Sting beim ECHO Klassik - ein Ärgernis!

  • Hallo,


    mal abgesehen davon, dass ich Stings Dowland-CD schlecht finde (noch nie hat jemand mit so einer kartoffeligen Stimme versucht, Dowland zu singen), ärgert es mich sehr, dass eine der wenigen Gelegenheiten, wo die Klassik an prominenter Stelle und in größerem Rahmen ihre Lebendigkeit zeigen und sich ein wenig auch selbst feiern könnte, dadurch verdorben/verwässert/schlecht genutzt wird, dass der Pop-Millionär sich nicht nur als Laudator produzieren darf, sondern auch noch auftreten und für seine schlechte CD fröhlich PR machen darf.


    Eure Meinung?


    Freundliche Grüße


    Heinz

  • Mal abgesehen davon, dass es vielleicht an Sting liegt, dass sich die Klassik-Musikindustrie (noch) an prominenter Stelle und im größeren Rahmen feiern lassen kann, finde ich nichts anstößiges daran. Auch wenn Puristen angeekelt die Nase rümpfen: Der eine oder andere wird durch Stings CD mal Deller oder Kirkby ausprobieren... und ich muss mir Stings CD nicht anhören :hello:

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Meine Meinung ? Zu ECHO ? Grundsätzlich keine Meinung. Alles Volksverarschung. Schon immer.


    :kotz:


    Also doch eine Meinung! :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Blackadder
    Mal abgesehen davon, dass es vielleicht an Sting liegt, dass sich die Klassik-Musikindustrie (noch) an prominenter Stelle und im größeren Rahmen feiern lassen kann, finde ich nichts anstößiges daran. Auch wenn Puristen angeekelt die Nase rümpfen: Der eine oder andere wird durch Stings CD mal Deller oder Kirkby ausprobieren... und ich muss mir Stings CD nicht anhören :hello:


    Genau!!!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Schuster bleib bei deinen Leisten. Sting sollte die Musik machen, die er wirklich gut macht!

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    wer ist sting und wieso führt er zu kirkby?


    Sting ist ein Pop-Sänger, der jetzt eine CD mit Liedern von Dowland herausbringt (oder schon herausgebracht hat). Die CD ist natürlich in erster Linie auf sein bisheriges Stamm-Publikum ausgerichtet. Da finden sich aber vielleicht doch einige, die sich das dann auch in "ordentlicheren" Versionen anhören wollen...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Wer weiß schon,wie die songs von Dowland


    um 1600 geklungen haben ?


    War das nicht Unterhaltungsmusik bei Hofe ?


    (Ich höre sie auch lieber mit P.Pears und J.Bream) ;)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Masetto
    Schuster bleib bei deinen Leisten. Sting sollte die Musik machen, die er wirklich gut macht!


    Ich versteh die Aufregung nicht! War doch abzusehen, daß seine Stimme nicht die Klarheit eines ausgebildeten Sängers erreichen wird.


    Was das Ergebnis angeht: Sting hatte schon immer ein gesteigertes Interesse für klassische Musik. Stings Musik halte ich für eine der wenigen kommerziell erfolgreichen Pop-Musiken, deren Ausdruck dem humanistischen Ansinnen des Renaissance-Zeitalters am nächsten kommt.
    Ich kann mir zumindest keinen besseren POP-Künstler für Dowland vorstellen.


    Das Ergebnis ist für denjenigen, der Dowland schätzt sicher nicht erste Wahl. Aber rechne ihm das (IMO ehrlich gemeinte) Engagement an und das zählt doch. Ich finde, man kann die Begeisterung Stings für die Musik heraushören. Wenn das Leute zum Kauf seiner Platte bewegt, alle Achtung!


    Und ob Sting lieber ein neues POP-Solo hätte realisieren sollen, ich weiß nicht. gut möglich, daß er an die alten Hits nicht mehr heranreicht.


    Und die CD wurde - soweit ich das mitbekommen habe - nicht mit falschen Versprechungen gepriesen - wie "Das ist DIE neue Dowland-Interpretation" wie bei manch anderem gehypten Klassik-Künstler.


    Und die Verleihung des ECHO-Preises....mein Gott! Muß ja keiner kaufen.


    :hello:
    Wulf.

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  • Hallo,


    ich mag mich der Aufregung auch nicht anschließen.


    Von Geldabschneiderei von Stings Seite (höchstens von der der DGG) kann man sicherlich nicht sprechen. Mit einem neuen Pop-Album hätte er das zig-fache verdienen können. Tantiemen sackt er so auch nicht ein. Ich habe vor zwei Jahren zufällig neben seinem Anwesen in der Toscana Urlaub gemacht. Wenn man das sieht, dazu seinen Landsitz in Südengland und sein Penthouse am Central Park nimmt, so steht der Herr außerhalb jedes Verdachtes, ausgerechnet mit einer Dowland-Platte kommerziell abräumen zu wollen.


    Zur Qualität der Einspielung vermag ich - leider - nichts zu sagen. Ich habe in die CD einmal hineingehört, kenne aber keine Vergleichsmöglichkeiten, da Dowland bei mir (noch) ein weißer Fleck auf der Landkarte ist. In einem TV-Interview mit Sting habe ich allerdings gesehen, dass es ihm durchaus ernst ist und er die Musik ernst nimmt. Er sei zur Zeit nicht in der Stimmung, neue Songs zu schreiben. Das hat er in den letzten 30 Jahren ja auch zur Genüge getan, qualitativ in der Summe so gut, wie kaum ein Zweiter. Stattdessen wollte er sich mit viel Zeit mal wieder einem Projekt widmen, dass ihn herausfordere und bei dem er zurück in die Rolle eines Lernenden schlüpfen könne. Auf Dowland hatte er angeblich bereits seit mehr als zehn Jahren ein Auge geworfen.


    Wie gesagt, über das Ergebnis sollen andere urteilen, eine recht differenzierte Kritik des Projektes findet man auf den Online-Musikseiten der ZEIT.


    Die Realität in einem JPC-Laden ist folgende: Gekauft wird die CD nahezu ausschließlich von Sting-Fans, erheblich weniger von den Klassik-Kunden. Insofern scheint es also eher als Ohrenöffner für Pop-Hörer zu dienen. Ist doch nichts falsches dran..


    Gruß
    B.

  • ja, ist auch nichts falsch dran, ich wollte mich auch weder über Sting noch die Deutsche Grammophon beschweren mit meinem Beitrag, im Gegenteil, wenn tatsächlich sting-Hörer auf diese Weise Dowland schätzen lernen, freut mich dies ausserordentlich.


    Aber dieses ganze Gedöhns um die Echo-Preisverleihungs-Gala find ich seit langem zum :kotz:

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Aber dieses ganze Gedöhns um die Echo-Preisverleihungs-Gala find ich seit langem zum :kotz:


    Hallo TB,


    da gebe ich dir völlig recht, es sind wohl zwei Paar Schuhe, über die die Diskussion verläuft: Zum einen, ob ein Popstar es darf, sich in Gefilde des 17. Jahrhunderts zu begeben. Zum anderen, ob eine solche Verleihung Sinn macht. Letzteres natürlich nicht! Beim Echo geht es meines Wissens nur um reine Verkaufszahlen, d.h. es ist abzusehen, wie die Netrebkos, Langs und Mutters abgefeiert werden. Das Pendant, die "reguläre" Echo-Verleihung im Pop-Bereich, ist eine Schande ähnlichen Ausmaßes: Da darf sich dann Tokio Hotel als Gruppe des Jahres auszeichnen lassen... Ich glaube, über die Sinnhaftigkeit der ganzen Sache sind wir uns einig.


    Gruß
    B.

  • Als ich hab mir dieses Experiment vie Internetschnippsel angehört- Sooo schlecht fand ich das gar nicht.
    Die (IMO) hässliche Stimme bringt die Rauhigkeit jener Zeit (die ja alles nur nicht "klassisch" war gut herüber - so finde ich.
    Es umweht mich ein Hauch von Shakespeare, dessen Dramen ja auch alles andere als zimperlich waren. Auch am Hofe von Elisabeth I. ging es ja nicht sehr geziert zu: Die Königin focht ihre Zwistigkeiten mit Ihrem Liebhaber vor dem gesamten Hof aus - und das lautstark - zudem hatte sie, wie die Chrinisten zu berichten wissen, den Gang eines Mannes...


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    vielleicht muss ich meine Kritik noch ausführlicher darlegen.


    Die großen Klassik-Firmen haben in den vergangenen zehn Jahren viele Verträge mit Künstlern auslaufen lassen. Das Betraf vor allem Künstler in jenem Alter, in dem Sting sich befindet. Die Generation der heute 40 bis 60jährigen Musiker, die nicht so viel "Glamour" haben wie Mutter oder Maisky, findet in den Katalogen der Traditionslabels nicht statt.


    Stings CD wird nun mit einem gewaltigen Medienrummel (in wirklich absolut professioneller Weise!) am Markt bekannt gemacht. Für den Klassikmarkt wäre es aber wichtiger, die Aktivitäten der Klassikkünstler seiner Generation zu dokumentieren. Sting hilft der Klassik nicht - er verdrängt Chancen.


    Eine weitere Seite: Anne-Sophie von Otter hat gerade eine Abba-CD aufgenommen. Die Frau ist mit einer Stimme zum Niederknien gesegnet, und sie ist in einem Alter - das darf man sagen, ohne beleidigend zu sein - in dem diese Stimme unbedingt dokumentiert werden muss, bevor es zu spät ist. Und was machen die Sängerin und ihr Label? - Genau, sie nehmen Abba auf. Das interessiert uns (und sie) in dreißig Jahren aber genauso wenig, wie die Tatsache, dass Hermann Prey mal "Hoch auf dem gelben Wagen" gesungen hat. ASvO müsste jetzt ihr Kernrepertoire dokumentieren. Und beim Label müssten Leute sitzen, die ihr genau das raten. Das tut aber keiner. Weil sich mit Abba kurzfristig vielleicht mehr Geld verdienen lässt. Langfristig nicht!


    Letzter Punkt, das Fernsehen. Wahrscheinlich verbucht das ZDF die Sendung unter "Kulturprogramm". Und in diesem Minderheitenprogramm nimmt Sting (der bei "Wetten dass...?" richtig platziert wäre) selbstverständlich irgendeinem "echten" Klassikkünstler den Raum und die Sendezeit weg. Da findet einfach eine krasse Verdrängung statt, indem das Populäre sich auch im Minderheitenprogramm seinen Raum erobert. Es geht nur um Quote - selbst in einer von ganz, ganz wenigen Klassik-Sendungen des Jahres. Und das nervt.


    Freundliche Grüße


    Heinz

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  • Florence Foster-Jenkins war es auch ernst... :hahahaha:


    Die Peinlichkeit liegt m.E hauptsächlich bei der DG. Denn Preise wie Echo etc. sind eh nur peinlich und nichtssagend, hier feiert sich das Marketing selbst und entscheidet, wer mal wieder in die Schlagzeilen kommen sollte, mit künstlerischer Qualität hat das sehr wenig zu tun.
    Wenn die CD bei dem Label, bei dem Sting auf seine Popmusik verlegt erscheinen wäre, meinetwegen. So wie "Classical Barbra" (Streisand) z.B.


    Aber allein das Label DG suggeriert eine Seriosität (und evtl. einen Focus auf den Komponisten, nicht den Interpreten), die bei einem solchen Crossover nicht gegeben ist. Ich frage mich, wieviel CDs mit "richtigen" Dowland-Interpretationen es bei DG oder Archiv gibt. Lt online-Katalog zwei Gitarren-Recitals und eine Recital-CD mit v. Otter. Stings ist demnach die einzige komplette Dowland-Lieder-CD dort!


    Und es ist nicht nur historisch, sondern auch musikalisch ziemlich klar, dass Stings eigene Einschätzung, es handele sich hier um "Popsongs" aus der Zeit um 1600, falsch ist. Wir kennen nämlich die "Popsongs" der Zeit, sog. "broadside ballads", die von Straßensängern dargebracht, aber auch schon gedruckt und vervielfältigt wurden (gut hundert Jahre später bedienten sich die Schöpfer der "Beggar's Opera", Gay und Pepusch, bei diesen Melodien). Die hochartifizielle Musik von Dowland ist einfach was anderes, auch wenn sie (selten) einige Gemeinsamkeiten mit ihnen haben mag (das merkt man, wenn man mal versucht, so ein Lied nachzusingen, ganz unprofessionell, versteht sich, die haben idR weder rhythmisch noch melodisch eingängige Floskeln)
    Ebenso wie Schuberts Lieder, auch wenn sie in Einzelfällen zum Volksgut geworden sind, eben keine Volkslieder sind (was zB Hannes Waders Versuche mit Schubert demonstrieren).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Heinz, ich kann die Kritik durchaus nachvollziehen, alleine die Klassik und der Klassikmarkt sind zwei verschiedene Paar Schuhe und ich kann es der DG auf keinen Fall verübeln, dass sie diese CD veröffentlicht hat. Es geht nicht um Chronistenpflicht und Kunstanspruch, es geht ums Geldverdienen...


    Und möglicherweise spielt Sting hier ein bißchen Geld für die nächsten Siggi-Grabowski-Streichquartette ein... Ein äquivalentes Phänomen gibt es auch in der Literatur. Viele "Schundbücher" tragen die Kosten für die "literarischen" Werke mit...

  • Danke Barbirolli!


    Deine Beiträge hätten auch von mir stammen können. Ob Du es glaubst oder nicht... :P


    Ich hatte schon einen "Sting singt Dowland-Thread" geplant, dieses Ansinnen aber nun aufgegeben.


    Interessierten empfehle ich die Rezension der Sting-CD auf den Inernetseiten von "Klassikakzente" oder den Beitrag von Eleonore Büning in der FAZ (dieser Artikel müsste online, allerdings nur gegen Bezahlung, noch abrufbar sein).



    Mignon :hello:


    P.S. Nikolaus Harnoncourt bekommt 2 Echos. Falls dies irgendwen interessiert... :baeh01:

    Maybe the nation has found peace from its sins... I. A. a. W.E.B. Du Bois

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Lieber Heinz, ich kann die Kritik durchaus nachvollziehen, alleine die Klassik und der Klassikmarkt sind zwei verschiedene Paar Schuhe und ich kann es der DG auf keinen Fall verübeln, dass sie diese CD veröffentlicht hat. Es geht nicht um Chronistenpflicht und Kunstanspruch, es geht ums Geldverdienen...


    (...)


    Hallo Blackadder,


    ja, klar, den Unterschied zwischen Klassik und dem Klassikmarkt verstehe ich. Aber sieh es mal so: Deutsche Grammophon - das war bis vor fünf Jahren noch eine der wertvollsten Marken im Klassikmarkt, wie Steinway oder Selmer, Berliner Philharmoniker oder MET, Harnoncourt oder Mutter (es ist scheußlich, über Menschen in Marketing-Begriffen zu sprechen, macht aber vielleicht klar, worum es geht). Und diese Marke wird jetzt verwässert. Das ist so, als brächte Steinway ein E-Piano und Selmer ein Plastiksaxophon raus und Harnoncourt dirigierte bei der neuen Eislaufschau von Kati Witt das Tanzorchester. Kurzfristig kann man damit Geld verdienen. Aber langfristig senkt man die Qualitätskriterien für das, was der Kunde unter dem Markenbegriff - dem berühmten "Gelbetikett!" - erwartet.


