Wer versteht als Nicht-Wiener, was Mozart, Beethoven und Brahms in Wien festgehalten hat ?

  • Liebe Forianer,


    der Titel dieses hoffentlich interessanten Threads stammt nicht von mir sondern von Sagitt, der (mir?) diese Frage im Schubert-Thread stellte.
    Ich glaube das könne (muß aber nicht) ein längerer Thtead werden, deshalb hab ich ihn "ausgelagert" ;)


    Man könnte darauf die Gegenfrage stellen: Wer versteht das als Wiener ? :D


    Aber Spaß beiseite, jeder der vier Herren (Ich nehme jetzt natürlich Schubert, um den es im Thread ging wieder dazu) hatte Gründe genug, in Wien zu bleiben. Um das Thema spannend zu machen werde ich ein wenig provzieren :D


    Beginnen wir mit Mozart. Mozart war von niemandem gezwungen worden nach Wien zu kommen, er war hier nicht geboren, er fühlte sich zumindest teilweise als Deutscher.
    Allein - Die Deutschen mochten ihn nicht: Wo immer er um eine Stelle anklopfte wurde er freundlich abgewiesen, mit Geschenken abgespeist und weitergeschickt. In Paris fand er auch nicht das geeignete Publikum.
    So versuchte er in Wien sein Glück, wo er doch eine gewisse Protektion des Adels und des Kaisers genoß. Joseph II, ein bekannter Sparmeister, gab Anweisung Mozart stets soviel Geld zukommen zu lassen, damit er im Lande bliebe, aber auch nicht mehr. Immerhin gab er einige Opern bei Mozart in Auftrag und machte ihm auch gelegentlich Geldgeschenke.
    Mozart speist oft mit Adeligen und bei reichen Bürgern, besaß 2 Klaviere und war angesehen. Er konnte seine Frau Constanze nach Baden bei Wien, einem bis heute teuren Pflaster zu Kur schicken sammelte kostbare Spieluhren und besaß Pferd und Wagen. Warum also nicht Wien ?


    Beethoven kam aus einer deutschen Kleinstadt in die Metropole der Musik, wo er reiche adelige Gönner fand, die ihm vertraglich eine Jährliche Apanage zusicherten, damit er ohne Belastung seine Kunst ausüben konnte. Beethoven war in jüngeren Jahren besonders als Pianist geschätzt, vor allem seine Improvisationen hatten es dem Publikum angetan. Als die Adeligen, selbst etwas knapper bei Kasse, ihm seine jährliche Zuwendung kürzen wollten verklagte er sie.
    Beethoven hatte hier Erfolg, er war anerkannt, seine "Schrullen wurden toleriert, seine Werke aufgeführt, er wechselte zig mal seinen Wohnsitz, ein wahrlich kostspieliges Vergnügen: Warum also nicht Wien ?



    Brahms wollte eigentlich nicht in Wien bleiben, jedoch gelang es ihm nicht in seiner Heimat eine ädiquate Stelle zu bekommen. So reiste er 1862 nach Wien wo er gute Erfolge hatte, dennoch reiste er mehrmals wieder zurück um sich endlich 1869 zu entscheiden in Wien zu bleiben.
    Er war hier freier Komponist und Interpret, bis er 1875 eien Posten in der Direktion der Gesellschaft der Musikfreunde annahm. Aber auch in seiner Wiener Zeit unternahm Brahms zahlreiche Konzertreisen in Westeuropa als Pianist und Dirigent. Brahms war, ebenso wie Beethoven eher herb im Umgangston, aber die Wiener akzeptierten dies - Warum also nicht Wien ?


    Bei Schubert liegt indes die Sache ganz anders. Er war Wiener
    Und man konnt mit damals mit gutem Grund annehmen: Wer musikalisch in Wien nicht reüssieren konnte, der konnte es nirgends.
    Als Schubert eine Auswahl von Vertonungen des Dichterfürsten Goethe an denselben schickte, kamen die Lieder postwendend ohne Begleitbrief zurück: Eine Demütigung.
    Hier in Wien war Schubert mit zahlreichen Künstlern befreundet, etlich davon adelig. In den Salons (man vergleiche die Bilder im Thread zu Schuberts 6.er) war er gern gesehen, und er war sich durchaus seines Wertes bewußt. Daß er depressiv veranlagt war wird vor allem in Deutschland besonders betont, aber hier sah man das nicht so eng, depressiv bin ich auch, das ist hier durchaus normal. Dazu kam eine Krankheit, die schubweise verlief und nicht heilbar war. Dennoch war Schubert, obwohl inmnerlich allein, doch immer in Gesellschaft. Darum Wien.



    Ich bin davon überzeugt, mancher sieht das anders. Allerdings ist es auch nicht ganz leicht ein solches Thema einigermaßen korrekt in wenigen Sätzen abzuhandeln.



    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    Zitat

    Wer musikalisch in Wien nicht reüssieren konnte, der konnte es nirgends.


    Hier möchte ich widersprechen. Ich würde es eher so formulieren: Wer es in Wien geschafft hat, konnte sich überall sonst auch durchsetzen. Wer in Wien scheiterte, musste nicht zwangsläufig in Berlin oder London, Paris oder Mailand scheitern. Waren nicht diverse "Kleinmeister" (Rosetti?) außerhalb Wiens erfolgreich, in der Metropole aber eher zweitranging. Deshalb war es für einen ambitionierten Komponisten natürlich wichtig, in Wien zu reüssieren.


    Gruß,
    Thorsten

    Gruß,
    Gerrit

  • Hallo Alfred,


    natürlich hatte ich das ein wenig provozierend geschrieben. Mozart wurde in Prag geliebt, Wien wurde seiner um 1786 ein wenig überdrüssig, wenn man an fehlende Subskriptionen für seine Konzerte denkt.


    Beethoven wurde von den Wiener wenig verstanden ..ich geb einen Kreuzer, wenn´s nur aufhört. Gut, gegen Ende seine Lebens war eine anerkannte Autorität.


    Brahms war als Chordirigent in Wien tätig und seine Programme stießen auf ziemliches Mißfallen.


    Alle drei hätte woanders auch gute Chancen gehabt, Beethoven hat ja verhandelt, Brahms war als dann Selbständiger so erfolgreich, dass er überall hätte leben können.


    Schubert allerdings wurde mit seinen großen Werken in Wien ja gründlich ignoriert, ob es nun Opern oder Sinfonien waren. Aber, wie ich schon schrieb, er war zeitlebens arm.


    Diejenigen, die heute so gefeiert werden, waren zu Lebzeiten bei weitem nicht anerkannt. Am ehesten noch Brahms. Der späte Beethoven zehrte wahrscheinlich auch eher vom Ruhm vergangener Tage. Ich weiß nicht, ob die Hammerklaviersonate oder die späten Streichquartette im Rossini-oder Paganini-Rausch, im einsetzenden Walzerfieber wirklich auf Gegenliebe stießen ?


    Nun, man muß nicht nachtragend sein. Wie geschrieben, es war eine kleine Sottise.


    Nichts für ungut


    Sagitt

  • Hallo Sagitt, Thorsten



    ich habe das in keiner Weise als Angriff verstanden, schließlich bin ich ja nicht "Wien" :D


    Auch ich hab meine Antwort ein wenig provokant verfasst um das Thema interessanter zu machen.


    Jedenfalls bin ich der Meinung, daß man Wien ein wenig durch die "deutsche Brille" sieht ... ;)


    Thorstens Sichtweise ist übrigens durchaus richtig: Wer es in Wien schafft, der schafft es (fast) übererall. Das typische Wiener Publikum ist ein wenig bösartig und lehnt neues durchwegs ab.
    Das galt damals wie auch heute.


    Brahms war, soweit mir bekannt, ei durchaus akzeptiertes Enfant terrible: Man verstand ihn nicht, man kritisierte ihn, aber man betrachtete ihn doch als (Wahl-) Wiener....!!



    Beste Grüße


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    ich weiß nicht genau, was die " deutsche Brille" ist ? Zu einem Kulturkampf mit den Piekfes wollen wir es ja nicht kommen lassen. Wer wollte bestreiten, dass Wien über Jahrhunderte- schon durch das Habsburger Reich- ein Zentrum, und damit ein Kulturzentrum war.
    Würden wir über Leipzig diskutieren, würden diese auch nicht so gut davon kommen, wie sie mit ihrem Bach umgegangen sind oder den Brahms durchfallen ließen.


    Der rote Faden ist für mich, dass selbst posthum weltberühmte Komponisten ingnoriert wurden und zwar mit ihren tiefsinnigen Werken. Wer hört denn heute noch Wellingtons Sieg, Beethovens bekanntestes Werk zu seinen Lebzeiten ? Aber selbst die Eroica stieß bei ihrem ersten Bekanntwerden auf heftige Ablehnung. Ich weiß nicht, wann die Öffentlichkeit die späten Streichquartette kennengelernt hat ?


    Schubert, und das war ja unser Auslöser,war besonders betroffen. Natürlich schrieb er unvergängliche Kammermusik und Lieder und beides wurde auch aufgeführt, aber doch überwiegend im Freundeskreis. Die musikalische Öffentlichkeit erfuhr davon nichts. Hätte Hüttenbrenner die große C-Dur Sinfonie nicht aufbewahrt, wäre uns ein großes Kunstwerk verloren gegangen. Schubert wäre so gerne ein Opernkomponist gewesen und - hat er, außer seiner ersten Sinfonie überhaupt je eine aufgeführt gehört ?


    P.S. Es ist gut, dass diese Diskussion nicht persönlich genommen wird, denn so ist sie nicht gemeint.


    Danke, Grüße aus Bremen


    Sagitt

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  • Hallo Sagitt,


    Sicher kein Kulturkampf, warum denn auch ?


