Brahms: Vierte Sinfonie

  • Sagitt meint:


    Die vierte Brahms e-moll op. 98, in zwei Jahren jeweils im Sommer entstanden 1884/85( das hat sich bei Brahms als Turnus über die Jahre eingebürgert, im Sommer an schönem Ort komponieren, im Winter Tourneen) gehört sicher zu den großen Werken sinfonischer Literatur. Ich entdecke sie deutlich später als die erste, aber sie gefiel mir sofort außerordentlich, mehr als die zweite oder dritte ( trotz des Films " Lieben sie Brahms ?".


    An meine erste Aufnahme kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Das liegt eindeutig an Carlos Kleiber, der mir so lange Jahre Referenzdirigent dieses Werks ist, sowohl mit den Bayrischen als auch den Wienern.
    Kleiber verströmt eine Intensität, die jedem Werk hervorragend bekommt, so auch der vierten Brahms.


    Heute bekomme ich, und das ist der unmittelbare Anlass dieses threads, die Jahresgabe der Bremer Kammerphilharmonie in die Hand mit zwei Sätzen ( Nr. 3 und 4) der vierten, dirigiert von Paavo Järvi und bin begeistert. Das könnte Lokalpratriotismus sein, natürlich. Die live-Konzerte der Kammerphilharmonie sind immer ein Ereignis, ihre Programm eine höchst intellegente Mischung zwischen Bewährtem und Neuen. Der MDR hat die Aufnahme gemacht und ich nehme an, sie ist dort auch zu erwerben ( die Rundfunkanstalten gehen ja nach und nach zur Vermarktung ihrer Aufnahmen über).
    Järvi läßt ungeheuer differenziert aufspielen. Der mächtige Brahms neben dem filigranen- Brahms war ja ein Komponier"tüftler"( was Hugo Wolf, den Abgewiesenen, zu bissigen Bermerkungen reizte, Melodien würden dem Brahms nicht einfallen). Ich werde versuchen, mir die gesamte Sinfonie zu besorgen und möchte hier nochmals kräftig Werbung für die Bremer Kammerphilharmonie machen. Ein Spitzenorchester.

  • Hallo Sagitt,


    die Vierte Brahms gehört zu meinen absoluten Lieblingswerken. Das gleiche gilt jedoch ebenfalls für die Erste, Zweite und Dritte. Der ernste, elegische, nie auftrumpfende Ton an dieser Musik sagt mir zu.


    Wenn ich überhaupt von einem "Makel" sprechen müsste, beträfe er das Scherzo der Vierten (Allegro giocoso). Die etwas "lärmende" Besetzung mit Triangel und Piccolo-Flöte ist mir ein Dorn im Auge.


    Die Vierte habe ich Aufnahmen von Klemperer (Philh. Orch.), Kleiber (Wiener Philh.) und Wand (NDR SO).


    Ich bevorzuge die Aufnahme von Wand. Sie ist in den Tempi etwas zügiger als die Kleiber-Aufnahme, insgesamt etwas schlanker, ohne es an der notwendigen Emphase fehlen zu lassen. Größere Unterschiede zwischen den beiden Aufnahmen kann ich nicht feststellen. Vielleicht liegt meine Bevorzugung der Wand-Aufnahme auch daran, daß ich diese zuerst gehört habe.


    Ebenfalls hörenswert ist meiner Meinung nach die Aufnahme von Klemperer. Sein Brahms ist naturgemäß etwas breiter, was dieser Musik jedoch auch gut zu Gesicht steht.


    In der Vierten Brahms deutet sich bereits das verinnerlichte, melancholische, vielleicht sogar resignative Spätwerk an, das mir besonders am Herzen liegt, z.B. die Klavierstücke op. 117 - 119 oder die Sonaten für Viola (bzw. Klarinette) und Klavier.


    Gruß Martin

  • Zitat

    Original von Martin Finke



    Wenn ich überhaupt von einem "Makel" sprechen müsste, beträfe er das Scherzo der Vierten (Allegro giocoso). Die etwas "lärmende" Besetzung mit Triangel und Piccolo-Flöte ist mir ein Dorn im Auge.


    Hallo Martin!


    Versuch mit einer (vorerst negativen) Beschreibung. Wie verstehst du diesen Satz im Zyklus? Vielleicht hilft es dir, die Dramaturgie zu entdecken. Kennst du die Sechste von Tschaikowsky? Das wäre eine Möglichkeit zum Vergleichen.


