Ganz ehrlich: Ich wollte das eigentlich an den Thread "Strauss-Opern für Einsteiger" anhängen. Aber dann hätte ich nicht nur Alfred im Nacken gehabt, sondern auch im Geist die Stimme meines verewigten Deutschlehrers gehört: "Hörst, Burschi, sowas nennt man Themenverfehlung. Und das ist auch dann ein Nicht genügend, wenn Du keinen einzigen Rechtschreibfehler machst."
Also zu "Richard Strauss für Aussteiger".
Ich gestehe es offen: Ich halte Richard Strauss für den überschätztesten Komponisten der gesamten Musikgeschichte. Vorsicht! Ich habe nicht gesagt "für den schlechtesten" - das wäre nämlich kompletter Unsinn.
Strauss ist keineswegs ein schlechter Komponist. Im Gegenteil: Er ist ein grandioser Handwerker. Seine Begabung liegt darin, etwas vorzutäuschen, was es bei ihm nur in Ausnahmefällen gibt, nämlich inspirierte Musik.
Er ist ein unvergleichlicher Könner, wenn er aus einem Nichts etwas macht, bei dem manch Klassikfan ins Schwärmen kommt. Ich denke etwa an die "Frau ohne Schatten". Ich hatte da ein langes Streitgespräch mit Marcel Prawy, der mir erklärte, welch grandiose Melodie "Mir anvertraut" sei. Ich hielt ihm entgegen, dass es sich dabei um ein simples Motivlein handelt, das durch ein paar Sequenzen nach Melodie klingt. Am Schluss des Disputs waren wir einig, nicht einig zu sein.
Ist ja auch kein Beinbruch...
Für mich hat Strauss fünf Werke komponiert, die meine Bewunderung erregen: "Salome", "Friedenstag", "Till Eulenspiegel", "Alpensinfonie" (ja, ja, so schlecht ist dieses Ding nicht, wie's von vielen Dirigenten gemacht wird), "Metamorphosen".
Wer nun aber nach einer Ausstiegsmöglichkeit aus dem Süßwaren-Konsum sucht, soll sich folgende Werke anhören:
- Intermezzo: Richard Strauss, der bekanntlich ein ziemlicher Pantoffelheld war, diskutiert szenisch seine Eheprobleme; hat ihm Pauline aber auch verboten, eine schmissige Musik dazu zu schreiben?
- Sinfonia domestica: Schon wieder die Strauss-Familie in Kontrapunkt und Scheinmelodie; "Ganz der Papa"- "Ganz die Mama"; hat jemand schon die einkomponierten Bäuerchen entdeckt, oder sind das nur die Hornkiekser, wenn die Wiener Philharmoniker das Zeug spielen?
- Arabella: Wow, es gibt sogar eine echte Melodie! "Aber der Richtige"; o.k., es ist die einzige in dieser Oper, sie ist auch nicht von Strauss, sondern ein Volkslied. Auch schon egal. Meine These: Stünde auf der Partitur als Komponistenname meinetwegen Franz Oskar Unterschacherberger, würde sich keine Bühne um das armselige Operchen bemühen.
- Capriccio: Mann, ist das spannend! Ist die Musik wichtiger oder der Text? Und wer kriegt die Gräfin - der Dichter oder der Komponist? Gäbe es eine Pause, könnte man seine Laune ja mit einem Gläschen Sekt heben. Oder entschwinden. Strauss hat schon um die Vorzüge des Einakters gewusst...
- Japanische Festmusik: Der Tenno lehnte Brittens "Sinfonia da requiem" ab, weil ihr Inhalt christlich und obendrein nicht sonderlich festlich war. Strauss hatte weniger Probleme, mitten im großen Krepieren was Schönes von sich zu geben. Und außerdem waren ja Nazi-Deutschland und Japan Verbündete. Ergebnis: Man höre sich den Vulkanausbruch an - und lasse einen Tränenausbruch über diese Musik folgen. Hoffentlich hat wenigstens das Honorar gestimmt...
- Daphne: Nein, reden wir nicht vom Schluß, ich weiß, daß der schön ist. Reden wir von den eineinhalb Stunden, ehe es zu dem Schluß kommt. Aber wenigstens führt Strauss das Alphorn in die Klassische Musik ein. Wahrscheinlich als Symbol für die Griechischen Alpen...
- Die ägyptische Helena: Äh, worum geht es doch gleich in dieser Oper? Aber wenigstens bin ich um eine Erfahrung reicher: Dass Austern Perlen enthalten können, weiß man. Aber bei Strauss singen sie auch noch. Schade, dass er nicht auch noch ein Ballett der singenden Muscheln hineinkomponiert hat. Andererseits: Auch so ist diese Oper lang genug.
- Und wer jetzt noch immer nicht geheilt ist, gönne sich das Ballett Schlagobers. Eigentlich müssten ja die Zuckerbäcker wegen Ehrenbeleidigung klagen...
Hab' ich noch was vergessen? - Ach ja, sicherheitshalber
PS.: Eben merke ich, daß ich im Opernforum möglicherweise falsch gelandet bin (es geht ja nicht nur um die Opern). Ich bitte unsere Moderatoren, eine entsprechende Umstellung vorzunehmen, wenn es gewünscht wird.