Welche Musik kann am ehesten Trance verursachen?

  • Hallo,


    da ich gerade Philip Glass höre (Symphony 2 + 3), kam mir die Threadidee.



    Stellen wir uns mal vor, wir seien in einem beispielsweise mit Kerzenlicht sanft und sprasam beleuchteten Raum und machten es uns gemütlich und versuchten uns mit Hilfe einer CD in einen tranceähnlichen Zustand zu begeben, ganz gezielt (was uns laizistischen Westlern ja ohne illegale Drogen oder jahrelanger Esoterikschnickschnack-Übung sowieso kaum gelingen kann).


    Hattet Ihr in dieser Richtung schon mal experimentiert oder gar Erfolg gehabt? Könnte mir vorstellen, daß das mit Glass & Co am besten hinhauen könnte... unabhängig von der kompositorischen Qualität oder Inspiration der Werke.


    Wobei man sicherlich unter Trance ganz verschiedene Empfindungen subsumieren kann. Eine echte Trance zu erzielen durch passives Musikhören, kann ich mir kaum vorstellen.

  • Diese Erfahrung habe ich haufenweise gemacht, allerdings ist der Zustand bei "klassischer Musik" ein anderer.


    Wenn ich mir richtig Zeit nehme und die Marienvesper von Monteverdi auflege, hat dies eine Wirkung auf mich, die ich nicht beschreiben kann.


    Es gibt sehr viel U-Musik, die auf eine solches Hörerlebnis abzielt. Space-Rock oder auch Krautrock (kommt aus Deutschland, funktionierte auch in Amerika, weshalb es die Ammis einfach mal Krautrock genannt haben, weil man der Meinung ist, dass Sauerkraut die Basis einer jeden Mahlzeit in Deutschland ist).

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von kleinershredder
    Also bei mir können das am ehesten einige durchführungen von Bachs Fugen.


    Oh ja, die Kunst der Fuge - das ist meine erste musikalische Wahl zur meditativen Versenkung. :]


    Bei Glass schlafe ich eher ein... :stumm:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo,


    also eine tranceähnlichen Zustand habe ich beim CD-Hören noch nicht erreicht, aber dafür manchmal (wenn es die Umstände erlaubten) einen Zustand nahezu gänzlicher Leere, die mit dem Verlust des Zeitgefühls einherging. Das war z.B. der Fall bei Minimal-Music-Hits wie Steve Reichs "Drumming"



    oder bei Terry Rileys "In C"



    der Fall. Liegt wohl an den repetitiv-meditativen "Patterns"...


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Zitat

    Original von GiselherHH
    also eine tranceähnlichen Zustand habe ich beim CD-Hören noch nicht erreicht, aber dafür manchmal (wenn es die Umstände erlaubten) einen Zustand nahezu gänzlicher Leere, die mit dem Verlust des Zeitgefühls einherging.


    Hallo Giselher,


    danke für die Tips - und mir geht es genauso. Ich war ja auch nie in Trance und hab keine Ahnung, wie man sich dabei fühlt, aber ein Zustand nahezu gänzlicher Leere, einhergehend mit dem Verlust des Zeitgefühls, das wäre doch die optimale Wirkung eines Musikstücks kontemplativen Charakters...


    übrigens, bei Jazzmusik wie der "Kunst der Fuge" (-> Contrapunktus IX) würde sich bei mir kein derartiger Zustand einstellen.


    :D :hello:

  • Das ist richtig. Jazz ist keine Musik, die zu einem Tranceähnlichen Zustand einlädt!


    Wer diesen Zustand mal erreichen möchte, dem seien Soundscapes von Maestro Robert Fripp empfohlen. Ich habe viele dieser CDs. Ich verborge die ab und zu auch gern!

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Ich war ja auch nie in Trance und hab keine Ahnung, wie man sich dabei fühlt, aber ein Zustand nahezu gänzlicher Leere, einhergehend mit dem Verlust des Zeitgefühls, das wäre doch die optimale Wirkung eines Musikstücks kontemplativen Charakters...


    Zunächst einmal:


    In Trance zu sein - das haben wir alle schon mal erlebt, es ist jene Zustand zwischen Wachsein und Schlaf.