    Gruß

  • Bis vor kurzem war die Kleiber-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern mein Favorit: klar ausgeleuchtet, zügig, ernsthaft, bewegend - fast nicht zu übertreffen.


    Jetzt halte ich eine Gesamtaufnahme aller vier Symphonien (plus akademische und tragische Ouvertüre und Haydn-Variationen) mit dem Symphonieorchester des BR unter Lorin Maazel in Händen, ein Live-Mitschnitt eines der letzten Zyklen unter Maazel als Chefdirigent. Ich muss sagen, ich bin ganz begeistert von dieser Einspielung: die Tempi, wie meist bei Maazel, etwas breiter, dafür sehr klangschön und sensibel, in den langsamen Sätzen fast meditaitv versunken. Sehr schön eingefangen auch die Live-Atmosphäre. (Habe leider das Cover im Internet nicht gefunden...)


    A propos meditativ: Sehr interessant finde ich auch Celibidaches Einspielung. Sehr warm, emotional und sinnlich, gar nicht der manchmal etwas anämischen deutschen Kapellmeistertradition entsprechend:



    Irgendwelche "Makel" kann ich in der Vierten nicht erkennen. Ist die "lärmende" Besetzung mit Piccolo und Triangel im Scherzo als Vorwurf kompositorischer Leichtfertigkeit oder Oberflächlichkeit zu verstehen? Sollte das so gemeint sein, ist doch darauf hinzuweisen, dass die Vierte sicher Brahms' ernsthafteste, vielleicht sogar sprödeste Symphonie ist. Der Volksmund unterlegte dem Thema des ersten Satzes sogar die Worte "Es fiel - ihm wie - der mal - nichts ein"... Hört man die Vierte in den von mir angeführten Aufnahmen, kann man das sicher nicht nachvollziehen... :D

  • Hallo,


    Ohne hier eine Wertung aufstellen zu wollen, möchte ich hier zeigen, wie verschieden doch die Geschmäcker sind.


    Gerade das Allegro giocoso empfinde ich als belebend und frisch.
    Kennengelern habe ich diese Sinfonie, wie auch alle anderen, in der Interpretation von Herbert von Karajan


    Es hat viele Jahre gedauert bis ich sie mochte, sie waren mir zu düster. Inzwischen hat sich wahrscheinlich mein Geschmack gewandelt.


    Derzeit besitze ich sie 3 mal: Unter Karajan und Böhm, die zumindest was die Spieldauer der einzelnen Sätze anlangt sehr nahe beieinander liegen, und unter Celibidache, alledings nicht die bereits in diesem Thread erwähnte Stuttgarte Aufnahme, sondern jene aus München.
    Celibidache benötigt pro Satz bis zu einer Minute mehr als seine beiden Kollegen, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß dies dem Werk schlecht tut. In Planung ist eine Aufnahme der vierten unter Leonad Bernstein, ich weiß nur noch nicht ob mit den Wienern oder eine der alten CBS Aufnahmen.....


    Interessant wäre auch eine Stellungnahme zu Wands Einspielung.....


    Beste GRüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf der Dokumentarfilm DVD The Art of Conducting (1) ist ein leider viel zu kurzer Ausschnitt, wie Furtwängler nach dem Krieg mit den Berlinern den Schlußsatz der Vierten in London probt. So viel Energie, Kraft und Vorwärtsdrang dürfte einmalig sein. Hat jemand die Vierte mit Furtwängler auf CD und kann sie empfehlen? Gibt glaube ich mehrere Mitschnitte bei kleineren Labels.
    Auch sehr kraftvoll und individuell (aber nicht so eruptiv wie WF): Mengelberg - Concertgebouw, 1938. Telefunken/Teldec


  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Auf der Dokumentarfilm DVD The Art of Conducting (1) ist ein leider viel zu kurzer Ausschnitt, wie Furtwängler nach dem Krieg mit den Berlinern den Schlußsatz der Vierten in London probt. So viel Energie, Kraft und Vorwärtsdrang dürfte einmalig sein.


    :jubel: Genau mein Eindruck, als ich die Doku mal gesehen habe. Leider gibt es auf CD auch nur diese Probenausschnitte:


    Zitat

    2(or 3)th Nov. 1948, Earls Court, Empress Hall, London(rehearsal of the end of 4th mvt; 4'46")
    * with Berliner Philharmoniker
    * CD ; Japanese Furtwängler Society WFJ 19(113th bar~end)
    Notes by Y.Lee ] Same to the music of Teldec Video & DVD release. Thanks to Mr. Valcarcel.

    Gruß,
    Gerrit

  • Hallo Sagitt,


    aus Bremen kommt auch meine Lieblingsaufnahme der 4. Sinfonie von Brahms, allerdings aus dem Jahr 1952 mit Hans Knappertsbusch und dem Bremer Philharmonischen Orchester (z.B. bei Tahra erhältlich). Ich weiß, die Aufnahmen von Knappertsbusch haben ihre Eigenarten.


    Als wichtiger Brahms-Dirigent sollte auch Toscanini erwähnt werden. Mir gefällt sehr gut eine Live-Aufnahme mit dem Philharmonia-Orchestra, ebenfalls von 1952. Ganz entgegen seinem Ruf eines perfektionistischen, fast technischen Dirigenten ist ihm für meinen Geschmack die ausdrucksstärkste Interpretation des letzten Satzes gelungen, die ich kenne, besonders das Flöten-Solo habe ich sonst nirgends so gehört.


    Ansonsten folge ich gern der allgemeinen Meinung und höre Carlos Kleiber, wenn mir die historischen Aufnahmen nicht technisch gut genug sind.


    Viele Grüße in den Norden,


    Walter

  • Hallo Brahms-Freunde,


    meine ersten LP-Aufnahmen, mit der ich die Brahms-Sinfonien Nr.1-4 kennengelernt hatte waren die großartigen Interpretationen auf 4 EMI-Einzel-LP´s mit Otto Klemperer/Philharmonia Orchestra London. Diese waren bis zur CD-Zeit anfang der 80er-Jahre meine Wegbegleiter.
    Für Brahms der richtige Einstieg.
    Einzig der Klang der Bläser und Streicher war etwas hart bei diesen Aufnahmen.


    Als die CD eingeführt wurde mußte also etwas klanglich ungleich besseres her. Da hatte ich lange gelesen, getestet und gesucht, bis ich auf die DECCA-Gesamtaufnahme mit Solti / Chicago SO gestoßen bin.
    :D Die war es und ist es bis heute geblieben.
    Straff, dramatisch, spannend - so soll Brahms klingen.
    Solti beachtet alle Wiederholungszeiten, deshalb längere Spielzeiten, als bei anderen Aufnahmen, aber kein lahmes Tempo.


    :) Später kamen noch einige Einzelaufnahmen mit Bernstein/Wiener PH auf DG hinzu, die mir durch den anderen Interprtationsansatz auch gut gefallen und die hervorragende Nr.1 mit Karajan/Wiener PH auf Decca 1960.


    :) Vor kurzem habe ich mir die 4 SONY-CD´s mit Szell/Cleveland Orchester zugelegt. Wie bei Szell nicht anders zu erwarten wieder eine straffe Interpretation, die mir bei Nr.1 , 2 und 3 sehr gut gefällt, aber der Nr.4 mit Szell kann ich mich einfach nicht anfreunden, da die Sinfonie Nr.4 hier so ganz anders als Klemperer und Solti klingt.
    :yes: Nachdem ich nach dem Hören des Szell-Dirigats dann meine Solti-Nr.4 aufgelegt hatte war die Welt wieder in Ordnung - das ist Brahms at his best !


    Mich wundert, das die Solti-Aufnahme noch nicht erwähnt wurde, das ist doch eine der besten Aufnahmen ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Liebe Taminoer !
    M e i n e 4te überhaupt ist die f rü h e Einspielung mit Carlo Maria Giulini (EMI) . Phantastisch ist uch die Aufnahme von Toscanini ( London ; Testament ) .
    Ich bin geradezu "Brahsmianer" und bevorzuge die ungeheure Homogenität der ersten Giulini-Interpreattionen mit dem Philharmonia Orchestra London (EMI) .


    Das Spätwer für Klavier solo, das im Thread angesürcohen wird hat seine besten Interpreten in Radu Lupu ( Decca ) und Julius Katchen (Decca ) .
    Beste Grüsse
    Frank Georg Bechyna

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich will den alten Thread wieder wachküssen ;)


    Liest man die bisherigen Einträge und Empfehlungen, muss der Eindruck entstehen, Brahms vierte sei nur früher auf hervorragendem Niveau aufgeführt worden - und in der Tat sind die Aufnahmen eines C.Kleiber, eines G.Wand, eines W.Furtwängler und wie sie alle heissen, ja auch kaum zu verachten.


    In diesen Tagen fiel mit der Tür ins Haus eine ganz frische Aufnahme der Sinfonie, im März 2006 in der Philharmonie Berlin aufgenommen: Kent Nagano dirigiert das Deutsche Sinfonieorchester Berlin. Ich habe sie nun dreimal gehört und bin durchgehend sehr angetan von Orchester und Dirigat. Es gibt sie also doch noch, die guten Brahms-Dirigenten! Paavo Järvis im Eingangsbeitrag erwähnte Aufführung ist - wie ich mit Bedauern sehe - wohl bisher nicht auf CD erschienen. Greifen wir also zu Nagano, der BTW mit Schönbergs Orchestervariationen op. 31 nicht gerade leichte Kost als Kopplung serviert - ebenso hervorragend gespielt.



    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo!


    Die 4. von Brahms gehört sicherlich zu den drei größten Sinfonien. Ich finde, sie muss "heftig" und kraftvoll klingen. Ich hab noch nicht viele Aufnahmen gehört, selbst besitze ich nur eine mit Karajan, die mir sehr gut gefällt. Im Musikunterricht hat unsre Lehrerin allerdings einmal eine Aufnahme angespielt - den 4. Satz - und es klangt alles sehr abgehakt, rau, trocken und irgendwie kraftlos... wenn nach ca. der 1. Minute die tiefen Streicher mit der sykopierten Begleitung einsetzen, muss das einen wie eine bedrohliche Monsterwelle überfluten. Und die Blechharmonik am Anfang sollte klingen wie ein Weltuntergang. Das ist für mich ein Schritt zur richtigen Interpretation.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Meine absolute Referenz ist C.Kleiber, allerdings ist es schwer zu sagen wann er besser ist.
    Mit den Wienern hat er eine unglaubliche Wucht und Dramatik, während das Video vorallem im ersten Satz noch viel wehmütiger und leidender ist. Auch im dritten Satz hat er eine lösgelöstere Stimmung als mit den Wienern.


    Ansonsten mag ich noch Karajan (70er Jahre) sehr gern, Wand ist mir stellenweise zu unterkühlt.


    Als misslungen empfinde ich Sanderling mit der Staatskapelle Dresden. Während er mir mit der ersten ausgeprochen gut gefällt und auch in der Dritten recht gut, aber hier schleicht er durch die Partitur, dass weder Dramatik oder überhaupt Spannung aufkommen kann.


    IDS
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Auch ich bevorzuge bei #4 Solti eindeutlig vor C.Kleiber, jedoch habe ich "meine" Interpretation noch nicht gefunden. (Harnoncourts höchst durchwachsener und nicht wirklich überzeugender Konzertmitschnitt hat mich gelehrt, dass mir bei den berühmten Aufnahmen doch etwas fehlt.)

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Hallo Florian,


    mal abgesehen vom Cover :D


    ich kannte nur das immer noch erhältliche und gleich teure



    es scheint sich aber um die gleiche Aufnahme zu handeln...


    Karajans Brahmssymphonienzyklus ist IMO ganz gut (so lange Edwin noch in Austrias Kerker schmort kann ich sowas ja schreiben :angel: )


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Hallo Barezzi,


    offenbar sind es nicht die gleichen Karajan-Brahms-Aufnahmen.
    Die vom Dir abgebildete hat die Aufnahmedaten DG 1977/78 ADD
    und die von celloflo die Aufnahmedaten DG 1978 - 1988 ADD/DDD.


    Ich nehme an, das eine Sinfonie ggf., in der neueren DG-Doppel-CD (celloflo-Abb.) von Karajan keine digitale Neuaufnahme ist, sondern in beiden DG-Doppel-CD´s vorhanden ist.


    Ich kenne jedenfalls die Aufnahmen DG 1977/78, die in wiederum anderer Aufmachung aus der DG-Karajan-Edition auf sympathischen 4CD´s mit den Ouvertüren und Haydn-Variationen (aus der Verwandschaft geliehen) und finde diese auch sehr gut.
    :yes:Wenn es Karajan und Brahms sein soll, dann ziehe ich aber seine Decca-Aufnahme der Sinfonie Nr.1 mit den Wiener PH nochmal den DG´s vor.


