Die Bachkantate (042): BWV82: Ich habe genug

  • BWV 82: Ich habe genug
    Kantate zum Fest Mariae Reinigung (Leipzig, 2. Februar 1727)




    Lesungen:
    Epistel: Mal. 3,1-4 (Der Herr wird zu seinem Tempel kommen)
    Evangelium: Luk. 2,22-32 (Darstellung Jesu im Tempel)



    Fünf Sätze, Aufführungsdauer: ca. 23 Minuten


    Textdichter: unbekannt


    Besetzung:
    Soli: Bass; Oboe (da caccia), Violino I/II, Viola, Continuo




    1. Aria Bass, Oboe, Streicher, Continuo
    Ich habe genug.
    Ich habe den Heiland, das Hoffen der Frommen,
    Auf meine begierigen Arme genommen;
    Ich habe genug!
    Ich hab’ ihn erblickt,
    Mein Glaube hat Jesum ans Herze gedrückt;
    Nun wünsch’ ich, noch heute mit Freuden
    Von hinnen zu scheiden.
    Ich habe genug!


    2. Recitativo Bass, Continuo
    Ich habe genug!
    Mein Trost ist nur allein,
    Dass Jesus mein und ich sein eigen möchte sein.
    Im Glauben halt’ ich ihn,
    Da seh’ ich auch mit Simeon
    Die Freude jenes Lebens schon.
    Lasst uns mit diesem Manne zieh’n!
    Ach! möchte mich von meines Leibes Ketten
    Der Herr erretten!
    Ach! wäre doch mein Abschied hier,
    Mit Freuden sagt’ ich, Welt, zu dir:
    Ich habe genug!


    3. Aria Bass, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
    Schlummert ein, ihr matten Augen,
    Fallet sanft und selig zu!
    Welt, ich bleibe nicht mehr hier,
    Hab’ ich doch kein Teil an dir,
    Das der Seele könnte taugen.
    Hier muss ich das Elend bauen,
    Aber dort, dort werd’ ich schauen
    Süßen Friede, stille Ruh’.


    4. Recitativo Bass, Continuo
    Mein Gott! wenn kömmt das schöne: Nun!
    Da ich im Friede fahren werde
    Und in dem Sande kühler Erde
    Und dort bei dir im Schoße ruh’n?
    Der Abschied ist gemacht,
    Welt, gute Nacht!


    5. Aria Bass, Oboe, Streicher, Continuo
    Ich freue mich auf meinen Tod,
    Ach! hätt’ er sich schon eingefunden.
    Da entkomm’ ich aller Not,
    Die mich noch auf der Welt gebunden.



    Von dieser Kantate (Grundtonart c-moll) existieren neben der Bass- (Bariton-) Fassung noch folgende Versionen:


    -für Sopran (e-moll) mit Einsatz einer Traversflöte statt der angegebenen Oboe aus dem Jahr 1731
    -für Mezzosopran (c-moll); wahrscheinlich ist die Singstimme der originalen Bass-Version hier nur eine Oktave höher notiert - von 1735
    -für Bass (c-moll); ca. 1745-48, ohne größere Abweichungen von der Fassung von 1727


    Zur theologischen Bedeutung des Festtages Mariae Reinigung verweise ich auf meine Recherchen, die ich bei BWV 83 hinterlegt habe; man kann sich den Kantatentext von BWV 82 quasi wörtlich als Gesang des Simeon vorstellen (vor allem die Arie Nr. 1!), wenn man aus der Szene im Tempel beispielsweise ein Oratorium machen wollte.


    In dieser Kantate treibt der leider unbekannte Textdichter die barocke Todessehnsucht auf die Spitze (und geht auf andere Aspekte dieses Feiertages leider so gut wie gar nicht ein :no: ) - ich finde, auch wenn man zur Barockzeit das möglicherweise etwas anders gesehen hat, eine Textaussage wie "Ich freue mich auf meinen Tod" schon ziemlich bizarr, ja geradezu respektlos dem göttlichen Schöpfer gegenüber, der dem Menschen das irdische Leben ja auch geschenkt hat. Dieses gilt dem Dichter anscheinend jedoch gar nichts im Vergleich zu den Erwartungen an das Jenseits :rolleyes:


    Der Vollständigkeit halber sollte nicht unerwähnt bleiben, dass im Originaltext statt "genug" regelmäßig "genung" steht - das kann aber doch eigentlich nur ein Druckfehler sein???
    Es gab zu Bachs Zeiten ja einige Wörter, die heute veraltet sind und sich zwischenzeitlich in "modernere" Fassungen gewandelt haben, in seinen Werken aber noch regelmäßig auftauchen, wie z. B. "willt" statt "willst", aber "genung" gehört meines Wissens nicht dazu...
    Im Weihnachtsoratorium habe ich beispielsweise deutlich eine Stelle vor Ohren, wo es heißt "Genug! Mein Schatz geht nicht von hier" - daher kann ich mir nicht vorstellen, dass man damals tatsächlich "genung" gesagt haben soll ?(


    Singt den irgendeiner der zahlreichen Interpreten tatsächlich "genung"?? Das dürfte ziemlich komisch klingen, weil es dem Wort ja auch klanglich einen ganz anderen, viel weicheren Abschluss gibt, als dem härteren Wortende von "genug"! Würde mich schon interessieren, wie textgetreu hier manche Interpreten vorgehen, indem sie eben nicht nur die Noten, sondern auch den Gesangstext buchstabengetreu nehmen (und damit eben auch mögliche Druckfehler.... :wacky: )


    Soviel zum für mich also nicht ganz unproblematischen Text dieser Kantate. Schade auch, dass es keinen Schlusschoral gibt - irgendwie fehlt mir das am Ende einer Bachkantate - es ist für mich immer wie eine Art "Amen" am Schluss.


