Was ist Kunst?

  • Salut,


    wenn ich der Tamino-SuFu Glauben schenken darf, gibt es diesen Thread tatsächlich noch nicht. Es ist ja auch eine Kunst, damit umgehen zu können... :rolleyes:


    Ich wage mal einen vorsichtigen Versuch, "Kunst" für mich zu definieren:


    Kunst ist für mich etwas künstlich Geschaffenes [wobei ich keinen Wert auf die Ähnlichkeiten der Worte Kunst und künstlich lege], das nicht real existent ist, wohl aber [mal mehr, mal weniger] Bezug zur Wirklichkeit haben kann, diese imitieren oder nachempfinden möchte, also auch gelegentlich aus der Realität heraus geboren wurde.


    Bei einer Fotografie einer Rose beispielsweise würde ich differenzieren zwischen dem abgelichteten Objekt, das für mich definitiv keine Kunst darstellt [sondern natürlich und real vorhanden ist oder war], die Fotografie als Vorgang hingegen stellt für mich Kunst dar. Diese Erörterung läuft nun parallel zur gestellten Frage: Wo ist das Kunstwerk?, die ich auch sehr spannend finde [ist aber der zweite vor dem ersten Schritt].


    Auch ein Instrument, z.B. eine Violine, ist für mich bereits ein Kunstwerk an sich: Es wurde geschaffen und wächst nicht auf Bäumen [und kein Geier der Welt würde absichtlich mit Pferdeschwanzhaaren auf den Därmen eines soeben zerhackten Tieres Töne produzieren...]


    Die Musik selbst ist auch Kunst - sie ist weitestgehend [bzw. zunächst] der Natur [Vogelgezwitscher usw.] nachempfunden bzw. basiert darauf - stelle ich mir jedenfalls so vor. Die Kunst in der Kunst ist nun wieder, diese Möglichkeiten so zu variieren und anzuordnen, dass sie menschliche [und auch jene anderer Lebewesen] Sinne so stimulieren, dass sie darauf positiv [! für mich ist das wichtig] reagieren.


    Ein sicher unerschöpfliches Thema...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    wenn du dich schlau machen willst, und doch "genauso schlau sein willst als wie zuvor", empfehle ich folgende Lektüre:



    Zitate satt, Definitionen bis zum Abwinken (Meine liebste, weil ironisch-entlarvendste: "Kunst ist, was zur Tapete passt!" - Lili Fischer). Das Buch ist ein Musterbeispiel dafür, dass Kunst alles und nichts sein kann, je nach Blickwinkel. Ein Beispiel auch dafür, dass selbst weltweit anerkannte Künstlerpersönlichkeiten vergangener Jahrhunderte völlig konträre Meinungen hatten. Und wer hat nun recht? Ich habe zwar auch meine eigene Anforderung an das, was Kunst sein und erreichen sollte, doch wartet die Welt sicher nicht darauf, die 11778. Auslegung zu hören.


    Dennoch: Wichtig für mich ist jedenfalls der Aspekt der Konzentration. Zerstreuung und Ablenkung sind für mich Unterhaltung. Ein Kunstwerk hingegen erfordert Anteilnahme, Beschäftigung, sei es auf emotionaler oder intellektueller Ebene, im besten Falle aber auf beiden.


    Gruß
    B.

  • Wenn ich trotzdem versuchen müßte, einen Generalnenner zu finden, dann würde er im Moment ungefähr so lauten:


    Kunst ist der Weg zur Erkenntnis über die Natur des Menschen und die Beschaffenheit der Welt. Oder: Kunst ist der Gottesbeweis.


    Bin aber mit Sicherheit weder der erste noch der einzige, der das so oder so ähnlich formuliert hat.

  • Seit dem ich Kunst studiere weiß ich nicht mehr was Kunst ist - dafür weiß ich aber, dass alle Definitionen nicht greifen. :D



    (In der Uni haben wir uns entschlossen dieses Thema nicht zu behandeln - weil's einfach ein Sch*** - Thema ist :D:D:D )





    :hello:



    [SIZE=7]P.S. abgesehen davon sind dafür die Kunstwissenschaftler da - die können selbst den größten Mist noch schön reden [/SIZE] :D

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  • Kunst ist für mich der Versuch einer authentischen Aneignung der Welt. Authentisch deswegen, damit eine Abgrenzung zum Kitsch stattfinden kann...