    :] Ansonsten greife ich zu Solti / Chcago SO (Decca) .
    ?(Ich wundere mich das erst diese Woche ein Forumsmitglied (a.b.) auch wohlwollend über die Solti-Aufnahme schreibt !??!
    :angel: Kennt keiner die hervorragenden Solti-Brahms-Aufnahmen ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo,
    ich besitze unter anderem die Brahms Sinfonien
    mit den Wiener Philharmonikern unter L.Bernstein(1983).
    Als Alternative kann ich die Aufnahme mit den
    London Classical Players unter R.Norrington(1990) empfehlen.
    Sie ist zur Zeit nicht im Katalog.Wahrscheinlich,weil sie in
    Konkurrenz stände,mit seinen neuen Aufnahmen mit dem
    RSO Stuttgart.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Karajan trifft IMO den dramatischen Charakter des Werkes sehr gut, allerdings bevorzuge ich den feineren, detailierteren Klang bei Kleiber.


    IDS


    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Diese Ausgabe ist so wertvoll, weil die Sinfonien 1-3 aus den DDD-80er Jahre (erstmals günstig) droben sind, bei denen Karajan ganz anders als noch als bei dem Zyklus aus den 70ern (von dem leider die 4. stammt - wohl weil die Späthaufnahme nicht mehr auf der prall gefüllten CD Platz gehabt hat) nicht mehr dramatisch vorwärtsdrängend dirigiert, sondern statt dessen eine Ruhe und Strahlkraft gewinnt (die ich für Brahms sehr treffend find).


    Auch wenn diese späten Aufnahmen Karajans womöglich nicht ganz werkgetreu sein sollten, finde ich sie doch ganz besondere Tondokumente von enormer Wirkung (und das sagt jemand, der Karajan (außer die Debussy-Aufnahmn aus den 60ern) sonst nicht so besonders mag).

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Forum,


    vor einiger Zeit lief im Radio wieder einmal eine Aufnahme der 4. Brahms. Der zweite Satz wollte mir nicht so richtig gefallen, der Dirigent bekam da keine rechte Spannung herein, irgendwie kam mir das zum Gähnen vor. So habe ich mir auch nicht gemerkt, wer es war, es war die Aufzeichnung eines Livekonzertes im holländischen Rundfunk, sei´s drum.


    Hans Renner schreibt in Reclams Konzertführer (5. Auflage, 1959): "Wenn das Horn das von altertümlichen Harmonien getragene Hauptthema einleitet, so ist es, als erhebe ein Barde aus grauer Vorzeit seine Stimme zu einem Bericht von sagenhaften Begebenheiten."


    Einige Zeit später, so nahm ich mir aber vor, wollte ich an die Aufnahmen herangehen, die mir vorliegen, und da einmal vergleichen, wie die Dirigenten den zweiten Satz auffassen und vortragen. Das sind, wie ich zu meiner Schande gestehen muß, nur 3 Stück, dafür auf 3 verschiedenen Medien.


    Zunächst auf 6 Schellackplatten Grammophon/Meisterklasse Nr. 67490 bis 67495 die Aufnahme von Vicor de Sabata mit den Berliner Philharmonikern von 1939 (Preßjahr).


    Dann auf der DGG-Vinylplatte T 72133 Igor Markevich mit dem Lamoureux Orchester.


    Und schließlich Carlo Maria Giulini mit dem New Philharmonia Orchestra im Jahre 1979 auf einer EMI-CD mit der Nummer CDZ 25 2223 2.


    Zunächst de Sabata. Er nimmt den Satz extrem langsam und benötigt 12´50´´ dafür. Die einleitende altertümliche Hörnermelodie will bei ihm gar nicht vorübergehen, der Streichereinsatz kommt einem wie eine Erlösung vor. Auch der Rest des Satzes vergeht ohne wirkliche Höhepunkte, obwohl durchaus gewollte Temposchwankungen zu hören sind, die Spannung zerbröselt dem Italiener völlig. Auch dieser zweite Satz ist für mich zum Einschlafen langweilig.


