Dünkel – ein Problem klassischer Musik?

  • Anmerkungen zum Gebrauch dieses Textes:
    Dieser Text ist lang. Sie werden schnell feststellen, ob dieser Text Ihnen irgendetwas sagt. Sollte dies nicht nach dem zweiten Absatz schon gelungen sein: Lesen Sie nicht weiter, es wird nichts folgen, das Ihr Urteil ändern würde. Die folgenden Sätze geben ausschließlich die Meinung des Verfassers wider und könnten Zweifel am Verstand desselben auslösen. Lassen Sie ihn. Er tut nichts. Er will nur spielen…


    Man gestatte mir diesen Thread, auch wenn es z.B. diesen hier schon gibt, der sich aber meines Erachtens eher der Auslese verpflichtet fühlt und sich dementsprechend zu positiv gibt ;) Ich möchte hier im Rahmen der Klassischen Musik über ein Phänomen sprechen, das es wohl eben in dieser Ausprägung sowieso nur in den Künsten geben kann. Ja, okay, in den Geisteswissenschaften auch. Aber die Naturwissenschaftler sind da schon drüber hinaus…


    (Wenn ich schon dabei bin, vorab Erlaubnisse einzuholen, so möchte ich dieses Unterfangen ausweiten auf den Umstand, im folgenden Thesen darzubringen, darob so mancher Teilnehmer dieses erlauchten Kreises pikiert den kleinen Zeigefinger zu heben sich befleißigt fühlen möge, sollte er unter dem wahnhaften Zustande leiden, den zu sezieren der Threadsteller sich nun zu erdreisten wagt: Den gemeinen Dünkel!) Sollten sie diesen letzten Satz relativ schnell erfaßt haben und keinerlei Unterschiede zu ihrer Alltagssprache feststellen, dann leiden Sie definitv darunter. Oder, was wahrscheinlicher ist, ihre Umwelt…


    Ich möchte mit diesem, zugegeben, langen Thread einige Behauptungen unreflektiert in den Raum werfen und bitte um Unterstützung oder Kritik.


    Nun, welchen Dünkel treibt die Forenteilnehmer in diese heiligen Hallen? Es gibt mehrere Typen, will man Schubladen bemühen. Und man kommt kaum aus ohne sie (die Schubladen natürlich). Die wahrscheinlich größte Schublade ist die, in der sich die tummeln, die meinen, es gäbe keine.
    O, wie ich sie beneide, die, die allen Ernstes behaupten, es gäbe keinen Unterschied zwischen E- und U-Musik. Natürlich gibt es den. Aber seltsamerweise verläuft diese Grenze nicht unbedingt da, wo der Dünkelhafte sie gerne ziehen würde. Dass man sich als Klassikfachmann (ich benutze diesen Ausdruck auch für das leider etwas unterquotige weibliche Forenpersonal) abschätzig über Popmusik äußert, gehört beinahe zum guten Ton, allein, diese Aussagen sagen meistens mehr aus über den, der diese Aussagen tätigt, als über die, über die sie getätigt werden. Dass sich im Pop- und Rockbereich sehr wohl sehr gute ausgebildete Musiker tummeln, die in der Lage sind hervorragende Musik zu machen, kann nur der anzweifeln, der ernsthaft einer DVD einer Frau-Diavolo-Aufführung mit einem lächerlich kostümierten Hermann Prey beiwohnen kann, ohne auch nur eine Sekunde mit den Mundwinkeln zu zucken. Dass Popmusik nicht nur aus Dieter Bohlen besteht, sollte sich auch im Kundenkreis eines Luigi Nono herumgesprochen haben. (Wobei man sich hier die Frage stellen darf: Wem würde ich eher im Dunkeln begegnen wollen: Fans von Nono oder Bohlen?)


