Die Claque: das unbekannte Wesen

  • Hallo Taminiens und Taminiennes,


    als Vokabel sind sie jedem bekannt, aber gibt es sie überhaupt noch: die Claque?


    Mich würde interessieren: Habt Ihr Erfahrungen mit Claqueren? Wer macht so etwas? Wie viele Claquere rechnet man auf 100 Zuhörer? Sind erfahrene Claquere heute überhaupt noch zu bekommen und mit welcher Gage muss man rechnen? Ist das Ausüben dieses Berufs am Ende sogar strafbar? :stumm:


    Viele Grüße


    Amateur

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

  • Ich hoffe jedenfalls, dass es nicht strafbar ist, nicht zu wissen wer oder was denn bitte ein Claque ist. Ein Zwischenrufer ? Ein Kritiker ? Da mache ich mich mal ganz klein und hoffe auf Aufklärung ... :untertauch:

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

  • Claqueure sind Leute, die dafür Kohle bekommen, im Theater entsprechende Stimmung zu machen. Da könnte beispielsweise der Regisseur viele Leute bezahlen, die die Buhrufer "niederklatschen". Oder der Konkurrent des aktuellen Komponisten bezahlt Typen dafür, daß sie an unpassenden Stellen klatschen oder lachen oder generell die Vorstellung ausbuhen. Der Phantasie sind da wohl keine Grenzen gesetzt. Da könnte z.B. die Marketingabteilung von...
    (Hallo Edwin, Vorlage! :D )



    Ob es heutzutage sowas noch gibt, weiß ich aber nicht. Vorstellen könnte ich mir das aber schon. (Wenn man sogar schon Demonstanten mieten kann...)

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Ein schönes Beispielgibts auf youtube:


    "http://youtube.com/watch?v=lTrIFhc4beY


    Ein Dummkopf brüllt sein bezahltes "BRAVAAAAA" mitten in die Arie "una voce ..." aus Rossinis Barbier rein. Spielt sich als professioneller Opernfreund auf und kennt eine der berühmtesten Rossini-Arien nicht...
    Wahrscheinlich hielt man es für notwendig, das Publikum der Callas mit Claquer-Plagegeistern anheizen zu müssen.


    Vielleicht gibt es aber auch Leute, denen es Spaß bereitet, den Claquer einfach nur zu spielen.


    Meine Eltern hatten vor ein paar Jahren einen "Bravo Giorgio"- Plagegeist in der Arena di Verona zu ertragen. (Ich würde da nie ganz freiwillig hingehen) Ein Clacouer - oder einfach nur einer, der sich vollaufen lässt und sich dann den Spaß erlaubt, die Arena-Touristen zu nerven?

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  • Zitat

    Original von Reinhard
    Ob es heutzutage sowas noch gibt, weiß ich aber nicht. Vorstellen könnte ich mir das aber schon. (Wenn man sogar schon Demonstanten mieten kann...)


    Zumindest aus Italien weiß ich von immer noch wirkenden, gutbezahlten Leuten, die z.B. in Mailand und Venedig in den Opernhäusern ihrem Dienst nachgehen. Ging nicht auch der Skandal um Alagna neulich auf die Rechnung solcher Dienstleister?


    Gruß
    B.

  • Zitat

    Original von Barbirolli


    Zumindest aus Italien weiß ich von immer noch wirkenden, gutbezahlten Leuten, die z.B. in Mailand und Venedig in den Opernhäusern ihrem Dienst nachgehen. Ging nicht auch der Skandal um Alagna neulich auf die Rechnung solcher Dienstleister?


    Gruß
    B.


    Also, wenn er als Radames ähnlich desaströs unterwegs war wie als Des Grieux momentan bei uns, mussten die Leute fürs Buh-Rufen sicher nicht bezahlt werden!!! Da mache ich mir eher so meine Gedanken über die Bravo-Salven an der WSO....... :stumm:
    Übrigens weiß ich aus persönlichen Erzählungen eines Sängers, dass ihm in den 80er-Jahren an der Scala tatsächlich passiert ist, dass vor der Vorstellung der Chef der Claque in seiner Garderobe auftauchte zwecks "Tarifvereinbarung". Er warf ihn hinaus, und passiert ist - nichts, kein einziges Buh.
    lg Severina :hello:

  • Der Tamino Claqueur wäre beispielsweise eine nette Sache:


    die Taminos gehen kostenlos in die Oper
    Das Forum ist finanziell abgesichert
    ..und das Regietheater verschwindet aus den Opernhäusern... :baeh01:


    mfg


    Alfred


    Tamino-Clayeur-Rekruiting
    PR und Schmiergeldabteilung
    Tamino Klassikforum Wien


    Sie zahlen - wir buhen - sie zahlen - wir buhen -sie zahlen - wir buhen


    :baeh01: :baeh01: :baeh01:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred, ich bewundere deinen Einfall und wäre sofort dabei, nur WER ZAHLT?? :(

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

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  • Zitat

    Hallo Alfred, ich bewundere deinen Einfall und wäre sofort dabei, nur WER ZAHLT??