    Obwohl Markevich für den Satz über eine Minute weniger benötigt, hat er die gleichen Probleme, es kommt keine Spannung auf. Da die Tempi aber insgesamt schneller sind, geht der Satz eher vorbei und die Vorfreude auf den (wie bei de Sabata auch) durchaus gelungenen dritten Satz dauert nicht so lange :pfeif:


    Erst Giulini kriegt das Problem in den Griff. Er braucht zwar genauso lange wie Markevich, aber hier hört man interessiert zu, weil die Dramaturgie stimmig ist.


    (Ich merke wieder mal, wie schwierig es doch ist, mit schlichten Worten so einen musikalischen Tatbestand zu beschreiben. Geht Euch das auch so ?)


    Neuere Aufnahmen habe ich nicht in meinem Fundus, mich würde durchaus mal interessieren, wie etwa G. Wand das gemacht hat. Und auch ein Vergleich mit dem alten Toscanini wäre bestimmt spannend. Hat der das Werk auf Platte aufgenommen ?


    Holger

    Die Wahrheit liegt hinter dem Denken.

  • Zitat

    Original von teleton
    :] Ansonsten greife ich zu Solti / Chcago SO (Decca) .
    ?(Ich wundere mich das erst diese Woche ein Forumsmitglied (a.b.) auch wohlwollend über die Solti-Aufnahme schreibt !??!
    :angel: Kennt keiner die hervorragenden Solti-Brahms-Aufnahmen ?


    Solti ist halt immer etwas brilliant-dramatisch-fetzig-geradelinig und damit (im besten Sinne) auch in Richtung oberflächlich.

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Hi!


    Bin mit den aufnahmen von karajan voll und ganz zufrieden. Hatte allerdings bisher auch nicht viele vergleichsmöglichkeiten...



    LG florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

  • Ich war mit den späten Bernstein-Aufnahmen der Brahms-Sinfonien eigentlich auch lange zufrieden, aber nachdem ich mir in den letzten Tagen u.a. die 4. Sinfonie zu Gemüte geführt habe, merke ich doch, das irgendetwas fehlt.
    Es ist beileibe nicht schlecht, ich liebe diese Aufnahme immer noch sehr, aber ich habe halt zum ersten Mal das Gefühl, dass es noch drängender, noch energischer sein kann. Die Gemütlichkeit Bernsteins wurde ja auch schon desöfteren bemängelt.


    Vielleicht habe ich in nächster Zeit Gelegenheit, mir andere Aufnahmen zu besorgen. Ich dachte da z.B. an Klemperer oder auch die neue Aufnahme von Nagano. Mal sehen.



    Gruß, Peter.

  • Hallo Florian,


    das Karajan-Cover erinnert mich irgendwie an den Obersalzberg... :angry:


    Ist ja nicht weit.


    Holger

    Die Wahrheit liegt hinter dem Denken.

  • Brahms vierte gibt's bei mir mehrfach. Kennengelernt hatte ich sie im Rundfunk unter Ernest Bour, eine schöne, straffe Einspielung. Die ließ sich aber im Tempo noch steigern. Wie bei meiner ersten Nr. 4 als Schallplatte. Fritz Busch war der Dirigent. Die Aufnahme ist technisch gewöhnungsbedürftig (was auch auf die bereits erwähnte Aufnahme mit Kna und den Bremern zutriff), musiklisch liebe ich sie nach wie vor.


    Wen ich nun bei mir auf Platz ein hieve, da bin ich mir etwas unsicher. Am ehesten Markevitch mit dem Lamoureux.Orchestra.


    Aber auch Ansermet, der das Werk sehr filigran spielt, mit klar durchhörbaren Orchesterstimmen.


    Bei Günter Wand ziehe ich die alte mono-Aufnahme mit dem Gürzenich-Orchester der oder den neueren vor.


    Leider gibt's auch bei mir nur "Alte" Interpreten: den Bruno Walter hätte ich jetzt fast vergessen. Allerdings habe ich zu der Einspielung bislang keinen rechten Zugang gefunden.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Holger66
    Und auch ein Vergleich mit dem alten Toscanini wäre bestimmt spannend. Hat der das Werk auf Platte aufgenommen ?


