Robert Schumann zum 150. Todestag: Messe op. 147 und Requiem op. 148

  • Der geistlichen Musik die Kraft zuwenden, bleibt ja wohl das höchste Ziel des Künstlers. Aber in der Jugend wurzeln wir ja alle noch so fest in der Erde mit ihren Freuden und Leiden; mit dem höheren Alter streben wohl auch die Zweige höher. Und so hoffe ich, wird auch diese Zeit meinem Streben nicht zu fern mehr sein.


    (Robert Schumann, Januar 1851)



    Die Messe für Soli, Chor und Orchester c-moll op. 147 wurde zwischen dem 12.2 und dem 30.3. 1852 komponiert. Im April bearbeitete Schumann sie zu Gunsten einer leichteren Aufführbarkeit für Orgelbegleitung.
    Unmittelbar danach (von Ende April bis Ende Mai) komponierte Schumann das Requiem Des-dur op. 148.



    Die Messe c-moll enthält neben den üblichen liturgischen Sätzen noch das Offertorium „Tota pulchra es, Maria“, das auf einer Textstelle des Hohen Liedes Salomons beruht, die als Alleluja-Vers zum Proprium des Festes der „Unbefleckten Empfängnis“ der Jungfrau Maria gehört. Schumann entsprach mit dieser Auswahl der örtlich besonders ausgeprägten Marien-Verehrung.
    Die Frage, ob Schumann die Messe als Konzertstück oder als liturgische Gebrauchsmusik komponierte, wurde und wird dennoch kontrovers diskutiert. Schumann jedenfalls hielt sie für den liturgischen Gebrauch verwendbar.
    Die Messe sollte erstmals zu Fronleichnam 1852 aufgeführt werden, wurde aber zugunsten der C-dur-Messe Beethovens zurückgestellt. Kyrie und Gloria wurden im Abonnementkonzert am 3.3. 1853 aufgeführt, die komplette Messe wurde am 25.7.1861 in Aachen uraufgeführt.



    Im Requiem Des-dur vertonte Schumann den liturgischen Text nicht vollständig und wortgetreu. Das Werk hat auch sonst sehr persönlichen Charakter, und ein konkreter Anlaß der Komposition ist nicht bekannt. Von Brahms und Wasielewski (Schumanns Düsseldorfer Konzertmeister und Biograph) ist die Aussage überliefert, Schumann habe das Requiem für sich selbst komponiert.
    Das Werk erklang erstmals 1864 in einer Privataufführung in Leipzig.



    (Quelle: Reclam Musikführer Schumann)



  • Hallo!


    Das Requiem habe ich in letzter Zeit häufig gehört, und ich mag es immer mehr, finde es sehr schön. Das "Te decet hymnus" ist derzeit ein richtiger "Ohrwurm" bei mir.
    In der EMI-Aufnahme, die ich habe und oben abgebildet ist, sind die Solistenparts übrigens gut besetzt: Helen Donath, Sopran; Doris Soffel, Alt; Nicolai Gedda, Tenor; Dietrich Fischer-Dieskau, Bariton.


    Mit der Messe komme ich irgendwie nicht zurecht, weiß aber nicht warum.


    Kennt noch jemand die Werke?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    ich kenne das Requiem. Aber da ich mir nicht sicher bin, ob ich es dieses Jahrtausend schon einmal gehört habe, kann ich auch nichts weiteres beitragen ;) . Ich werde aber demnächst das Versäumnis nachholen und dann berichten.


    Folgende Aufnahme nenne ich mein Eigen:



    Weiterhin enthalten ist das Requiem für Mignon op. 98 b.
    Die weiteren Gesangssolisten sind Thomas Moser und Jan Hendrik Rootering. Frau "Lipovsele" ist übrigens Frau Lipovsec.


    Dirigiert ebenfalls Sawallisch in der EMI-Aufnahme das Requiem?

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo, Norbert!


    Zitat

    Original von Norbert
    Ich werde aber demnächst das Versäumnis nachholen und dann berichten.


    Da bin ich schon gespannt, wie es Dir gefällt.


    Zitat

    Dirigiert ebenfalls Sawallisch in der EMI-Aufnahme das Requiem?


    Nein, der dirigiert die c-moll-Messe. Das Requiem wird von Klee dirigiert. Aber Helen Donath ist identisch.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Mit der Messe komme ich irgendwie nicht zurecht, weiß aber nicht warum.


    Salut,


    gerade das Kyrie finde ich wirklich sehr schön - es hat mich vorhin ans Sofa gefesselt. Es ist unaufdrunglich, dennoch zugleich energiegeladen. Der Christe-Passus ist besonders hübsch! Das Gloria ist absolut nicht mein Geschmack, auch die weiteren Teile weniger, aber umso mehr wieder das Agnus Dei, das sehr leicht, fast entrückt ist und auch sehr melodisch.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die Monumentalität eines Hector Berlioz oder eines Giuseppe Verdi darf man bei Robert Schumanns Requiem nicht vermuten, im Gegenteil. Es scheint mir ein sehr intimes, verinnerlichtes Werk von Schumann zu sein; der Hinweis, er hätte das Werk für sich selbst geschrieben, klingt für mich sehr schlüssig.


    Musikalisch fühle ich mich an das erinnert, was Ulli über das "Kyrie" der Messe geschrieben hat. Die Musik scheint mir "unaufdringlich, dennoch zugleich energiegeladen" zu sein.


    Von Schumann ein uneingeschränkt lebensbejahendes Werk zu erwarten scheint mir vermessen zu sein, aber seine Version eines Requiems hat nicht den Schrecken einer Totenmesse wie die anderer Komponisten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo!


    Zitat

    Original von Pius
    Das "Te decet hymnus" ist derzeit ein richtiger "Ohrwurm" bei mir.


    Und das ist im Prinzip so geblieben. Wenn ich "te decet hymnus" denke, dann habe ich immer sofort die Melodie aus Schumanns Requiem im Kopf. Diese Passage des Requiem-Texts finde ich hier unübertroffen vertont. :jubel:


    Übrigens finde ich das "Dies irae" stilistisch sehr ähnlich dem "Dies irae" aus Schumanns "Szenen aus Goethes Faust" (Gretchen im Dom bekommt ja einige Teile der Sequenz zu hören), was ja eigentlich auch nicht verwunderlich ist.


    Zitat

    Mit der Messe komme ich irgendwie nicht zurecht, weiß aber nicht warum.


    Das ist auch so geblieben.


    Ich verstehe nicht, warum das Coverbild oben als Negativbild zu sehen ist. ?(
    Ich bin mir sicher, daß es beim Thread-Start korrekt angezeigt wurde.


    Inzwischen ist die CD nur als Teil dieser Doppel-CD erhältlich:



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zufällig bin ich auf diesen Thread gestoßen, der sich mit eher selten gespielten Chorwerken von Robert Schumann beschäftigt und der ja beinahe noch in Folge seines 200. Geburtstages und schon beinahe wieder in Erwartung seines 155. Todestages aktuell ist.
    Ich hatte mir kürzlich die Sony-Box mit 25 CD's mit Werken Schumanns angeschaft und gestern das Requiem op. 148 in der hier schon genannten Aufnahme mit Wolfgang Sawallisch angehört:



    Ich war sehr überrascht von der positiven Grundstimmung, die von Anfang an, schon im Requiem aeternam herrschte und sich im Te decet hymnus noch weiter ins tatsächlich Hymnische steigerte. Auch im nachfolgenden Dies irae war nichts vom "Zorn Gottes" zu spüren, wie er ja bei Mozart und Verdi aus jeder Note kriecht.
    Im sich anschließenden Liber scriptus proferetur herrscht weiter eine friedliche Athmosphäre, die sich im quid sum miser zu einem wunderschönen Solistenquartett fortsetzt.
    Im nachfolgenden Qui Mariam absolvisti hebt die wunderschöne Altstimme Marjana Lipovseks zu einem trostreichen Solo an, bevor dann im chorisch angestimmten Confutatis ganz kurz so etwas wie mozartinisches Schreckensszenario auftaucht aber ebenso schnell wieder verschwindet und der Alt wieder wie anfangs fortfährt, bis dieser Satz mit einer logischen Fortsetzung dieser Friedensstimmung vom Lacrimosa des Chores beschlossen wird.
    Erst im Domine Jesu Christe kommt wieder herrkömmliche Requiemstimmung auf mit einer eindrucksvollen Libera animas-Fuge des Chores. Schon mit dem Sed signifer sanctus Michael wendet sich das Blatt wieder zum Dur und bezeichnenderweise lässt Schumann diesen Satz mit einer strahlend hymnischen Wiederholung der ersten Satzzeile Dominus Jesu Christe, Rex gloriae, enden.
    Auch das sich anschließende, jetzt wieder in moll vorgetragene Hostias, zuerst vom Alt, dann vom Chor übernommen, zeugt zwar vom Ernst der Situation, in der zum Andenken an die Toten, aber zum Lobe Gottes, Opfergaben und Gebete dargebracht werden.
    Attacca geht es dann, wieder in Dur, in majestätisch tiefer Lage zum Sanctus über, steigert sich zu einer feierlichen, getragenen Melodie und geht im Pleni sunt coeli et terra zu einem synkopisch swingenden Teil über, der dann auch als Fuge fortgestzt wird.
    Interessanterweise endet aber auch das Sanctus hier nicht auf der obligatorischen Schlusszeile Hosanna in excelsis sondern auf der vorletzten Zeile ...gloria tua. Das Hosanna in excelsis wird vorweggenommen. Diese Umstellung erinnert an das Domine Jesu Christe, wo Schumann auch das Rex gloriae an den Schluss setzt.
    Im letzten Satz unter dem Titel "Benedictus-Agnus dei", dem längsten des Requiems, hebt das Benedictus mit dem Solisten-Quartett an, bevor kurz darauf im chorischen Agnus dei noch einmal kurz Requiem-Stimmung verbreitet wir, um dann wieder in einem friedvolleren Lux aeterna, also der Communio, fortgesetzt zu werden, um in einer überirdisch schönen Requiem aeternam-Wiederholung mit dem elysischen quia pius est zu enden.


    Dieses Requiem steht in krassem Gegensatz zu den Requien Mozarts und Verdis, ist in weiten Teilen nahe bei dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms und weist schon weit auf das Requiem von Gabriel Fauré hinaus, was die elysichen Teile betrifft, ist aber noch mehr von friedvoller, trostreicher Grundstimmung, ein, wie ich finde, zu Unrecht wenig beachtetes Meisterwerk der romantischen Chormusik.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).