Zeige mir Deine Lieblingsmusik...

  • Eine PN brachte mich zu diesem Thread. In jener PN war Rede von meiner Lieblingsmusik.
    Und da dachte ich plötzlich an Redensarten wie:
    "Zeige mir Deine Freunde, und ich sage Dir wer/wie Du bist" oder "Zeige mir Deine Bücher, und ich sage Dir wer/wie Du bist". Das kann natürlich auch ausgebreitet werden mit Musik.
    Aber zwischen Musik und Lieblingsmusik klafft eine enorme Lücke. So habe ich z.B. von Kozeluch mehrere Werke. Aber seine Musik wird nie wirklich zu meiner Lieblingsmusik gehören.
    Und weiter sinnend, bemerkte ich, daß die zwei Jahre in meiner Jugend in Surabaya (Indonesien); die Jahre meines Studiums an der Uni und die letzten 20 Jahre meines Lebens meine Musikwahl dauernd geprägt haben.


    Die zwei Jahre in Surabaya, bevor wir umsiedelten nach Bandung, waren gefährlich. Nicht täglich, jedoch mindestens einmal in der Woche wurden wir be- oder wurde bei uns in der Nähe geschossen.
    Nur einmal wurde mein Stiefvater in seinem Bein von einem Kugel getroffen. Idem meine jüngere Schwester. Wenn meine Mutter fünf Zentimeter tiefer gebückt hätte, hätte sie einen Kopfschuß bekommen.
    Und wenn ich mich eine Nacht erinnere (ich war damals neun Jahre alt)...


    Die Jahre des Studiums haben mich gezeichnet. Das reicht.


    Die letzten 20 Jahre haben mir gezeigt, wie Erbschaften tiefen Wunden in der Familie schlagen können.


    Ich sehne mich nach Ruhe. Und nach Musik, die mir jene Ruhe gibt. Kaum kommt Beethoven noch im CD-Spieler. Denn seine Musik enthält soviel Konflikte.
    Zusammenfassend: Mein Musikwahl jetzt darf Kontraste haben. Ja. Aber Konflikte? Nein.
    Und so ist auch meine Lieblingsmusik davon betroffen.


    Was ist also meine Konklusion: wenn möglich versuche ich Konflikte zu vermeiden. Aber nicht "coûte que coûte".


    Könnt Ihr für Euch auch so eine Bilanz aufstellen? Und leitet sie dann zu einer Schlußfolgerung?


    LG, Paul

  • Salut Paul,


    das ist ein sehr schönes - und auch extrem privates - Thema! Ich hoffe dennoch auf rege Beteiligung!


    Ich kann dazu [fast] nichts beitragen, da ich eher negativ behaftete Werke nennen müsste. Es gibt eine Krankheit, die sich mit all ihren [also auch musikalischen] Umständen dermaßen ins Hirn einbrennt, dass man machtlos aufgeben muss, wenn es um solche Erinnerungen [Vernetzungen, "Infektionen"] geht.


    Aber grundsätzlich habe ich keine wirkliche Lieblingsmusik in der Form, wie Du sie beschreibst. Das heißt, mein Leben war bisher nicht so extrem gezeichnet, dass ich nur noch Ruhe benötige - ich kann also durchaus auch noch "aufdrehen", soviel Kraft habe ich noch. Die Musik ist meistens der Situation angepasst: Bin ich zum Scherzen aufgelegt, höre ich Haydn oder besondere musikalische Späße oder Extravaganzen. Bin ich entspannt, ist meist Kammermusik angesagt, vielleicht sogar Requien oder Messen/Oratorien, stehe ich vor dem Explodieren, höre ich heavy Mahler... und im Prinzip gibt es alles, was dankbar dazwischen liegt. Gegensätzliches zieht sich da keineswegs an, sondern wird sogar abgestossen: Ich kann also in einer inneren Erregung keine beruhigende Musik hören, sonst platze ich erst recht [genauso ist es, wenn Menschen versuchen, beruhigend auf mich zu wirken]. Ebenfalls kann ich in keiner Ruhephase "Aufregendes" vertragen, das würde mich sehr stören.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Paul,


    ein interessantes Thema hast du angeschnitten, weil die ganze Bandbreite menschlichen Denkens und Fühlens hier wesentlich hereinspielen.
    Ähnlich deiner durchgestandenen Surabaya- Erlebnisse oder besser gesagt: Traumata, habe ich im Ceaucescu-Rumänien oder auch in Nigeria sowie am Gaza-Streifen in entsicherte Gewehrmündungen schauen müssen, obwohl ich in jeweils friedlicher Mission, als Helfer also, in diese Länder gereist bin.
    Das prägt sicherlich den Musik-Geschmack fortan ganz wesentlich. So war ich bei meinem letzten Troubadour-Besuch, dessen Inszenierung stark militaristische Züge aufwies, stark abgelenkt gewesen.
    Deshalb habe ich es heute überwiegend heiter und feierlich, was die Wahl meiner Musikstücke betrifft. Mozart spielt da eine große Rolle, auch Bach, Händel, Haydn und die großen Romantiker. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried