Prokofiev: Klaviersonate Nr. 7 in B-Dur, op. 83

  • Hallo zusammen,


    bisher gibt es nur zwei Threads zu Prokofiev/Prokofiew, einem der bedeutenstend Komponisten des 20. Jahrhunderts. Einmal geht es um die Klassische Symphonie und einmal um die Klavierkonzerte. Noch nicht angesprochen wurden die Klaviersonaten, in meinen Augen die wichtigsten Kompositionen Prokofievs.


    Die 7. Klaviersonate bildet mit der 6. und 8. Sonate den Block der sogenannten Kriegssonaten Profkofievs. Komponiert wurde sie von 1939 bis 1942, die Uraufführung spielte Sviatoslav Richter, angeblich auch weil Prokofiev, selbst ein Virtuose an den Tasten, die Komposition nicht selbst zu meistern meinte.


    Das Werk besteht aus drei Sätzen: den beiden "aggressiven" Außensätzen und einem langsamen Mittelsatz. Viel ist geschrieben worden, über diese Sonaten. Man hat sie als Portrait des Stalinismus, als musikalische Beschreibung der Kriegsschrecken interpretiert, manchmal als Mischung aus beidem (wie auch bei Schostakowitsch).


    In dieser 7. Sonate scheint mir der Fokus vor allem auf dem Stalinismus zu liegen. Selten habe ich beim Hören von Musik automatisch Bilder vor den Augen. Hier - in der Interpretation von Andrei Gavrilov - habe ich es in den beiden ersten Sätzen gehabt. Der erste Satz hört sich tatsächlich an wie die ironische Darstellung einer Heile-Welt-Szene in einer Diktatur - etwa so wie Charlie Chaplin in "Der große Diktator" die Verlogenheit des Systems darstellt. Es wirkt surreal und beänstigend zugleich. Der zweite Satz offenbart eine - trügerische - Ruhe und Hoffnung. Eine wunderschöne, melancholische Melodie entführt in eine wirklich heile Welt - letztlich kehrt man aber nur in die "scheinbar" sichere private Welt zurück. Alles ist künstlich, alles wird verdrängt. Das es keine wirkliche REttung gibt wird im Finalsatz überdeutlich. Hier wird brutal zugeschlagen, jede kleine Melodie (Hoffnung) wird drastisch unterdrückt (Akkorde wie Hammerschläge).


    Vermittelt hat mir diese Eindrücke, wie schon gesagt, Andrei Gavrilov. Technisch hat er die Sonate völlig im Griff (und das ist wirklich ein ziemlicher Brocken in diesem Genre) und wenn nicht, hätte ich es wahrscheinlich nicht bemerkt. Sein Klavierklang ist golden und voll, wird aber wenn es die Partitur verlangt, hämmernd und beißend. Und er hat es geschafft, mir die vermeintliche Welt dieser Sonate vor Augen zu führen. Wer die Sonaten Prokofievs günstig und in guter Tonqualität kennenlernen will, die 3. und die 8. sind auch dabei, ist hiermit gut beraten, auch wenn es gerade von der 7. noch ein paar fantastische Einspielungen gibt (Richter! u. a.)



    XREZENSION:
    Interpretation: 8
    Klang: 7

    Gruß,
    Gerrit

  • Bei Prokofieff greift man all zu selbstverständlich zur großen Auswahl russischer Pianisten (und macht dabei kaum was falsch). Eine der fulminantesten Einspielungen der 7. Sonate schuf jedoch der frühe Pollini. Ehedem als Chopin-Interpret bekannt, verkörperte er hier den zornigen jungen Italiener. Pollini zeigt sich vom ersten bis zum letzten Takt in adrenalingeladener Höchstform. Bereits die agressiv-gereizte Auftaktstimmung des 1. Satzes sucht ihresgleichen...


    Eine weitere Empfehlung wäre Bernd Glemser (Naxos). Selten hat ein deutscher Pianist Prokofieff (und Scriabin) auf solch hohem Niveau gemeistert. Über Glenn Gould redet heute kein Mensch mehr (... oder doch?).


    Wie die meisten Kompositionen, lassen sich auch die Kriegssonaten vielfältig deuten. Man kann das Ganze auch unvoreingenommen auf sich einwirken lassen und den (historischen) Hintergrund einfach ausblenden. Ein Bezug zu Stalin will sich bei mir in der Siebten kaum auftun. Zumal Prokofieff lange Zeit als politischer Naivling galt. Spätestens der Komponistenkongress 1948 dürfte ihm die Rückkehr in die stalinistische SU jedoch verleidet haben. Einige harmlose Spätwerke könnte man als Zeugnis schwindender Schaffenskraft und/oder Zugeständnis an politische Vorgaben deuten.