    Ihn allerdings künstlich herbeizuführen sollte ganz leicht sein, und zwar durch starren in eine Kerzenflamme.
    Ich hqabe in meiner frühesten Jugend ein eher negatives Erlebnis in dieser Richtung gehabt: Es war zu Allerseelen/Allerheiligen früher üblich eine 24 Stunden Kerze daheim anzuzünden. In eine solche blickte ich versonnen, nichts böses dabei denkend.
    Plötzlich war ich nur auf diese Flamme fixiert, die Relität schien dabei zu versinken, ich erlebte so etwas wie ein Unwirklichkeitsgefühl, ein Gefühl des Verlöschens - und ANGST. Es seien daher alle Menschen, die - wie ich - "nicht loslassen" können bzw immer und überall die Kontrolle über allees behalten woillen - ausdrücklich vor dieser Übung gewarnt !!


    Wenn ich jedoch solch einen Zustand herbeiführen wollte (als jemand der sich mit Autosggestion und Hypnose befasst hat, brauche ich persönlich keine äusseren Auslöser mehr um Trance bei mir - oder willigen Mitmenschen herbeizuführen) - und dies mit Musik tun wollte, so würde ich ENTWEDER indische Musik wählen - oder aber Ravels Bolero.
    Ich halte die Gleichförmigkeit und Eindringlichkeit zugleich, das quasi Motorische für einen optimalen Faktor zur Unterstützung des Versuchs zur Erreichung von Trance (es gibt verschiedene Schweregrade) für optimal.
    Wichtig ist hiebei das Fokussieren. Alles andere sollte hinter dem Rhytmus des (als Beispiel) Bolero zurückstehen - Dunkelheit dient lediglich dem Ausschalten von äusseren Störeinflüssen - sie ist jedoch nicht zwingend nötig.
    Ohne es selbst probiert zu haben, würde ich Teilen von Holsts "The Planets" bzw. Strawinskys "Sacre" tranceanbahnende Eigenschaften nachsagen.....


    Wichtig ist in jedem Falle die ordnungsgemäße "Rücknahme" des Zustands - weil sonst Konzentrations - und andere Störungen im Laufe des Tages nicht völlig auszuschließen sind.


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo zusammen,


    wenn wir 'Trancezustand' durch 'Bewusstseinserweiterung' ersetzen, würde ich eine Anzahl von Aufnahmen mit Sergiu Celibidache dazu nennen.


    An erster Stelle seine Bruckner-Einspielungen mit den Münchner Philharmonikern, darunter wiederum an erster Stelle die Nr. 4, 7, 8, 9.


    Aber auch sein Tschaikowsky hat bisweilen narkotische Qualitäten.


    Ansonsten frage ich mich: Warum will sich jemand ausgerechnet mit Musik in Trance versetzen? Musik operiert m. E. sowohl mit bewusst wahrnehmbaren als auch unbewusst wahrgenommen Mitteln. (Es hängt auch vom Hörer ab, was er bewusst nachvollzieht und was ihm unbewusst dennoch auf ihn wirkt.) Man müsste also nach einer Musik suchen, die die unbewussten Elemente stark hervorhebt, bzw. die dem bewussten Nachvollzug der akustischen Vorgänge keine Anhaltspunkte liefert, sei es durch Simplizität und Strukturlosigkeit oder monotone Wiederholung mit minimalen Änderungen oder wie auch immer.


    Zur Erzielung von Trance halte ich Musik für das falsche Mittel, zumindest nicht für das beste. Wie wäre es - um bei legalen Mitteln zu bleiben - z. B. mit Meditation?

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  • Zitat


    @Alfred
    Ravels Bolero Damit hast Du den Nagel absolut auf den Kopf getroffen Jubel


    Bei mir hast du eher den Kopf auf den Nagel getroffen.


    Ein (besser unzählige) wurde ich damit in der Primärstufe malträtiert
    und habe deswegen 5 Jahre lang keine Klassik mehr gehört.


    :angry: :baeh01:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Hallo!


    Zitat

    Bei mir hast du eher den Kopf auf den Nagel getroffen.


    Ditto.
    Der Bolero macht mich eher nervös. Kann dabei wirklich jemand entspannen?