    Es gibt weiterhin den bildungsbürgerlichen (humanistischen) Dünkel, der alleine aus dem Umstand seiner genossenen Erziehung einen Standesunterschied generieren will, was den Träger dieser education als ausgemachten Monarchen ausweist und man sich allen Ernstes fragen muss, ob er der freiheitlichen Grundordnung einer Demokratie überhaupt gewogen ist. (Hier sollte man über die Gefahren klassischer Musik in Demokratien genauer nachdenken. Ich denke an einen Ethikrat, der, bestehend aus Sonderschullehrern, Theologen und Bäckereifachverkäuferinnen, genaueres dazu beschließen möge.) Hierunter fallen vor allem Leute, die in der Lage sind, mehrere Instrumente zu spielen und mehrere Sprachen antiker Speiseölländer gleichzeitig zu hören. Der Dünkel dieser Klientel besteht vorzugsweise aus dem Umstand, dass sie gerne und oft unaufgefordert betonen, dass sie es nie heraushängen lassen würden, eine Symphonie von Ries dem neuen Album von Elton John zu bevorzugen. Die Namen Mozart und Beethoven werden freilich gar kaum mehr gebraucht. Eher fallen Namen wie Pleyel, Krommer und Dominantseptakkord, und ein augenzwinkernder , konspirativer Hinweis auf den sechsunsiebzigsten Takt des Prager „Don Giovannis“, geschmückt mit einem „Du-weißt-was-ich-meine“-Lächeln, was selbstverständlich dem Genuß eines „Slayer“-Albums eine gewisse absurde Note verleihen kann. Auch der Begriff der Aleatorik, sonst in Lehrerzimmern zuhause, wenn es um die Abschlusszeugnisse geht, wird gerne als Parfum des Geistes gereicht, ob die beteiligte Umwelt nun dies wünscht oder nicht.


    Leider ist ein Großteil dieses Standes nicht in der Lage, eine Gemütsregung nachzuvollziehen, die man in freier Wildbahn als „Ironie“ bezeichnet. Ist dieses Klientel noch durchaus imstande, den „Humor“ einer verlängerten Fermate diebisch auszukosten, streikt sie jedoch bei gewissen Respektlosigkeiten, die man ihrer Kulturbeflissenheit zumutet. Sie erschrickt über jedes „flapsige“ Wort. Ja, sie hält es für gänzlich ausgeschlossen, dass jemand sich der Matthäus-Passion mit Inbrunst widmen kann, um anschließend zwei Flaschen Tequila (und auf keinen Fall eine Flasche Chateau Unbezahlbar) zu vernichten damit man endlich in der Lage ist auf der E-Gitarre („Das ist kein Instrument, das ist eine Straftat!“) „La Grange“ fehlerfrei herunter zu spielen. Und sie hält es nicht nur für nicht möglich, sie kann diesen vorigen Satz gar nicht verstehen (La Grange? *malschnellimMGGnachschlag*)


    Soweit ein kurzer Abriss über den „negativen“ Dünkel. Natürlich gibt es auch einen positiven Dünkel. So einen, wie ich ihn besitze, zum Beispiel. Ich finde mich nett, intelligent, attraktiv und humorvoll. Und ich schätze klassische Musik. Ich kann sie sogar mit Gewinn hören und nicht nur als Prestigeobjekt einsetzen. Ich spreche eine Fremdsprache akzentfrei. Ich kann präzise argumentieren, warum ich Hegel für einen Wegbereiter des Faschismus halte. Und wenn Sie mir ernsthaft erklären wollen, Sie wären keineswegs dünkelhaft, dann erliegen sie dem Schlimmsten aller Dünkel. Dem Dünkel der Dünkellosigkeit. Und woran dünkeln Sie so?

  • Respekt, Rowan, Respekt! Wirklich zu köstlich - du weißt, was ich meine :P


    Mir dünkt, ich habe bereits ein, zwei Bier zuviel getrunken, um auf Deinen kleine Gemütsbekundung eine rechte Antwort zu finden - außer:


    oans, zwoa, gsuffa!!!!


    Sau buam, elendär! :D


    Im heiteren ernst: Ich kann nachvollziehen, was Du meinst, finde aber, daß der Großteil des Forums aus Leuten besteht, die Klassik wirklich mit dem Herzen hören und nicht als Prestigewert mißbrauchen...ich glaube so was tut hier keiner.


    Hingegen gibt es hier schon manchmal Bemerkungen, die - so empfinde ich es - darauf abzielen, einer gewissen Klientel zu gefallen, die zur Schau stellen sollen, daß man zur intellektuellen Klassikhörer-Schicht gehört.. Sollen äußerst geistreich wirken, sind aber IMO pseudointellektuelle Phrasen. Das kommt zum Glück sehr selten vor, aber hin -und wieder leider schon...


    Stravinskij hat de Falla mal mit den Worten überrascht, er fände seine (de Fallas) musik dort am größten, wo sie am wenigsten spanisch sei.
    Strawinskij ahnte, daß diese Aussage de Falla beeindrucken würde und das tat sie denn wohl auch....Nach dem Schema wird es immer wieder Leute geben, die aus einem Profilierungsbewußtsein heraus, Aussagen tätigen, die einen geistreichen Touvh gewinnen - vor allem wenn es genau gegen den "Massengeschmack" bzw. das Offensichtliche gerichtet ist...
    genau dieses Phänomen wirst Du aber auch in der Rock/Pop-Musik finden - "fortgeschrittene" Hörer geben sich manchmal auch gerne äußerst elitär - und manchmal noch wesentlich arger als im Klassikbereich.


    Apropos Nase rümpfen wegen Pop/Rock etc: Andreas Scholl bestätigte mal vor laufender Kamera, die relativ hohe Qualität des von Britney Spears gesungenen Pop-Songs "Toxic". Er hat IMO recht. Den Song muß man erst einmal schreiben.


    Aber gut, das ist ein anderes Thema.


    Foretsetzung von meinen durch Bier benebelte Gedanken folgt.....


    :hello:
    Wulf

  • Leider sehe ich mich außerstande, auf die eingangs gestellte Frage zu antworten, da ich Herrn Blackadder noch nicht offiziell vorgestellt worden bin. Sehr geehrter Herr Forumsleiter, hätte Sie die Freundlichkeit, uns vorzustellen. Danke, sehr freundlich!


    Was hast du denn den Text geklaut? 8)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Also um das Wichtigste mal vorweg zu nehmen: DINKEL ist mir lieber als Dünkel, einfach weil das damit gebackene Brot besser schmeckt...
    Die richtige Schublade, was mich hierher treibt betreffend, konnte ich in der
    vorhandenen Auflistung NICHT finden. Es gibt nur einen Grund:


    Ich "beackere" in so ziemlich solitärer Einsamkeit einen entlegenen musikalischen Acker und bin auf der Suche nach Interessenten, die mich auf den geernteten Früchten nicht sitzen lassen, sondern jene gerne mit mir teilen wollen.
    Dabei ist es mir egal, ob diese nun sonst auf Beethovens Klaviersonaten eingeschworen sind oder beim Hören eines Songs von Britney Spears nen feuchten Slip bekommen...


    Ich gebe aber auch unumwunden zu, manches von Nono gut und hörenswert
    zu finden und ich hatte vor eniger Zeit die Gelegenheit, seine charmante Frau, eine Tochter des Komponisten Arnold Schoenberg, kennenzulernen...
    Ich weiss, das spricht weder für Nono noch für mich, aber man kann nicht alles haben.


    In einem kann ich dem Themenstarter unumwunden zustimmen bei folgendem Satz:


    Zitat

    Ich finde mich nett, intelligent, attraktiv und humorvoll


    Anstelle des "n" bei nett nehme ich einen kleinen Austausch vor und wähle ein "f" !


    Und im übrigen halte ich es mit Friedrich Nietzsche, der schrieb:


    Zitat

    Natürlich wäre ich viel lieber Basler Professor als der liebe Gott, aber ich kann meinen Privat-Egoismus nicht soweit treiben, darüber die Erschaffung der Welt zu vergessen !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Und sie hält es nicht nur für nicht möglich, sie kann diesen vorigen Satz gar nicht verstehen (La Grange? *malschnellimMGGnachschlag*)


    hab kein MGG. was ist "la grange"?


    merkwürdig ist in jedem fall die behauptung, dass die grenze zwischen e und u anders gezogen gehört. wo denn?
    ?(


    (jedenfalls irgendwo zwischen nono und bohlen. ich kenne übrigens keine bohlen-fans. in österreich ist der nicht so beliebt wie in deutschland.)

  • KSM:


    Zitat

    (jedenfalls irgendwo zwischen nono und bohlen. ich kenne übrigens keine bohlen-fans. in österreich ist der nicht so beliebt wie in deutschland.)


    Hallo KSM, sag das nicht, du kennst nur die falschen Leute ! :D

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Bei meinem geringen Kenntnisstand bei klassischer Musik kann ich mir gar keine Dünkel leisten, aber natürlich erwische ich mich doch immer wieder dabei...


    Bohlen hat übrigens mal gesagt, daß an manchen Tagen auch ihm nur Sch... einfällt. Wird also interessant, wenn nach seinem Tod die Archive geöffnet werden und die Perlen zum Vorschein kommen... :kotz:

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Hans SachsBohlen hat übrigens mal gesagt, daß an manchen Tagen auch ihm nur Sch... einfällt.