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Kunst ist für mich der Versuch einer authentischen Aneignung der Welt. ...


    Womit wir ziemlich nah beieinander wären. Eigentlich identisch.


    Zitat

    Original von helmutandres
    Kunst ist der Weg zur Erkenntnis über die Natur des Menschen und die Beschaffenheit der Welt.

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Kunst ist für mich der Versuch einer authentischen Aneignung der Welt. Authentisch deswegen, damit eine Abgrenzung zum Kitsch stattfinden kann...


    Hallo Blackadder.


    auch eine schöne Definition, nur frage ich mich, ob man Kunst von Kitsch abgrenzen muss? Mit dem Wörtchen "Versuch" ist ja das Scheitern als Möglichkeit schon eingeplant, was ich gut finde. Viele Definitionen von Kunst kranken daran, dass sie nur gute Kunst definieren.


    Sincerely


    Amateur

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

  • Zitat

    Original von helmutandres


    Womit wir ziemlich nah beieinander wären. Eigentlich identisch.


    Hallo Helmut,


    für mich ist Aneignung schon ein anderer Ausdruck als "Erkenntnis", den ich im Zusammenhang mit Kunst immer ein bißchen problematisch finde. Es geht mir eher um Bewältigung der Welt als um das Entschleiern irgendwelcher Geheimnisse. Außerdem beinhaltet "Aneignung" schon eine gewisse subjektive Komponente, während Erkenntnis in der Kunst in meinen Augen eine gewisse Objektivierbarkeit einfordert, und wo sie es nicht tut, schnell in Esoterik abdriften kann...


    Zitat

    Original von Amateur
    auch eine schöne Definition, nur frage ich mich, ob man Kunst von Kitsch abgrenzen muss? Mit dem Wörtchen "Versuch" ist ja das Scheitern als Möglichkeit schon eingeplant, was ich gut finde


    Das Scheitern von Kunst muss ja nicht in Kitsch "entarten" (O-Ton G.Grass). Kitsch ist für mich eher die geplante Rührseligkeit, aber da gab's ja auch schon einen netten thread zu, wenn ich mich recht erinnere...
    Authentisch ist für mich der grundehrliche Versuch, durch seine künstlerischen "Werke" etwas über sich und seine Beziehung zur Welt herauszufinden. Ob die dann massenkompatibel oder künstlerischen Qualitätsanforderungen genügen ist dann wieder eine andere, schwierigere Frage...


    :hello:

  • Das von Barbirolli genannte Büchlein möchte ich auch sehr empfehlen! Ergänzend, wenn es etwa tiefergehend sein darf, gibt es eine Einführung von Georg Bertram (ein vormaliger Kollege meiner Wenigkeit, sein Vater, Hans Georg Bertram, ist Organist, Kantor und Komponist (v.a Kirchenmusik), wobei ich allerdings keines seiner Werke kenne...)



    Ich halte die Abgrenzungen für nicht unwichtig, nicht zuletzt deswegen, weil eine explizite Definition kaum möglich sein dürfte. Auch wenn man Kriterien sammelt, wird es immer Grauzonen geben. Etwa bei der Abgrenzung zu Kunsthandwerk (darunter fällt m.E. klarerweise die Stradivari) oder zum Kitsch (den ich auch weniger als gescheiterte "hohe Kunst" sehe, obwohl es das geben mag, sondern als mehr oder weniger absichtlich fabrizierten Kunstersatz)
    Die Abgrenzung zum Kitsch ist sicher nicht ganz einfach, die zum Kunsthandwerk würde ich an der Zweckfreiheit der Kunst festmachen. Eine Meistergeige dient einem sehr konkreten Zweck, eine Sinfonie in aller Regel nicht. Natürlich kann ich eine Geige ästhetisch wahrnehmen, die Form, den glänzenden Lack usw. Sie ist vielleicht schön. Aber das hat ziemlich wenig mit ihrem eigentlichen Zweck zu tun.