    Aber was hat Bach musikalisch aus dieser Textvorlage für ein Meisterwerk gemacht! :jubel::jubel:


    Die Kantate BWV 82 ist mit Recht eine der beliebtesten aus dem bachschen Kantatenfundus geworden! Nicht zuletzt ist dies überragenden Interpreten wie Dietrich Fischer-Dieskau, Thomas Quasthoff, Klaus Mertens, oder auch einem "Klassiker" wie Hans Hotter zu verdanken! :jubel:


    Dazu haben wir auch schon einen Thread: Thomas Quasthoffs Bachkantaten mit einigen Einspielungsempfehlungen! :hello:


    Die Beliebtheit dieser Kantate erstaunt zumindest in der Hinsicht, dass diese Solokantate ja eigentlich alles andere als typisch für eine "richtige" Bachkantate ist: Kein Chor, keine Choralstrophen, nicht einmal mehrere Solostimmen - eigentlich alles ziemlich ungewöhnlich ;)


    Mir ist bislang allerdings noch keine Einspielung bekannt, in der eine der später entstandenen Versionen für Sopran oder Mezzosopran zum Einsatz kam (und in denen die Oboe als instrumentales Gegenstück zur Gesangsstimme durch eine Traversflöte ersetzt wurde) - ich erhoffe mir daher hier einige Tipps und Empfehlungen, um diese Kantate mal im ganz anderen, quasi "weiblichen" Gewand erleben zu können :hello:


    Die Stimmung in diesen Versionen stelle ich mir deutlich heller vor - nicht nur wegen der eingesetzten höheren Gesangsstimme sondern auch durch den Verzicht auf die "klagende" Oboe und deren Ersatz durch eine weicher und "milder" klingende Flötenstimme.


    Die Tatsache, dass bereits mehrere Fassungen dieser Kantate zu Bachs Lebzeiten entstanden, zeigt, wie beliebt dieses Werk offensichtlich schon damals war!
    Ich Euch bekannt, ob die Sopran-/ Mezzosopran-Versionen schon damals für Damen- oder doch eher für Knaben-/ Kastratenbesetzung eingerichtet wurden?

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne
    Mir ist bislang allerdings noch keine Einspielung bekannt, in der eine der später entstandenen Versionen für Sopran oder Mezzosopran zum Einsatz kam (und in denen die Oboe als instrumentales Gegenstück zur Gesangsstimme durch eine Traversflöte ersetzt wurde) - ich erhoffe mir daher hier einige Tipps und Empfehlungen, um diese Kantate mal im ganz anderen, quasi "weiblichen" Gewand erleben zu können :hello:



    Hallo Marc,


    zumindest eine Aufnahme der kompletten Kantate mit einer Solistin ist mir bekannt, d.h. ich weiß von deren Existenz, habe sie aber noch nicht gehört:



    Johann Sebastian Bach: Kantaten BWV 82 & 199


    Lorraine Hunt-Lieberson, Mezzosopran
    Orchestra of Emmanuel Music
    Craig Smith



    Rezitativ Ich habe genug und Arie Schlummert ein finden sich in der Version für hohe Stimme im Notenbüchlein der Anna Magdalena. Eine kurze Recherche ergab, dass es Aufnahmen dieser beiden Stücke u.a. mit Julianne Baird und Janet Baker gibt.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ei, was sehe ich da bei einem mittäglichen Bummel durch die virtuellen jpc-Welten?



    Emma Kirkby, die ich sowieso schon äußerst gerne höre, hat die Kantate BWV 82 offenbar in den 1980ern eingespielt (oder singt sie "nur" in der Hochzeitskantate BWV 202 und David Thomas bestreitet BWV 82 allein?) ....


    Zusammen mit den Taverner Players und dem Parley of Instruments könnte das eine interessante Aufnahme sein.


    Evtl. kennt die ja jemand? :hello:


    Dann gibt es noch - ebenfalls mit Frau Kirkby als Solistin - folgende Aufnahme:



    Da gibt es in einer Einspielung aus dem Jahr 1998 BWV 82 und 199 (das ist ebenfalls eine Kantate für Solosporan) + das Konzert für Oboe & Violine BWV 1060
    Es spielt das Freiburger Barockorchester unter Gottfried von der Goltz


    Klingt auch sehr interessant und scheint mir von der Besetzung her wesentlich eindeutiger zu sein als das oben genannte Beispiel :yes:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Huch, die Emma habe ich ganz vergessen! :untertauch:


    Sie singt in der Aufnahme mit den Freiburgern. Auf der hyperion-CD ist die "normale" Version mit Baßsolist drauf, dort singt David Thomas die Kantate.



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • In der Brilliant-Bachkantaten-Box sind beide Versionen drin. Die Baßversion singt Bas Ramselaar, die Sopranversion, die dort unter BWV82a läuft, Marjon Strijk.



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Liebe Bach-Freunde,


    „Ich habe genug“ ist eine meiner liebsten Kantaten. An den befremdlichen Text habe ich mich seit Jahren gewöhnt, so dass er mich nicht mehr stört. Aber zugegeben, stundenlanges „Ich freue mich auf meinen Tod“ ist dann doch etwas seltsam.


    Gehört habe ich folgende Aufnahmen:


    Bernard, Hotter, EMI 1950,
    Pommer, Lorenz, Capriccio 1984 (Edition Bach Leipzig),
    Herreweghe, Kooy, Harmonia Mundi, 1991
    Leusink, Ramselaar, Brilliant,
    Kussmaul, Quasthoff, DGG 1999 und
    Leusink, Strijk, Briliant (Sopranfassung, BWV 82a, s. o.)


    Mit einer Bewertung der Aufnahmen tue ich mich schwer. Mein Eindruck ist, dass die qualitativen Unterschiede des Dargebotenen bei dieser Kantate weniger groß sind als bei anderen Kantaten, was vermutlich daran liegt, dass hier weniger gelingen muss als anderswo, um zu einem guten Ergebnis zu gelangen: Ein guter Sänger, eine gute Oboe, ein halbwegs gutes Dirigat, schon stimmt es. Kein Altus, kein Knabenchor, kein sonst was, an dem sich die Geister scheiden könnten. So sind denn auch alle oben genannten Aufnahmen zumindest gut.


    Eine gewisse Schwierigkeit bei der Bewertung ergibt sich daraus, dass ich die Hotter-Aufnahme viel länger besitze als die anderen Aufnahmen und von ihr durch zigfaches Hören geprägt worden bin. Ich löse dieses Problem, indem ich frohgemut parteiisch bin und vorweg bekenne: Die beste Aufnahme ist und bleibt für mich die von Hotter!


    Zäumen wir das Pferd von hinten auf. Die Sopranfassung habe ich gestern erstmals gehört. Erstaunlich gut gesungen, fand ich es, aber doch sehr, sehr fremd. Das ruhige, wohlige „Schlummert ein“-Gefühl wollte sich einfach nicht einstellen. Nein, die Fassung mag ich nicht, zumal mir die Oboe auch lieber ist als die Flöte.


    Ramselaar zeigt erneut eine sehr gute Leistung, wenn er auch in den Einzelheiten hinter den Größen des Bachgesangs zurückbleiben mag – wer weiß, vielleicht nur eine Frage der für die Aufnahme zur Verfügung stehenden Zeit? Die Oboe kommt in meinen Ohren über ein befriedigend nicht hinaus. Gleiches gilt für das Dirigat, da das Orchester auf mich ein wenig schwerfällig wirkt.


    Die Aufnahme von Lorenz und Pommer ist ebenfalls gut, lässt mich aber irgendwie kalt, ohne dass ich das an Einzelheiten festmachen könnte. Und zu Worthülsen wie z. B. „fehlende Inbrunst“ will ich nicht greifen.


    Herreweghe gehört für mich bei den Bach-Kantaten zu den „immer gut“-Dirigenten. Kooy ist ein herausragender Sänger. Also alles bestens? Nein, leider nicht. Irgendetwas störte mich an dieser Aufnahme schon immer. Jetzt glaube ich, zu wissen, was. Kooys Stimme, die vergleichsweise hell timbriert ist und daher bei den sehr tiefen Tönen leichte Schwierigkeiten hat, klingt auf mich leicht hallig – dieser Eindruck dürfte durch die Stimmfarbe noch verstärkt werden. Im Gegensatz dazu klingen die Instrumente normal. Ich finde, es passt nicht recht zusammen, wirkt, als wären Stimme und Instrumente in verschiedenen Räumen aufgenommen worden. Um nicht missverstanden zu werden: Ich höre diese sehr gute Aufnahme mit Genuss, nur ist dieser Genuss eben etwas eingeschränkt.


    Das Beste zum Schluss:


    Quasthoffs Leistung imponiert mir ungeheuerlich. Kein anderer von mir gehörter Sänger gestaltet die Kantate derart wie Quasthoff. Keine Silbe ertönt zufällig, alles hört sich bis ins Kleinste durchdacht, erarbeitet an. Insoweit, was die künstlerische Gestaltung angeht, ist das für mich eine Aufnahme zum Niederknien.


    Nur verstehe ich eben auch Klingsor, der schreibt: „alles bleibt für mich etwas zu gelackt, oberflächlich, ich spüre irgendwie keine erschütterung, bekomme keine heulkrämpfe (wie sonst)“.


    Allerdings würde ich nicht von gelackt und oberflächlich sprechen. Diese Adjektive treffen meines Erachtens wegen der intensiven Gestaltung nicht zu. Mein Ausdruck ist: artifiziell. Gerade weil ich höre, wie intensiv sich Quasthoff mit der Kantate auseinandergesetzt hat, bleibt seine Kantate ein Kunstprodukt. Das unmittelbare Ergriffen-werden, der Sprung von der Musik ins Herz des Hörers gelingt hier nicht, weil ich beim Hören von Quasthoff nie vergessen kann, dass hier Kunst geboten wird. Wohlgemerkt, das ist nichts Schlechtes, sondern nur ein anderer Zugang. Es ist eine Bachkantate für den Verstand, nicht fürs Herz. Trotzdem gehört sie für mich ohne jede Frage zu den Referenzen, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist. Übrigens gilt das Gesagte nicht für das von Albrecht Mayer an der Oboe Gebotene. Sein Spiel ergreift auch mein Herz. Grandios, kann ich nur sagen. Allein schon der Anfang… Wunderschön!