    Das Scheitern der Operation Barbarossa hatte währed des Krieges Priorität. Darin waren sich sowohl Stalinverehrer als auch -gegner einig! In diesem Kontext sehe ich die Kriegssonaten. Der Sehnsucht nach Frieden und Harmonie im Mittelsatz folgt das wütende Precipitato als Befreiungsschlag. Rettende Panzerkolonnen treiben unaufhaltsam den kriegerischen Eindringling zurück, machen ihm schließlich den Garaus (es folgt eine abrupte Stille nach den letzten Akkordhämmern).


    g

  • Hallihallohallöchen,


    zur 7. kann ich nicht viel sagen, da ich nur die Box mit den Sonaten von Scriabin, Prokofiev und Schostakowitsch vom Labal Brilliant Classics besitze, sie aber alle sehr schön finde (besonders S.). Mein russischer Klavierlehrer hat mir mal die Pollini-Einspielung als die beste empfohlen - wenn das kein Kompliment ist. Sie ist zur Zeit bei den Originals zu haben.


    Grüße
    nubar

  • Martha Argerich spielte die Klaviersonate Nr. 7 B-Dur op.83 von Sergei Prokofieff (komponiert 1939 bis 1942) 1979 live in Amsterdam, zu finden u.a. auf der CD Nr. 3 der "SZ Klassik" Box ("Klavier Kaiser").
    Den ersten Satz beginnt sie wild entschlossen, als motorische Tigerin. Sie verliert sich dann lyrisch in ferne Traumwelten - und kehrt umso barbarisch virtuoser zurück. Prokofieffs beinhart marschierender Duktus hält aber erneut inne - sofort ist Martha Argerich wieder in der zweiten Welt voller Poesie. Unbarmherzig spritzig, fast boshaft verschmitzt, legt sie das Finale des Satzes hin. Die wunderschönen, getragenen Melodiebögen des zweiten Satzes entwickelt die Pianistin wie aus dem Augenblick heraus, als würde sie die Musik in einer genial inspirierten Zeitspanne improvisieren. Sperrige Höhepunkte bewältigt sie mühelos. Und dann meint man die Totenglocken aus Ravels "Le Gibet" ("Gaspard de la nuit") wieder zu hören. Martha Argerich baut eine eigene Welt auf mit diesem unheimlich souveränen Klavierspiel. Motorisch hämmernd, ein unbedingtes Muss: das Finale ist ein Kraft- und Klaviergewaltakt für sich. Jegliches fließende, entspannende Element ist eliminiert, es herrscht dreieinhalb Minuten lang eisenharte, brutale, erschütternde Motorik. Was für ein hartes, sperriges Werk der Klavierliteratur, was für eine kraftvolle, beklemmend virtuose Aufnahme!

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Dass ich relativ zurückhaltend bin, was Superlative angeht, wisst ihr mittlerweile. Dennoch kann mich manches richtig begeistern, ich glaube, dass ist auch schon klar geworden. So einen Moment habe ich gerade wieder erlebt: Beim Hören der 7. Klaviersonate in der Interpretation von Matti Raekallio. Erwähnt hatte ich sie schon, dennoch hier noch einmal das Cover, erschienen ist das ganze als Teil des Zyklus auf Ondine:



    Ich habe mir alle 3 CDs angehört, will hier aber auf die 7. Sonate speziell eingehen. Da sitzt man nämlich schon nach wenigen Sekunden senkrecht im Sessel. Allegro inquieto beginnt der erste Satz, es soll also eine "ängstliches, unruhiges" Atmosphäre heraufbeschworen werden. Und Raekallio gelingt dies beängstigend gut. Nervös, zitternd und dennoch glasklar kommen die Phrasen und legen so das Fundament für eine Parforceritt sondergleichen. Schon in der nächsten Andantino benannten Passage wird das deutlich und dem 2. Satz, einem "warmen" Andante. Stärker habe ich diesen Kontrast bisher noch nicht herausgearbeitet gehört - und das ohne das der eigentliche Charakter des Trügerischen im Andante verlorengeht. Im dritten Satz gibt MR dann richtig Gas, stürmt durch das Precipitato, dass es eine wahre Pracht ist. Und das bei phänomenaler Klangqualität. Absolute Kaufempfehlung für das ganze Set.