    @ Holger,


    von Toscanini gibt die späten Aufnahmen aus den 50ern bei Testament. Diese sollen großartig sein. Sie wurden mir öffters sehr empfohlen, insbesondere dei #1. Leider ist sei mir noch nirgends in Hände gefallen, weil ich hier in der Provinz lebe.
    Die älteren Aufnahmen bei RCA sollte man meiden, und das weniger wegen des älteren Aufnahmedatums als wegen des desaströs schlecht spielenden Orchesters (ich selbst kenne da nur die#1, nmir wurde aber versichert die anderen seien gleich.).


    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke


  • 8o :faint:


    Na ja, aber die Brahms-Symphonien vom Karajan sind eigentlich ganz gut...
    Die 4. hat das Glück, eine der wenigen Kleiber-Veröffentlichungen abgekriegt zu haben. :jubel:
    Ansonsten habe ich noch Böhm (eher verhalten, aber OK) und Sawallisch (gut) - Bernstein würde mich natürlich auch mal drücken... :rolleyes:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Keilberth * Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
    Markevitch * Orchester Lamoureux
    Levine Chicago Symphony Orchestra
    Suitner * Staatskapelle Berlin
    Abbado LSO
    Walter * Columbia-Symphony-Orchestra
    Schuricht SWR-SO Baden-Baden
    Wand * NDR-SO Hamburg
    Gielen SWR-SO Baden-Baden
    Schuricht * BRSO München (Grand Prix du Disque)
    Herbig * Berliner Sinfonie-Orchester
    Swarowsky Bamberger Sinfoniker
    Kleiber Wiener Philharmoniker (1981)
    Skrowaczewski Halle Orchestra


    Die mit einem * versehenen Aufnahmen sind meine Favoriten. Habe soeben die Wand-Aufnahme von 1985 gehört, sehr souverän, absolut klangschön, Feuer unter Eis. Bei den älteren Aufnahmen muß man eben - ihr Alter in Rechnung stellen. Skrowaczewski wurde seinerzeit sehr gelobt, aber an allen vieren von ihm kann ich mich nicht erwärmen.

  • Also, ich habe 6 Einspielungen der vierten.


    Darunter zunächst mal zwei bis drei ziemliche Aussetzer: Otmar Suitner mit der Staatskapelle Dresden (Berlin Classics) ist dann gut, wenn man Brahms unbedingt zum einschlafen hören will. Absolut unaufgeregt und unaufregend um nicht zu sagen langweilig (ein Kunststück gelingt Suitner übrigens bei seiner Interpretation der ersten Brahms-Symphonie: wie man den Kopfsatz in ein solches Stück lahmer, schlaffer und belangloser Tonreihen verwandeln kann, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben). Ähnlich langweilig habe ich Eschenbach mit dem Orchester aus Housten (Virgin Classics) in Erinnerung (besitze ich zwar, hats aber schon sehr lange nicht mehr in den Player geschafft). Ebenfalls ziemlich nichtsagend, aber nicht so fahrig und zerdehnt wie Suitner und Eschenbach fand ich die Einspielung von Thomas Sanderling und dem Philharmonia Orchestra.


    Dann die Knaller: Eine mit Karajan und den Berlinern aus den späten 1970ern (naklar DGG). Dies war die erste Einspielung, die ich besessen und kennengelernt habe - damals noch als Vinyl-Scheibe. Die Einspielung gefällt mir bis heute sehr gut (wie auch Karajans ganzer Brahms-Zyklus aus den 1970ern): dramatisch, mit Zug ohne zu hetzen, transparent und ergreifend. Ich denke, mit dieser Einspielung kann man eigentlich nichts falsch mit machen.


    Mein Favorit ist bisher aber Bernsteins Interperatation mit den Wienern aus den frühen 1980ern (DGG). Insgesamt nimmt er, anders als Karajan, die Tempi recht langsam, aber ohne Spannungsverlust, ohne daß es irgendiwe behäbig oder rauschebärtig klänge. Seeeeehr emotional und vielleicht sogar etwas sentimental und pathetisch. Muß man schon mögen... Ich liebe es!!!


    Vorige Woche habe ich mir dann noch die Einspielung mit Riccardo Chailly und dem Royal Concertgebouw Orchestra (Decca) angeschafft. Macht auf mich unmittelbar einen sehr kraftvoll-emotionalen und zugleich disziplinierten Eindruck. Weniger stramm als Karajan aber auch nicht sooo viel Pathos wie bei Bernstein. Könnte eine echte Konkurrenz zu meinen beiden bisherigen Favoriten werden.

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