    1950 spielte man noch einen anderen Bach, stellt der heutige Hörer schnell fest. Tja, auf mich wirken diese Töne nicht fremd. Hier, in dieser Aufnahme bin ich zu Hause. Wenn ich aber beschreiben muss, was es ist, das mir diese Aufnahme so sehr ans Herz hat wachsen lassen, bekomme ich Schwierigkeiten. Hotters Stimme ist für Bachgesang ja doch etwas breit und wenig fokussiert. Aber gerade in Hotters Stimme liegt die Antwort. Mit der Breite einher geht eine mich unmittelbar ansprechende reiche, weiche Wärme, aufgebaut auf einem soliden, mühelos bis in die Tiefe reichenden Fundament, das perfekt zur Arie passt. Und das Können, das Quasthoff in der Gestaltung im Kleinen beweist, beweist Hotter in der Gestaltung im Großen. Am Ende der Kantate (bei: „Ich freue mich auf meinen Tod“) erreicht Hotter einen mich unmittelbar emotional packenden rauschartigen Zustand, einen so wunderbar zur Textaussage passenden barocken Überschwang, dass ich bei jedem Hören erneut ganz von den Socken bin. Hotter, so will ich schließen, singt eine Bachkantate fürs Herz.


    Thomas

  • Bevor mir jemand erboste PNs schickt, möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Klangqualität der Hotter-Einspielung modernen Ansprüchen nicht genügt, das Hören in meinen Ohren aber gleichwohl ein Genuss ist. Enthalten ist zudem eine fantastische Aufnahme der vier ernsten Gesänge von Brahms.


    Hier das bzw. die Cover (ich habe die grüne Ausgabe):



    Thomas

  • Hallo Thomas,


    danke für die ausführliche Vorstellung Deiner Aufnahmen von BWV 82!


    Für mich persönlich interessant und hilfreich für weitere Anschaffungen dieser Kantate (ich brauch dringend noch ein paar Vergleichsaufnahmen :D )


    Auch die sicher schwer in Worte zu kleidende Charakterisierung der einzelnen Einspielungen kann ich gut nachvollziehen.


    Besonders aufschlussreich finde ich, was Du über den Unterschied zwischen "Interpretation fürs Herz" und "Kunstprodukt" schreibst - ein Phänomen, das ich auch schon in Einspielungen ganz anderer Werke bemerkt habe und das sicher zu einem guten Teil auch ein ganz individuell empfundenes ist, aber es existiert und gehört für mich zu dem Faszinosum der Musik an sich, die solche besonderen Stimmungen transportieren kann, die eigentlich nicht in Worte zu fassen sind.
    Wenn diese "Stimmungen" jedoch fehlen/ nicht rüberkommen wollen, dann fragt man sich als Zuhörer hinterher dennoch ganz verwundert, was denn da bloß gefehlt haben mag...


    Eine Frage hätte ich noch - es geht um dieses Kuriosum mit der Textversion "genung" statt "genug" - singt irgendeiner der von Dir vorgestellten Interpreten "genung"? :wacky:


    Würd' mich ja echt mal interessieren, ob das tatsächlich irgendwo zu hören ist...

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    An den befremdlichen Text habe ich mich seit Jahren gewöhnt, so dass er mich nicht mehr stört. Aber zugegeben, stundenlanges „Ich freue mich auf meinen Tod“ ist dann doch etwas seltsam.


    hallo, immer wieder geistert das 'befremdliche' 'ich freue mich auf meinen tod' durch die besprechungen. sicherlich, für heutige 'unbelastete' ohren mag es verwirrend klingen, aber für den barocken menschen vertraut, der dies- und jenseits'freude' gleichermaßen zu empfinden vermochte.


    wenn angemerkt wird, daß ein gläubiger mensch sich auf seinen tod freue, da das leben durch gott gegeben sei, beachtet hierin vielleicht zum ersten die theologie zu wenig. der tod führt ja näher zu gott, deshalb, und um aus dem irdischen jammertal zu kommen, freut(e) man sich auf den tod. ... zum zweiten ist der text natürlich auf simeon zugeschnitten, dessen bestimmung es war, obwohl krank und uralt, erst DANN sterben zu dürfen, wenn er den heiland erblickt hätte. somit ist: ich freue mich auf meinen tod (aus seiner sicht) vollkommen verständlich.


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Hallo,


    wiedermal etwas verspätet möchte ich einen weiteren Aufnahmevergleich zu unserem Bachkantatenprojekt beisteuern. Folgende sieben Einspielung liegen mir momentan vor:


    Brüggen, Max van Egmont 1977
    Harnoncourt, Philippe Huttenlocher 1978
    Herreweghe, Peter Kooy 1991
    Leusink, Bas Ramselaar 1999
    Leusink, Marjon Strijk (Sopranfassung, BWV 82a) 1999
    Koopman, Klaus Mertens 2001
    Kuijken, Jan van der Crabben 2005



    Grundsätzlich stimme ich mit ThomasNorderstedt darin überein, dass

    Zitat


    ....die qualitativen Unterschiede des Dargebotenen bei dieser Kantate weniger groß sind als bei anderen Kantaten, was vermutlich daran liegt, dass hier weniger gelingen muss als anderswo, um zu einem guten Ergebnis zu gelangen: Ein guter Sänger, eine gute Oboe, ein halbwegs gutes Dirigat, schon stimmt es. Kein Altus, kein Knabenchor, kein sonst was, an dem sich die Geister scheiden könnten. So sind denn auch alle oben genannten Aufnahmen zumindest gut.


    wobei dazu anzumerken ist, das ein guter Sänger, ein guter Oboist und ein gutes Dirigat auch erstmal zusammentreffen müssen. ;) Ganz so selbstverständlich ist das sicher nicht.


    Aus diesem Grund will ich nur kurze Bemerkungen zu den einzelnen Aufnahmen machen über das, was besonders positiv oder negativ auffällt.


    Kuijken, Jan van der Crabben
    sehr introvertiert und inniglich gesungen und gespielt - vielleicht sogar etwas zu viel; toller runder Klang der Oboe; sehr von Nachteil ist aber das allzu tenorale Timbre vom Solisten


    Brüggen, Max van Egmont
    toller Solist; Oboe klingt recht scharf; die Arie Nr. 3, obwohl zu den schnelleren gehörend, ist etwas latschert - es fehlt das Wiegende


    Harnoncourt, Philippe Huttenlocher
    sehr, sehr ausdrucksstarke Interpretation; klanglich aber nicht optimal aufgenommen; am Anfang der ersten Arie, aber nur dort, leichte Irritationen in der Intonation beim Solisten; mir gefällt die Stimme in der Höhe nicht besonders; der relativ scharfe Klang des Concentus der 70er Jahre gefällt mir ganz allgemein nicht so recht


    Herreweghe, Peter Kooy
    fesselt vom ersten Takt an; herrlich runder und samtig leuchtender Klang des Orchesters; im Gegensatz zu meinem Vorredner stört mich Kooys Timbre nicht - im Gegenteil, die Aufnahme; die mich emotional am tiefsten berührt, da stimmt einfach alles


    Koopman, Klaus Mertens
    einfach nur schön - und dadurch zu glatt; besonders die Arie Nr. 3 wirkt auf mich ziemlich ausdruckslos, sehr viel besser ist aber die Arie Nr. 5; Mertens ist mir für diese Kantate eine Spur zu baritonal


    Leusink, Bas Ramselaar
    gefällt mir auch ziemlich gut, erreicht aber IMO nicht die Tiefe wie Herreweghe; etwas farbloser, beliebiger Klang des Orchesters, aber eigentlich schön gespielt, Arie Nr. 5 könnte etwas freudesprühender sein


    Leusink, Marjon Strijk - Sopranfassung
    In der Sopranfassung wird die Oboe gegen eine Traversflöte getauscht. Außerdem ist das Stück eine Terz nach oben transponiert (e-Moll statt c-Moll), damit´s auch wirklich für Sopran singbar ist. Dadurch geht aber auch ein gutes Stück dieses dunklen Leuchtens der Baßversion verloren.


    Die Stimme der Solistin erinnert mich an Ruth Holton, allerdings fehlt ihr das gewisse Etwas, welche die Holten auszeichnet. Dadurch ist das leider nur ein dünnes Stimmchen ohne viel Charakter. Genauso beliebig wirkt auch die Aufnahme insgesamt auf mich.




    Zitat

    Original von MarcCologne
    Eine Frage hätte ich noch - es geht um dieses Kuriosum mit der Textversion "genung" statt "genug" - singt irgendeiner der von Dir vorgestellten Interpreten "genung"?


    Bei Harnoncourt/Huttenlocher, Herreweghe/Kooy und Koopman/Mertens kann man genung hören. :]



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Sagitt meint:


    Wie sich die Zeiten wandeln. Alle möglichen Aufnahmen werden ausgegraben und Fischer-Dieskau taucht nicht einmal mehr auf.
    Also werde ich doch eine Lanze für ihn brechen müssen. Seine erste Aufnahme stammt von 1950. Ziemlich grausliche Begleitung, aber eine wunderbare Stimme,im Timbre noch recht dunkel, eine Interpretation, vor allem von " Schlummert ein", die ihresgleichen sucht. Die Süsse der Trauer kommt durch die Einfärbung mit Oberstimme gut zum tragen. Diese Fähigkeit hat kein Hotter und auch kein Quasthoff, am ehesten noch Goerne ( tauchte der hier auf ?). Überdies singt Fischer-Dieskau nicht nur Praller, sondern führt die Verzierung vollkommen aus. Bei dem letzten Teil, Ich freue mich auf meinen Tod,kann man einwenden, dass technisch diese Passagen besser von Quasthoff,Goerne und van Egmond gesungen werden.
    Die lyrische-besinnlich-melancholische Interpretation des Schlummert ein gelingt Fischer-Dieskau noch besser 1970 mit Richter ( da ist die Orchesterbegleitung auch besser). Allerdings " interpretiert" er da auch mehr ( etwas, das ihm ja sehr vorgeworfen wird).
    Fehlen darf einer KEINESFALLS in der Reihe der Interpreten von BWV 82 !

  • Zitat

    Original von sagitt
    Fehlen darf einer KEINESFALLS in der Reihe der Interpreten von BWV 82 !


    vollkommen richtig. ich schätze die richter-einspielung sehr.
    aber meine liebste ist die von shirley-quirk unter marriner. ich liebe einfach seine stimme!!
    auch meine aufnahme mit prey ist sehr gelungen. ich müßte alle drei natürlich einmal genau unter die vergleichend lupe nehmen, um definitives zu sagen. werde ich noch machen!


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Todessehnsucht war im Barock durchaus nicht unüblich, war es ja weniger die Sehnsucht nach dem Tod selbst als vielmehr der Wunsch nach Erlösung. Vor allem auch, daß man fröhlich in den Tod gehen solle, ist ein häufig thematisierter Aspekt. In den Kantaten gibt es viele Beispiele, etwa:


    "Mein Leben hat kein ander Ziel, als daß ich selig möge sterben..." (aus BWV 27) und weiter dort: "Willkommen will ich sagen, wenn der Tod ans Bette tritt"


    "... bis wir fröhlich abscheiden ins ewig Himmelreich..." (aus BWV 41)


    ganz besonders drastisch in der Umkehrung der Fröhlichkeit "Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes.." (aus BWV 48 ), nicht etwa vom Tod dieses Leibes...



    "Ich will den Kreuzstab gerne tragen, er kömmt von Gottes lieber Hand, er führet mich nach meinen Plagen, zu Gott, in das gelobte Land. Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab, da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab" (aus BWV 56), und weiter dort: "Endlich, endlich wird mein Joch wieder von mir weichen müssen, da krieg ich in dem Herren Kraft, da hab ich Adlers Eigenschaft, da fahr ich auf von dieser Erden und laufe sonder matt zu werden. O gescheh es heute noch!"

  • Guten Abend


    ich habe noch eine "Tenorfassung" (!) von BWV 82 in meiner Sammlung:



    Neben der erwähnten BWV 82 sind hier noch die Kantate BWV 55 und diverse Arien aus weiteren Bachkantaten eingespielt.


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Hallo Bernhard,


    das mit der von Dir erwähnten "Tenorfassung" finde ich interessant.


    Selbst, wenn sie nicht von Bach selbst stammen sollte (wahrscheinlich, denn in den mir vorliegenden Auflistungen, die ich weiter oben ja erwähnt hatte, ist von einer Fassung der Kantate für Solo-Tenor keine Rede), scheint mir die Tatsache, dass es nunmehr eine solche gibt, kein Sakrileg zu sein.
    Wie man sieht, hat Bach selber ja mehrfach Kantaten (nicht nur BWV 82) bei Wiederaufführungen an aktuelle Besetzungen angepasst - sowohl was Solostimmen als auch Instrumente betrifft.
    Diese gängige Praxis quasi posthum fortzuführen, ist somit in gewisser Weise durch des Komponisten eigenes Vorgehen gerechtfertigt.


    Was mich konkret interessieren würde:
    Wird im Booklet der von Dir vorgestellten Bostridge-Aufnahme denn etwas über diese Tenorfassung geschrieben, z. B. wer sie angefertigt hat und an welche Vorlage sie sich anlehnt?


    Es könnte sich ja z. B. um die um eine Oktave nach unten versetzte Sopranfassung mit Solo-Traversflöte handeln.
    Oder die Bass-Version wurde z. B. eine Terz nach oben transponiert - und die Solo-Oboe beibehalten, was ich mir eher vorstellen könnte, da diese Oboen-Version die bekanntere ist und Mr. Bostridge die Kantate sicher auch deshalb aufgenommen hat, weil sie zu Bachs populärsten gehört...

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von MarcCologne
    Hallo Bernhard,


    das mit der von Dir erwähnten "Tenorfassung" finde ich interessant.


    ich ebenfalls =)


    Zitat

    Wie man sieht, hat Bach selber ja mehrfach Kantaten (nicht nur BWV 82) bei Wiederaufführungen an aktuelle Besetzungen angepasst - sowohl was Solostimmen als auch Instrumente betrifft.


    Sehe das irgendwie prakmatisch, könnte doch sein, Bach hatte einen guten Tenor, der auch mal diese Kantate singen wollte ? ?( ?(



    Zitat

    Was mich konkret interessieren würde:
    Wird im Booklet der von Dir vorgestellten Bostridge-Aufnahme denn etwas über diese Tenorfassung geschrieben, z. B. wer sie angefertigt hat und an welche Vorlage sie sich anlehnt?


    Das Booklet gibt darüber nicht viel her:


    "Die berühmte Kantate BWV 82a ("Ich habe genug") ist für Marie Reinigung (Jesus Darstellung im Tempel) bestimmt. Die am 2. Februar 1727 uraufgeführte Orginalfassung für Solo-Baßstimme wurde 1731 für Sopran und 1735 für Altstimme umgeschrieben. Es gibt hier keinen Chor und keinen Choral, sondern drei aufeinanderfolgende arien, die von Rezitativen unterbrochen werden."


    So der Text daraus ! Mehr nicht !


    Zitat

    Mr. Bostridge die Kantate sicher auch deshalb aufgenommen hat, weil sie zu Bachs populärsten gehört...


    Solch ein Hintergedanke hatte ich auch; jedenfalls macht er das gut :jubel: :jubel:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Hallo Bernhard,


    ups - das ist in der Tat nicht viel Info für einen Booklet-Text, zumal mehrere Fassungen aufgezählt werden (die bereits bekannten, oben erwähnten) aber interessanterweise gerade die auf der CD eingespielte Tenorfassung eben nicht - hmmm, find ich nicht gut, so mit den Hörern/ Käufern dieser CD umzugehen... :no:


    Ein Hinweis im Booklet auf eine neuzeitlichere Transkription der Kantate (für Tenor solo) wäre doch nun wirklich kein Sakrileg gewesen, denn ich bin sicher, Mr. Bostridge macht seine sängerische Sache nicht schlecht, oder?


