Yves Nat (1890-1956)

  • Hallo,


    Ich weiss, es ist schon Mozart-, Schumann- und Schostakovitsch-Jahr, aber wer damit noch nicht ausgelastet ist, kann auch noch des 50. Todestages des französischen Pianisten Yves Nat gedenken.


    Jedenfalls hat EMI France das getan und ein 15 CD-Box mit seinen sämtlichen (!) Aufnahmen vorgelegt:



    Die Box enthält:


    - Beethoven: Alle Klaviersonaten + Variationen WoO80
    - Schumann: Kreisleriana, Romanzen op 28, Toccata, Fantasiestücke, Noveletten, Fantasie, Humoreske, Symphonische Etüden, Papillons, Arabeske, Kinderszenen (2x), Faschingsschwank aus Wien, Konzert
    - Schubert: Moment Musicaux
    - Chopin: Sonate Nr 2, Fantasie, Barcarolle
    - Brahms: Händel-Variationen, Rapsodien op 79, Intermezzi op 117
    - Nat (!): Klavierkonzert, 5 mélodies
    ... und einige kleinere Stücke


    Die meisten Aufnahmen stammen aus den 50er Jahre, also vom Ende der Karriere Nats, der sich in den 30ern vom Konzertbetrieb zurückgezogen hatte um sich seiner Lehrtätigkeit am Pariser Konservatorium zu widmen. Die Aufnahme seines eigenen Konzerts (mit einem schönen langsamen Satz) stammt von seinem letzten öffentlichen Auftritt am 4 Februar 1954. Angeblich wurde die Klangqualität durch neues Remastering gegenüber früheren Ausgaben entscheidend verbessert (ich kannte die Aufnahmen vorher nicht). Die Beethoven-Sonaten sind gutes Mono. Schumann klingt leider ein ganzes Stück schlechter und insgesamt etwas dumpf.


    Ich habe die Box seit einer Woche und habe noch nicht alles durchgehört. Mein erster Eindruck ist sehr positiv. Sein Beethoven ist insgesamt eher schnell, oft stürmisch, ohne gleichförmig-motorisch zu sein wie es Gulda manchmal ist. Insgesamt ist es ein Beethoven "alter Schule" à la Schnabel oder Backhaus. Schumann ist hochromantisch und zerissen (im Fall der Kreisleriana etwas zu zerissen für meinen Geschmack), und insbesondere die Fantasie finde ich herausragend.


    Interessant finde ich, dass Nat nicht in das Bild einer nationalen französischen Klavierschule passt. Sein Schumann, sein Beethoven und auch die Moments Musicaux klingen für mich "authentisch".


    Sicherlich kennen auch andere diese Aufnahmen, und deren Meinung würde mich natürlich interessieren.


    Beste Grüsse,


    Jürgen


    P.S. Ich habe die Box bei jpc und amazon.de nicht gefunden. Bei amazon.fr gibt es sie für 40.11 €, was für 15 CD kein schlechter Preis ist.

  • Servus Juergen,


    schön, dass Du diesen Thread gestartet hast! Ich muss gestehen, dass ich Yves Nat nur dem Namen nach kenne, will sagen: Das eine oder andere habe ich über Ihn gelesen, Aufnahmen aus eigener Anschauung kenne ich nicht.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Jürgen,


    ich kenne die Chopin- und die Beethoven-Sonaten mit Yves Nat und kann deine Einleitung nur bestätigen. Zunächst fallen besonders die frühen und die an sich schon zügigen Sonaten (etwa op. 31) auf. Auch bei den großen Sonaten wie die Hammerklavier-Sonate und die op. 111 gibt es viel zu entdecken. Mir persönlich gefällt besonders seine Einspielung der Waldstein-Sonate.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Ich besitze die Beethoven - Sonaten und die Schumann - Aufnahmen, ein Neukauf der Box kommt für mich derzeit nicht in Frage (obwohl ich Nats Beethoven schätze).


    Er war der erste franz. Pianist, der eine Gesamtaufnahmen aller Beethoven - Sonaten vorlegte. Beethoven und Schumann waren die Fixpunkte seines Schaffens.


    Bis 1934 hatte Nat ein glanzvolle Pianistenkarriere, u.a. in NY 1911, der UdSSR in den 20ern, und in ganz Europa. Von 1934 bis 1953 widmete er sich ausschließlich seiner Lehrtätigkeit am Pariser Konservatorium.


    Charles Timbrell weist auf die besonders gut gelungenen Interpretationen von Beethovens op 57, 106, 111, sowie op 31,2 hin. Wobei ihm seine Tätigkeit als Komponist zustatten kam, und Nat daher besonders die Architektur der Sonaten herausarbeitete. Das durchweg eher schnelle Tempo wird auch von Timbrell erwähnt.


    Nats erste Aufnahme war das Klavierkonzert von Schumann, 1933. Zu seinen Schülern gehörten u.a. Jörg Demus, Jacques Loussier, Jean-Claude Pommier, Yuri Boukoff.


    Er selbst wurde u.a. von Louis Diemer am Konservatorium unterrichtet, ob man ihn deshalb außerhalb der franz. Klavierschule einordnen kann, ist mE fraglich. Diemer dürfte die Schlüsselfigur der franz. Klavierschule sein. Zur illustren Liste seiner Schüler gehören u.a. Cortot, Risler, Ciampi und Casadesus.


  • Endlich kam mir heute diese Box ins Haus geflattert !
    Nachdem ich mich gerade in letzter Zeit intensiv mit
    Beethoven-Gesamteinspielungen beschäftigte und immer wieder auf den Namen YVES NAT stieß, wurde meine Neugier kräftig geweckt !


    Als ich dann noch die Beiträge in diesem Forum las, gabe es kein Halten mehr - die Box mußte her !
    Freue mich also schon auf einige Stunden Sonaten-Genuß und werde nach dem Durchhören von meinen Eindrücken berichten !


    Liebe Grüße


    Michael

    Gruß,


    Michael

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  • Zitat

    Original von MFP


    Freue mich also schon auf einige Stunden Sonaten-Genuß und werde nach dem Durchhören von meinen Eindrücken berichten !


    Lieber Michael,


    ich bin schon gespannt auf Deine Charakteristik!


    Nat wurde mir auch wärmstens ans Herz gelegt. Noch besser als sein Beethoven soll insbesondere sein Schumannspiel sein. In Berlin hörte ich kurz einmal vor Ladenschluss viel zu kurz in einen Konzertmitschnitt (Urania) hinein: die Fantasie in C schien mir ganz außerordentlich!

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke