Die Sinfonien des Anton Bruckner

Der Schlüssel zu Bruckners Musik liegt meiner Meinung nach in seiner Biografie und in seinem daraus erwachsenen Glauben - und natürlich im Orgelspiel. Darauf muss man sich einlassen und damit muss man sich meiner Meinung nach ebenso beschäftigen wie mit der Musik selbst.

Von den Sinfonien kann man gar nicht genug Einspielungen haben. Ich scheue mich bei den Sinfonien, eine Gesamtaufnahme zu kaufen, gibt es doch soviele Leute, die Brucknersinfonien eingespielt haben. Jochum, Wand, Harnoncourt, Karajan, Furtwängler, Herreweghe, Giulini usw. (ich hoffe noch auf Gardiner). Zumal man sich darüber hinaus noch mit den verschiedenen Fassungen einiger Sinfonien beglücken kann, ist es wirklich nicht einfach eine Gesamtaufnahme zu empfehlen.

Ich bin gerade beim Hören der verschiedensten Aufnahmen.

Lieber Ulli,

aus der Jochum-GA kenne ich nur die 8. und 9. Meine ersten Bruckner-CD´s Damals (Ende der 80er) gab es die Symphonien bei der DG in einer Low-Budget-Ausgabe. Damals haben mir beide Aufnahmen gut gefallen, Jochum dirigiert zügig ohne Schnörkel. Die Klangqualität ist akzeptabel.

Problematisch an der Aufnahme der 8.: Jochum spielt eine Fassung (Haas) mit erheblichen Strichen (einer der Gründe warum die 8. bei ihm auf eine CD ging) und ich könnte mir vorstellen, dass es bei den anderen Aufnahmen der GA ähnlich ist. Aber das Problem der verschiedenen Fassungen stellt sich bei Bruckner ja ohnehin. Zumindest liegen inzwischen zu den meisten Partituren der Symphonien die Revisionsberichte vor, oder sind in Vorbereitung.

Persönlich ziehe ich inzwischen für Bruckner andere Dirigenten vor, aber das ist eben eine Geschmacksfrage.

Herzliche Grüße,

Christian

Ich besitze einige Aufnahmen von Wand (4. 5. und 9.), mir gefallen aber andere Aufnahmen auch besser. Hinsichtlich der neunten gefällt mir die unseres ehemaligen Gewandhauskapellmeisters Blomstedt am besten.

Lieber Ulli,

die Jochum-Einspielungen sind ganz gewiss gut geeignet, sich einen Überblick über das Brucknersche sinfonische Werk zu schaffen. Auf mich wirken sie heute, wenn auch auf durchaus liebenswürdige Art, ein wenig angestaubt....
Wie bereits erwähnt, wird es bei 7, 8 und 9 problematisch.

Wenn ich heute eine Gesamteinspielung empfehlen soll, kann ich das UNEINGESCHRÄNKT nur bei der von Riccardo Chailly tun, der, ein Unikum, sowohl ein Mahler wie auch ein Bruckner-Dirigent von hohen Graden ist.

Ansonsten empfehle ich eher den Kauf einzelner Aufnahmen:

Sinfonie 1: Abbado (DGG)
Sinfonie 2: Zender (Amati)
Sinfonie 3: Kubelik (Audite, mein persönlicher Favorit)
Sinfonie 4: Böhm (Decca 1973)
Sinfonie 5: Chailly, Thielemann
Sinfonie 6: Szell, Chung
Sinfonie 7: Giulini (DGG)
Sinfonie 8: Giulini (DGG)
Sinfonie 9: Giulini (DGG)

Zitat von Ulli

Wegen der verschiedenen Fassungen: Ist da nicht zwingend die letzte erstellte Fassung endgültig?

Unabhängig davon ist es natürlich interessant, Vorgängerversionen zu hören und ggfs. die vorgenommenen Änderungen herauszuhören.

Lieber Ulli,

Bruckner hat zum einen (um eine Aufführung überhaupt zu ermöglichen) oft Kürzungen, "Verbesserungen" etc. zugestimmt- und hat zum anderen selbst immer wieder an den Kompositionen gefeillt, bis sie seinen eigenen Ansprüchen genügten. Beides führte dazu, dass eben verschiedene Fassungen zu Bruckners Lebzeiten nebeneinander existierten: Besonders augenfällig bei der dritten Symphonie.

Aber- und damit komme ich auf Deine Frage: Bruckner hat die Autographen die seinem Willen als Komponisten letztgültig entsprechen testamentarisch der Österreichischen Staatsbibliothek vermacht und auch in seinem Testament verfügt, das dies die letztendlich"giltigen" Fassungen sind. Nur: Dieser Wunsch und Wille des Komponisten wurde lange Zeit geflissentlich ignoriert. Eine ganze Reihe von Herrschaften meinten es besser zu wissen als der Komponist selbst.

Herzliche Grüße,

Christian

Lieber Ulli,

mann kann nicht sagen, dass bei Bruckner die letzte Fassung immer die endgültige ist. Mitunter war der Komponist sehr stolz auf seine erste Fassung hat sich aber unter dem Druck seiner Kritiker genötigt gesehen, das Material teilweise komplett umzukrempeln und sich so selbst revidiert, so dass wohl stellenweise eine ganz andere Musik rausgekommen ist. Eigentlich könnte man so Bruckner mindestens eine Sinfonie mehr zuschreiben

Ich bin gerade dabei mir von der Dritten die verschiedenen Fassungen anzuhören.

Auch bei Bruckner lohnt es sich (5. 8.) mal bei Harnoncourt reinzuhören. Ich finde diese Aufnahmen sehr sehr gut!

Mit der Gesamteinspielung von Riccardo Chailly liebäugele ich auch, allerdings übersteigt diese momentan mein Budget. :motz:

@caesar ich lese grad eine sehr unterhaltsame Brucknerbiografie, in der dies etwas anders dargestellt wird. Sicherlich hat Bruckner auch aus eigenem Antrieb gefeilt, aber grundsätzlich, so wird zumindest in diesem Buch gesagt, war hier die Kritik außenstehender stets der Triebpunkt.

Nicht nur eine schöne Bruckner-Biografie im Speziellen, sondern eine überhaupt sehr schöne und lebhafte Biografie, die dem Leser nicht nur berichtet, sondern ihn mitten ins Leben "Tonerls" zieht. Unglaublich wie da beschrieben wird, wie Bruckner schnaufend zum Friedhof stürmt und sich Schuberts Schädel bemächtigt um diesen unter den entsetzten Anwesenden heiß und innig an sich zu drücken

Zitat

Original von Masetto

@caesar ich lese grad eine sehr unterhaltsame Brucknerbiografie, in der dies etwas anders dargestellt wird. Sicherlich hat Bruckner auch aus eigenem Antrieb gefeilt, aber grundsätzlich, so wird zumindest in diesem Buch gesagt, war hier die Kritik außenstehender stets der Triebpunkt.

Lieber Masetto,

welche Biographie liest Du gerade?

Wen die Frage der Ausgaben und die Geschichte der GA interessiert, oder wer sich einfach einmal einen Überblick verschafffen möchte, sollte einmal einen Blick auf die Homepage des "Musikwissenschaftlichen Verlags" werfen, der seinerzeit extra für die Publikation der GA gegründet wurde und in dem diese bis heute erscheint.

Herzliche Grüße,

Christian

Zitat von Ulli

Wie sind diese Einspielungen insbesondere im Hinblick auf "den wahren Bruckner" zu beurteilen? - ich zitiere Ben: Dessen ungeachtet wäre ich dennoch dankbar, wenn man sich einmal primär dafür interessieren würde, was BRUCKNER selbst beabsichtigte und nicht mit dem was wir uns wünschen würden das er beabsichtigt hätte .... Das bezog sich zwar auf die Aufführungsfassung des Finales der Neunten, aber ich verallgemeinere es jetzt einfach mal - mit Verlaub! - aus Interesse.

Viele Grüße
Ulli

Moin Ulli,

unter der Prämisse einer "wahren Bruckner-Einspielung" bist Du imo bei Jochum nicht in den allerbesten Händen, aber wenn Du eine sehr gute Gesamtaufnahme suchst, dann schon.

Jochum hat "seinen Bruckner" geliebt, aber er stand teilweise in einer Tradition, die heute als "veraltet" gilt.
Beispielweise hört man in der Coda des Finales der 5. Sinfonie Verstärkungsbläser, die sog. "11 Apostel" (siehe Thread zur 5. Sinfonie), die nicht mehr gebräuchlich sind. Im Finale der "Romantischen" (4. Sinfonie) kommt ein Beckenschlag vor, der ebenfalls kaum mehr gespielt wird. Die Striche in der 8. Sinfonie hat Caesar 73 bereits erwähnt.

Das Beiheft zur Gesamtaufnahme ist sehr interessant und liefert einen umfassenden Einblick in die Sichtweise Jochums.

hallo, ulli,

ich bin mit den jochum-aufnahmen aufgewachsen und kann sie sehr empfehlen - dennoch sollte man die hier genannten bedenken berücksichtigen.

in der gesamtaufnahme - j. hat ja noch eine zweite (staatskapelle??, müßte nachschauen) aufgenommen - halte ich sie für gut bis sehr gut: schnelle tempi, kraftvoll, bläsergesättigt.

bei einzelaufnahmen gibt es viele gute: giulini!!!!!, auch bernstein - sehr ergreifend die neunte! -; auch karajan. auch barenboim; und paita (so bombastisch hab ich die 8. noch nie gehört ---ist sowieso einer meiner liebsten dirigenten!!! )

viel spaß beim kennenlernen. also, wie gesagt, in der gesamtaufnahme bist du mit jochum richtig gutbedient! lg

Zu Bruckners Sinfonien muss man das Drehbuch schreiben, nicht umgekehrt!

Zitat

Original von klingsor
hallo, ulli,

ich bin mit den jochum-aufnahmen aufgewachsen und kann sie sehr empfehlen - dennoch sollte man die hier genannten bedenken berücksichtigen.

in der gesamtaufnahme - j. hat ja noch eine zweite (staatskapelle??, müßte nachschauen) aufgenommen - halte ich sie für gut bis sehr gut: schnelle tempi, kraftvoll, bläsergesättigt.

Hallo Klingsor,

so ist es. Jochum hat noch einmal alle Sinfonien aufgenommen (alle > 0 ) mit der Staatskapelle Dresden.

Die Box ist von Brilliant Classics neu aufgelegt worden und für'n Appel und ein Ei erhältlich.

Ich hatte mir seinerzeit die "Originalaufnahmen" von der EMI gekauft und fand die Klangtechnik recht problematisch (aus dem Gedächtnis: wenig präsent und recht hallig).

Hallo BBB,

Zitat von BigBerlinBear

...
die Jochum-Einspielungen sind ganz gewiss gut geeignet, sich einen Überblick
über das Brucknersche sinfonische Werk zu schaffen. Auf mich wirken sie heute, wenn auch auf durchaus liebenswürdige Art, ein wenig angestaubt....
Wie bereits erwähnt, wird es bei 7, 8 und 9 problematisch.

Wenn ich heute eine Gesamteinspielung empfehlen soll, kann ich das UNEINGESCHRÄNKT nur bei der von Riccardo Chailly tun, der, ein Unikum,
sowohl ein Mahler wie auch ein Bruckner-Dirigent von hohen Graden ist.
...

Alles anzeigen

vielen Dank für den Tipp. Ich habe den Jochum (mit der Staatskapelle Dresden) und bin damit durchaus zufrieden, werde aber das Gefühl nicht los, dass er mir nicht permanent aus dem Herzen dirigiert. Deshalb habe ich mit Chailly schon geliebäugelt. Allerdings war für mich (wie von Dir angesprochen) irgendwie problematisch, dass ich bereits seine Mahler-Gesamtaufnahme besitze und damit sehr zufrieden bin - und Mahler und Bruckner gleichermaßen gut zu dirigieren vermag ja kaum einer (dachte ich).
Ich habe deshalb eine Einspielung der 8. von Chailly ergattert, um eine Idee von seiner Herangehensweise zu bekommen. Diese hat mir schon gut gefallen, ich empfand sie als gefühlvoll, ohne dabei in irgendeiner Weise unangenehm weihevoll oder pathetisch daherzukommen - und dazu noch transparent. Insgesamt sehr interessant. Jetzt noch deine Aussage, da werde ich wohl zugreifen müssen.

Gruß, l.

P.S.: Habe gestern sehr günstig die 8. mit Welser-Möst und dem Mahler Jugendorchester erworben. Habe erst kurz reingelauscht, finde das aber sehr spannend. Kennt jemand die Aufnahme?

Salut Ulli,

zur Zeit der Aufnahmen deiner Gesamteinspielung galt Jochum als einer der ersten Brucknerinterpreten überhaupt. Die Box wird also mehr als nur ein brauchbarer Einstieg zu Bruckner sein. Von hier aus kann man sich schon mit zusätzlichen Einzelaufnahmen den Bruckner-Horizont erweitern. Bei näherer Beschäftigung mit dem Komponisten wirst du auch nicht umhin können, dich mit der Problematik der verschiedenen Fassungen auseinanderzusetzen, weswegen es bei Bruckner auch nie eine Gesamteinspielung geben kann. Aber für beide Fragen sollte es schon einige Antworten in den Tiefen des Forums geben.

Lieber Ulli,

also:

Da wären die Eulenburg-Taschenpartituren (erschienen zwischen 1992 und 1996) diesen liegen die revidierten Partituren der kritischen Gesamtausgabe erschienen im MVV zu Grunde. Ansonsten eben die Partituren der kritischen Gesamtausgabe. Informierst Du Dich hier

Herzliche Grüße,

Christian

Hallo!

von Wikipedia geklaut.

"Die Rolle von Frauen in Bruckners Leben ist eigentümlich: Er schrieb zeit seines Lebens immer und immer wieder Briefe mit Heiratsanträgen, vorzugsweise an sehr junge Frauen um die 20 - immer erfolglos, was nicht schwer zu begreifen ist, wenn man sie liest. Sie ähneln dem rastlosen Drängen nach Anerkennung in der Musik, nur dass hier mit Zeugnissen und dergleichen wenig zu machen war."

Stimmt das? Und warum macht man sowas?

So ein verrückter "Vogel" muss in naher Zukunft mal wieder vermehrt von mir gehört werden.

Hallo SMOB,

das passt eher hier herein.

Gruß, Peter.

Hallo Forianer,

in Sachen Bruckner waren und sind für mich die Einspielungen unter Günter Wand eine wahre Erleuchtung. Aus meiner Sicht vermochte kein anderer Dirigent die Brucknerschen Klangmassen so überzeugend zu formen und bewältigen wie er

Schon seine erste Gesamteinspielung mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester war für mich sehr beeindruckend.

Einfach phänomenal sind seine Einspielungen der Sinfonien 4, 5, 7, 8 und 9 mit den Berliner Philharmonikern. Sein Tod verhinderte die Fortsetzung des Zyklusses.

Herzliche Grüße
von LT

Zitat

Original von Liebestraum
Hallo Forianer,

in Sachen Bruckner waren und sind für mich die Einspielungen unter Günter Wand eine wahre Erleuchtung. Aus meiner Sicht vermochte kein anderer Dirigent die Brucknerschen Klangmassen so überzeugend zu formen und bewältigen wie er

Hallo Liebestraum,

wirklich schade, dass Günther Wand den Zyklus mit den Berlinern nicht mehr beenden konnte

Aber dafür haben wir die Kölner Gesamtaufnahme und auch von den meisten anderen Symphonien liegen Aufnahmen mit dem NDR SO vor. Und die sind- wie ich finde- nicht sehr viel schlechter als die Aufnahmen mit den Berlinern, zumal sich Wands Bruckner Sicht nicht wesentlich geändert hat.

Herzliche Grüße,

Christian

Salut,

du hast immer noch dieses Problem? War das nicht mal aus der Welt?
Meinen Link kannst du ja mit der Zitier-Funktion aufschlüsseln, vielleicht fällt dir da etwas auf.

Bei mir funktioniert jedenfalls alles so, wie es soll.

Gruß, Peter.

Zitat

Original von lohengrins
P.S.: Habe gestern sehr günstig die 8. mit Welser-Möst und dem Mahler Jugendorchester erworben. Habe erst kurz reingelauscht, finde das aber sehr spannend. Kennt jemand die Aufnahme?

Habe eine Live-Aufführung davon in Köln erlebt. Die Aufnahme ist ebenfalls eine Live-Aufnahme aus Wien. Steht bei mir seitdem an erster Stelle. Nur ein Detail, aber was für eins: die musizierende Pauke trägt diese Aufnahme wesentlich und erschließt dem Werk eine neue Dimension, mMn.

Edit: wollte sagen eine weitere Dimension

PS Von Gesamtaufnahmen halte ich in musikalischer Sicht nicht viel, erst recht nicht bei Bruckner.

Hallo Helmut,

schön, dass Du das so siehst, ich sehe das nach ausgebigem Hören genau so. Für mich ist diese 8. unter Welser-Möst derzeit mein Liebling. Ähnlich (aber nicht so extrem) wie bei seiner Aufnahme der Alpensymphonie mit dem Gustav Mahler Jugendorchester geht er hier wieder quasi respektlos ans Werk. Für mein Empfinden baut er eine schöne Spannung auf, die auch während der gesamten Symphonie währt. Zudem mag ich den Klang der Aufnahme sehr, die tiefen Stimmen kommen klar und satt - ohne in irgendeiner hohlen Weise pompös oder pathetisch daherzukommen.

Weißt Du, ob es noch weitere Bruckner-Einspielungen des Mahler Jugendorchesters mit Welser-Möst gibt - ich habe nichts derartiges gefunden.

Gruß, l.

Hallo Holger,

vielen Dank für die Infos. Vielleicht kommt dann in der Zukunft noch mal eine Zusammenarbeit von GMJO und Welser-Möst, vielleicht bei der 9.?

Gruß, l.