    Wird er denn nun von einer Flöte oder einer Oboe begleitet?


    Und was bietet er außer BWV 82 noch von Bach dar? Die CD dürfte ja noch ein paar andere Werke fassen... :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von MarcCologne
    Hallo Bernhard,



    Wird er denn nun von einer Flöte oder einer Oboe begleitet?


    Höre gerade hinein.
    Von einer Travers-Flöte, geblasen von Lorenzo Cavasanti.


    Zitat

    Und was bietet er außer BWV 82 noch von Bach dar? Die CD dürfte ja noch ein paar andere Werke fassen... :hello:


    Ein "buntes" Programm; neben BWV 82a noch BWV 55 "Ich armer Mensch, ich Sündenknecht", die Sinfonia aus BWV 4, Rezitativ und Arie aus BWV 43 "Ja tausend mal tausend begleiten den Wagen", die Sinfonia aus BWV 18, die Arie "Der Ewigkeit saphirnes Haus" aus der Trauerode BWV 198, die Arie "Sanfte soll mein Todeskummer" aus dem Osteroratorium BWV 249, aus BWV 7 Rezitativ und Arie "Des Vaters Stimme ließ sich hören", aus BWV 139 die Arie "Gott ist mein Freund" und zum Scxhluss die Sinfonia aus der Bauernkantate BWV 212 (!).
    Lauter Bach´che (Tenor) Bravourstücken :pfeif: :pfeif:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Hallo Bernhard,


    das finde ich interessant - hätte jetzt wetten wollen, dass die Begleitung bei BWV 82 mit einer Oboe erfolgt wäre (weil's halt die populärere Fassung ist).


    Die Tatsache, dass Bostridge von einer Flöte begleitet wird, stützt meine Annahme, dass er die Sopranfassung (für die Bach besagte Flötenstimme einfügte) singt, nur eben eine Oktave tiefer.


    Das hätte man doch ruhig ins Booklet schreiben können, oder? ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Herreweghe, Peter Kooy
    fesselt vom ersten Takt an; herrlich runder und samtig leuchtender Klang des Orchesters; im Gegensatz zu meinem Vorredner stört mich Kooys Timbre nicht - im Gegenteil, die Aufnahme; die mich emotional am tiefsten berührt, da stimmt einfach alles


    Das kann ich nur mehrfach unterstreichen. Dies war meine erste Aufnahme der Kantate und ich liebe sie bis heute vor allen anderen. Sie bildet häufig den wohltuend-berührenden Schluß eines schönen Abends oder auch eines anstrengenden Tages für mich.


    Zitat

    Original von salisburgensis


    Bei Harnoncourt/Huttenlocher, Herreweghe/Kooy und Koopman/Mertens kann man genung hören. :]


    Auch ich höre das "genung" in dieser Aufnahme gesungen und halte es im übrigen nicht für einen Druckfehler im Text. Wir können sehr häufig beobachten, daß Dichter - insbesondere bei zur Vertonung bestimmten Texten - Worte phonetisch anpassen. Manchmal für Reim oder Versmaß, manchmal auch aus inhaltlichen Gründen. Für mich ist der dunkelweiche Abschluß des Wortes "genung" hier eine absolut stimmige Verstärkung des todmüde-erschöpften Gestus.


    Liebe Grüße :)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von MarcCologne
    Hallo Bernhard,


    Die Tatsache, dass Bostridge von einer Flöte begleitet wird, stützt meine Annahme, dass er die Sopranfassung (für die Bach besagte Flötenstimme einfügte) singt, nur eben eine Oktave tiefer.


    Das hätte man doch ruhig ins Booklet schreiben können, oder? ;)


    Das meine ich auch, als ich vor Jahren diese CD kaufte, hab ich in der gängigen Bach-(Kantaten)-Literatur nachgeschaut, ob von einer Tenorfassung von BWV 82 was steht; Fehlanzeige !
    Leute die sich weniger mit der Materie auskennen halten dies dann für ein "Orginal-Bach" ?


    Trotzdem schon hörenswert; Italienisches HIP-Ensemble, englicher Tenor :baeh01: :baeh01:


    Gibts noch mehr solche "ungewöhnliche" Bachkantatenaufnahmen ?


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard


    Gruß aus der Kurpfalz

  • Ich habe heute die Partitur von "Ich habe genung" aus der Neuen Bachausgabe (Bärenreiter, 1994) kopiert und bin über das "genung" ziemlich erschrocken. Leider habe ich nicht den kritischen Bericht konsultiert, werde ich demnächst nachholen. Wenn das "genung" in einer wissenschaftlichen Ausgabe konsequent so gedruckt wird, weil es eben numal im Original so steht: OK, meinethalben - aber wenn es dann auch tatsächlich so eingespielt wird, wie bei Harnoncourt/Huttenlocher, bin ich doch tatsächlich etwas verstört. Wahrscheinlich weil sich das "genug" aus älteren Aufnahmen derartig in meine Hirnwindungen eingebrannt hat, daß man es nicht mehr rausbekommen kann.


    Dabei finde ich den Orchesterpart der Harnoncourtaufnahme einzigartig interessant und "anders" dargeboten - nur hätte ich statt Huttenlocher viel lieber Max van Egmond gehört!

  • Hallo!


    Da ThomasBernhard es bis dato nicht tat, stelle ich hier mal das Ergebnis der Stiftung Tamino-Test zu BWV 82 ein, die er und ich im Sommer durch gemeinsames kritisches Hören durchaus zahlreicher Aufnahmen des Werks vorgenommen hatten:


    Der erste Preis geht zu gleichen Teilen an Gardiner und Kuijken:



    Gardiner überzeugte vor allem durch das vorzüglich langsam-meditative "Schlummert ein, ihr Matten Augen", das uns völlig entgegen seinem Image (gehetzt, gefühlsarm) begeisterte.


    Und Kuijken gelang eine ganz superbe Interpretation des Titelsongs dieser Kantate - großartig!


    Freilich sind beide Kantaten-Aufnahmen auch als ganzes eine dicke Empfehlung!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Guten Tag



    Mittlerweile liegt eine weitere Einspielung von BWV 82a in der Fassung Sopran/Traversflöte



    mit Natalie Dessay (Sopran) und dem Ensemble Le Concert d'Astree vor.
    Hier gefällt mir das gemäßige Tempo in der Arie "Schlummert ein,..." sehr.


    Im Notenbüchlein der Anna Magdalena Bach gibt es noch eine Fassung dieser Arie -samt vorrausgehendem Rezitativ- für Sopran, Flöte und Bc, also ohne Streicher; wohl als Hausmusik im Hause Bach eingerichtet ?


    Zitat

    Ich Euch bekannt, ob die Sopran-/ Mezzosopran-Versionen schon damals für Damen- oder doch eher für Knaben-/ Kastratenbesetzung eingerichtet wurden?


    Diese Frage stellt sich uns bei allen Sopranpartien in Bachs Kantaten und Oratorien und wird wohl nie (?) gelöst werden können.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    eine weitere neue und hörenswerte Einspiellung von BWV 82 in einer Fassung für Tenor ist zu empfehlen:



    Der Tenor Markus Brutscher, in der Begleitung des
    kleinbesetzten Barockorchester Le Chardon ,
    bietet durch seine ruhige und deklamatorisch überzeugende Stimme
    eine ideale Besetzung.
    Auch in dieser Aufnahme wird statt einer Oboe eine Traversflöte zur Begleitung gewählt.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Abend


    Dem Bass Markus Fleig hört man auf dieser neuen



    CD mit seiner angenehmen Stimme u.a. als Interpret von BWV 82.
    Die beiden ersten Arien werden mit Andacht vorgetragen,
    in der Schlußarie wird die freudige Todessehnsucht heiter und zügig ausgedrückt.
    Mit kammermusikalischer Brillanz begleitet das Ensemble Musica Alta Ripa,
    der Oboist erweist sich als virtuoser Partner zur Singstimme.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    zusammen mit Kantaten von Telemann, Joh. Chr. Bach, Buxtehude
    und Bruhns hat der Bassist Stephan MacLeod mit dem
    Ensemble Gli Angeli Geneve auch die Kantate BWV 82
    auf dieser



    CD mit "Deutschen Barock Kantaten" eingespielt.


    Seine Tempi sind eilig gewählt, die Freude über den Tod etwas
    opernhaft vorgetragen, das Instrumentalensemble agiert ein
    Quentchen zurückhaltend.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von MarcCologne
    BWV 82: Ich habe genug
    Von dieser Kantate (Grundtonart c-moll) existieren neben der Bass- (Bariton-) Fassung noch folgende Versionen:


    -für Sopran (e-moll) mit Einsatz einer Traversflöte statt der angegebenen Oboe aus dem Jahr 1731
    -für Mezzosopran (c-moll); wahrscheinlich ist die Singstimme der originalen Bass-Version hier nur eine Oktave höher notiert - von 1735


    Bachs Ehefrau Anna Magdalena hat in ihr Clavier Büchlein eine
    Bearbeitung des Rezitatives "Ich habe genug" und der Arie "Schlummert ein" für Sopran-Solo,
    transponiert von c-moll/Es-Dur nache-moll/G-Dur, eingeragen.
    Es liegt nahe, dass Anna Magdalena das Stück für private oder auch öffentliche Aufführungen vorbereitet hat
    Im Familienkreis wird sie es wohl öfters gesungen haben,
    zumal ihr Ehemann Johann Sebastian 1730 an seinen Freund Erdmann schrieb:


    "zumahln meine izige Frau gar einen sauberen Soprano singet,
    auch meine älteste Tocher nicht schlimm einschläget"


    Eingespielt ist dieses Volaklstück vom
    Ensemble Movimento u.a. auf dieser



    CD.






    Zitat

    Die Tatsache, dass bereits mehrere Fassungen dieser Kantate zu Bachs Lebzeiten entstanden, zeigt, wie beliebt dieses Werk offensichtlich schon damals war!
    Ich Euch bekannt, ob die Sopran-/ Mezzosopran-Versionen schon damals für Damen- oder doch eher für Knaben-/ Kastratenbesetzung eingerichtet wurden?


    Die Kantate wurde wohl von einem fähigen Knabensopran (z.B. Christian Nischelmann ?) oder eher einem Falsetisten gesungen.
    Kastraten traten in Leipziger Kirchen nicht auf, am Hof zu Dresden gab es einige Kastraten.
    Siehe auch die ähnliche Diskussion zur "Kantate BWV 51 "


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

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