    Zitat

    Kunst ist der Weg zur Erkenntnis über die Natur des Menschen und die Beschaffenheit der Welt.


    Das bedarf natürlich der Erläuterung. Selbst wenn Kunst ein solcher Weg sein sollte (was mir zumindest fraglich, aber gewiß diskussionswürdig scheint), so paßt dieser Satz wie er dasteht ebenso gut auf die Wissenschaft. Es ist jedoch ziemlich kontraintuitiv, dass Kunst in einem ähnlichen (oder gar demselben) Sinne Erkenntnis der Welt vermittelt wie (empirische) Wissenschaft. (Der Satz würde auch auf Religion, Magie oder Mystik passen, dennoch halten wir Kunst zunächst für etwas anderes als diese Sachen.)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • "Kunst ist für mich all das, was vom Menschen erschaffen wird und alleinig dem Zwecke dient, dem Künstler oder anderen Menschen zu gefallen. Deswegen erhebt Kunst keinen Anspruch auf Sinnhaftigkeit und ob sie gefällt obliegt alleinig dem Betrachter."


    Das ist O-Ton Gallo und der hat sich bisher noch kaum mit dem Thema beschafft. Die Aussage ist also als erster, spontaner und wirrer Gedankengang zu werten.


    Liebe Grüße
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • eine sehr schöne definition gibt es von (dem sowieso außerordentlich beeindruckenden dirigenten und denker) hans swarowsky:


    kunst ist wesenhafte darstellung des sinnlich und geistig wahrnehmbaren
    in formaler konzentration.
    . :jubel:


    gefunden dankenswerterweise auf der homepage unseres taminos klemmdirigiert,
    danke dafür!


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • vielleicht sollte man da noch erweitern: des sinnlich und geistig wahrnehmbaren sowie des gefühlten und gedachten in ...

    --- alles ein traum? ---


    klingsor


  • was es mit ihm auf sich hat. Das herauszubekommen ist der Grund seiner Existenz - dieses Paradoxon ist sozusagen der Sinn seines Lebens. Deshalb ist der Verweis auf die (empirische) Wissenschaft grundrichtig und überhaupt nicht kontraintuitiv. Bei genauerem Hinsehen beruhten zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse zunächst auf einem intuitiven Ansatz. Ich bin überzeugt, daß Kunst und Wissenschaft letztlich dasselbe Objekt 'untersuchen'. Kunst versucht denselben blinden Fleck unserer Existenz aufzuklären, dessen sich Wissenschaft, Religion, Magie, Mystik & Co. mit ihrer jeweils eigenen Nomenklatur zu bemächtigen bemühen. Esoterik hin oder her =)


    Viele Grüße


  • Ich stolpere dabei besonders über den Begriff "Erkenntnis". Im Unterschied zur Wissenschaft setzt die Kunst (wie auch die Religion, in deren Bann sie lange stand) auf eine intuitive Art der Erkenntnis - weshalb Beethoven auch von Offenbarung sprach: "Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie."

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Etwa bei der Abgrenzung zu Kunsthandwerk (darunter fällt m.E. klarerweise die Stradivari) oder zum Kitsch (den ich auch weniger als gescheiterte "hohe Kunst" sehe, obwohl es das geben mag, sondern als mehr oder weniger absichtlich fabrizierten Kunstersatz) Die Abgrenzung zum Kitsch ist sicher nicht ganz einfach, die zum Kunsthandwerk würde ich an der Zweckfreiheit der Kunst festmachen.


    Das sind Abgrenzungen, von denen ich etwas überfordert bin. Ich hätte Architektur bislang der Kunst subsummiert, nicht dem Kunsthandwerk. Und Deiner Definition gemäß wäre nicht nur die Kirche selbst "Kunsthandwerk" sondern auch die Kirchenmusik.
    ?(

  • Zitat

    Original von helmutandres
    Kunst ist der Weg zur Erkenntnis über die Natur des Menschen und die Beschaffenheit der Welt. Oder: Kunst ist der Gottesbeweis.


    Dem ersten Teil stehe ich ziemlich ratlos gegenüber (wieso soll es denn das sein?!), den zweiten Teil verstehe ich schon eher, aber eher als Gottesdefinition einer Funktion der Kunst als Religionsersatz (im Gegensatz zu Religion als Kunstersatz?), die hier nicht gemeint ist.


    Letzteres darf hier aber nicht diskutiert werden.
    :P

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Das sind Abgrenzungen, von denen ich etwas überfordert bin. Ich hätte Architektur bislang der Kunst subsummiert, nicht dem Kunsthandwerk. Und Deiner Definition gemäß wäre nicht nur die Kirche selbst "Kunsthandwerk" sondern auch die Kirchenmusik.


    Das sind zugegeben schwierigere Fälle als die Stradivari (aber nochmal: die Existenz von vielen Grenzfällen hebt eine prinzipielle Unterscheidung nicht auf).
    Wenn die Kirchenmusik in ihrer rituellen Funktion oder als Begleitmusik aufgeht, würde ich sie (ähnlich wie Filmmusik) als Kunsthandwerk bezeichnen. Auf die autonome Dimension, unabhängig von einer konkreten Funktion als Kunst rezipierbar zu sein, würde ich ungern verzichten.


    Architektur ist tatsächlich ein komplexerer Fall als etwa Skulptur, ebenso religiöse Kunst überhaupt. Aber es ist klar, dass irgendwie ein Unterschied im Kunstanspruch (bzw. in der Möglichkeit als Kunstwerk rezipiert zu werden) zwischen einem Reihenhaus am Stadtrand und der Oper von Sydney oder zwischen Notre Dame de Paris und einer Blockhütte mit Kreuz drauf, die einer Missionsstation als Kirche dient, besteht. D


    Vermutlich kann man das nur im Einzelfall entscheiden, und es wird immer strittige Fälle geben.
    Aber alle Kirchen, die heute aus nichtreligiösen Gründen besucht werden und alle Kantaten, die außerhalb ihrer liturgischen Funktion musiziert und gehört werden, besitzen eine Dimension, die über ihre religiöse Zweckgebundenheit hinausgeht.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Aber es ist klar, dass irgendwie ein Unterschied im Kunstanspruch (bzw. in der Möglichkeit als Kunstwerk rezipiert zu werden) zwischen einem Reihenhaus am Stadtrand und der Oper von Sydney oder zwischen Notre Dame de Paris und einer Blockhütte mit Kreuz drauf, die einer Missionsstation als Kirche dient, besteht.


    Ja, die Reihenhäuser von Rietveld am (damaligen) Stadtrand von Utrecht sind wesentlich bedeutendere Kunstwerke als das Opernhaus von Sydney.
    :motz:
    :yes:
    :jubel:
    (Vorsicht mit solchen Beispielen! Wohnbauprojekte gehören zum Teil zum Bedeutendsten, was die Architektur des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat.)


    Im Grunde stimme ich natürlich zu, nur kann es eben an der Zweckhaftigkeit allein nicht liegen. Freilich ist ein Stuckschnörkel Kunsthandwerk und im daneben vom selben Stukkateur geschaffenen Putto vollzieht sich dann wohl der Übergang zum vollwertigen Kunstwerk. Aber gerade der Stuckschnörkel hat doch eigentlich absolut keinen Zweck.
    :(


  • Am Beispiel der religiösen Kunst kann man besonders gut beobachten, wie sich der Kunstbegriff mit der Aufklärung gewandelt hat. In einem geschlossenen religiösen Weltbild gibt es keine zweckfreie Kunst, da man sich ja in einem sinnvollen Ganzen zu befinden glaubt und jede Kunst letztlich nur den Schöpfer und seine Schöpfung widerspiegelt und verherrlicht. In einer Welt, wo alles Existierende als Abbild einer göttlichen Ordnung galt, war es deshalb auch nicht so wichtig, zwischen Kunst und Kunsthandwerk zu unterscheiden. Aus dem gleichen Grund hatte man auch weniger Probleme mit Plagiaten, denn das schöpfende menschliche Individuum stand nicht im Zentrum der Bewertung.


    Interessant wird es, wenn nichtreligiöse Menschen Kunst von religiösen Menschen
    rezipieren. Dann kommt man zu solchen Aussagen:


    Zitat

    Aber alle Kirchen, die heute aus nichtreligiösen Gründen besucht werden und alle Kantaten, die außerhalb ihrer liturgischen Funktion musiziert und gehört werden, besitzen eine Dimension, die über ihre religiöse Zweckgebundenheit hinausgeht.


    Diese Dimension, die viele Menschen heute als notwendig für den Kunstwerkcharakter ansehen, hätte man vor der Aufklärung eher mit dem Teuflischen identifiziert - weshalb es ja auch immer wieder Versuche gab, Bilder oder Kirchenmusik aus den Gotteshäusern zu verbannen. Noch Bach strich sich in seiner Bibel dick jene Stellen an, wo davon die Rede ist, dass die Musik dem Lobe Gottes diene - er brauchte Argumente, um sein Tun zu rechtfertigen. Denn sicher spürte er unterschwellig, dass seine Kunst auch für Nichtreligiöse Menschen Sinn machte.


    Um noch einmal mein Sauerbier, den Kommunikationscharakter von Kunst anzubieten: Mit Architektur und anderen Zweifelsfällen hat man weniger Probleme, wenn man nicht auf den Zweck schaut, sondern wenn man feststellt, ob Kommunikation stattfindet. Ein Fertigreihenhaus am Rande der Stadt ist ein Beispiel für ein Minimum an versuchter Kommunikation mit ästhetischen Mitteln, während das jüdische Museum in Berlin mehr in der Mitte der Skala steht. Wichtig ist auch zu bedenken, ob ein oder mehrere Menschen die Gestalt des Werks beeinflussen - das verändert die Kommunikationssituation.

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

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  • Eigentlich wird mir dieser Kunsthandwerksunterschied auch immer unklarer, je länger ich daran denke.


    Handwerklich organisiert (Lehrer, Schüler, Meister, Werkstatt etc.) war bis zum 18. Jahrhundert auch noch die Malerei - insofern wohl kaum ein Unterschied zu den Stukkateuren. Die Bilder hatten in den meisten Fällen eine Funktion (Andachtsbild, Machtdemonstration oder Dekoration z.B.), der Stuck auch, wobei hier wohl nur der dekorative Aspekt übrigbleibt (was vielleicht manche dazu verleitet, ihn für Kitsch zu halten). Ich habe den Eindruck, als würde der Begriff "Kunsthandwerk" nur betonen wollen, dass der künstlerische Rang des Geschaffenen von vorherein verglichen zu den offiziellen Kunstdisziplinen ein beschränkter ist, auch wenn die Stukkateurfamilien Feuchtmayer oder Bossi künstlerisch wertvolleres geschaffen haben als so mancher wackere Ölmaler, der trotzdem der Kunst zugezählt wird.


    Später wird dann das Kunsthandwerk vom Kunstgewerbe abgelöst. Und wo gehören jetzt die Entwürfe und ausgeführten Möbel der modernen Designer hin? Sind Le Corbusiers Möbel zur Kunst gehörig ebenso wie seine Bauten oder nicht (oder weder noch)? Während man kaum zögert, die Architektur Michelangelos als ebenso bedeutend anzusehen wie seine Fresken, weiß ich nicht, wie das jetzt im Bereiche des modernen Möbeldesign aussieht. Man wird die Designs von Dieter Rams für die Geräte der Firma Braun dann wohl doch nicht auf eine Stufe mit der zweckfreien Kunst von Beuys stellen, obwohl sie im Kapitel Design der großen Disziplin Kunst einen hohen Rang haben.
    :hello:

  • Zitat

    Original von Amateur
    Ein Fertigreihenhaus am Rande der Stadt ist ein Beispiel für ein Minimum an versuchter Kommunikation mit ästhetischen Mitteln, während das jüdische Museum in Berlin mehr in der Mitte der Skala steht.


    :boese2:
    Es gilt nicht die Regel, je komplizierter desto ästhetischer, auch wenn der (inzwischen doch schon arg heruntergekommene) Dekonstruktivismus einem das weis machen will.
    :motz:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Dem ersten Teil stehe ich ziemlich ratlos gegenüber (wieso soll es denn das sein?!), den zweiten Teil verstehe ich schon eher, aber eher als Gottesdefinition einer Funktion der Kunst als Religionsersatz (im Gegensatz zu Religion als Kunstersatz?), die hier nicht gemeint ist.