  • Ich lese jetzt mal ganz bewusst nicht, was die anderen so geschrieben haben. Zwei Namen fallen mir sofort ein: Avo Paert und Phil Glass. Es gibt Phasen, wo ich von beiden gar nicht genug bekommen kann. Und der dritte im Bunde: Michael Nyman. Doch, beim Begriff "Trance", sofort.

  • Zum ersten ging es beim Bolero NICHT um seinen musikalischen Stellenwert, sondern um seinen "tranceanbahnenden"....


    Zum zweiten meine ich, daß hypnotische Effekte nicht in erster Linie durch "Enspannung" entstehen, sondern IMO im Gegenteil, durch äusserste Konzentration auf einen bestimmten Aspekt.


    Viele Wege führen zum Ziel - Allerdings: ALLEN gemeinsam ist, daß sich der Proband dem "Ereignis", sei es Pendel, Flamme, Geräusch oder Musik - kritiklos ausliefern muß.


    Im Übrigen schließe ich mich demjenigen vollinhaltlich an, der da meint, Musik an sich sei nicht das erste Mittel der Wahl, sich selbst oder jemand anderen in Trance zu versetzen - Aber das ist nun mal das Thema dieses Threads.


    Wenn ich etliche andere Accessoires (Dunkelheit, Kerzenflamme, Flüsterstimme, was weiß ich was noch alles) hinzufügen muß, um Trance zu erreichen, dann sind es wahrescheinlich lediglich diese "Zutaten" die den Effekt hervorbringen, die Musik ist dann das "Beiwerk"


    Ein hervorragendes Mittel um sich in Trance zu versetzen ist - absolute Stille. Sie ist leider in unserer Zeit schwer realisierbar.


    Ein weiterer Zugang ist, die Augen zu schließen und "an NICHTS" zu denken. Das widerstrebt jedoch der menschlichen Natur, und so denke man halt an EINE statische Sache. Man schließe die Augen und stelle sich EINE Farbe vor - und sonst nichts - (mindestens 30 Minuten lang)
    Man wird die Farbe mit geschlossenen Augen sehen - und sie wird Besitz von einem ergreifen. Die Farbe sollte währen des Experiments NICHT gewechselt werden. Die Musik dazu ist -Stille.


    Ich frage mich ob ich hier nicht bereits zu sehr vom eigentlichen Thema abweiche - aber andrerseits haben schon in der Vergangenheit verschieden Komponisten mit der Verbindung von Tönen und Farben gespielt, mir fällt da spontan Skrijabin ein......



    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    Alfreds Hinweis auf Skriabin finde ich so falsch nicht. Sein "Poeme de l'extase" geht für mich durchaus in die Richtung genannter Stimmungen. Das letzte Mal, dass ich jedoch - auch wenn der Begriff mir zu beladen ist - in annähernd tranceartiger Verfassung war, geschah bei Bachs Cellosuiten. Wenige Tage später hörte ich sie nochmals und da war dann nix mit Trance. Da war ich dann viel zu konzentriert auf die Musik selbst. Die eigene, momentane Verfassung spielt in meinen Augen also eine größere Rolle.


    Zu den nicht-klassischen Vorschlägen: Robert Fripp sollte ich mir mal anhören. Ich kenne ihn nur mit seinem artifiziellen Gefrickel bei King Crimson. Zu der Musik kann ich in einige Zustände geraten, bloß nicht in Trance. Und was den Krautrock betrifft: Da war die Trance der Zuhörerschaft in den siebziger Jahren doch eher der Einnahme interessanter Substanzen geschuldet. Gleiches galt übrigens auch für die Musiker selbst.


    Bestimmte Stile indischer Musik, die Alfred ansprach, kommen mir auch in den Sinn. ebenso wie manches aus Afrika oder Vorderasien. Musik aus Kulturkreisen halt, in denen Musik durchaus den Zweck erfüllen soll, andere Bewusstseinszustände zu erreichen. In der abendländischen Tradition sehe ich diesen Zweck von Musik eher selten, da auch die Tradition des Erreichens solcher Zustände zumindest oberflächlich schon ewig vorbei ist. Oberflächlich deshalb, weil die Sehnsucht nach solchen Zuständen im Grunde da ist. Das beweist der unvemindert hohe Absatz unzähliger legaler und illegaler Stimmungsveränderer.


    Zum Wohle
    B.

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  • Zwei musikalische Wege gibt es für mich, Trance oder tranceähnliche Zustände zu erreichen.


    Der eine: Melodische New-Age-Musik, deren Rhythmus auf einen langsamen Herzschlag abgestimmt ist. Solche Musik wird zum Beispiel auch speziell als Einschlaf-Musik für unruhige Kleinkinder komponiert. Wenn ich solche Musik leise im Hintergrund höre, fördert es beim Meditieren das Abgleiten in die Trance.


    Der andere: Ich kenne drei Aufnahmen von rhythmusfreier Musik, erstaunlicherweise jeweils Flötenmusik, bei deren hochkonzentriertem Anhören sich Trance einstellen kann. Es sind:


    James Newton "Echo Canyon", aufgenommen 1984 in einer Vollmondnacht in einem Canyon in New Mexico.
    Paul Horn "Inside the Great Pyramid", aufgenommen 1976 in der Königskammer der Cheops-Pyramide und zwei anderen ägyptischen Pyramiden.
    Und ganz besonders Büdi Siebert "Pyramid Call", aufgenommen 1993 und 1994 in der Großen Halle der Cheops-Pyramide.

  • Erstmal vielen Dank für die große Resonanz zu diesem Thema, besonders natürlich unserem Chef, der einem immer wieder mit dem erstaunlichsten Wissen auf den unerwartetsten Gebieten überrascht...


    Zitat

    Zur Erzielung von Trance halte ich Musik für das falsche Mittel, zumindest nicht für das beste.


    Ja, mit passivem Musikhören und nochdazu mit unserer "klassischen" Musik dürfte das schwer sein.. aber wir sind ja nun ein Klassikforum, und wir können ja mal gucken, was wir da zusammentragen können... Bachs Cello-Suiten könnte klappen, Danke für die Anregung. Naja, und mit Reich, Glass, Cage & Co sind wir ja auf dem richtigen Weg, wurde ja schon richtig analysiert, daß es rhythmischer Pattern und wenig und langsamer aber doch entscheidender (harmonischer z.B.) Veränderung bedarf. Seit Urzeiten ist ja sicherlich das aktive Musikmachen (endlose Rhythmen schlagen, am besten in der Gruppe zu komplementärrhythmischen Strukturen vereint), vielleicht noch dazu tänzelnd, ein beliebtes und erfolgreiches Vehikel, um seinen geistigen Zustand zu verändern.


    Moderne nicht-klassische Musik hat da aber sicher die Nase vorne würde ich derzeit mal behaupten (ich denke an den Soundtrack zu "Ghost Dog" (Jim Jarmush)


    naja, ich fahr dann mal weiter fort mit dem Expriment mit Kompositionen von Ligeti, Reich und den komplementärrhythmschen Gesängen der Aka-Pygmäen.


  • Ich würde dir mit dem Bolero zustimmen, wenn die Instrumentierung, umgekehrt laufen würde.
    Ich meine das wird ja immer lauter. Ich denke, um einen in trance zu bringen sollte es aber eher immer leiser werden, daher also andersrum.

  • Barbirolli
    Es sei Dir versichert, dass vorstehendes Soundscape Werk von Fripp und Eno
    N I C H T S mit den dissonanten Akkordblöcken zu tun haben, die einem bei King Crimson um die Ohren gehauen werden! Ich empfehle wirklich da mal reinzuhören!

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo,


    eine trancefördernde Wirkung hat auch ganz frühe Mehrstimmigkeit, beispielsweise die der Pariser Schule um Leonin und Perotin. Die Wirkung der Musik wird erreicht durch - aus heutiger Sicht - äußerst sparsame Mittel, nämlich eine Stimme, die sehr lange den gleichen Ton singt, während die zweite Stimme - meist darüber - schnelle Bewegungen macht. Gelegentlich kommt noch eine dritte Stimme gleicher Art wie die zweite hinzu. Das Ziel dieser Musik war sicher auch die Kontemplation und die Versenkung.


    Ähnliches erreicht auch die Gregorianik.


    Eine sehr, sehr gute Aufnahme von Musik der l´école de Notre Dame ist diese:



    Leonin & Perotin: Geistliche Musik aus Notre Dame


    Tonus Peregrinus




    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Hallo


    Bachs Cello-Suiten für die Erzeugung eines Trance-ähnlichen Zustands? Das kann ich nicht nachvollziehen. Das ist fordernste Musik und dabei unerhört abwechslungsreich. Das passt für mich überhaupt nicht.


    Aber was ist mit Gregorianischen Chorälen und damit verwandte Musik? Die sind doch geradezu dafür gemacht worden, oder nicht?

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Bachs Cello-Suiten für die Erzeugung eines Trance-ähnlichen Zustands? Das kann ich nicht nachvollziehen. Das ist fordernste Musik und dabei unerhört abwechslungsreich. Das passt für mich überhaupt nicht.


    Aber was ist mit Gregorianischen Chorälen und damit verwandte Musik? Die sind doch geradezu dafür gemacht worden, oder nicht?


    Geht mir auch so: Alleine schon der permanenten Rhytmus und Tempowechsel zwischen den einzelnen Sätzen jeder Suite kann ich mir schwer vorstellen, dass einen Bachs Cellosuiten in Trance wiegen können.


    Anders liegt der Fall bei den gregroianischen Chorälen: Lange, ausschwingende Melodien, keine dynamischen Extreme oder Variationen des Rhythmus, eine gleichmäßig pulsierende Musik. Wer einmal ein Stundengebet in Maria Laach, Silos oder einer anderen Abtei erlebt hat, dürfte das bestätigen können: Man entspannt sich beim Zuhören und noch mehr beim Mitbeten der Psalmen.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Die Trance fängt für mich da an, wo der Kopf, also das bewusste verstandesmäßige Verfolgen, aufhört. Und genau da hört m.E. die Definition für klassische Musik auf; dieser Thread ist also streng genommen kein Thema für den Bereich der klassischen Musik..


    Das heißt natürlich nicht, dass dies kein interessantes Thema ist. Ähnlich wie Alfred sehe ich die Definition. Der Bolero ist allerdings nur ein vages Beispiel, da er verhältnismäßig kurz ist und die wiederkehrenden Schleifintervalle verhältnismäßig lang sind.


    Auch die indischen Ragas sind sehr durchkomponiert und Verstandeswerke, wirken allerdings bei uns, die wir die theoretischen Voraussetzungen nicht genügend kennen, in der Tat sehr trancefördernd.


    Für mich sind z.B. besonders monotone Trommelrhytmen (aus einigen afrikanischen oder asiatischen Ländern) sowie einige Obertongesänge, die ein Versenkungsgefühl eigenartigerweise lediglich durch die eindringlichen Klänge verursachen, tranceverursachend. Sowohl langanhaltende Monotonie wie auch allmähliche Lautstärkeanschwellungen können Mittel zur Tranceerreichung wie auch -steigerung sein.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Wenn ich zB die MP gehört habe, und plötzlich fängt man an zu applaudieren, dann erschrecke ich. Mal abgesehen davon, daß der Applaus mir dann einen Greuel ist. :motz:
    Offenbar bin ich dann in einer Trance geraten. Und wenn ich ein Buch lese, und man sagt mir plötzlich etwas, bin ich ebenso erschreckt. Ich lese und höre konzentriert. Ist das aber nicht bereits Tranceähnlich?


    LG, Paul

  • Hallo Markus (alle anderen: weglesen :P)


    nur kurz als Ergänzung Deines Hinweises auf Nichtklassik und Film: Neil Young und "Dead Man" (Jarmusch), das würde zu diesem Thema - meiner Meinung nach - auch gut passen...

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  • Hallo Thomas,


    das finde ich interessant: manche Musik aus dem von Dir benannten Zeitraum würde ich auch so bewerten (Lasso, z. B. oder Josquin), Perotin gerade nicht - manchmal kann ich das gar nicht hören, so nervös macht mich das, spannend, wie unterschiedlich da die Einschätzung (und Wirkung) ist.

  • Einen wesentlichen Faktor, den wir bislang unberücksichtigt haben lassen, ist der Anspruch, den ein Musiker an seine Komposition hat. Sind Bachs Cellosuiten darauf angelegt, einen Trancezustand abseits musikalischer Verzückung, zu erwirken? Ich denke nicht, dass diese Werke aus einer solchen Intention heraus geschrieben wurden.