    Allerdings gibt es was Vorlieben und Abneigungen betrifft, schon gravierende Unterschiede, als jahrelanger Käufer von deutschen Klassikzeitschriften kann ich ein Lied davon singen.


    Wenn eine Einspielung als besonders die Strukturen des Werkes offenlegend, jeden Schönklang vermeidend, entschlackt und zeitgemäß´gelobt wurde, dann wusste ich, daß ich die Hände davon lassen sollte....... ;)


    Aber ich glaube auch, daß "mein" Schubert, der ein wenig biedermeierlich klingt, in Germany nicht besonders ankäme, von Einzelpersonen mal abgesehen, wobei meine (deutschen) Lieblingsorchester, ich gestehe es offen aus Leipzig und Dresden kommen, bzw mein Lieblingorchester für alte Musik die Akademie für Alte Musik Berlin ist. Das ist HIP, aber es klingt auch "musikalisch" - ohne Schroffheiten und Schrillheiten.


    Wenn ich beispielsweise meine Beiträge mit "aus Wien" signiere, so ist das keineswegs Patriotismus, Kenner werden sofort zumindest vermuten, daß ich ein eher weiches Klangbild bevorzuge und man meine Ratschläge aus dieser Perspektive sehen muß. Erfreulicherweise habe ich feststellen können, daß die Auffassungsunterschiede doch weniger stark ausgeprägt sind, als ich vermutet habe. ;)


    Ich hatte für dieses Forum, das ja mehrheitlich deutsche Mitglieder hat sogar eine .de TopLevelDomain in Erwägung gezogen, schon allein deswegen, weil die Gebühren ca ein Drittel von einer at.TopLevelDomain betragen, aber als österreichischer Staatsbürger war das nicht möglich.


    Ich finde wir können , was wir ja ohnedies tun, in bester Freundschaft, nationale Auffassungsunterschiede erörtern. Und die gibt es, man lese nur mal die Kritiken und Programmschwerpunktevon "Gramophone" :D


    Aber genau das hat seinen Reiz...


    Beste Grüße
    aus Össiland :D
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von sagitt
    Hätte Hüttenbrenner die große C-Dur Sinfonie nicht aufbewahrt, wäre uns ein großes Kunstwerk verloren gegangen. Schubert wäre so gerne ein Opernkomponist gewesen und - hat er, außer seiner ersten Sinfonie überhaupt je eine aufgeführt gehört ?


    kleine verwechslung: hüttenbrenner hat die h-moll besessen, die d944 war bei ferdinand schubert.


    die ersten 6 dürfte er wohl aufgeführt gehört haben: 1 (und 2) im stadtkonvikt in der bäckerstr., 2 und 3 bei franz frischling in der dorotheerg., 4, 5 und 6 bei otto hatwig im schottenhof. (100%ige belege gibt es nicht)


    grüsse aus schubert-town
    :beatnik:

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  • Salut,


    Wolfgang Amadé Mozart kommt am 16. März 1780 in Wien an – der Bruch mit dem Erzbischof war voll im Gange – und schreibt das erste und einzige Mal an den Vater:


    Vienne ce 17 de mars 1780


    Mon trés cher amy!


    Es scheint an der Wiener Luft gelegen zu haben, die Mozart zu solchen Höhenflügen verleitet hat. Dass er hier – in Wien – ab Sommer 1781 ganz bleiben wird, deutet sich bereits in einem Postscriptum vom 2. April 1781 [Wien] an:


    meine Complim an
    alle – alle –
    alle –


    P.: S.: ich versichere sie, dass hier ein Herrlicher ort ist – und für mein Metier der beste ort von der Welt; - das wird ihnen Jederman sagen. […]


    So war’s eben, wie bereits in vorigen Beiträge geschildert. Hinzu kommt die Verkettung [un]glücklicher Umstände im Leben W. A. Mozart’s: Der endgültige Bruch mit dem Erzbischof, der „Rausschmiss“ von Mozart aus seinem Zimmer [genau vor 224 Jahren, am 1. Mai 1781] und der Einzug bei den „Weberischen“. Dazu kommt noch fördernd, dass Mozart in einem Brief vom 9. Mai 1781 an dem Vater schreibt, der erzbischof ist hier gehasst. Im gleichen Brief lud Mozart seinen Vater und die Schwesternach Wien ein, falls der Erzbischof allzu große Komplikationen macht:


    […] sollte ihnen aber der erzbischof ungeacht dessen die mindeste impertinenz thun, so kommen sie alsogleich mit meiner schwester zu mir nach wien – wir können alle 3 leben, das versichere ich sie auf meine Ehre […]


    Wien bot also offenbar im ausgehenden 18. Jahrhundert ein gewisses Maß an Sicherheit und Mozarts Entschluß festigte sich bereits am 12. Mai 1781 – wiederum als Ursache der Erzbischof:


    […]Nun will ich ihnen nur kurz meinen unbeweglichen Entschluß vertrauen, so aber daß es die ganze weite Welt hören mag; - wenn ich beym Erzbischof v: Salzburg 2000 fl. gehalt bekommen kann, und in einem andern ort nur 1000 – so gehe ich doch in das andere ort. – denn für die andern 1000 fl. genüsse ich meine gesundheit und zufriedenheit des gemüths.


    Dass dies dem Vater nun überhaupt nicht gefallen hat, brauchen wir hier nicht zu erwähnen. Mozart „erkennt seinen vatter aus keinem einzigen zuge“ seines Antwortschreibens, welches Mozart am 19. Mai 1781 erhalten haben muss. Mozart kontert aber geschickt [nach einem ausführlich begründeten Brief am 19. Mai] am 2. Juni 1781:


    […] zweifeln sie nicht, mein liebster, bester vatter; es ist gewis zu meinen und folglich auch zu ihren besten. – Die Wienner sind wohl leute die gerne abschiessen – aber nur am theater. – und mein fach ist zu beliebt hier, als dass ich mich nicht souteniren solle. Hier ist doch gewis das Clavierland!


    Danach folgt „lediglich“ noch der allzu bekannte Heiratsstress mit Constanze und Mozarts „Wienerschaft" ist ein für alle Mal besiegelt.


    Cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Sagitt meint:


    Vielen Dank für die Aufklärung.


    War es nicht wenigstens so, dass die Wiener Philharmoniker sich lange weigerten, die große C-Dur Sinfonie zu spielen ; einer der Gründe soll der angeblich eintönige Geigenpart in dieser Sinfonie gewesen und dass sie einem Verwandten von Schubert den kostenlosen Zugang zur späten Aufführung verweigert haben ?


    Ich schreibe dies , weil mich schon interessiert, wie sehr Wien an den Komponisten zu ihrer Zeit interessiert waren, die heute alle Weltruhm genießen.


    Von außen sieht das ein wenig so aus, als wenn die leichter bekömmliche Kost viel größere Triumphe gefeiert hatte,also eher Salieri als Mozart, Rossini statt Beethoven oder Strauss statt Schubert...

  • die wiener sind fürchterlich, aber die anderen auch... :P


    die d944 wurde ja bekanntlich der "gesellschaft der musikfreunde", einem 1812 gegründeten verein mit konservatorium und liebhaberorchester, gewidmet, in deren archiv sich die originalpartitur befindet (das von schumann entdeckte material waren stimmenabschriften ferdinand schuberts aus 1837, sie befinden sich jetzt in leipzig).
    schubert war selbst "wirkliches" mitglied der gesellschaft, welche seit 1870 in dem durch das neujahrskonzert angeblich weltberühmten gebäude mit dem goldenen saal residiert.
    bemühungen ferdinands und des dirigenten leopold jansa 1836 den letzten satz aufzuführen scheiterten am widerstand der musiker.
    die uraufführung mendelssohns 1839 war eine vollständige (ohne kürzungen).
    in wien wurden dann im dezember 1839 die ersten beiden sätze aufgeführt -die musiker hatten gegen die aufführung des ganzen werkes protestiert. dann war dort schluss bis 1850, als josef hellmesberger die wiener uraufführung dirigierte. {im gleichen jahr brachte das hellmesberger-quartett auch d887 (g-dur streichquartett) und d956 (streichquintett) zur (öffentlichen) uraufführung.}


    die wiener philharmoniker als solche gibt es erst seit 1842, sie gingen aus dem hofopernorchester hervor.


    mendelssohn wollte d944 1844 in london aufführen und scheiterte, weil sich die musiker über die komposition lustig machten (v.a. über die triolen im 4. satz)...


    von der geschichte mit dem schubertverwandten habe ich noch nicht gehört, würde mich aber interessieren.


    :hello: aus schubert-town (trotzdem)

  • Meine Lieben,


    Unabhängig von individuellen Momenten bei den einzelnen Künstlerpersönlichkeiten kann ich mir vorstellen, daß es soch die prinzipielle Atmosphäre der Kaiserstadt war, die anziehend wirkte. Schon immer war Wien - trotz all seiner Nachteile und Schwächen - eine Stadt der Begegnung. Und gerade die Zeit Josephs II. eröffnete zumindest Aussichten auf ganz neue Einstellungen, ebenso wie die Ringstraßenstadt unendlich viele Anregungen bot. Sogar der "herbe" Brahms hat in Wien echte Freundschaften aufgebaut (Johann Strauß!).
    Es geht da gar nicht immer nur um Musik, sondern um viel mehr bildende Kunst, Literatur, Theater usw.


    Nicht umsonst gilt hierzulande: Als Wiener wird man nicht geboren, man wird es. Oder slezakisch: Alle echten Wiener sind aus Brünn.


    LG


    Waldi

  • Ich denke auch, daß das Ambiente der Kaiserstadt (und inoffiziellen Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches bis 1806) doch mitunter ein Grund sein könnte für die Anziehungskraft, auch danach noch als Hauptstadt des Kaisertums Österreich bzw. der k.u.k. Monarchie.
    Wien hat wohl einen unvergleichlichen Charme, den es ansonsten im dt.sprachigen Raum nicht gibt, weder in Berlin noch sonst wo (wiewohl das eine persönliche Meinung ist).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Großstädte üben doch sowieso eine gewissen Faszination auf viele Menschen aus - und in Wien hatte man wohl auch noch viele Möglichkeiten, Werke aufzuführen, Sponsoren/Auftraggeber an Land zu ziehen, sich mit anderen Künstlern auszutauschen etc.


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Richtig Barezzi,
    und die Liebe zu seinem Kaiser. Irgendwie hatte er zu Wien- obwohl die Prager seine Musik besser verstanden, wie er sagte- ein besonderes Verhältnis. Dies hat viele Gründe. In Wien wohnten seine Freunde und Gönner, Hofdemel, Puchberg, Jacquin, Stadler, Süßmayr, Swieten, Gräfin Thun, Baronin v. Waldstätten um nur einige zu nennen.
    Er sehnte sich, nachdem er verheiratet war, nach seinem Weiberl und dem Bübel, wenn er auf Reisen war. Dies geht aus dem Brief vom 23.May 1789 den er an Constanze aus Berlin schrieb.
    Er war in der Nähe des Kaisers und der anderen wichtigen Personen in Wien. Er konnte nur auf Aufträge des Kaisers , der Freimaurer und der gehobenen Wiener Gesellschaft hoffen.
    Hier war sein Einkommen besser gesichert als in einer anderen Stadt. Wien war ja schon damals, eine Musikstadt von hoher Bedeutung und Mozart traf hier mit vielen Komponisten und anderen Künstlern zusammen.
    Er fühlte sich , obwohl er sich über die Wiener beschwerte in dieser Stadt offensichtlich wohl.
    Er hätte ja andere Stellen annehmen können.
    Dieses musikalische Wohlgefühl, dass Wien bis zum heutigen Tage ausstrahlt, verlasst ja bis in unsere Tage hinein, Wien, als kulturellen Mittelpunkt zu wählen.
    Nicht umsonst sind so viele Taminos in Wien beheimatet.
    Und wenn ich nach Wien komme, spüre ich einen besonderen Flair, so als würde ein Orchester leise Mozart spielen.
    Viele Grüße
    Padre

  • Sagitt meint:


    klar, Gross-Städte waren für Entfaltungsbedingungen von Komponisten zu einer bestimmten Zeit wichtig.
    Aber London war mindestens Gross-Stadt wie Wien und hätte Mozart wahrscheinlich besseres Einkommen geboten.
    Beethoven hatte verschiedene andere lukrative Angebote, war auf den Adel in Wien gar nicht mehr so angewiesen.


    Und Brahms ? Der erst recht nicht. Er brauchte für sich allein nicht viel und verdiente grossartig mit seinen Kompositionen.


    Warum also Wien ?


    Ökonomisch war es nicht notwendig.
    Die Liebe zum Kaiser ?
    Na, ich weiss nicht...
    die charmanten Wiener ?
    Sicher, mit ihren Lieblingen Rossini, Paganini und der Strauss-famliy...
    warum also ?

  • Für damalige Verhältnisse verdiente er gut, und hatte doch kein Geld. Er musste sich bei Puchberg und anderen Geld leihen. Darum er mit dem Geld nicht auskam, liegt zum Großteil im Dunkel.
    Gruß
    Padre

  • Ich denke, man muss hier zwischen den Epochen und Komponisten differenzieren. Zu Zeiten Mozarts und Beethovens war das feudale mäzenatische Umfeld in Wien sehr stark ausgeprägt - und das bedeutete nicht nur Möglichkeiten für Aufträge und Aufführungen. Beethoven bestritt einen größeren Teil seiner Einkünfte aus der lebenslangen Rente, die ihm von Wiener Adligen ausgesetzt worden war (u.a. dem Erzherzog Rudolph). Und auch wenn die Beträge aufgrund der wirren Zeitläufte und diverser Todesfälle nicht immer regelmäßig und pünktlich ausgezahlt wurden, so handelte es sich doch um ein relativ festes Einkommen. In London dagegen waren die ökonomischen Strukturen schon weit fortschrittlicher - die Komponisten mussten sich auf einem freien Markt bewähren, was zu beachtlichen Einkünften führen konnte (wie Haydn gezeigt hatte), aber natürlich auch mit Risiken behaftet war.


    Im 19. Jahrhundert war Wien zweifellos das führende musikalische Zentrum im deutschsprachigen Raum und bekam erst allmählich etwas Konkurrenz durch Leipzig, gegen Ende des 19. Jahrhunderts dann auch zunehmend aus Berlin und München sowie Dresden. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass Brahms sich auf Dauer auch ohne ökonomische Beweggründe in Wien niederließ. Es ist nicht auszuschließen, dass hier auch bereits die Aura Wiens als Stadt Haydns, Mozarts, Beethovens, Schuberts eine Rolle spielte. Das müsste sich doch evtl. aus Brahms' Briefen und anderen Quellen erschließen lassen? Die Treue zum Kaiser mag für Bruckner eine große Rolle gespielt haben, für Brahms mit Sicherheit nicht - der dachte deutschnational (mit einigen unerfreulichen Auswüchsen) und stand eher an der Seite Wilhelms I. und später auch Wilhelms II.


    Für Bruckner war Wien das natürliche Gravitationszentrum, das gilt bis zu einem gewissen Grad ebenso für Mahler, dem es natürlich auch um die Leitung eines der zwei oder drei bedeutendsten Opernhäuser Europas ging.


    Man sollte auch nicht vergessen, dass es im 19. Jahrhundert eine ganze Reihe bedeutender Komponisten gab, die sich nicht in Wien niederließen. Schumann und Wagner wohnten zwar für kürzere Zeit dort, zogen aber auch wieder weg. Mendelssohn machte Leipzig zu einem Musikzentrum von Weltgeltung. Für Liszt wäre qua Geburtsort ebenfalls Wien das nächstliegende Zentrum gewesen - sein Vater hielt es aber wohl zu Recht für erfolgversprechender, das Wunderkind in Paris zu positionieren (Liszt war wohl überhaupt der "globalisierteste" Komponist im 19. Jahrhundert, während Brahms im Grunde immer deutscher Provinzler blieb und Wagner sich mit seinem miserablen Französisch in Paris auch nie wohlfühlte).


    Ein deutliches Zeichen für den Aufstieg Berlins als Musikzentrum war dann in den 20er Jahren der Umzug Arnold Schönbergs von Wien nach Berlin.



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Hallo Bernd,
    das ich kann voll unterstreichen, du hast mit deiner Einschätzung
    recht Bei Mozart darf man neben dem Geld, nicht die starken freundschaftlichen Bande zu seinen Freunden vergessen. Dies hat ihm viel bedeutet.
    Viele Grüße
    Padre

  • Um 1780, als Mozart dorthinzog, war Wien m.E. europäisch noch hinter Paris und London angesiedelt (in der ersten Hälfte des 18. Jhds. muß man es wohl kulturgeographisch eher zur Peripherie zählen, damals waren Hamburg und Dresden die deutschen Musikhauptstädte).
    Aber im deutschsprachigen Raum dürfte es bereits das Zentrum gewesen sein, wenngleich wenige Jahre vorher die "Provinz" Mannheim bekanntlich auch eine große Rolle spielte. Mozart hatte es bekanntlich in Paris versucht und nicht erreicht, was ihm vorschwebte. Aufs Geratewohl nach England zu gehen, wäre wohl ein zu großes Risiko gewesen, bleibt Wien als nächstliegende Möglichkeit. Wie Bernd richtig sagt, war die zentrale Stellung nach Beethovens und Schuberts Tod auch nicht mehr so deutlich. Paris war für die Oper gewiß immer noch mindestens ebensowichtig, v. Weber und Mendelssohn gingen nach England usw. Gegen Ende des Jahrhunderts war ja trotz Brahms, Bruckner, Mahler und Schönberg die Dominanz der deutsch-östereichischen Tradition in der Instrumentalmusik nicht mehr so eindeutig gegeben.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Um 1780, als Mozart dorthinzog, war Wien m.E. europäisch noch hinter Paris und London angesiedelt (in der ersten Hälfte des 18. Jhds. muß man es wohl kulturgeographisch eher zur Peripherie zählen, damals waren Hamburg und Dresden die deutschen Musikhauptstädte).


    Ist dem wirklich auch noch unter Karl VI. (1711-1740), dem letzten der komponierenden Kaiser, so?
    Ich glaube, unter ihm wurde Wien schon zur echten Metropole (für damalige Verhältnisse).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Felipe II.


    Ist dem wirklich auch noch unter Karl VI. (1711-1740), dem letzten der komponierenden Kaiser, so?
    Ich glaube, unter ihm wurde Wien schon zur echten Metropole (für damalige Verhältnisse).


    Ich weiß das auch nicht so genau.
    Politische Metropole sicher (wann war denn der Kaiser von Prag nach Wien umgezogen? Nach dem 30jährigen Krieg?) Aber musikalisch aus heutiger Sicht nicht unbedingt stilbildend, verglichen mit Keiser, Mattheson, Händel, Telemann, CPE Bach im bürgerlichen Hamburg oder der ungeheuren Prachtentfaltung im Dresden Augusts des Starken. Der Kaiserhof war halt einer unter vielen, musikalisch nicht notwendig maßstabssetzender als Salzburg, Mannheim, München usw. (Ist ja eigentlich auch klar, weil Deutschland/Österreich keine zentral regierten Nationen waren wie England und Frankreich.)
    Zum Musikzentrum wurde Wien nicht hauptsächlich durch den Hof, sondern im letzten Drittel des 18. Jhds. durch adliges und frühbürgerliches Mäzenatentum.


    viele Grüße


    JR

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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    ja, das stimmt sicherlich, musikalisch könnte man bestimmt drüber streiten, politisch dagegen ist die Sache eindeutiger.
    Die Kaiser zogen endgültig 1612 nach Wien um [Kaiser Matthias (1612-1619)]. Zuvor residierten Ferdinand I. (1558-1564) und Maximilian II. (1564-1576) auch schon in Wien, nur Rudolph II. (1576-1612) verlegte die Residenz 1583 nochmal nach Prag. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

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  • Sagitt meint:


    Bitte um Aufklärung durch Mozart-Kenner. Nach meinem Wissen hatte Mozart ber Haydn sehr konkrete Verdienst-Angebote aus London ( von Herrn Solomon ?). Er wäre also nicht aufs Gratewohl dorthin gegangen.
    Gut, das Angebot kam zu einem Zeitpunkt,als er in Wien auch wieder Beschäftigung fand ( ein"Job" beim Stephansdom stand in Aussicht) und er viele schlechte Erfahrungen mit Akquisition im Ausland gemacht hatte.


    Die Freunde- das ambiente- das könnte das Argument sein.
    Aber vielleicht erfahren wird Genaueres von denen, die es wissen ?

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    (in der ersten Hälfte des 18. Jhds. muß man es wohl kulturgeographisch eher zur Peripherie zählen, damals waren Hamburg und Dresden die deutschen Musikhauptstädte)


    Musikalisch war Wien zu dieser Zeit mit Fux ganz weit vorne.
    Empfehlenswert: Oesterreichs Stimme im Barockkonzert Europas: Johann Joseph Fux


    Warum Fux so wenig bekannt ist, bleibt ein Rätsel. Und wenn man ein wenig graben würde, käme da garantiert noch der eine oder andere Wiener zum Vorschein, der eine Wiederbelebung verdient hätte.

  • Zitat

    Bitte um Aufklärung durch Mozart-Kenner. Nach meinem Wissen hatte Mozart ber Haydn sehr konkrete Verdienst-Angebote aus London ( von Herrn Solomon ?)


    Ich antworte (wie zumeist) aus der Erinnerung:


    Es soll eine diffuse mündliche Vereinbarung gegeben haben, daß Mozart mit Solomon nach London reisen sollte - allein der Tod Mozarts vereitelte dies.


    Solomon scheiterte auch mit seinem Versuch, Beethoven nach London zu holen. An dessen Stelle fuhr Ferdinand Ries - und führte dort Beethovens Werke mit großem Erfolg auf....


    Ungeachtet all dessen war WIEN in jener Zeit das Zentrum, von wo alle Moden ausgingen. Letzlich wurden selbst in Paris Werke von Joseph Haydn gedruckt und aufgeführt -etlich waren gar nicht von ihm - aber der Name "Joseph Haydn" war berühmter als alle in Paris wirkenden Komponisten miteinander.....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wegen der konkreten Verdienstangebote in London müssen wir beachten, dass wir das Jahr 1764 schreiben. Mozart war acht Jahre und hatte in finanziellen Dingen überhaupt nichts mitzureden.
    Erst nach dem Tod des Vaters 1787 änderte sich dies. Bis dahin war Wolfgang der gehorsame Sohn.
    Zwar war im Herbst 1786 einen weitere Englandreise geplant, die aber nicht durchgeführt wurde. Vielleicht deswegen, weil Mozarts , drittes Kind, Johann Thomas Leopold am 15.November 1786 an "Stickfrais" gestorben war.
    Aus den Briefen von Leopold Mozart an die befreundete Familie Hagenauer wissen wird, das es nur um Geld und noch mal um Geld ging.Leopold berichtet von den " Unkösten"
    Bereits fünf Tage nach der Ankunft , können die Mozartkinder im Buckingham- Palast vor dem jungen König Georg III., und seiner Gemahlin aufspielen.
    Der finanzielle Erfolg ist eher bescheiden.
    Beim zweiten Konzert kommen Stücke von Händel, Wagenseil und Abel zur Aufführung. "Wegen ein paar Tausend Gulden, bin ich nicht nach England gereiset" schreibt Leopold.
    Um nicht als " Burgherfrench" verschrien zu werden, investiert Leopold in englische Kleider. Auf die Englandreise, möchte ich nicht weiter eingehen, aber nach meinem Kenntnisstand, ging es hier nicht um eine Anstellung.
    Am 14.Dezember 1790 fand am Vorabend der Reise Haydns Nach England ein Abendessen statt. Mozart soll Hadyn dringend vor dieser Reise abgeraten haben.
    Weil Haydn seinen jüngeren Freund wohl kaum um seine Meinung gefragt haben dürfte, wird daraus geschlossen, dass Mozart selber gerne nach London gegangen wäre.
    Das Jahr 1791 verlief- wie ja bekannt- ist sehr dramatisch. Bereits am 4.März gab Mozart seine letzte Akademie und sein Terminkalender war trotz zunehmender Krankheit vollgestopft, so dass Mozart gewiss zu diesem Zeitpunkt keinen Gedanken damit verschwendete nach London zu gehen.
    Viele Grüße
    Padre

  • Mir fällt auf, daß zu Alfred Thema viel über Mozart geschrieben wird, weniger jedoch über Beethoven oder Brahms. Könnte das, so frage ich, mit der Tatsache zusammenhängen, daß wir von Mozart eine 6 Bände (einschließlich zweier Kommentarbände) umfassende Briefausgabe besitzen, die Einblicke in das Denken und Fühlen Mozarts geben?