    Wieso "an manchen Tagen"?... :untertauch: :untertauch:
    Tschuldige, aber der musste sein...

  • Zitat

    Original von die winterreisende


    Wieso "an manchen Tagen"?... :untertauch: :untertauch:
    Tschuldige, aber der musste sein...


    War ja nicht von mir, das Zitat... Off topic: Ich erinnere mich noch genau an die "Wetten, dass..."-Sendung, bei der Modern Talking wieder auftauchten. Plötzlich ging reihum das Geständnis los, daß die ja gar nicht so schlecht waren, man habe ja diverse Platten von denen usw... Ich war wohl definitiv in schlechte Gesellschaft geraten... :pfeif:

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Nun, welchen Dünkel treibt die Forenteilnehmer in diese heiligen Hallen? Es gibt mehrere Typen, will man Schubladen bemühen. Und man kommt kaum aus ohne sie (die Schubladen natürlich). Die wahrscheinlich größte Schublade ist die, in der sich die tummeln, die meinen, es gäbe keine.
    O, wie ich sie beneide, die, die allen Ernstes behaupten, es gäbe keinen Unterschied zwischen E- und U-Musik. Natürlich gibt es den. Aber seltsamerweise verläuft diese Grenze nicht unbedingt da, wo der Dünkelhafte sie gerne ziehen würde. Dass man sich als Klassikfachmann (ich benutze diesen Ausdruck auch für das leider etwas unterquotige weibliche Forenpersonal) abschätzig über Popmusik äußert, gehört beinahe zum guten Ton, allein, diese Aussagen sagen meistens mehr aus über den, der diese Aussagen tätigt, als über die, über die sie getätigt werden. Dass sich im Pop- und Rockbereich sehr wohl sehr gute ausgebildete Musiker tummeln, die in der Lage sind hervorragende Musik zu machen, kann nur der anzweifeln, der ernsthaft einer DVD einer Frau-Diavolo-Aufführung mit einem lächerlich kostümierten Hermann Prey beiwohnen kann, ohne auch nur eine Sekunde mit den Mundwinkeln zu zucken. Dass Popmusik nicht nur aus Dieter Bohlen besteht, sollte sich auch im Kundenkreis eines Luigi Nono herumgesprochen haben. (Wobei man sich hier die Frage stellen darf: Wem würde ich eher im Dunkeln begegnen wollen: Fans von Nono oder Bohlen?)


    Also die Vertreter dieses Typs (der den Unterschied zwischen E und U abstreitet) sind offenbar nicht dünkelhaft.


    Somit liefert das Eröffnungsposting nur einen Dünkel-Typ:
    Den Bildungsbürger.


    etwas mager.

  • Ich unterstelle mal, dass trotz der humorigen Form, eine ernster Kern in dem Beitrag stecken soll.
    Es wird ja schon angedeutet, dass "Dünkel" kein Problem von Musik ist, sondner von sozialen Gruppen bzw. ihnen zugehörigen Einzelpersonen. Eine viellleicht etwas zu vereinfachende, aber gewiß nicht ganz falsch liegende Erklärung wäre, dass dünkelhaftes Verhalten zur Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen und Bestätigung der Zugehörigkeit zur relevanten Gruppe dient (und ggf. zum "Test" von prospektiven Mitgliedern dubioser Herkunft, z.B. zum Blamieren einens "Neureichen" in einer Gruppe etablierten Geldadels u.ä.). Aber solch ein Verhalten gibt es überall, und ich habe den Eindruck, dass je wiilkürlicher oder gefährdeter die Etablierung der Gruppe ist, desto größer der Dünkel.
    Weh dem, der in der entsprechenden Umgebung nicht eine größere Menge von Monty-Python-Sketchen auswendig kann, Anspielungen auf "Per Anhalter durch die Galaxis" nicht erkennt oder Death metal und Black metal verwechselt.
    Wer sich seines Standes gewiß ist, benötigt kein solches Verhalten. Je
    willkürlicher aber ein "Kult" etwa der Popkultur (oder Mode o.ä.) daherkommt, umso mehr Dünkelhaftigkeit ist erforderlich.
    Die Klassische Musik und ihre Anhänger haben daher überhaupt keinen Dünkel nötig.
    Ebenso ist die Unterstellung vorschnell, jemand vertrete eine gewisse Position bloß, um sich zu profilieren. Das mag zwar der Fall sein, aber hätte z.B. Gould es nötig gehabt, sich durch seine Kritik an zB Mozart zu profilieren? Daher unterstelle ich auch Forianern erstmal Ehrlichkeit. Manche haben halt noch nicht verstanden, dass J. Strauß trotz Rieu großartige Musik geschrieben, während R. Strauss meistenteils monumentale Zuckerwatte produziert hat. Aber sie haben es nicht nötig, solches bloß zur Profilierung zu behaupten. ;)
    Abschließend möchte ich noch darum bitten, ein gewisses Nveau nicht als Dünkel mißzuverstehen. Es gibt Forianer, die sich mehr oder minder professionell mit Musik oder auch mit der Erstellung von Texten befassen. Es ist nicht zumutbar, dass die sich "dumm stellen" aus Angst, sie könnten zu speziell oder zu schwer verständlich schreiben. Seltsamerweise ist die (nicht undünkelhafte) Ansicht weitverbreitet, bei gewissen Themen sei Professionalität irrelevant und alle befänden sich auf der gleichen Ebene. Aber keiner erwartet von dem mitschreibenden Ingenieur, dass er vergißt, dass er besser als der Laie weiß, wie Verstärker, Schallwandler usw. funktionieren. Warum sollte es dem Profi auf einem anderen Gebiet anders gehen? Stattdessen sollten wir froh sein, enstprechende Expoerten unter uns zu haben.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • je mehr ich in diesem eröffnungsbeitrag auf der suche nach inhalt herumstöbere, umsomehr widersprüche finde ich. der bildungsbürger soll einerseits aleatorik im munde führen, andererseits die e-gitarre nicht als instrument würdigen. ein bildungsbürger, der die aleatorik dauernd im munde führt, wird aber wissen, dass in einem hauptwerk des serialismus, nämlich "gruppen für 3 orchester" von stockhausen, eine e-gitarre vorkommt und sogar streckenweise solistisch hervortritt.
    :yes:

  • Soweit erst einmal „Vielen Dank“ an all diejenigen, die sich nicht nur die Mühe gemacht haben, meinen Text zu lesen, sondern die sich auch per Antwort daran beteiligt haben. Ich hatte schon geargwöhnt, er bliebe sehr lange unbeantwortet und unbeachtet, was ich mir nur durch „Dünkelhaftigkeit“ hätte erklären können. :D


    Ich möchte einige Dinge ergänzen, bzw. klarstellen. Da ich mir leider die Unart angewöhnt habe, während des Denkens zu schreiben, wird kein Text von mir widerspruchsfrei sein. Eine Kritik dessen aber nehme ich gerne an.


    Ich habe eine wichtige Sache vergessen, die mir bei aller Ironie sehr wichtig ist. Ich habe in diesem Forum bisher keinen Fall von Dünkelhaftigkeit erkennen können. Okay, wenn man mal ganz genau hinsieht, kann man einige Anzeichen erkennen, was aber wahrscheinlich eher am (sic!) Auge des Betrachters liegt.


    Ich schätze die Art und Weise, wie hier über Musik kommuniziert wird, außerordentlich und vor allem das Wort der Experten, die mir mir unbekannte Musik näher bringen und es vermögen andere zu begeistern. Damit sage ich aber nichts Neues, das dürfte jeder hier erfahren (haben). Ich sage es nur, weil ich fürchte, es könnten sich welche angesprochen fühlen. Was mich aber doch interessieren würde, wenn es so wäre, und vor allem, woran die Angesprochenen es gemerkt hätten :baeh01:


    Ein weiterer Aspekt, der in meinem Text (den hab ich nicht geklaut) nicht sehr eindeutig ist, ist der Umstand, dass ich mich zuweilen selbst des Dünkels bezichtigte, ja sogar ihn pflege, obwohl ich es in einem Verhör niemals zugeben würde. Ja, ich fühle mich der Weltherrschaft näher, wenn ich wieder merke, dass mir Bach-Hören so viel Freude macht und ich ein Privileg besitze, das Bohlen-Fans nunmal niemals besitzen können. Und ich empfinde mich als zu „den Guten“ gehörig, und zwar politisch völlig unkorrekt, wenn ich die zarte Meinung hege, dass meine Tochter mit schönerer Musik aufwächst und ergo ein besserer Mensch wird als Kevin und Justin nebenan. Und ich habe prompt ein schlechtes Gewissen, wenn sich mir diese Gedanken aufdrängen…


    Übrigens. Ein Bildungsbürger, der Aleatorik im Munde führt ist eigentlich keiner mehr. Er ist schon ein Eingeweihter. Aleatorik übersteigt den Begriff des Bildungsbürgers bei weitem, er diente mir lediglich als rhetorische Finesse. Ich entschuldige mich bei allen Aleatorikern…


    Übrigens 2, „La Grange“ ist ein Song der Rockband ZZ Top…


    Übrigens 3, Stockhausen ist der, der behauptet vom „Sirius“ zu stammen?

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Dass man sich als Klassikfachmann (ich benutze diesen Ausdruck auch für das leider etwas unterquotige weibliche Forenpersonal) abschätzig über Popmusik äußert, gehört beinahe zum guten Ton, allein, diese Aussagen sagen meistens mehr aus über den, der diese Aussagen tätigt, als über die, über die sie getätigt werden. Dass sich im Pop- und Rockbereich sehr wohl sehr gute ausgebildete Musiker tummeln, die in der Lage sind hervorragende Musik zu machen, kann nur der anzweifeln, der ernsthaft einer DVD einer Frau-Diavolo-Aufführung mit einem lächerlich kostümierten Hermann Prey beiwohnen kann, ohne auch nur eine Sekunde mit den Mundwinkeln zu zucken.


    Hallo Herr Schwarznatter,


    An sich habe ich nichts gegen Popmusiker bzw Popmusikanten.
    Aber ich habe alles gegen Popmusik. Das tut Weh an meinen Ohren, meinem Geschmack und meinem Gefühl der Ästhetik.
    Mir scheint, Sie haben diesen Unterscheid in Eurem Beitrag nicht gemacht. Das fehlen davon betrachte ich nicht als ein lichtendes Beispiel, oder wenn Sie wollen "es ist ein dunkeles Beispiel", um zu urteilen. :D


    Trotzdem, einen strahlenden Tag wünscht Euch
    Paul


    PS Das Wort "meistens" ist hier Klasse. :D :D

  • Dann will ich mal psychostrippen:

    Zitat

    Original von Blackadder
    Es gibt weiterhin den bildungsbürgerlichen (humanistischen) Dünkel, der alleine aus dem Umstand seiner genossenen Erziehung einen Standesunterschied generieren will, was den Träger dieser education als ausgemachten Monarchen ausweist und man sich allen Ernstes fragen muss, ob er der freiheitlichen Grundordnung einer Demokratie überhaupt gewogen ist.


    könnte man bei mir so sehen.

    Zitat

    (Hier sollte man über die Gefahren klassischer Musik in Demokratien genauer nachdenken. Ich denke an einen Ethikrat, der, bestehend aus Sonderschullehrern, Theologen und Bäckereifachverkäuferinnen, genaueres dazu beschließen möge.) Hierunter fallen vor allem Leute, die in der Lage sind, mehrere Instrumente zu spielen und mehrere Sprachen antiker Speiseölländer gleichzeitig zu hören.


    Instrumente ja, Speiseöl nein.

    Zitat

    Der Dünkel dieser Klientel besteht vorzugsweise aus dem Umstand, dass sie gerne und oft unaufgefordert betonen, dass sie es nie heraushängen lassen würden, eine Symphonie von Ries dem neuen Album von Elton John zu bevorzugen.


    nein, Namen von Pop-Musikern kommen mir selten ins Hirn

    Zitat

    Die Namen Mozart und Beethoven werden freilich gar kaum mehr gebraucht. Eher fallen Namen wie Pleyel, Krommer


    tendenziell ja, aber nicht Pleyel und Krommer. Im Laufe der Zeit aber wieder weniger.

    Zitat

    und Dominantseptakkord, und ein augenzwinkernder , konspirativer Hinweis auf den sechsunsiebzigsten Takt des Prager „Don Giovannis“, geschmückt mit einem „Du-weißt-was-ich-meine“-Lächeln, was selbstverständlich dem Genuß eines „Slayer“-Albums eine gewisse absurde Note verleihen kann. Auch der Begriff der Aleatorik, sonst in Lehrerzimmern zuhause, wenn es um die Abschlusszeugnisse geht, wird gerne als Parfum des Geistes gereicht, ob die beteiligte Umwelt nun dies wünscht oder nicht.


    das weise ich mal zurück. Aleatorik ist für mich kein Parfüm sondern eine Komponierweise und das „Du-weißt-was-ich-meine“-Lächeln glaube ich auch nicht im Repertoire zu haben. Aber vielleicht irre ich mich?