    Auch unter Marketing-Gesichtspunkten, ja selbst unter Marketing-Gesichtspunkten macht Sting bei der Deutschen Grammophon keinen Sinn.


    Übrigens teile ich Johannes' Ansicht zum Charakter der Musik: Das ist höfische Musik, elitär und artifiziell - keine Volks- oder Populärmusik. Gerade Dowland, der in Europa bei verschiedenen Höfen angestellt war, ist ein Beispiel für die Professionalisierung der Musikausübung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dowland auf seiner Laute einen Sänger begleitet hätte, der als Sänger keinen ähnlichen Grad an Kunstfertigkeit hatte, wie Dowland selbst als Lautenist. Das ist Musik für Profi-Sänger und Sting hat null Technik (ich habe die CD zweimal gehört!).


    Und in einem zweiten Punkt stellt Johannes auch die richtige Frage: Wie steht es um andere Dowland-CDs im Katalog der Deutschen Grammophon? Ich hätte mir übrigens vorstellen können, dass eine Dowland-CD von Bryn Terfel etwas Wunderbares geworden wäre, um mal beim Personal des Gelbetiketts zu bleiben... Es ging aber offenbar nie darum, eine Dowland-CD im Programm zu haben. Man wollte eine Sting-CD.


    Freundliche Grüße und bis morgen mal!


    Heinz

  • Ich halts mit TB.


    :baeh01:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von heinz.gelking
    ja, klar, den Unterschied zwischen Klassik und dem Klassikmarkt verstehe ich. Aber sieh es mal so: Deutsche Grammophon - das war bis vor fünf Jahren noch eine der wertvollsten Marken im Klassikmarkt,


    Vor fünf? Eher vor fünfzehn oder 25... :rolleyes: Zwar war DG nicht so flott mit derlei Crossover-Projekten bei der Hand wie andere, aber Mr Summers ist nicht der erste...


    Zitat


    Übrigens teile ich Johannes' Ansicht zum Charakter der Musik: Das ist höfische Musik, elitär und artifiziell - keine Volks- oder Populärmusik. Gerade Dowland, der in Europa bei verschiedenen Höfen angestellt war, ist ein Beispiel für die Professionalisierung der Musikausübung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dowland auf seiner Laute einen Sänger begleitet hätte, der als Sänger keinen ähnlichen Grad an Kunstfertigkeit hatte, wie Dowland selbst als Lautenist. Das ist Musik für Profi-Sänger und Sting hat null Technik (ich habe die CD zweimal gehört!).


    Mir reichte der Schnipsel von Can she excuse (was vielleicht etwas unfair war, aber ich bin ja kein Musikkritiker). Den etwas fiesen Rhythmuswechsel in der 2. Hälfte dieser Gaillard (oder was immer für ein Form es ist) kriegt er zwar einigermaßen hin, aber die Stimme ist einfach zu grob, die Ausdrucksmittel primitiv oder jedenfalls unpassend (nämlich die der Popmusik).
    Noch etwas: diese (nach) elisabethanischen Komponisten spielen mitunter auf Volkstümliches an, aber sehr kunstvoll und indirekt. Z.B. die Cries of London von Gibbons, in denen Straßenhändlerrufe in eine polyphone Textur eingebettet sind. Oder in Dowlands Lied "Fine knacks for ladies" (IIRC bei Sting nicht dabei) preist sich der Sänger wie ein Händler seiner Geliebten an usw.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • eben mal im internet reingehört: :kotz:
    das ergebnis ist ja noch katastrophaler als ich vermutete ...


    aber von 'sensation' kann man schon sprechen ... :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von heinz.gelking
    Auch unter Marketing-Gesichtspunkten, ja selbst unter Marketing-Gesichtspunkten macht Sting bei der Deutschen Grammophon keinen Sinn.