    Gregorianische Gesänge allerdings schon, wie ich meine. Insofern hat Alfred überdies vollkommen Recht, wenn er den Bolero anspricht. Diese Grundfigur wiederholt der Komponist sicher nicht, um uns damit auf die Nerven zu gehen ...


    Bach war sicher ein Komponist, der uns mit seiner Musik in eine "Zauberwelten" entführen wollte (und noch immer will :D ) Aber von Trance würde ich diesbezüglich nicht sprechen.


    Seit jüngerer Zeit ist es viel mehr angestrebt, dass Musik geschrieben wird, die den Zuhörer in einen tranceartigen Zustand versetzen soll. Nunmehr hat das eine völlig neue Ebene erlebt, da man die Musik im Computer viel freier generieren kann. :rolleyes:


    Ich behaupte daher, dass "in Trance versetzen" im klassischen Sinne uns am ehesten Musik tun kann, die derart ausgelegt ist. Ein wesentliches Merkmal ist für mich das Echo, Delay, oder die wiederkehrende Struktur. Alles muss möglichst gleichzeitig zueinander in Bezug sein. Das ist das Geheimnis solcher Musik. Insofern ist ein Gefühl von Zusammenfallen von Zeit und musikalischem Raum schon sehr erwünscht.


    Interessant wird es, wenn eine Musik ihren Ursprung in diesem Schema erkennt und versucht wird, dies als Grundlage erweiterter Strukturen zu nutzen, wie es die indische Musik oder die afrikanische oder aber auch afroamerikanische Musik meines Erachtens nach tut. Nun könnte ich an dieser Stelle einen Witz über den Blues machen, was mir allerdings sowieso nicht gelingt :D, immerhin hat er sich ganz gut entwickelt :D


    So, jetzt aber :hello:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Alviano
    Hallo Thomas,


    das finde ich interessant: manche Musik aus dem von Dir benannten Zeitraum würde ich auch so bewerten (Lasso, z. B. oder Josquin), Perotin gerade nicht - manchmal kann ich das gar nicht hören, so nervös macht mich das, spannend, wie unterschiedlich da die Einschätzung (und Wirkung) ist.


    Salut Alviano,


    sorry für die Krümelkackerei, aber weder Josquin (1440-1521) und erst recht nicht Lasso (1532-1594) kann man unter "ganz frühe Mehrstimmgkeit" einordnen. Deren Werke sind grob 300 bzw. 380 Jahre später als die école de Notre Dame - das ist in etwa so, als ob man Bach und Hindemith in einen Topf schmeißen wollte. Ich will das niemandem unterstellen, ich habe jedoch den Eindruck, dass für viele alles was musikalisch vor - sagen wir - Monteverdi war, eine Soße ist. Und das möchte ich ein wenig ändern. Perotin und Lasso sind von der Art ihrer Musik ebenso weit voneinander entfernt wie besagtes Beispiel Bach - Hindemith.


    Das hat natürlich gar nichts mit der unterschiedlichen Wirkung der Musik auf dich oder mich zu tun. Da hast vollkommen Recht, dass das sehr interessant ist, wie unterschiedlich das sein kann.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Wenn ich Dir auch inhaltlich voll zustimme: Ganz so einfach ist das aber auch wieder nicht,


    Geschätzter Salis,


    denn Mozart z.B. bezeichnete z.B. bereits die Musiken der Herren Bach und Händel als alte Musik. Und diese war damals gerade vielleicht 50 Jahre alt oder so. Im Vergleich zu heute wären das dann die Beatles. Und natürlich hat Mozart diese Musiken überaus geschätzt, sie also mit der Bezeichnung alte Musik nicht abgewertet. Was ich damit sagen will: Würde man eine Kuve zeichnen, ergäbe sich vermutlich heute eine Art Looping... [der Pius weiß, wie man solche Kurven nennt, sicher ein interessanter Name].


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Werther freünd, :hello:


    Eben! Genau darum geht es ja. Das "Verfallsdatum" von Musik ist möglicherweise noch kürzer als diese 50 Jahre. Um wieviel weiter liegen dann Werke auseinander, die mit 300 Jahre Differenz komponiert wurden.


    Ich verstehe nicht ganz, was du mit dem looping meinst... :wacky:



    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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