BWV 84: Ich bin vergnügt mit meinem Glücke
Kantate zum Sonntag Septuagesimae (wahrscheinlich Leipzig, 9. Februar 1727)
Lesungen:
Epistel: 1. Kor. 9,24-10,5 (Wettlauf um den Sieg)
Evangelium: Matth. 20,1-16 (Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg)
Fünf Sätze, Aufführungsdauer: ca. 16 Minuten
Textdichter: unbekannt (evtl. von oder nach Picander)
Choral: Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt (1686)
Besetzung:
Solo: Sopran; Coro: SATB; Oboe, Violino solo, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Aria Sopran, Oboe, Streicher, Continuo
Ich bin vergnügt mit meinem Glücke,
Das mir der liebe Gott beschert.
Soll ich nicht reiche Fülle haben,
So dank’ ich ihm vor kleine Gaben
Und bin auch nicht derselben wert.
2. Recitativo Sopran, Continuo
Gott ist mir ja nichts schuldig,
Und wenn er mir was gibt,
So zeigt er mir, dass er mich liebt;
Ich kann mir nichts bei ihm verdienen,
Denn was ich tu’, ist meine Pflicht.
Ja! wenn mein Tun gleich noch so gut geschienen,
So hab’ ich doch nichts Rechtes ausgericht’.
Doch ist der Mensch so ungeduldig,
Dass er sich oft betrübt,
Wenn ihm der liebe Gott nicht überflüssig gibt.
Hat er uns nicht so lange Zeit
Umsonst ernähret und gekleid’t
Und will uns einsten seliglich
In seine Herrlichkeit erhöh’n?
Es ist genug vor mich,
Dass ich nicht hungrig darf zu Bette geh’n.
3. Aria Sopran, Violino solo, Oboe, Continuo
Ich esse mit Freuden mein weniges Brot
Und gönne dem Nächsten von Herzen das Seine.
Ein ruhig Gewissen, ein fröhlicher Geist,
Ein dankbares Herze, das lobet und preist,
Vermehret den Segen, verzuckert die Not.
4. Recitativo Sopran, Streicher, Continuo
Im Schweiße meines Angesichts
Will ich indes mein Brot genießen,
Und wenn mein Lebenslauf,
Mein Lebensabend wird beschließen,
So teilt mir Gott den Groschen aus,
Da steht der Himmel drauf.
O! wenn ich diese Gabe
Zu meinem Gnadenlohne habe,
So brauch’ ich weiter nichts.
5. Choral SATB, Oboe, Streicher, Continuo
Ich leb’ indes in dir vergnüget
Und sterb’ ohn’ alle Kümmernis,
Mir g’nüget, wie es mein Gott füget,
Ich glaub’ und bin es ganz gewiss:
Durch deine Gnad’ und Christi Blut
Machst du’s mit meinem Ende gut.
Hier haben wir es fast mit einer Solo-Kantate zu tun, denn außer im Schlusschoral darf sich der Solosopran hier in BWV 84 ganz alleine tummeln!
Auch diese Kantate bezieht sich deutlich auf das Evangelium des heutigen Sonntags (siehe dazu auch BWV 144 wegen ein paar Erläuterungen hierzu).
Vor allem die Textzeile in Nr. 4 "So teilt mir Gott den Groschen aus" bezieht sich auf die im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg erwähnte Lohnauszahlung am Ende des Arbeitstages.
Auch hier dominiert wieder die Aussage, sich zufrieden zu geben mit dem, was einem im Leben (von Gott) zuteil wurde - "Neid" ist gewisslich nicht nur bei Katholiken eine Todsünde
Aber die hier besprochene Kantate strahlt auch musikalisch irgendwie eine heitere, bescheiden-selbstzufriedene Atmosphäre aus, die den anderen erhaltenen Kantaten für diesen Sonntag (BWV 144 und BWV 92) nicht in diesem Maße innezuwohnen scheint - jedenfalls empfinde ich das so.
Vor allem die Arie Nr. 3 mit der Solo-Oboe und der virtuos eingesetzten Solo-Violine zähle ich da ganz besonders zu!
Der Schlusschoral verwendet die bekannte Choralmelodie von "Wer nur den lieben Gott lässt walten", was ja ebenfalls perfekt zur Aussage der Kantatendichtung passt...