Passion als Gottesdienst

  • Sagitt meint:


    Höre gerade die Aufnahme der Matthäus-Passion von Guttenberg ( die zweite auf DVD). Guttenberg betont im Interview, ihm sei das Evangelium wichtiger als die Musik. Passion als Gottesdienst. Man hört es : Guttenberg deutet intensiv, notfalls auf Kosten der musikalischen Interpretation, O Haupt voll Blut und Wunden. Ansonsten eine hoch-emotionale Interpretation der Passion, die Leidensgeschichte eines Menschen tief empfunden. Anders als Richter ohne jedes darüber hinausgehende Pathos-keine Heiligkeit-nein,Leidensmusik. Auch die Tempi von Guttenberg sind gar nicht pathethisch,schon mit dem Eingangschor beginnend, aber auch in vielen Arien deutlich schnelle Tempi.


    Was meint Ihr zum Thema. Passion als Gottesdienst ?

  • Historisch m.E fragwürdig. Bachs Passionen waren in einem Gottesdienst integriert, es gab meines Wissens noch zusätzlich Predigt usw. Andere Passionen (wie die von Mattheson in Hamburg aufgeführten) wurden trotz des geistlichen Inhaltes in einem säkularen Rahmen aufgeführt, frühe Beispiele für bürgerliche Konzerte.
    Ein Passionsoratorium als Gottesdienst aufzufassen scheint mir eine (nicht untypische), aber etwas seltsame Mischung aus Kunstreligion und gewöhnlicher Religion zu sein.


    Ich sehe auch nicht ganz den Zusammenhang mit einer (natürlich unbedingt zu begrüßenden) intensiven Interpretation.
    Ich halte den Ansatz, die Stücke als "Dramen mit geistlichem Inhalt" (ein paar Händelsche Oratorien sind " sacred drama" betitelt) zu behandeln, für vielversprechend. Wenn Guttenberg das macht, o.k., aber das würde ich dann gerade nicht mit dem Schlagwort "Passionsoratorium als Gottesdienst" kennzeichnen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Vielleicht meinte er 'Gottesdienst' auch wirklich nur in dem Sinne von einem Dienst an Gott und nicht die liturgische Form, über die wir jetzt diskutieren.
    Und Bach bleibt zwar mit seinen Passionen bei der Verkündigung des Evangeliums, aber eben nicht nur und geht auch ein ganzes Stück über das hinaus und wenn ich an die 'herkömmlichen' Passionen, z.B. an die Johannes-Passionen von Scarlatti oder Demantius denke (die sicherlich auch einfach wunderbare Musik sind), dann ist das einfach mehr über alleinige Verkünden des Evangeliums hinausgehend.
    Eine Predigt legt einen Bibeltext aus - eine ähnliche Funktion kann doch auch den an den Evangelientext angeschlossenen Arien zugedacht werden, oder nicht? - auch wenn dadurch noch kein Gottesdienst im liturgischen Sinne zustande kommt.


    Viele Grüße