    Zitat

    Leider ist ein Großteil dieses Standes nicht in der Lage, eine Gemütsregung nachzuvollziehen, die man in freier Wildbahn als „Ironie“ bezeichnet. Ist dieses Klientel noch durchaus imstande, den „Humor“ einer verlängerten Fermate diebisch auszukosten, streikt sie jedoch bei gewissen Respektlosigkeiten, die man ihrer Kulturbeflissenheit zumutet. Sie erschrickt über jedes „flapsige“ Wort.


    teils teils. Einerseits bin ich selbst ironisch, andererseits empfindlich ...
    Übertrieben gehaltene Fermaten finde ich aber nicht humorvoll sondern geschmacklos.

    Zitat

    Ja, sie hält es für gänzlich ausgeschlossen, dass jemand sich der Matthäus-Passion mit Inbrunst widmen kann, um anschließend zwei Flaschen Tequila (und auf keinen Fall eine Flasche Chateau Unbezahlbar) zu vernichten damit man endlich in der Lage ist auf der E-Gitarre („Das ist kein Instrument, das ist eine Straftat!“) „La Grange“ fehlerfrei herunter zu spielen.


    bedenklich wirds ohne die Flaschen dazwischen.

    Zitat

    Und sie hält es nicht nur für nicht möglich, sie kann diesen vorigen Satz gar nicht verstehen (La Grange? *malschnellimMGGnachschlag*)
    Soweit ein kurzer Abriss über den „negativen“ Dünkel. Natürlich gibt es auch einen positiven Dünkel. So einen, wie ich ihn besitze, zum Beispiel. Ich finde mich nett, intelligent, attraktiv und humorvoll.


    nun, der negative und der positive sind natürlich eins.

    Zitat

    Und ich schätze klassische Musik. [...]


    Mahlzeit.

  • Zitat

    Original von Johannes RoehlManche haben halt noch nicht verstanden, dass J. Strauß trotz Rieu großartige Musik geschrieben, während R. Strauss meistenteils monumentale Zuckerwatte produziert hat.


    Danke für dieses exzellente Beispiel praktizierten Dünkels :D


    Hallo Osmond ;),


    ich für meinen Teil möchte mich durchaus solidarisieren mit dem von dir beschriebenen Typus, der nach dem Genuss der Lothar-Matthäus-Passion und irgendeines hochprozentigen Tranks zur E-Gitarre greift. Allerdings würde ich mir kein fehlerfreies Spiel mehr zutrauen (im nicht alkoholisierten Zustand wahrscheinlich auch nicht). Daher wird vielleicht auch die neuste Cradle of Filth-Scheibe eingelegt und munter mitgeröchelt.


    :hello:

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Guten Abend.


    Danke, Draugur. Ebendas hatte ich auch empfunden, als ich den Text von Johannes gelesen hatte.


    Und noch eins. Wenn Du, Johannes schreibst, dass man "ein gewisses Nveau nicht als Dünkel" missverstehen sollte, gehe ich gern mit. Es soll sich auch niemand dumm stellen müssen. Allerdings erwarte ich auch vom Experten, dass er sich so äußert, dass er Interesse an der Diskusson erkennen lässt und den weniger beschlagenen Schreiber gleichsam mitnimmt (und zwar letztlich zu tieferen Erkenntnissen). Apodiktische Monologe empfinde ich zumeist nur als mäßig interessant.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • lohengrins, ich bin da ganz bei dir und deinem Beitrag. Nichts gegen Expertentum und fundiertem, übermittelndem Wissen. Unfreiwillig komisch wird es immer nur dann, wenn die Qualität der Musik, die man hört, liebt oder näher bringen möchte scheinbar auch auf die Person übertragbar sein soll. Frei nach dem Motto: Klassikhörer erziehen ihre Kinder besser, schlagen ihre Frauen nicht, sind die besseren Liebhaber, riechen angenehmer und besitzen das feinere Sozialverhalten. Gerade letzteres lässt sich bei Konzertbesuchen fortwährend mit Genuss widerlegen.