    Interpretation: 9-10
    Klang: 9-10

    Gruß,
    Gerrit

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  • Hallo Thorsten und Prokofieff-Hörer !


    Auch auf dem Preiswertlabel NAXOS sind die Prokofieff-Sonaten mit dem Pianisten Bernd Glemser erschienen.


    Eine Bewertung gebe ich nur ab, wenn ich mich intensiv mit den Werken und mehreren Aufnahmen auseinandergesetzt habe.
    Da ich nur diese Aufnahme besitze möchte ich hier nicht bewerten, da ich keine Vergleichaufnahmen besitze - mir reicht die Naxos-Aufnahme, da Glemser größte Spannung, insbesondere bei der 7.Sonate vermittelt.


    :) Auch klanglich ist die Aufnahme sehr gut geraten, das Klavier ist sehr präsent.
    Glemser hat sich mit den Aufnahmen Zeit gelassen und das ist auch gut so. Sie sind über einen Zeitraum von 10Jahren entstanden und bei Naxos so nach und nach in Einzel-CD´s erschienen.


    Gruß aus Bonn
    Wolfgang

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton


    falls du auch die Naxos-CD mit den Sonaten 5/9/6 besitzst, hör mal im 2. Satz (Allegro strepitoso) der Neunten genau hin. Kann es sein, dass Glemser während des Spiels Selbstgespräche führt, was für ihn untypisch wäre, oder quatschen da fremde Stimmen dazwischen? Für eine Studioaufnahme etwas "ungewöhnlich".


    g

  • Die 7. Sonate von Prokofieff habe ich zum 1. Mal von Glenn Gould (!) im Radio gehört, es war einige Jahre mein absolutes Lieblingsklavierstück. Obs das mit Glenn Gould auch auf CD gibt, weiß ich nicht. Eine bessere Aufnahme kenne ich nicht. Die Pollini-Aufbahme fand ich im Vergleich unglaublich langweilig.



    Kurz bei jpc nachgesehen, und hurra: es gibt diese Aufnahme!!!


    2 CDs (Sony) mit folgenden Stücken:


    Chopin:Klaviersonate Nr. 3
    +Mendelssohn:5 Lieder ohne Worte
    +Scriabin:Klaviersonaten Nr. 3 & 5;3 Preludes;
    Feuillet d'album op. 58;2 Morceaux op. 57
    +Prokofieff:Klavierson. Nr. 7;Vision fug. op. 22, 2


    Glenn Gould, Klavier

  • So, die Glenn Gould CDs sind inzwischen gekommen, und ich muß sagen, diese Aufnahmen hauen einen echt vom Klavier-Hocker!!!


    Die 7.Prokofieff-Sonate ist dermaßen mitreißend gespielt, dabei nicht mal übertrieben schnell und auch kein Dauergetöse, einfach genial.


    Auch die Scriabin-Sonaten sind wunderbar detailverliebt und klangschön. Nicht so hektisch wie bei Horowitz (dessen Scriabin-Aufnahmen mir aber auch sehr gut gefallen).


    Und dann die Total-Überraschung: eine erstklassige Aufnahme der h-moll Sonate von Chopin! Wer hätte das gedacht. Immer wieder hört man, Glenn Gould sei kein Chopin-Spieler. Die h-moll Sonate ist eines der anspruchvollsten Klavierwerke überhaupt, das spielt man nicht mal so nebenbei. Ich denke, die Einordnung Glenn Goulds als hauptsächlichen Bach-Spieler muß mal ganz gründlich infrage gestellt werden.


    Glenn Gould als Interpret von Chopin, Scriabin, Prokofieff läßt Pollini *sehr* blass aussehen :yes:


    Die (Wieder-)Entdeckung des Jahrhunderts!!!