    Letzteres darf hier aber nicht diskutiert werden.
    :P


    Die Natur vermag in uns Menschen überwältigende Empfindungen auszulösen. Gleichwohl sind ihre Schönheit und Erhabenheit, ihre ehrfurchterregenden oder angsteinflößenden Erscheinungen etc. nur Reflexionen unseres Bewußtseins, unserer Wahrnehmung von ihr. So sehr uns ihre Muster auch inspirieren mögen, Kunst stellen sie indessen nicht dar. Als Kunst verstehen wir nur das, was der Mensch geschaffen hat - bis hin zur Erklärung des Menschenlebens und all seiner Artefakte selbst als Kunst (ich bin ein Kunstwerk ;)). Was ist in Warhols 'Trash' nicht alles Kunst!


    Vielleicht ist das alles aber falsch gedacht. Die unübersehbare Diskrepanz zwischen der physikalischen Welt und dem geistig-geistlichen Erleben des Menschen eben dieser Welt schreit geradezu nach der 'großen Vereinigungstheorie'. Dieses 'Einssein mit der Schöpfung' schimmert in fast allen Religionen in den verschiedensten Metaphern durch.


    In dem Sinne sind wir möglicherweise - hoffentlich! - durch die Kunst wie durch die empirische Wissenschaft auf dem Weg zu diesem Einssein. Bruckner hat ihn im Finale seiner V. Symphonie bis ins Ziel beschritten.


    Viele Grüße

  • Zitat

    Original von helmutandres
    Die Natur vermag in uns Menschen überwältigende Empfindungen auszulösen.


    weshalb offenbar die überwältigenden Empfindungen nicht zur Kunstdefinition taugen.

    Zitat

    Die unübersehbare Diskrepanz zwischen der physikalischen Welt und dem geistig-geistlichen Erleben des Menschen eben dieser Welt schreit geradezu nach der 'großen Vereinigungstheorie'.


    Wieso schreit das nach einer Vereinigungstheorie? Es schreit eher nach gar keiner Theorie oder danach, gefälligst zu akzeptieren, dass wir die "Welt" nicht erklären oder erleben können in einem umfassenden Sinne.

    Zitat

    In dem Sinne sind wir möglicherweise - hoffentlich! - durch die Kunst wie durch die empirische Wissenschaft auf dem Weg zu diesem Einssein.


    Und hier sind wir in unserem Denken wieder so weit voneinander entfernt, dass ich nur sagen kann: Wie kommt man zu solchen kuriosen Gedankenkonstruktionen?


    PS: Wir sind jetzt schon SEHR nahe der Tabuzone.

  • Zitat

    Original von klingsor
    Hans Swarowsky:
    kunst ist wesenhafte darstellung des sinnlich und geistig wahrnehmbaren
    in formaler konzentration.
    . :jubel:


    Der Satz klingt wirklich gut. Ich halte es eigentlich nicht für möglich, in so einer Kürze den Kunstbegriff zu definieren, aber das scheint schon sehr nah heranzukommen.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    :boese2:
    Es gilt nicht die Regel, je komplizierter desto ästhetischer, auch wenn der (inzwischen doch schon arg heruntergekommene) Dekonstruktivismus einem das weis machen will.
    :motz:


    Das habe ich doch auch nicht behauptet! :hello: Worum es mir ging, ist der Kommunikationcharakter, nicht die Komplexität. Natürlich können sogar eine Garage oder ein Klingelton Kunstcharakter haben (Webern hätte sicher tolle Klingeltöne komponiert). Trotzdem ist es nicht leicht Alltägliches intersubjektiv wahrnehmbar in Kunst zu verwandeln.


    Zitat

    Original von KurzstueckmeisterDer Zweck der Kunstdefinitionen ist, von Künstlern widerlegt zu werden.


    Dann hätte ich gerne eine Widerlegung zu dieser Definition:


    Kunst ist Kommunikation, welche die Grenzen des Alltäglichen zu überschreiten sucht.