    Aber so etwas ist wohl forenimmanent: Im Bayern München-Forum wird man nachlesen können, warum Werder Bremen-Fans zweitklassige Menschen sind. Die Damen des Strickforums werden sich ebenso über diejenigen des Häkel-Forums erheben, genau wie die Mitglieder des "Wir haben ein Häuschen in Schweden"-Forums über die des "Wir wandern durch die Bretagne"-Forums.


    Wer seine Musik-Hörgewohnheiten zum gewichtigsten Leitfaden zur Beurteilung und Einordung von Menschen macht, soll das tun. Aber ein Schmunzeln darüber darf erlaubt sein.


    Gruß
    B.

  • Mal zum Bohlen. Er macht zwar nicht die Art Musik, die mich anspricht, aber ich unterschätze ihn nicht. Er ist ein guter Produzent. Er kennt den Markt und weiss genau zu landen. Bohlen ist mehr, als Modern Talking. Ich habe Lieder gehört, die ganz ordentlich waren (in dem Rahmen für den sie geschrieben wurden) und musste feststellen, dass der Song von Bohlen ist und der Künstler von Bohlen produziert wurde. Bohlen verfügt über gewisse Kompositionskenntnisse muss ich leider sagen.


    ACDC kann man nicht mit Mozart vergleichen, wenn man wertend vergleicht. Das ist genau der Punkt. Musik kann man nicht wertend vergleichen, weil man dann immer jemanden auf die Füße tritt. Ich neige auch dazu Leute zu belächeln, die Wolfgang Petri hören, vor allem weil ich Bach kenne und höre und mich daran absolut erfreuen zu können. Dies ist aber falsch, da Musik Emotionen erweckt. Der der Wolfgang Petri hört verfügt sicherlich nicht über weniger emotionale Intelligenz als ich, wenn es so etwas überhaupt gibt.


    Auch ist es heikel mit Noten daherzukommen und zu sagen, hier dies hat aber ein komplexeres Notenbild als das und daher ist es besser. Nein, es ist nicht besser, es ist in diesem Moment einfach nur komplexer. Man darf das einfach nicht werten. Musik soll berühren. Der eine Künstler versucht das mit einem Kosmos aus Komplexität und Klang,der andere Künstler versucht es mit Minimalismus mit Harmonie mit Rhythmik und auch mit Klang.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Da will uns "Die Zeit" also ab nächster Woche mit einer neuen Serie, bestehend aus Buch + CD, die klassische Musik näher bringen. Kennt man irgendwie schon vom Spiegel und der Süddeutschen her. Naja, Zeitungen müssen halt an allen Fronten Geld eintreiben.
    Nicht etwa ein Grundlagenbuch zur klassischen Musik, nein, eine Buch/CD-Reihe, die sich 20 Interpreten widmet.


    "http://www.zeit-klassik.de/


    wie schön, daß uns die Zeit das "Klassikereignis des Jahres" präsentieren will.


    Aber, daß wir uns für diesen Kulturevent am Bahnhofskiosk auch noch DIE (Leder-) SCHUHE PUTZEN sollen, ist mir dann doch entschieden zu dünkelig bis kontraproduktiv.


  • apropos La Grange:


    Könnte hiermit eine Anspielung auf den von mir sehr geschätzten Joseph Louis Lagrange gemeint sein - einer der bedeutensten Mathematiker und Physiker aller Zeiten???


    :hello:
    Wulf.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Wulf
    apropos La Grange:


    Könnte hiermit eine Anspielung auf den von mir sehr geschätzten Joseph Louis Lagrange gemeint sein - einer der bedeutensten Mathematiker und Physiker aller Zeiten???


    Ich hatte keine Ahnung, dass das ein Rocksong ist, verkniff mir aber oben die Frage nach einem Zusammenhang mit dem Mathematiker Lagrange (oder dem Mahler-Biographen Henri La Grange), um nicht den dünkelhaften Bildungsbürger herauszukehren. :D Wobei beide Persönlichkeiten doch eher unter Spezial- als unter allgemeines Bidlungsbürgerwissen fallen...


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Absolut, ich muß gestehen zweiteren gar nicht zu kennen und ersteren auch nur deswegen, weil seine erweiterte Darstellung der Newtonschen Mechanik uns einiges Kopfzerbrechen in den Theorievorlesungen bereitet hat. :wacky: