"Klassische Musik" - gibt es die eigentlich ??

  • Liebe Taminoianer,


    Wieder mal so ein provokanter Titel vom "Alten" - fast wie zur Zeit der Forengründung (mein Gott, das ist nun schon über 2 Jahre lang her)


    Wir befinden uns in einem Forum für "Klassische Musik", wobei der Begriff ja weitgehend mißbraucht wird.


    Was hat Musik des Mittelalters, der Renaissance, des Barock, der "echten" Klassik, der Romantik mit jener der "Klassischen Moderne, der Moderne und der Postmoderne (was kommt als nächstes ??)
    miteinander geminsam ?


    Eigentlich nichts - würde ich im ersten Moment sagen.
    Im zweiten Moment vielleicht, daß all diese Richtungen von "des Volkes gesunder Mitte :P " mehr oder weniger abgelehnt , bzw negiert werden......


    Damit ist aber die Frage nicht beantwortet, die eigentlich hinter dem Threadtitel steht: Was verbindet das Ganze - was verbindet UNS


    Neue Erkenntnisse erhofft sich


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Forianer,


    klassische Musik nach Wikipedia:


    "Der Begriff Klassische Musik hat mehrere Bedeutungen:


    Im engeren Sinn meint klassische Musik die Musik der Zeitperiode der Klassik bzw. den Stilbegriff der Wiener Klassik.
    In der Alltagssprache wird mit klassischer Musik oft die Gesamtheit der abendländischen Kunstmusik bezeichnet, wobei die Bereiche der Alten Musik und Neuen Musik meist nicht im Bewusstsein des „durchschnittlichen Klassik-Hörers“ verankert sind, da dieser hauptsächlich Musik aus dem 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert kennt.
    Im Sinne von mustergültig, beispielhaft, vollkommen wird oft auch die Musik anderer Epochen als „klassisch“ bezeichnet, z. B. der „klassische Palestrina-Stil“ oder die „Klassische Moderne“.
    Der Branchenjargon der Musikindustrie im deutschsprachigen Raum verwendet den Begriff gleichbedeutend mit E-Musik („ernste Musik“) im Gegensatz zur so genannten U-Musik („Unterhaltungsmusik“) - eine Unterteilung, die aufgrund vieler Grenzfälle und Ausnahmen umstritten ist.
    Auch die Kunstmusik außereuropäischer Kulturen wird oft als klassische Musik bezeichnet. "


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo,


    Zitat

    was verbindet UNS


    Wir hören keine Pop-Musik!?





    Klassische Musik = klug konzipierte Werke mit Sinn, Verstand und hoffentlich auch aus dem Herzen entwickelt.


    Gruß
    Jörg

  • Salut,


    es gibt zwei Blickwinkel:


    Innerhalb der "klassischen Musik" wird die Epoche der "Klassik" offenbar als kultureller Höhepunkt gehandelt. Tritt man aus dem Genre "klassische Musik" heraus, so könnte man diese Definition ebenfalls auf die "klassische Musik" als solche in Relation zu aller Musik anwenden.


    Ein besonderes Merkmal der "klassischen Musik" ist auch die Verwendung des Instrumentariums [welches wohl auch heute die "Anderen" von dieser Musik abschreckt]. Die meisten Instrumente fanden erst allmählich Einzug in die "klassische Musik", beispielsweise Trompeten und Pauken. Sie entstammen der Kriegs- bzw. staatsdienlichen Musik. Noch bis in 19. JH hinein wurden sie auch zumeist noch nur für entsprechende Anlässe im Orchester verwendet. Ähnlich verhält es sich beispielsweise bei der Orgel, dem einzigen wahren Kicheninstrument. Im klassischen Orchester unvorstellbar, gewann sie doch im 19. JH [erst] Aufmerksamkeit und wurde dann allmählich in das Orchester als "festes Instrument" integriert, erste Orgelsinfonien entstanden Ende der 1870er Jahre.


    Immer schon gab es "parallel" Volksmusik, eine vermeintlich "einfachere" Art der Musik, deren Ziel es war und ist, eine Gesellschaft zu unterhalten, zu beschäftigen, der Freude und Trauer einen [musikalischen] Ausdruck zu verleihen. Dieses Ziel hat sie mit der KM gemeinsam. Sie unterscheidet sich im Prinzip gar nicht von der KM, wenn man von den verwendeten Instrumenten absieht. Rein musikalisch - aber auch instrumental - gab und gibt es hier ein gegenseitiges Geben und Nehmen [Beispiele werden ausreichend bekannt sein].


    Ein weiteres "besonderes" Merkmal - nicht aber eine grundlegende Vorraussetzung - ist, dass die KM gegenüber der VM "virtuoser" sein kann. Jedenfalls hat sich dies zunehmend entwickelt und ist dann auch zeitweise wieder abgeflacht.


    Klassische Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Was hat Musik des Mittelalters, der Renaissance, des Barock, der "echten" Klassik, der Romantik mit jener der "Klassischen Moderne, der Moderne und der Postmoderne (was kommt als nächstes ??)
    miteinander geminsam ?


    Eine vielleicht etwas zu simple, da formale Antwort: Die Gemeinsamkeit ist, dass es sich um Kunstmusik handelt. Daher wäre der etwas gewundene Ausdruck "Kunstmusik der abendländischen Tradition" auch besser als "Klassik" (wobei ich volles Verständnis dafür habe, diesen Bandwurm nicht zu verwenden).
    Das verschiebt allerdings nur die Frage dahin, was Kunstmusik sei. Darauf würde ich zunächst eine ebenfalls nicht ganz befriedigende, weil formale Antwort geben: Musik ist Kunst, wenn sie sich nicht in einer sozialen oder andern Funktion erschöpft (also eine Art Selbstzweckcharakter besitzt). Wären Bachs Kantaten nichts anders als "Begleitmusik" zu einem Gottesdienst, hätten sie diesen Kunstaspekt nicht (und würden uns wohl auch kaum interessieren).
    Obwohl bis weit ins 18. Jhd. ein großer Teil der (Kunst-)Musik noch eine konkrete Funktion hatte, gibt es diesen Aspekt des über diese Funktion Hinausgehens spätestens seit der Renaissance (vermutlich schon im Mittelalter). Das wird u.a. deutlich, sobald eine Tradition mit Regeln usw. entsteht, bei der Künstler "musikalisch", nicht funktional reagieren. Wenn also z.B. bestimmte raffinierte kontrapunktische oder sonstige Strukturen als Reaktion auf ähnliche Strukturen entstehen, nicht weil irgendjemand meinte, die neuartige Musik würde ihrer Funktion als Element des Gottesdienstes besser gerecht.
    (Das ist ziemlich vereinfacht und schematisch, aber m.E. einer der Kernpunkte der Sache)
    Und vermutlich können Experten und Musikhistoriker hinter den oberflächlich verschiedenen Erscheinungsformen Elemente heraussschälen, die teils über Jahrhunderte Bestand haben. Noch recht konkret etwa Stimmführungs und Tonsatz-Regeln, abstrakter dann gewisse Prinzipien von struktureller Einheitlichkeit, Ökonomie der Mittel (Vielfalt aus wenigen Grundelementen), Bögen von Spannung/Verdichtung und Auflösung usw.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hmmm, ich kenne jemanden, der Zeit seines Lebens keine "klassische Musik" hörte und mit ungefähr 40 Jahren auf einmal den Beschluss fasste, sich ab sofort mit sog. "klassischer Musik" zu beschäftigen. Das erstaunliche an seinem Projekt: Er ging tatsächlich so gut wie möglich chronologisch vor: sprich, er startete mit Hildegard von Bingen, ging über Palestrina, Deprez, schließlich über Bach etc., Mozart, Beethoven, Romantik bis hin zu Stockhausen, Turnage, Reich etc.


    Nicht daß er fertig wäre - er beschränkte sich auf eine Wahl an Werken, die ihm vermutlich diverse Musiklexika ans Herz legten.


    Das erstaunliche: Ab der Wiener Klassik, spätestens aber ab Romatik und allerspätestens ab Debussy, war er der Ansicht, das alles schon mal gehört zu haben. Nämlich aus seinem Hörerfahrungsschatz der Musik bis zum 17. Jhd. Eine erstaunliche und auf den ersten Blick vielleicht etwas naiv anmutende Äußerung, der man jedoch nur bedingt widersprechen kann, wenn man weiß, daß Debussys Werke in der Tradition eine Rameau stehen und man in diversen Quellen lesen kann, daß Steve Reich in manchen Werken im Geiste ein Sohn des Perotin ist.


    In einem Musiklexika fand ich einmal die Aussage, daß der Höhepunkt der Vokalpolyphonie in der Renaissance und im Generalbaßzeitalter zu finden ist und daß J.S. Bach als letztes Glied dieser Kette zu sehen ist. Alles, was anschlißend folgte, kann man als "Epilog" deuten.


    Eine vermeintliche schwache, aber dennoch deutliche Gemeinsamkeit aller "klassischen" Werke des Abendlandes ist die (Vokal-)Polyphonie.


    (Arnulf Feil plädiert übrigens für eine getrennte Behandlung der Wörter Polyphonie und Mehrstimmigkeit, da auch in anderen Kulturen Mehrstimmigkeit auftaucht, die sich jedoch auf bestimmte Weise von unserer abendländischen zu unterscheiden scheint.)


    LG
    Wulf.

  • Hallo Alfred,


    was meintest Du eigentlich mit "echter" Klassik in Deiner Aufzählung?


    Ich kann z.B. mit der modernen Klassik alla Stockhausen nichts anfangen.

    Liebe Grüße
    der Manfred

  • @ Manni


    Unter "echter Klassik" verstehe ich den Zeitabschnitt "Klassik" der zwischen Barock und Romantik liegt, Etwa (1750- 1820)


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sorry, war doof gefragt.


    ... Barock, Klassik, Romantik ... -> ok.


    Das "echte" degradiert ja fast schon die anderen Zeitabschnitte/Epochen.


    Den Begriff "Wiener Klassik" mag ich auch nicht unbedingt.

    Liebe Grüße
    der Manfred

  • Hallo!


    Der Begriff "klassische Musik" in seiner umfassenden Form, wie er heute vielfalch ge- bzw. missbraucht wird, ist für mich der Versuch, bestimmte Musikrichtungen in einen Topf zu schmeißen, die da nicht zusammen reingehören - um sie gegenüber neueren Schöpfungen, wie Jazz, Blues, Rock&Roll, was auch immer, abzugrenzen.
    Die Begrifflichkeit stammt jedenfalls bestimmt nicht von einem Menschen, der "klassische Musik" kannte und mochte!



    Gruß,
    Spradow.

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