    Ich denke mal, dass sich eine Dowland-CD noch nie so gut verkaufen wird, wie diese...


    Nebenbei glaube ich auch, dass eine Ausgabe der Goldberg-Variationen unter Elton John den gleichen Effekt hättte, unabhängig, ob Klassikkenner die Nase rümpfen oder nicht. Ich kann mir sogar vorstellen, dass in den entsprechenden Stellen der verantwortlichen Plattenfirmen ein "Klassikkenner" und seine Ansprüche müde belächelt wird...

  • Hallo,


    ich muss jetzt ein wenig off-topic werden, d.h. es geht im Folgenden keineswegs um den hier besprochenen Künstler, den ich natürlich nicht für einen Stümper halte.


    Wenn ich aber von einem alten, Euch nicht bekannten Freund eine gebrannte CD geschenkt bekommen hätte, auf der sein höchst privates Dowland-Debut verewigt wäre, bekäme er von mir vielleicht folgende Antwort:


    Lieber S.,


    jetzt komme ich dazu, Dir ein paar Zeilen zu der CD zu schreiben, die ich neulich von Dir erhielt.
    Echt klasse, dass Du jetzt Deine Liebe für die Lieder von Dowland entdeckt hast.
    Weisst Du was? Ich möchte Dich ermutigen, weiterzumachen.
    Nimm doch ruhig mal Gesangsunterricht, nur so für Dich!
    Doch, wirklich!
    Ich kenne eine gute Gesangslehrerin, die ich Dir für den Anfang empfehlen könnte. Ein hoffnungsloser Fall bist Du ja wirklich nicht.
    Nein, Du bist ja kein Brummer. Die Töne triffst Du durchaus, und aus dem Rhythmus bist Du auch nicht wirklich gekommen.
    Nur diese, auf die Zieltöne gerichteten "Anschlenzer" die Du da immer mit Deiner Popband machst, die solltest beim Dowland lieber weglassen, finde ich.
    Weisst Du, es gibt in der Musikwelt noch sooo viel mehr, als dieses eine Ausdrucksmittel.
    Die würdest Du dann nach und nach kennenlernen.
    Du solltest eh mit leichteren Sachen anfangen und Dir gewisse Ziele setzen.
    Ich kenn` da z.B. so einen gemischten Chor in Ostwestfalen.
    Deren Männerstimmen freuen sich bestimmt, wenn Du denen in einigen Jahren mal aushilfst. Okay, er besteht hauptsächlich aus bildungsbürgerlichen Lehrertypen, die sich einmal im Monat zum Üben treffen. Hinterher ist immer geselliges Beisammensein.
    Da schwärmen sie dann von ihren Glanzzeiten...aber da kommst Du schon noch `rein. Die machen nämlich auch Alte Musik, so zwischendurch, meine ich.
    Bis dahin müsstest Du aber ein bisschen Geduld haben.
    Erst einmal 1-2 Jahre tüchtig üben, und dann sprech ich mal mit dem Chorleiter - versprochen ist versprochen!




    hG :hello:


    Dein
    G.


    PS.: Den Trick mit dem Labelaufdruck musst Du mir noch zeigen. Mit welchem Programm machst Du das?


    Tut mir leid für`s OT, soll nicht mehr vorkommen.

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Das hast Du wunderbar geschrieben!


    (Warum gibt's hier kein Smilie, das klatscht?)


    :jubel:


    Nebenbei, für einen Stümper halte ich Sting natürlich auch nicht. Police und Stings erste Alleingänge - das ist Musik meiner Generation. Die höre ich noch immer mit viel Spaß.


    Einen schönen Tag!


    Heinz

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  • Hallo zusammen,


    wie ich schon im anderen Thread schrieb, suche ich grade MEINE Aufnahme von Dowlands " In Darkness let me dwell". Neben den treffenden Tipps hier aus dem Forum habe ich alle möglichen Hörproben herangezogen. Und da ich schon mal Meister Sting ( ich mag sehr " Moon over Bourbon Street") mit Gefallen gehört hab und man mit seiner Dowland- Scheibe grade von jedem eifrigen Händler traktiert wird, habe ich mir ganz zum Schluß auch seine " Darkness" angehört! Und es wurde wirklich finster um mich... :no: :no:
    Ich bin guten Crossover- Projekten wirklich aufgeschlossen ( oft von ECM), aber dieser Gesang hat mich bis ins Mark getroffen!


    Wenn es einen ECHO für künstlerische Überschätzung gäbe, hätte Sting ihn für diese Platte verdient!


    Sorry, Mr. Sting - ich freu mich auf IHRE Musik, die Sie richtig gut machen - aber nie wieder diese Platte!


    Ich geh jetzt mit schlotternden Knien heim und höre Bach zum Ohrenheilen...


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Genau das wollte ich sagen mit dem Schuster-Spruch. Ich will eine richtig gute Sting-Platte.


    Ich bin auch nicht der Meinung, dass Sting Gesangsunterricht nehmen sollte (auch wenn der Brief sehr schön ist :D ).

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Oolong
    wie ich schon im anderen Thread schrieb, suche ich grade MEINE Aufnahme von Dowlands " In Darkness let me dwell". Neben den treffenden Tipps hier aus dem Forum habe ich alle möglichen Hörproben herangezogen. Und da ich schon mal Meister Sting ( ich mag sehr " Moon over Bourbon Street") mit Gefallen gehört hab und man mit seiner Dowland- Scheibe grade von jedem eifrigen Händler traktiert wird, habe ich mir ganz zum Schluß auch seine " Darkness" angehört! Und es wurde wirklich finster um mich... :no: :no:



    "hellish, jarring sounds" indeed! :D


    Hol Dir Agnew, da kannst Du nichts falsch machen, dazu eine wirklich wunderschöne Ausstattung; ich habe mir gestern auch gleich die dritte mir noch fehlende CD (mit den Liedern nach John Donne u.a.) bestellt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • ich weis nicht, ob's jemand gesehen hat:
    vorgestern (glaube ich, jedenfalls vor einigen tagen) war in der zib2 ein bericht über diese platte.


    geile aussagen gabs dort:


    - sting hat den "bis jetzt absolut unbekannten john dowland" entdeckt (hey, danke sting!).


    - sting will mit dieser platte "seine bis jetzt unbekannte seite" zeigen, die es natürlich schon immer gegeben hat, die natürlich nur noch nie in der öffentlichkeit zu sehen war, aber "jetzt mal raus" musste.


    na ja, ich kenn die platte nicht, aber irgendwie wirds immer peinlich, wenn sich pop-dudes in die klassik verirren, oder umgekehrt - ich sag nur pavarotti and friends :kotz:


    greetings, uhlmann

  • Bei der Diskussion um besagte Dowland-CD, die einigen hier ein Sting, pardon, Dorn im Auge zu sein scheint, die CD nicht die Diskussion, fühle ich mich unweigerlich an das Interview mit Reinhard Goebel von vor ein paar Wochen erinnert, in welchem er sich u.a. den Frust über die Veröffentlichungspolitk der DG ausließ.


    Ob Sting jetzt Dowland singt oder Motörhead Monteverdi-Madrigale einspielen, ist doch eigentlich zweitranging. Es zwingt doch niemand einen sich das anzuhören, wenn man es nicht mag - selbst wenn noch so viel Werbung dafür gemacht wird. Und wenn sich die Sting-Scheibe gut verkauft und den Zaster für die nächste Aufnahme von Leclairs Triosonaten oder der noch verschollenen Sammlungen von Michael Praetorius einfährt, waum nicht!
    Ich fürchte allerdings, daß sich hier leider genau das offenbart, was der MAK-Gründer anprangerte. :wacky:



    :hello:
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

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