    Alle genialen Ideen - so auch meine - haben in der Regel einen kitzekleinen Webfehler.


    :baeh01:


    Aber - Kommt Zeiit kommt Geld......


    LG
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Du darfst natürlich nicht alle da mitmachen lassen - Edwin, faun et.al. könnten vielleicht die Frechheit besitzen und sich zu Applaus hinreißen lassen :D


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Barezzi
    Du darfst natürlich nicht alle da mitmachen lassen - Edwin, faun et.al. könnten vielleicht die Frechheit besitzen und sich zu Applaus hinreißen lassen :D


    :hello:
    Stefan


    Dürfen sie eh, bei Schenk-Inszenierungen! :hahahaha: :hahahaha:
    lg Severina :hello:

  • Der langjährige ehemalige Chef der Metropolitan Opera in New York, der geborene Wiener Sir Rudolf Bing, klagte in seinem Buch „5000 Abende in der Oper“ an einer Stelle über die Auswirkungen der Claque, speziell bei italienischen Sängerinnen und (in geringerem Ausmaß) Sängern.


    So erwog er zeitweise ernstlich, gar keine Italiener mehr zu engagieren, da es neben regelrechten Niederbrüll- und Jubelorgien sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen den Claqueuren verschiedener Akteure gekommen war.


    Bing deutet nur verschämt an, daß diese Art Publikum damals, in den 50er und 60er Jahren, durch passionierte Opernfreunde unter den (bekanntlich gleichermaßen einflußreichen wie ehrenwerten) italienischen „Geschäftsleuten“ New Yorks finanziert wurde.


    Wenn jemand hier im Forum zufällig wissen sollte, an wen man sich wenden kann, um auch heute noch den erfüllenden Beruf des Claqueurs zu ergreifen, bitte ich um vertrauensvolle PM an mich! :D


    Sir Simon Rattle wird vor Dankbarkeit und Rührung in Tränen zerfließen, wenn ich die Philharmonie zweieinhalb Stunden lang mit meinen BRAAAVOOOO!!! und DA CAAAPO!!!-Rufen erfülle. :hahahaha:



    Einen liebreizenden Gruß an alle BPO-Abonnenten sendet:


    Laurenz



    - - - - -



    ps. Das Buch „5000 Abende in der Oper“ von Rudolf Bing ist zwar leider nicht mehr lieferbar, doch haben (zumindest hier in Berlin) viele Stadtbibliotheken ein Exemplar im Regal stehen. Das Werk ist — mit viel Humor und Sachkenntnis geschrieben — ein echter Lesespaß. Unbedingte Empfehlung! :yes:

    `
    (...) Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik betrifft einen Abend, an dem das Rothschild-Quartett bei uns ein hochmodernes Werk von Egon Wellesz spielen sollte. Die Stühle waren den Musikern zu niedrig, so nahmen sie unsere Bände mit Schubertscher Kammermusik, um damit ihre Sitze zu erhöhen. Ich dachte, wieviel schöner es wäre, wenn sie auf Wellesz sitzend Schubert spielen würden (...)


    — aus „5000 Abende in der Oper“ von Sir Rudolf Bing —
    .

  • Hallo, Severina,


    also, ob an der WSO bezahlte Claquere "wirken":no: , entzieht sich meiner Kenntnis, solche Insiderinformationen lese ich eher über Tamino (berechtigte Annahme ist noch keine Kenntnis, oder?), aber was die berüchtigten Bravo-Salven betrifft, hast Du vollkommen recht.
    Gerade gestern gab es dafür eine mehr als unrühmliche Bestätigung, bei Fidelio, mit Chtistian Franz als Florestan (die noch immer funktionierende Inszenierung von Schenk kann da nichts dafür. .). Was Ch.Franz da geleistet hat mit dem Geschrei und falschen Tönen, spottet jeder Beschreibung, und doch gab es lauten Beifall und Bravo-Rufe für ihn.?(
    Da diese Bravo-Rufe und Beifallskundgebungen meist aus den gleichen Ecken kommen und schön langsam auch die Stimmen erkennbar sind, erhärtet sich leider der Verdacht. . .


    LG Jahnas

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  • Zitat

    Original von Sonnensucher
    ps. Das Buch „5000 Abende in der Oper“ von Rudolf Bing ist zwar leider nicht mehr lieferbar, doch haben (zumindest hier in Berlin) viele Stadtbibliotheken ein Exemplar im Regal stehen. Das Werk ist — mit viel Humor und Sachkenntnis geschrieben — ein echter Lesespaß. Unbedingte Empfehlung! :yes:


    Dieser Empfehlung kann ich mich anschließen, ich habe es seinerzeit auf Empfehlung von Alfred gelesen. Es ist übrigens leicht und preiswert antiquarisch zu bekommen.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)