  • Noch ein kleiner Hinweis, leider etwas spät:


    Im SWR2 wird am kommenden Sonntag die 8. Klaviersonate in einer Einspielung von Emil Gilels vorgestellt. In zwei Wochen ist dann die 9. dran (hier mit Sviatoslav Richter). Beginn ist jeweils 19 Uhr

    Gruß,
    Gerrit

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  • hallo,


    prokofievs 7. sonate b-dur kennt viele gelungene interpretationen. ich habe sie mit s. richter (50er jahre melodiya), pollini (DG), francois (EMI), ovchinikov (EMI), gawrilov (DG) und nikolsky. live hörte und sah ich sie mit berezovsky und bronfman. alle diese interpretationen sind fesselnd und engagiert. sollte ich eine referenz angeben, würde ich auch pollini und knapp dahinter gawrilov sowie ovchinikov nennen. das besondere an andrei nikolsky und boris berezovsky ist das eher gemäßigte tempo im schlusssatz 'precipitato', um die markanten akzente zu übertreiben. das ist gewöhnungsbedürftig, besonders wenn man auf die schnellen varianten steht. aber es beleuchtet den satz anders und lässt ihn widerborstiger klingen.


    gruß, siamak

    Siamak

  • Das ist eins meiner Lieblingsstücke, das gerade wieder in Bensheim gespielt wurde. Ich habe sie in Aufnahmen mit Gould, Argerich und Sofronitsky und hörte sie mit Richter und vor 2 Jahren in Heidelberg mit Schukow.


    Erstaunlicherweise gelingt fast allen ganz hervorragend der 1. Satz, wobei Gould durch einen geradezu lyrischen Klang verblüfft, der eine ganz andere Seite des Stücks offenbart.


    Am schwersten scheint der 2. Satz zu sein. Hier muss ich einfach sagen, dass für mich Sofronitsky der einzige ist, der sie überzeugend vorträgt. Als ich das zum ersten Mal hörte, war das wie ein neues Stück, alles richtig betont, so dass der tiefe Schmerz ganz zum Klingen kommt, den Prokofjew hier gestaltet hat.


    Und was den letzten Satz betrifft, das Precipitato, hat natürlich jeder den Ehrgeiz, da ganz seinen eigenen Stil hineinzulegen, wozu das Überstürzende bestens geeignet scheint. Das eine Extrem gelingt wiederum Gould, der alles fest und sicher im Griff hat und mit seinem eigenen Schwung hindurchschaukelt. Am genauesten und härtesten spielt Argerich, Sofronitsky zeigt am besten das Brüchige dieses Absturzes.


    Viele Grüße.


    Walter

  • Hallo!


    Vor einigen jahren erschine bei Art Nova eine Gesamteinspielung der Prokofiev'schen Klaviersonaten mit Peter Dimitriev:


    Prokofieff, Serge (1891-1953)
    Klaviersonaten Vol. 1-3
    - Klaviersonaten Nr. 1-9
    - The Tales of an Old Grandmother op. 31
    - 4 Klavierstücke op. 32
    - Toccata op. 11
    Peter Dimitriev, Klavier


    Kennt jemand den Interpret und die Aufnahmen? Ich bin sehr auf Urteile und Meinungen gespannt! Und um beim Thread-Thema zu blieben: natürlich ganz besonders die 7te! ;)


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten,


    die Dimitriev-Box ist die Gesamtaufnahme, die ich von den Prokofjew-Sonaten habe. Da sie mich aber nicht allzu sehr beschäftigt haben, habe ich auch keine weiteren Vergleichsmöglichkeiten.
    Das Einzige was ich beurteilen kann ist die Toccata op. 11 und die gefällt mir hier nicht so sehr. Etwas spannungsarm und nicht ganz so vorwärtsdrangend wie beispielsweise bei einer Martha Argerich.
    Den Rest mögen andere beurteilen.



    Gruß, Peter.

  • Große Spannung und gleichzeitig exaktes Spiel der Sonate Nr. 7 bietet G. Sokolov in diesem fantastischen Konzertmitschnitt, da könnte sich die wilde Argerich mal ein Beispiel nehmen.


    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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  • Liebe Taminen!


    Da im Portal schon seit längerer Zeit zu lesen steht, dieser Thread möge nach längerer Zeit fortgesetzt werden, gebe ich nun meine Empfehlung zum Thema ab.



    Prokofieff, Klaviersonaten 6-8, Peter Donohoe









    Die EMI-Einspielung beinhaltet also die gesamte „Kriegs-Trilogie“.


    Was die 7. Sonate angeht, so spielt der Brite Donohoe sie durchweg mit atemberaubender Technik und bestechender Brillanz, doch immer mit einer gewissen Nüchternheit und Objektivität, was dem Werk, wie ich meine, gut ansteht.


    Donohoes Nuancierungen zwischen Staccato und Non legato und die sich daraus ergebenden Phrasierungen im ersten Satz sind ebenso spannend, wie seine kräftigen, doch nie zur Show degenerierenden Zuckungen in den perkussiven Bässen.
    Dem „inquieto“, das wohl Sir Andrew zu der einen oder anderen Passage in der Cats-Ouverture inspiriert hat, macht der aus Manchester stammende Pianist mit kontrollierter Nervosität alle Ehre, die ruhigen Andantino-Stellen kommen besonnen, aber nicht vergeistigt.


    Das „hitzige“ Andante, bei dessen Anfang ich immer darauf warte, dass jemand mal endlich losjazzt, gerät zu einem Miniatur-Drama mit fast gleichgültigem Beginn, der packend über mehrere Bögen zu einem fulminanten Höhepunkt geführt wird, um wieder – fast – dort zu enden, wo alles wurzelte, als sei – fast – nichts gewesen.


    Beim Precipitato lässt es Donohue natürlich krachen. Die Geschwindigkeit, um die es in diesem Satz ja vielen Pianisten – nicht Glenn Gould natürlich – geht, hält sich noch gerade im Bereich des Möglichen, und doch meint man, es habe sich zur Erreichung der außerordentlichen Transparenz noch eine dritte Hand eingeschlichen. Die Sonate fährt Donohoe durch ein alle Sprünge verachtendes, aberwitziges Accelerando mit 150 in die Garage.


    Insgesamt eine runde, weil ausbalancierte und nicht vordergründige Aufnahme, vielleicht mit einem Hauch (britischer?) Reserviertheit, die der Komposition aber sehr zugute kommt.





    Eine Beschwerde sei mir nach dem Blättern im Beiheft noch erlaubt.
    Sie scheint mir an dieser Stelle ebenso gut einreichbar wie an jeder anderen auch, wo es um Tasteninstrument-Aufnahmen geht.
    Ich persönlich bedaure es sehr, dass in 98% der Booklets welche manchmal mehr, manchmal weniger informativ und/oder schmückend CDs mit Klaviermusik begleiten, keine Angabe zum Instrument gemacht wird.

    In der Alten Musik ist man da etwas großzügiger, und mal ehrlich, es klingt schon besser, wenn es heißt:


    „Hildengaard Laquedechine-Häberle spielt ein zweimanualiges Sassmann-Cembalo französischer Art nach Nicolas und François Etienne Blanchet, 1730, Manual I 8` , 4`, Manual II 8` + Laute, Schiebekoppel, Stimmung a’=417,74 Hz, in Sonderanfertigung mit Jagdszene einschließlich zweier nackter Putten nebst Wildschwein deckelinnenseitig in zarten Violettnuancen und goldbebortet von der Hand des japanischen Meisters Okakura Wagashimi des Älteren“,


    als


    „Fritz Meelwurm, Piano“.



    Wenigstens könnten sie hinschreiben, ob der Künstler einen Steinway D oder einen Bösendorfer Imperial bemüht hat. Oder?




    Doswedanja,





    audiamus




    .

  • Zitat

    Melot1967
    Große Spannung und gleichzeitig exaktes Spiel der Sonate Nr. 7 bietet G. Sokolov in diesem fantastischen Konzertmitschnitt, da könnte sich die wilde Argerich mal ein Beispiel nehmen.


    hier Sokolow:
    "http://www.youtube.com/watch?v=5LR86sgO6C4"


    hier Argerich:
    "http://www.youtube.com/watch?v=hseF3MoX3-U"


    Lieber Melot, na das ist ja wohl KEIN Vergleich!


    Nichts gegen Sokolow, aber bei seinem Precipitato schlafen einem die Füße ein- so langsam ist das- wenn vielleicht auch exakt gespielt :wacky: . Die Spannung ist bei mir schon nach den ersten Takten draußen.
    Nicht falsch verstehen: Ich bin auch kein Geschwindigkeitsfanatiker (zumindest nicht in diesem Satz :D ), aber da kenne ich etliche andere (auch) "gemütliche" Aufnahmen, die wesentlch mehr Spannung aufbauen und v.a. halten, als die von Sokolow (z.B. Pollini, Gould).
    :hello:
    Meine Empfehlung:

    Eine der großartigsten Klavier- CD aller Zeiten!



  • Hallo, ihr Freunde der christlichen Seefahrt!


    Jetzt bin ich richtig. Der Verweis auf die youtube-Einträge ist genau der richtige Aufhänger. Von keiner Sonate wie dieser habe ich so oft die unterschiedlichsten Interpretationen studiert, vor allem vom dritten Satz.


    Zuerst die Vorgeschichte: vor 16 Jahren mochte ich Prokofiev bereits sehr, vor allem seine Klavierkonzerte und seine Symphonien, vor allem die 5. und die 7. hatten es mir angetan.
    Dann traf ich in Wien Alexander Slobodyanik, den ich zwei Tage lang betrreuen durfte. Wir verbrachten einen Abend beim Heurigen Nierscher in Klosterneuburg und danach eine Nacht bei russischen Emigranten im 4. Bezirk. Am nächsten Tag diskutierten wir viel über Musik. Sascha erklärte mir Franz Liszt, insbesonders die Klaviersonate, speziell in Hinblick auf die Gläubigkeit.
    Er war überrascht, dass ich die Klaviersonaten von Prokofiev nicht kannte. Ich kannte mich ja sonst recht gut im Klavierrepertoire aus. In der Sovjetunion, das war sie damals noch, gehörten die Sonaten zum absoluten Pflichtprogramm. Ich hatte Prokofiev für mich immer ausgeschlossen, da er einfach zu schwer für einen Amateur ist.
    Zum Abschied schenkte mir Sascha eine Kassette, auf der er drei Sonaten eingespielt hatte, darunter auch die 7. Vom Precipitato war ich hin- und weggerissen. Ich hörte mir das damals vielleicht 50mal hintereinander im Auto an. So etwas prögt Hörgewohnheiten.
    Irgendwann später kaufte ich eine CD, aber es war nicht das gleiche wie die Aufnahme von Slobodyanik.
    Vor ca. einem Jahr empfahl mir jemand die Glenn Gould-Version auf youtube.
    Ich war entsetzt. (Übrigens kann Gould meiner Meinung nach auch nicht die Liszt-Sonate spielen. Der ORF hat einmal einen Ausschnitt daraus als Abschreckungsbeispiel - so kommentiert vom Moderator- gebracht.)
    B- Cis--------- b . Diese Figur muss fast häßlich klingen in ihrem Insistieren und ihrer Beharrlichkeit.
    Zur Kompensation meines Negativeindrucks fing ich zu suchen an. Argerich ist eine Prokofiev-Favoritin von mir. Tatsächlich stiess ich auf eine Einspielung von ihr. (Es gibt mehrere auch auf youtube. Der obere Link scheint nicht mehr zu funktionieren.)
    Augenblicklich war ich wieder versöhnt. Das war die Dringlichkeit, die ich erwarte. Da war die Bereitschaft, an die Grenzen zu gehen und sie auch zu überschreiten.
    Argerich ist "ein" Referenzbeispiel für dieses Werk für mich.
    Dann entdeckte ich Sokolov. Er brachte es zustande, dass ich auch das wesentlich langsamere Spiel als drinklich empfinden konnte. Mit seiner Interpretation konnte ich mich völlig anfreunden. Und sein Spiel erreichte noch etwas: in dem Tempo kann ich den Satz vermutlich auch beherrschen. (Ich übe gerade daran. Die vorletzte Seite muss man einfach mechanisch in der Geschwindigkeit hochüben, aber sonst bin ich schon recht zufrieden.)
    Ich kann beide Aufnahmen goutieren: sowohl Argerich als auch Sokolov. Es ist vermutlich unmöglich, das, was Sokolov herausbringt, in dem Tempo von Argerich darzustellen. Andererseits hat Argerichs Temperament eine eigene Qualität, die sonst nicht zu matchen ist.
    -
    Und dann habe ich noch eine Einspielung entdeckt. Edson Elias. Von dem hatte ich zuvor noch nie etwas gehört.
    Das Video gefällt mir unheimlich gut. Die Interpretation wirkt echt und richtig auf mich. Die Kameraführung zeigt ab Minute 2:19 sein Gesicht. Ob es Anspannung oder Freude ist, kann ich nicht unterscheiden. Vielleicht auch beides.
    Doch die Aufnahme vermittelt mir einen Begriff von Musizieren. Das ist letztlich meine oberste Kategorie, die ich bei Pianisten zur Anwendung bringe.
    Und das schaffen Argerich, Sokolov, Elias, Slobodyanik, Satz leider nicht mehr weil verstorben, und einige andere Lieblingspianisten von mir. (Glenn Gould schafft es nicht, diesen Eindruck zu erwecken.)


    Liebe Grüße von (Argerich parallel Sokolov) Hans

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

  • Zitat

    Steppenhund Übrigens kann Gould meiner Meinung nach auch nicht die Liszt-Sonate spielen. Der ORF hat einmal einen Ausschnitt daraus als Abschreckungsbeispiel - so kommentiert vom Moderator- gebracht.


    Gould mit der Liszt Sonate????
    Wo und wann?
    :hello:

  • Zitat

    Original von flotan


    Gould mit der Liszt Sonate????
    Wo und wann?
    :hello:


    Das war schon vor einigen Jahren in einer Ö1-Klassiksendung. Ich weiss nicht mehr ob es ein Mitschnitt oder eine Konserve war, noch kann ich mich an den Moderator erinnern. Aber es war eine Klassiksendung über missglückte Interpretationen.


    Und es war grauenhaft:)


    lg Hans

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

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  • Lieber Hans,
    ich glaube da muss ein Missverstaendnis vorliegen:
    Meines Wissens nach hat Gould die Liszt Sonate nie oeffentlich gespielt, geschweige denn aufgenommen. Ich nehme mal an er hat sie, ebenso wie das Grieg- Konzert, mal eben so von Blatt gespielt- und sie dann als nicht interessant (o.ae.) genug wieder weggelegt.
    Der einzige Liszt, den er eingespielt hat, waren die Transkriptionen von Beethovens 5. und 6. Sinfonie.
    Aber ich bete, dass Du doch recht hast....
    :hello:


  • Vielleicht war der Moderator Otto Brusatti. Da könnte man allenfalls beim ORF nachfragen. Aber es ist schon sehr lange her.
    Aber das es einen Mitschnitt gab, dafür verbürge ich mich. Solche Sachen kann ich mir gar nicht ausdenken:)
    lg Hans

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

  • Da war doch noch was- ach ja: Gulda spielt Prokoffiew:



    :faint:


    Fantastisch schon damals sein transparentes Klavierspiel, vergleichbar mit seinem "Gaspard" ein paar Jahre später.....
    :hello:
    PS: Steppi, Gould hat die Liszt Sonate ganz bestimmt nie aufgenommen....;(

  • Auch ich besitze (oder kenne zumindest) die Einspielungen mit Richter, Glemser und Gulda. Alles sehr respektvolle Aufnahmen.
    Mich persönlich hat allerdings immer besonders die Aufnahme mit W. Horowitz begeistert!



    PROKOFIEV: Sonate Nr.7 op.83 (rec. 1945)
    BARBER: Sonate op.26 (rec. 1950)
    KABALEVSKY: Sonate Nr.3 op.46 (rec. 1947)
    PROKOFIEV: Toccata op.11 (rec. 1947)
    FAURÉ: Nocturne Nr.13, op.199 (rec. 1976)
    POULENC: Presto (rec. 1947)



    Nicht nur technisch grandois, hier stimmern auch die Spannungsbögen, und auf dem Klavier wird herrlich orchestriert. (Ob vielleicht die zeitliche Nähe der Aufnahme zur Entstehung der Sonate der Grund für ein besonderes Verständniss für das Werk war?- Horowitz spielte die amerikanische Erstaufführung) Und immerhin, wenn man dem Booklet glauben darf, so war Prokofiev von dieser Einspielung sehr angetan.


    Ansonsten halte ich diese CD für eine der Besten mit Horowitz, sowohl von der Auswahl der Stücke, wie auch von der Interpretation. Und dabei kann man gleich eine Reihe von Mssverständnissen über Horowitz aufklären, z.B., dass er nur Werke spielte die etabliert bzw. allgemeiner Publikumsgeschmack waren, oder sich nicht für zeitgenössische Musik interessierte.
    Natürlich handelt es sich bei den Werken von Barber und Kabalevsky nicht unbedingt um ganz große Musik, doch wer die Werke kennenlernen möchte, ist hier gut beraten.Der Faure fällt stilistisch und zeitlich merkwürdig aus dem Rahmen.
    Aber der absolute Höhepunkt der CD ist für mich die Toccata! Dagegen wirkt z.B. die Version von M. Agerich sehr zahm und blass!

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Das hab ich jetzt davon. Ich wollte doch nur schreiben, dass mich die Aufnahme mit Bernd Glemser sehr beeindruckt hat, weil sie so viele Ingredienzien beinhaltet, auf die ich beim Precipitato warte.


    Also ich erwarte den Eindruck:


    a) von Gehetztheit
    b) trotzdem Kontrolle
    c) Klang (sehr vollmundig bei Glemser)
    d) eindeutige Struktur (konnte ich gut erkennen)
    e) Klang noch einmal (schön, obwohl die Musik ja gar nicht so sehr auf den schönen Klang ausgerichtet ist. Aber ich denke, dass da jeder Akkord in sich austariert ist.)
    f) spürbare Freude des Komponisten
    g) die Fähigkeit, auch einmal die eigenen Grenzen der Perfektion übersteigen zu können.


    Das ist jetzt eine Rekonstruktion, die von pt_concours angemahnt wurde.


    Alles klar? :yes: :yes:

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

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  • Hallo Steppenhund,


    vielen Dank für die (schnelle) Antwort.
    Ich muss ja gestehen, meine Frage war auch etwas hinterhältig. Ich hatte mich nach meinem Beitrag hier weiter mit der Sonate beschäftigt, und war dabei auf die Ausführungen von S. Richter gestossen. Der Pianist war nicht nur der Interpret der UA, sondern hat dafür dieses Werk auch mit Prokofiev erarbeitet. Richter gibt den Inhalt des Werkes wie folgt wieder:


    "Die Sonate stürzt uns gleich in die bedrohliche Atmosphäre eine Welt, die das Gleichgewicht verloren hat. Es herrscht Chaos und Ungewissheit. Der Mensch beobachtet die Entfesselung mörderischer Kräfte. Aber das, wodurch er lebte, existiert für ihn weiter. Er fühlt, er liebt. Gefühlvoll appelliert er jetzt an alle. Mit allen zusammen protestiert er und erlebt das allgemeine Unglück. Er räumt alles vor sich aus dem Weg, beflügelt durch den Willen zu siegen. Der gewaltige Kampf erlaubt ihm, unbezähmbare Lebenskraft zu beweisen."


    Mich hat jetzt einfach interessiert, wie Jemand den Inhalt beschreibt, der diese Worte nicht (?) kennt. Natürlich kennt fast jeder den ungefähren Zusammenhang, allein schon durch die Bezeichnung "Kriegssonate(n)" Allerdings glaube ich, dass eine Reihe von Pianisten mit dieser Sonate interessante Effekte erzielen, die so aber nicht unbedingt Teil der vom Komponisten gedachten Stimmungen sind! Dabei muss man natürlich bedenken, dass wir ja für die meisten Werke der Musikgeschichte keine genauen Angaben, über die Gedanken der Komponisten haben, und trotzdem oft sagen, der Charakter eines Wekes ist/ist nicht getroffen (worden)! Vielleicht lassen ja Musikwerke auch einen größeren Interpretationsspielraum zu?


    Da ich die Einspielungen von Richter, Horowitz, Glemser, Gulda und Raekallio verfügbar habe, werde ich vielleicht (mittelfristig) nochmal gerade diesen Satz vergelichen.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)


  • Ich kannte die Zeilen nicht, kann ihnen aber durchaus etwas abgewinnen. (Die 7. Symphonie von Prokofiev könnte man auch so beschreiben, vor allem den Aufruf im letzten Satz, der unheimlich optimistisch klingt.)


    Ich versuche einmal meine Erwartungshaltung auf die Beschreibung zu "mappen".


    Die Sonate stürzt uns gleich in die bedrohliche Atmosphäre eine Welt, die das Gleichgewicht verloren hat. (a) von Gehetztheit)


    Es herrscht Chaos und Ungewissheit. Der Mensch beobachtet die Entfesselung mörderischer Kräfte. (g) die Fähigkeit, auch einmal die eigenen Grenzen der Perfektion übersteigen zu können.)


    Aber das, wodurch er lebte, existiert für ihn weiter. (d) eindeutige Struktur)


    Er fühlt, er liebt. (e) Klang noch einmal (schön, obwohl die Musik ja gar nicht so sehr auf den schönen Klang ausgerichtet ist. Aber ich denke, dass da jeder Akkord in sich austariert ist.))


    Gefühlvoll appelliert er jetzt an alle. (c) Klang (sehr vollmundig bei Glemser)


    Mit allen zusammen protestiert er und erlebt das allgemeine Unglück. Er räumt alles vor sich aus dem Weg, beflügelt durch den Willen zu siegen. (c) Klang (sehr vollmundig bei Glemser)


    Der gewaltige Kampf erlaubt ihm, unbezähmbare Lebenskraft zu beweisen. (f) spürbare Freude des Komponisten - Optimismus)


    Das mag jetzt etwas herbeigeholt erscheinen. Aber ich bin trotzdem recht zufrieden. :)


    Gruß Hans

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"