Pierrre Laurent Aimard - ein Adept der Moderne auf den Pfaden der Klassiker
Warum noch eine Gesamtaufnahme von Beethovens Klavierkonzerten? Pierre Laurent Aimard beantwortet diese Frage für sich so: "Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ich einmal eines dieser alten Schlachtrösser machen würde, von denen es derart viele (oft bemerkenswerte) Einspielungen gibt und die so häufig in Konzerten gespielt werden. Angesichts des so gesättigten Schallplattenmarktes wäre mir diese Idee sogar abwegig erschienen. Ich habe es immer vorgezogen, etwas "Nützliches" zu machen, d. h. Werke aufzunehmen die noch nicht im Katalog vertreten waren und besonders auch, mich zeitgenössischer Kompositionen anzunehmen."
Warum hat er dann doch die alten Schlachtrösser aufgenommen? Dazu später mehr. Pierre Laurent Aimard ist vor allem wegen seiner Einspielungen von Werken der Moderne bekannt. Da wären zu nennen Messiaen, Ligeti und etliche mehr. Seit einigen Jahren ist bei Aimard eine Entwicklung in die andere Richtung zu beobachten: Der Pianist wendet sich zunehmend mehr den "Klassikern" zu. Den Anfang machte eine Aufnahme der Etuden Debussys, es folgten Aufnahmen mit Werken von Ives, dann Beethoven und zuletzt Mozart und Schumann.
Für mich ist Pierre Laurent Aimard eine der interessantesten Figuren im Klassikzirkus. Ein ernsthafter uneitler Künstler, dem jeglicher PR-Rummel abold ist. Aimard wurde 1957 in Lyon geboren, wo er mit 12 Jahren das Studium am dortigen Konservatorium aufnahm.
Er setzte sein Studium am Pariser Konservatorium, dort begegnete er in der Person des Ehemannes seiner Klavierlehrerin Yvonne Loriod dem Komponisten Olivier Messiaen- und er entwickelte sich zu einem seiner prononciertesten Interpreten.
1973 - mit 15 Jahren - gewann er den Internationalen Wettbewerb „Olivier Messiaen“, womit auch seine internationale Karriere einsetzte. Von da an konzertierte er weltweit mit Dirigenten wie Pierre Boulez, Sergiu Celibidache, Seiji Ozawa, Zubin Mehta, Christoph von Dohnanyi, Andrew Davis, Giuseppe Sinopoli, Charles Dutoit und Kent Nagano. 1976 gründete Pierre Boulez das Ensemble InterContemporain und lud den gerade erst 19-jährigen Pierre-Laurent Aimard als Gründungsmitglied dazu ein.
Man kann sich jetzt mit Recht fragen, warum wendet sich ein Künstler mit dieser Prägung auf einmal den Klassikern zu?
„Es war für mich eine riesige Freude, diesem unvergleichlichen Musiker, Kulturmenschen und Künstler zu begegnen. Er hat mich dann aufgefordert, ein paar Töne zu spielen. Und ich habe gedacht, es wäre dumm, für Monsieur Harnoncourt Ligeti zu spielen. Also habe ich eine Beethoven-Sonate vorgetragen, und ich war ganz überrascht und irrsinnig erfreut, zu sehen, dass seine Reaktion positiv ausfiel und er vorschlug, mit ihm zu musizieren und die Beethoven-Konzerte zu machen.“
Am Beispiel Aimards lässt sich auch ein interessantes Phänomen innerhalb der Klassikszene beobachten: Wendet sich ein Künstler dem "Standardrepertoire" zu, sieht er sich oft dem Zwang ausgesetzt, sein Vorgehen - wie Aimard im Fall Beethovens- zu legitimieren. Denn was kann Aimard (oder ein anderer Künstler) bieten, was die großen Alten nicht schon gesagt hätten? Es gibt die Symphonischen Etüden (Aimards neueste Aufnahme) ja schon von Arrau, Kempff, Richter etc. pp.
Wozu dann noch eine weitere machen?
Im Fall Beethovens hat Aimard die Antwort selbst gegeben:
"Intensität und Frische. Ablehnung jeder Routine, unbezähmbare Lust am gemeinsamen Musizieren: In diesem so unerwarteten Unterfangen habe ich gefunden, was ich in der Musik von heute und gestern immer gesucht habe - die Neubelebung einer Komposition dank Schöpferkraft, Rsikiobereitschaft und dem Ausleben des Augenblicks."
Hier einige Aufnahmen des Pianisten:
Ligeti:
Debussy:
Beethoven:
Und jetzt meine Frage an Euch! Was haltet Ihr von diesem ungewöhnlichen Wanderer zwischen den Welten?
Herzliche Grüße,
Christian