    Zieht man diese Bände zu Rate, dann kann man nur zu einem Resultat kommen - und dieses ist in der Tat hier auch schon angeklungen: Wien war für Mozart, der zwar auch als Komponist bekannt war, in erster Linie aber als ein guter Klavierspieler galt, der "herrlichste Ort der Welt". Und man wird auch nicht übersehen dürfen, daß nach der Heirat mit Constanze Wien zu seinem familiären Mittelpunkt geworden war, und mit einem Bekanntenkreis, der einen Abschied bestimmt schwer gemacht hätte.


    Auch mit Alfreds These, "die Deutschen" hätten ihn nicht gemocht, kann ich mich schwer anfreunden. Seine Musiksprache wurde "geliebt" oder auch nicht - was bei einem Künstler durchaus nichts ungewöhnliches ist. Vielleicht muß man sich ins Gedächtnis rufen, daß Mozart, schon durch den Fortbestand des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" auch Deutscher war. Das heutige Staatengebilde Österreich existierte doch noch nicht. Damit ist ja nicht explizit ausgedrückt, daß man Mozart als "deutschen Patrioten" bezeichnen kann. Ich denke auch, daß er viel zu weit gereist war, um nicht auch über den Kirchtumshorizont hinausblicken zu können.


    Dieser Aussage steht auch nicht entgegen, daß der berühmte Brief an Professor Anton Klein vom 21. März 1785 etwas anderes suggerieren könnte:
    Wäre nur ein einziger Patriot mit am brette - es sollte ein anders gesicht bekommen! Doch da würde das so schön aufkeimende National-theater zur blüthe gedeien, und das wäre ja ein Ewiger Schandfleck für teuschland, wenn wir teutsche einmal mit Ernst enfiengen teutsch zu denken - teutsch zu handeln - teutsch zu reden, und gar teutsch zu - Singen!


    Aber: Diese Aussage hat Mozart doch nicht gehindert, seine italienischen Opern zu schreiben - und nicht den "Kaiser Rudolf von Habsburg" oder auch "Günther von Schwarzburg". Stattdessen stammt die "Entführung" und später "Die Zauberflöte" aus seiner Feder. Beide haben mit den deutschtümelnden Werken der Garde von Komponisten wie Hiller oder Benda überhaupt nichts gemein! Das "menschlich-humane" Ende der "Entführung" könnte ich mir bei den genannten Komponisten nicht vorstellen. Und die "Zauberflöte", als Vorstadtkomödie gestartet, ist doch in Wahrheit ein ebenso "menschlich-humane" deutsche Oper - trotz der von vielen bekrittelten Textvorlage.


    Auch wenn's alle wissen, sollte man nie vergessen, daß Goethe von Libretto stark beeindruckt war (Zitat aus dem Gedächtnis):
    Es gehört mehr Verstand dazu, diesen Text anzuerkennen, als ihn abzulehnen.


    Welches Fazit wäre aber demnach zu ziehen? Nur eines ist möglich: Wir können nur spekulieren, es gibt ja keine definitive Aussage von Mozart "und seiner Handschrift". Er hat sich wahrscheinlich ein Leben in einer anderen Stadt, gar in einem anderen Land einfach nicht vorstellen können!


    Und genau dieses Resumée läßt sich bestimmt auch auf Beethoven und Brahms übertragen. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß der taube Beethoven in einer fremden Stadt zurecht gekommen wäre. Der Versuch, den Zustand der Taubheit auf mein eigenes Leben zu übertragen, bringt mich auf die Erkenntnis, daß eine bekannte Umgebung das Leben durchaus erleichtert - immer unter der Vorraussetzung, daß mir nur die damals üblichen Hilfsmittel zur Verfügung ständen.


    Und der Hamburger Brahms? Der war doch inzwischen kein Hamburger mehr, sondern eindeutig Wiener geworden - trotz eines vielleicht nie verlorenen Dialekts (auch so eine Hypothese, denn es gibt ja kein akustisches Beispiel mit der Stimme von Brahms).


    Heute ist das ja alles ganz anders: Beweglichkeit wird verlangt. Auch und gerade aus beruflichen Gründen. Das Finanzielle war auch in früheren Zeiten ein starkes Motiv, sich zu verändern. Es hat wohl für Beethoven und Brahms keine solch gravierenden finanziellen Anreize gegeben, Wien zu verlassen. Mozart starb viel zu früh (nicht nur aus musikologischer Sicht) - der Gedanke, er hätte zu späterer Zeit ein äußerst lukratives Angebot von außerhalb angenommen, muß daher ebenso unbeantwortet bleiben.

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    MUSIKWANDERER

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