahmen, welche ich mit Markevitch besitze, gehören auch zum besten, was ich jemals gehört habe.
    Ich möchte noch auf die m.e. unübertroffenen Einspielungen der Werke von Lili Boulanger hinweisen.


    Von der Kantate Faust et Hélène gibt es eine Aufnahme mit dem Monte-Carlo P.O. -leider nicht auf CD und klanglich lediglich aktzebtabel in der LP-Veröffentlichung bei Varese Sarabande- und schwer aufzutreiben.
    Schade, da dies mit Abstand die beste Einspielung dieses Werkes ist.


    Die anderen großen Chor-Orchesterwerke von Boulanger hat Markevitch für Everest als Chef des Orchestre Lamoreaux aufgenommen.



    Allerdings wundert mich bei einem Perfektionisten wie Markevitch, daß er am Anfang von "Du fond de l'abîme" ein grottenunsauberes Cellosolo hat durchgehen lassen.
    Ansonsten sind diese Aufnahmen für mich nicht zu überbieten.
    Im Augenblick ist die Everest-CD leider nur zu horrenden Preisen gebraucht zu erhalten.
    Schande.... :(


    Desweiteren gibt es aus Markevitchs Jahren als erster Chef des damals neugegründeten Rundfunk und Fernseh-Sinfonieorchester Spaniens eine schöne Aufnahme von Federico Mompous "Los Improperios" für Bariton, Chor und Orchester.
    Was Markevitch bewog, nach Franco-Spanien zu gehen, ist mir ein Rätsel.


    Eigenartig auch hier, daß Markevitch es hat durchgehen lassen, daß der Chor innerhalb seines ersten a-Cappella-Einsatzes um einen halben Ton sinkt(!), was in Zusammenhang mit dem nachfolgendem Orchestereinsatz einen sehr wohlwollenden Hörer benötigt :D


    Ansonsten ist diese für Philips produzierte Aufnahme, welche 1992 im Zuge der Olympiade in Spanien einmal kurzzeitig auch als CD verfügbar war,
    wunderschön, Peter Christoph Runge ein hervorragender Bariton und das Werk Mompous für mich ergreifend.
    Ich wünsche mir sehr, daß dieses Aufnahme einmal wieder zugänglich gemacht wird, trotz der furchtbaren Intonation des Chores.


    LG,
    Michael


  • Jaaaaa!! Dies ist »Fausts Verdammnis«, dies (fast) allein!! Ich meine: es gibt Much mit den Bostenern, es gibt Solti mit Chicago, Ozawa mit Bosten und (nicht zu unterschätzen) Dutoit mit den Montrealern - aber die Einspielung mit Markevich ist für mich »La damnation«, wie es sein sollte: Abgründig, passioniert, exaltiert, bizarr und romantisch - dabei klar und architektonisch durch-hörbar. Allerdings kann ich selbst beim ungarischen Marsch keine Abgeschmacktheit finden. Vulgär ist das, sehr vulgar, vielleicht sogar in einem gewissen Sinne obszön - aber abgeschmackt? Habe ich nie so empfunden. Jedenfalls: diese Aufnahme gehört eindeutig ins Pantheon der unvergesslichen Produktionen!!!


    :hello:


    Klawirr

  • Hallo Klawirr,
    was mir bei der Markevitch-"Damnation" immer wieder die Kehle zuschnürt, ist der Höllenritt: Der durchgepeitschte Rhythmus in den Streichern und darüber diese zerbrechliche, einsame Oboe. Diese wirklich einzigartige Passage hat kein anderer Dirigent mit dieser Verbindung von Klarheit und Emotion ausgeführt. Unvergleichlich!
    :hello:

    ...

  • Hallo Klawirr,


    mit "abgeschmackt" meinte ich, dass Markevitch in seiner Interpretation des "Ungarischen Marsches" kein stolz vorbeimarschierendes Heer mit blitzender Wehr zeigt, also quasi einen brillianten Militärmarsch zum Nennwert dirigiert, so wie das viele andere Dirigenten tun, sondern einen zusammengewürfelten Landsknechtshaufen beschreibt, eine Soldateska, die plündernd und mordend durchs Land zieht. Und diese Brutalität und Hohlheit kommt nicht zuletzt in diesen wirklich äußerst vulgären, ja obszönen Blechbläserejakulationen am Ende ganz unverstellt zum Ausdruck. Für mich ist also "Abgeschmacktheit" in diesem Zusammenhang eine positiv besetzte Vokabel.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Klawirr
    ...
    Jaaaaa!! Dies ist »Fausts Verdammnis«, dies (fast) allein!! Ich meine: es gibt Much mit den Bostenern, es gibt Solti mit Chicago, Ozawa mit Bosten und (nicht zu unterschätzen) Dutoit mit den Montrealern - aber die Einspielung mit Markevich ist für mich »La damnation«, wie es sein sollte: Abgründig, passioniert, exaltiert, bizarr und romantisch - dabei klar und architektonisch durch-hörbar.
    ...


    Ich halte mich lieber an Colin Davis....

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo Johannes,

    Zitat

    Zu den Kompositionen Markevitchs hatte Edwin dankenswerterweise schonmal was geschrieben, das finde ich aber leider, trotz Suche mit unterschiedlichen Schreibweisen nicht.


    Besuche doch die einbrüstigen Kriegerinnen und lasse sie nach Markevitch auf dem Label des ersten Spaghetti-Importeurs suchen!


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    Hallo Theophilus,
    aber wenn, dann in der zweiten Einspielung. Die erste ist etwas stumpf. Und so klar wie Markevitch ist Davis auch in der zweiten nicht durchgehend.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Klawirr,
    was mir bei der Markevitch-"Damnation" immer wieder die Kehle zuschnürt, ist der Höllenritt: Der durchgepeitschte Rhythmus in den Streichern und darüber diese zerbrechliche, einsame Oboe. Diese wirklich einzigartige Passage hat kein anderer Dirigent mit dieser Verbindung von Klarheit und Emotion ausgeführt. Unvergleichlich!
    :hello:



    Empfinde ich genauso! Allerdings ist der Höllenritt bei Dutoit ziemlich nah dran an der wahrhaft infernalischen Stimmung, die Markewitch evoziert.


    Colin-Davis hat mir als Berlioz-Interpret nie besonders viel sagen können (sorry!!) - allein seine 1969er Einspielung von »Les Troyens« ist mir heilig.


    Grüße,
    Klawirr

  • Von Markevitch habe ich im Laufe der Zeit so viel gesammelt wie möglich und wurde nicht ein einziges Mal enttäuscht. Neben den bekannten Aufnahmen, zu denen sicher auch die Mozart-Klavierkonzerte mit Clara Haskil und Berlioz' Sinfonie fantastique zu zählen sind, ist Beethovens 9. und Mahlers 1. zu erwähnen.


    Seine Einspielung von Mahlers 1. ist für mich der von Scherchen ebenbürtig. Der 2. Satz kommt so munter und doch zupackend daher. Die unterschiedlichsten Schlagwerke im 3. Satz sind ausgeleuchtet wie sonst nie. Das bestätigt ganz den einleitenden Text "vom Glühen der Strukturen". Und der letzte Satz wird der Bezeichnung "stürmisch bewegt" in bester Weise gerecht.


    Giselher, vieles aus deiner Präsentation war mir neu. Sehr schön, so viel über einen Dirigenten zu erfahren, der mir wichtiger ist als die meisten anderen.


    Viele Grüße, Walter

  • Hallo Walter,


    Markevitch gehört auch zu meinen absoluten Lieblingen am Pult und ich kenne wenige Dirigenten, deren akustische Hinterlassenschaft sich auf so konstant hohem Niveau bewegt.


    Die biographischen Fakten habe ich aus diversen CD-Booklets und dem Internet zusammengetragen. Markevitch selbst hat ja auch eine Autobiographie geschrieben, "Etre et avoir été" (Editions Gallimard), die ich mir bald besorgen will.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Ich kann dem Lob über Igor Markevitch nur beipflichten. Wenn ich mich nicht irre, finden sich auch hier gerade die "Anhänger" eines Interpretationsstils wieder, welche z. B. Fricsay, Toscanini, Scherchen, Rosbaud, Leibowitz, ggfs. Szell etc. nicht fern stehen (?)... mir geht es ebenso.


    Meine Favoriten bei den Markevitch-Aufnahmen sind:


    1. Berlioz: La Damnation de Faust, Orchestre Lamoureux Paris, Rubio, Verreau, Roux und Mollet etc.
    Eine einzigartige grandiose Einspielung. Diese hat meines Erachtens auch einige Preise gewonnen. Nach meinem Empfinden paßt hier alles. Eine absolute Referenzaufnahme.


    2. Berlioz: Symphonie fantastique, Berliner Philharmoniker
    Eine sehr 'feine' elegante Einspielung. Meines Erachtens ebenfalls eine Referenzaufnahme.


    3. Haydn: Die Schöpfung, Berliner Philharmoniker, Chor der St. Hedwigs-Kathedrale Berlin, Seefried, Holm, Borg


    4. Mozart: Krönungsmesse, Orchestre Lamoureux Paris, Choeur Elisabeth Brasseur, Stader, Dominguez, Haefliger, Doux


    5. Cherubini: Requiem d-moll, Tschechischer Sängerchor, Tschechische Philharmonie


    6. Debussy: La Mer, Orchestre des Concerts Lamoureux


    Bis dann.

  • Seit gestern bastle ich an einem Markevitch Thread - bis ich soeben entdecken durfte, daß es schon einen - noch dazu vorzüglichen bereits gibt.


    Dennoch gibt es hier noch einiges zu ergänzen, nämlich das kompositorische Schaffen von Markevitch.


    Warum geriet das eigentlich so ins Hintertreffen? Man könnte sagen: den einen zu wenig radikal, den anderen zu Progressiv - aber das ließe sich letztlich von Schostakowitsch auch behaupten.


    Ich habe auf jeden Fall vor in den nächsten 3-6 Monaten meine Sammlung in Richtung Markevitch zu erweitern, notabene, da das Kompositorische Schaffen von Markevitch auf CD verfügbar ist. Die Werke wurde vom Vollpreislabel "Marco Polo" auf "Naxos "übertragen, bzw wo dies nicht der Fall ist, die Originaleinspielungen drastisch gesenkt...


    .


    Aber auch von seinen Aufnahmen als Dirigent gibt es neues zu vermelden. Audite hat begonnen , Liveaufnahmen aus den frühen 5034 - natürlich in Mono neu herauszubringen . Man höre wie ernst Markevitch Schuberts Sinfonie Nr 3 nimmt, oder anders gesagt, wie effektvoll er sie zu interpretieren weiß.



    einfach aufs Labelbild klicken und gewünschten Track anwählen...



    mfg


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Erfreulich, daß die bei Marco Polo teils vergriffenen Werke des Komponisten Markevitch auch wieder erhältlich sind.


    Die weiter oben gezeigte Sammelbox ist noch immer erhältlich (darin außer Schubert 3, u.a. Mozarts 34,35,38, Haydns Concertante und Beethovens 3 u. 6). Einzeln ist daraus leider nicht viel (außer in Japan und evtl. Frankreich) erhältlich.
    Schubert 4 (DG Studio, mono ca. 1954) findet man mit etwas Mühe noch entweder mit der 3. oder mit zwei Berwald-Sinfonien. (Schubert 3 gefällt mir von denen aber wohl am besten, die anderen sind stellenweise etwas hektisch.)



    Haydn 103/104 (+ Beethoven 1), die mich sehr interessieren würden, gibt es leider nur zu horrenden Japan-Preisen:



    Allerdings sind bei Testament einige CDs mit histor. Aufnahmen veröffentlicht worden:



    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Da Alfred vor hat in den nächsten 3-6 Monaten seine Sammlung in Richtung Markevitch zu erweitern, nehme ich an das Markewitsch´s Werke nicht radikal atonal sind.
    :hello: Gehe ich da richtig in der Annahme ? Sind seine Werke "gut verdaulich" und trotzdem modern ?


    Ich kenne Markewitsch als Komponist bisher nicht. Es wäre nett wenn hierzu ein aufschlußreicher Kommentar erfolgen würde, wei die Werke einzustufen sind.
    Sind die Naxos-Aufnahmen brauchbar ? In der Regel sind die MARCO POLO - Aufnahmen nicht immer gerade das Feinste.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von teleton
    Da Alfred vor hat in den nächsten 3-6 Monaten seine Sammlung in Richtung Markevitch zu erweitern, nehme ich an das Markewitsch´s Werke nicht radikal atonal sind.
    :hello: Gehe ich da richtig in der Annahme ? Sind seine Werke "gut verdaulich" und trotzdem modern ?


    Ich kenne Markewitsch als Komponist bisher nicht. Es wäre nett wenn hierzu ein aufschlußreicher Kommentar erfolgen würde, wei die Werke einzustufen sind.
    Sind die Naxos-Aufnahmen brauchbar ? In der Regel sind die MARCO POLO - Aufnahmen nicht immer gerade das Feinste.


    Es gibt meines Wissens keine alternativen Aufnahmen; die bei Marco Polo sind brauchbar, wären aber sicher zu übertreffen.
    Zwar besitze ich zwei aus der Marco-Polo-Reihe, aber ich muß gestehen, daß ich die nur einmal gehört habe, was schon länger zurückliegt. Markevitch wurde mit Anfang 20 in Paris bezeichnenderweise als der "nächste Igor" gefeiert. Die Musik liegt meiner Erinnerung nach aber dem "impressionistischen" Strawinsky (Feuervogel, Rossignol) und auch dem Neoklassizismus näher als dem "barbarischen Stil".


    Also ganz grob die Richtung Strawinsky, Prokofieff, auch franz. Komponisten wie Ravel sind nicht fern. Vielleicht kann ich am Wochenende nochmal etwas daraus hören und berichten. Jedenfalls ist das Risiko bei 6--8 EUR/CD ja begrenzt.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Bei der Diskussion um Igor Markevitch beweisen die Taminos wieder einmal ihr hohes fachliches Niveau. Bereits den Startbeitrag von GiselherHH zu lesen ist ein Gewinn, weil er neben korrekten Daten auch eigene Meinung zu den Aufnahmen bietet. Bereits hier wird auf die Perfektion von Igor Markevitch hingewiesen. Deshalb möchte ich das Merkmal hervorheben, das ihn besonders auszeichnet: Das war seine überaus perfekte Schlagtechnik - Präzision in Vollendung - genußvoll zu sehen! Vorbild für Dirigentengenerationen und eine Ohrfeige für alle theatralischen Kasper am Pult, die meinen sie seien keine Taktschläger und die Musiker könnten doch ihre Noten lesen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Viel kann ich hier nicht beitragen, möchte aber dennoch die einzige mir bekannte Aufnahme Markevitchs, das Vorspiel zum I. Aufzug aus den "Meistersingern", als überaus positiv in Erinnerung geblieben lobend erwähnen. Von wann diese Aufnahme ist, weiß ich gar nicht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat von Johannes Roehl

    Haydn 103/104 (+ Beethoven 1), die mich sehr interessieren würden, gibt es leider nur zu horrenden Japan-Preisen:

    JR


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    Es geht auch preiswerter mit Decca und denselben Aufnahmen wie auf der Japan-CD..
    Diese CD habe ich vor einigen Monaten von amazon.fr gekauft,neu bis 10 Euro.
    Ich besitze fast alle CDs von Markevitch als Dirigenten.Die japanischen CDs habe ich nicht,weil es davon immer europäische Pressungen gibt oder gab.

    mfG
    Michael

  • Zitat

    Original von Schneewittchen



    Es geht auch preiswerter mit Decca und denselben Aufnahmen wie auf der Japan-CD..
    Diese CD habe ich vor einigen Monaten von amazon.fr gekauft,neu bis 10 Euro.
    Ich besitze fast alle CDs von Markevitch als Dirigenten.Die japanischen CDs habe ich nicht,weil es davon immer europäische Pressungen gibt oder gab.


    Ich weiß, daß es die franz. Ausgabe gibt. Nur habe ich die bisher leider immer verpaßt, oder mir waren die geforderten Preise zu hoch. Fast alles andere mit Markevitch, was mich interessiert, habe ich bisher ebenfalls in europäischen Ausgaben finden können. Ich warte auch jedenfalls noch ab, bis ich als ultima ratio einer Japan-Ausgabe greife...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wäre heute 100 geworden:


    Igor Markevitch (Igor Borissowitsch Markewitsch, * 27. Juli 1912 in Kiew; † 7. März 1983 in Antibes) war ein italienischer und französischer Komponist und Dirigent ukrainischer Herkunft.



    Einen ausführlichen Bericht über den Künstler gibt es im Deutschlandfunk im heutigen Kalernderblatt, hier ist der link zum Nachlesen und -hören: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/1820109/
    Vom Komponisten zum gefeierten Dirigenten
    Vor 100 Jahren wurde Igor Markevitch geboren
    Von Michael Stegemann



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Heute ist sein 30. Todestag



    Igor Borissowitsch Markewitsch, * 27. Juli 1912 in Kiew; † 7. März 1983 in Antibes, italienisch/französischer Komponist und Dirigent ukrainischer Herkunft.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Was muss man suchen, um ihn hier zu finden!
    Aber Guten Tag erstmal.


    In Paris "der nächste Igor", bei Strawinsky "der kleine Igor".
    Ich gestehe: ich habe eine Neigung für das Auffächern einer Partitur. Ich habe sie nicht für Show-Darstellungen, die Musik zu (be)nutzen.


    Darf ich hier etwas tun, das womöglich unüblich ist? Mal wieder eine mail an einen Freund einstellen, der mich anregte, mich mit Markevitch zu befassen?
    "Lieber Fabian,
    es gibt bekanntlich keine Zufälle.
    Zunächst aber hoffe ich, dass es Dir gut gehe und Du eben nicht im Stress versinkst!
    Eben erst dachte ich an Dich, weil ich noch immer nur mit T-Shirt bekleidet durch die Gegend wandere, also kann es so bitter kalt nicht sein in Deutschland.
    Dachte aber noch aus einem anderen Grund an Dich: des "kleinen Igors" wegen.
    Mich mit ihm zu beschäftigen, hat Deine Frage nach ihm wieder angeregt.
    Sah also die (meine) DVD wieder mit dem Sacre aus Tokyo. Und habe sie nochmal neu gestrickt, nämlich einen Ravel dazugebastelt, ebenfalls aus Tokyo. Und habe die Audiospur neu gemacht, denn im originalen youtube-Video sind die Spuren vertauscht.
    (Dazu kommt, dass sich besonders im Bereich der Software einiges getan hat, was das Stereoklangbild angeht. Der Ravel ist im Original mono, seit kurzer Zeit gibt es ein Programm, das in der Lage ist, die in einem mono-Signal enthaltenen Rauminformationen zu nutzen, ein Stereoklangbild zu ...zaubern sag ich mal. Geht ohne Frequenzverschiebungen und ohne Zeitverschiebungen, bisher die einzigen beiden Möglichkeiten, eine Aufnahme zu stereophonisieren.
    Darüberhinaus gibt es ein Programm, das in der Lage ist, aus Viel-Microphon-Stereo die Laufzeitunterschiede herauszurechnen. Du weißt um den Nachteil: ein rechts stehendes Mikro nimmt zeitverzögert das auf, dass das links stehende schon aufgezeichnet hat. Daraus ergeben sich diese "Schmiereffekte", die viele Aufnahmen so verwaschen klingen lassen. Diese neue Software rechnet das raus und die Aufnahmen klingen unglaublich präziser als das Original, knackiger und griffiger. Die Ortbarkeit der Instrumente ist wiederhergestellt. Dass das gerade bei einem Werk wie dem Sacre hilfreich ist, ist klar.)
    Will Dich aber nicht mit technischen Belangen langweilen.


    Dass es keine Zufälle gibt, heißt hier: in einem brasilianischen Blog um Klassische Musik hat jemand "zufällig" auch gerade seine Begeisterung für Markevitch wiederentdeckt und noch zwei weitere DVDs eingestellt, die ich gerade runterlade. Beide ebenfalls aus Tokyo, eine von '68 mit Brahms' Vierter und "La Valse" und schreibt dazu, dass es die spannendste Brahms-Aufnahme sei, die er kenne. Carlos Kleiber "kalter Kaffee" dagegen. Weil Markevitch einfach innerlich mehr glühen würde, daneben aber Strukturen offen läge, die scheinbar vor ihm und nach ihm niemand zu erkennen wagte.
    Die andere ist ein Mitschnitt seines letzten Konzertes, ebenfalls Tokyo. Tschaikowski 6 und die "Bilder". Markevitch, so schreibt er, wirke wie ein Nervenbündel, aber nicht wegen innerer Unruhe, sondern der Nervigkeit wegen. Nie hätte er die "Bilder" so stimmig gehört, besonders die Temporelationen betreffend.
    Allerdings bin ich darauf sehr gespannt: 1983 war Markevitch stocktaub, um es so platt auszudrücken. Wie übrigens auch Skrowaczewski längst, der einen solchen Bruckner dirigiert wie den mit den Berlinern.
    Wie geht das?!
    Wie wirklich innig muss man sein Metier kennen um es auszuüben, wenn genau der Sinn fehlt, der der Ausübung zu Grunde liegen scheint. Da ist sie wieder, die Kontrolle. Die über alles, nicht nur über die Ohren bei Musik.
    Jemand schrieb mal irgendwo, ich weiß nicht mehr wo, das Markevitch der einzige gewesen sei, der drei Möglichkeiten hatte, sich dem Orchester verständlich zu machen. Zwei Arme, die völlig unabhängig voneinander sein können, und seine Augen.


    Mich überrascht nicht, dass so manch esoterisch veranlagte Gruppe ihn für sich kassieren möchte.
    Nur glaube ich, dass die übersehen was ihn ausmachte: keine "höhere Gabe" in ihrem Sinne, sondern die "nur" absolute Beherrschung seines Handwerks.


    In Paris übrigens wurde er nicht der "kleine Igor" genannt, sondern "der nächste Igor".
    Dass Strawinsky das gewurmt haben muss, ist klar. Die Uraufführung des "Sacre" in Paris und es soll einen Nachfolger geben?
    O ja: "Der Flug des Icarus" nämlich, das wohl bedeutendste Werk Markevitchs.
    Er hat es gehasst eigene Werke aufzuführen, aber es gibt einen Mitschnitt von '82, gekoppelt mit dem "Sacre". Der "Icarus" ist besser. Weil nicht artifiziell wie Strawinsky, sondern alles an Möglichkeiten nutzend, die Zwölftönigkeit ebenso wie die Tonalität. Rhythmik so wie Klang.
    Aber gekoppelt mit dem, was die Geschichte um Icarus zu erzählen hat.
    Mehr als die "Metzelei" des "Sacre".
    Bei Markevitch gab es nie "Entweder /Oder", sondern das Vereinen all dessen. In seinen Kompositionen so wie in seinen Dirigaten.
    Kritiker bemängeln, er hätte Intonationsschwächen eines Chores nicht korrigiert, hätte durchgehen lassen....mag sein.
    Ich bin mir sicher: man kann nicht sehen ob ein Chor sauber singt. Man kann aber sehen, ob ein Geiger sauber spielt. Wenn man wirklich weiß, was man tut.
    Wenn es einer wusste, dann der "kleine Igor".


    Danke für Deinen Anstoß!
    Du wirst etwas davon haben, wiewohl es Dir nicht darum geht, das weiß ich.
    Nochmals: schön, dass Du wieder da bist!
    Mike"

  • Darf ich hier etwas tun, das womöglich unüblich ist? Mal wieder eine mail an einen Freund einstellen, der mich anregte, mich mit Markevitch zu befassen?


    Lieber Melante,


    das habe ich mit viel Freude und Gewinn gelesen - das Unübliche ist doch das Schönste! :) Schade, daß es die DGG-Box mit seinen kompletten Aufnahmen nicht mehr gibt! (Und ich habe sie damals, als sie bei 2001 zu bekommen war, nicht mitgenommen. Darüber ärgere ich mich noch heute!)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Schade, daß es die DGG-Box mit seinen kompletten Aufnahmen nicht mehr gibt! (Und ich habe sie damals, als sie bei 2001 zu bekommen war, nicht mitgenommen. Darüber ärgere ich mich noch heute!

    Dann. lieber Holger, solltest Du vielleicht hier zuschlagen.
    Liebe Grüße
    lutgra

  • Neben den bisher genannten Aufnahmen, die - bis auf eine - alle in meiner recht umfangreichen Markevitch-Sammlung stehen, kann ich noch diese rare Aufnahme mit französicher Ballettmusik komponiert für Dhiagilews Ballet russe sehr empfehlen. Diese Art von Musik ist dem Dirigenten natürlich auf den Leib komponiert.





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