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

    Einmal editiert, zuletzt von Amateur ()

  • Meine Kunstdefinition leitet sich aus dem hervorragenden Comic "Comics richtig lesen" (Autor vergessen...) ab.
    Ein Höhlenmensch wird von einem Säbelzahntiger aufgestöbert und gejagt. Verzweifelt versucht er, zu entkommen und schafft es schließlich, das Vieh auszutricksen und über eine Klippe stürzen zu lassen.


    Dann streckt er ihm die Zunge raus. Das, so der Autor, ist Kunst. Etwas nicht unbedingt zum Erhalt des Lebens erforderliche, ein Bedürftnis, das auf irgendeine Art befriedigt werden muß.


    Nicht besonders aufregend, nicht mit Fremdwörtern gespickt und viel zu weit gefaßt, ich weiß. Aber mir genügt diese Definition.


    Ein befreundeter Pianist wollte sich nie als Künstler bezeichnen, immer nur als Handwerker. Obwohl er Melodien improvisieren konnte. Es gibt mehr Künstler, als wir das glauben wollen - wie viel dieser Kunst unbedingt veröffentlicht werden und der Nachwelt erhalten bleiben sollte, sei mal dahin gestellt.


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Für mich ist Kunst alles was in seiner Art so schön gemacht ist, dass es in anderen Menschen Gefühle wie Freude, Hoffnung oder im Ausnahmefall auch Trauer hervorruft. Wichtig dabei ist die Zeitlosigkeit für mich, dass wenn man das Bild, die Musik oder sonst etwas in 100 Jahren (erstmals? oder erneut?) hört/sieht man immer wieder dieses Gefühl erlebt.


    Eine Besondere Bedeutung hat das für mich wenn ein Künstler all das in seinem Kopf hat und rausholen kann. In der Musik wie auch im Malen/Zeichnen sind Genies....Genies eben. :D


    Allerdings ist meine Beschreibung zur Kunst nicht wirklich perfekt. Aber es zu beschreiben ist wirklich schwer. Wenn es ein Lied von heute schafft in mir Gefühle zu wecken, dann fallen ir spontan die Hintergründe ein: Künstlicher Bass, Küsntlich aufgepuschte Stimme, die einen Noten sind von dem, die anderen von ihr, das ganze ging nochmal durch ein Tonstudio... Wenn ich mir manchmal angucke ist das für mich nicht wirklich eine Kunst. Und damit komme ich zum zweiten Teil: Es ist für mich wichtig WIE man sein Werk erstellt hat. (Ich habe irgendwo mal gesehen wie man an einem Tag einen Sommerhit aufnehmen wollte... War nicht sehr Kunstvoll^^). Mozart hat seine Stücke alleine aufgeschrieben, Goethe hat seine Gedichte sehr prezise und perfekt aufgeschrieben, Van Gocch (oder wie der geschirben wird) hat mal eben Bilder gemalt die in ihrer Schönheit nicht zu übertreffen sind...



    Und wenn ich mir das alles so ansehe komme ich zu dem Fazit: Ich schaffe es nicht zu beschreiben was Kunst für mich ist, auch wenn ich es weis....seltsam. :no:

  • Hallo,


    ja, wie soll man Kunst definieren? Ich versuche gerade angestrengt, das Verbindende der Kunstwerke, die mich tief beeindrucken, herauszufinden und in Worte zu fassen. Meine erste Idee:


    Kunst ist, wie ich sie verstehe, ein Weg zu zeigen, dass Organismen und Gesetze, die die Natur hervorbringt, auch die sind, die der Mensch durch seinen Verstand und seine Phantasie auf die ihm eigene Weise hervorzubringen imstande ist. Damit ist keinesfalls ein sinnliches Abbilden gemeint, sondern das Gestalten einer lebendigen Einheit unter den obengenannten Gesetzen als Adäquat dessen, wie die Natur ihr elementares Matrial durch ihre Gesetze und ihre schaffenden Kräfte formt.


    Und je näher die vom Künstler geschaffenen Prinzipien denen der Natur sind, desto mehr kann ich das geschaffene Kunstwerk als schön empfinden.


    Es grüßt, natürlich,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

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