Will der Herr Graf ein Tänzlein nun schreiben- Graf Unico Willem van Wassenaer (1692-1766)

  • Hallo, hier nun die Vorstellung von


    Graf Unico Willem van Wassenaer (1692-1766)



    Unico Willem, das siebente Kind, erblickte am 2. 11. 1692 das Licht der Welt. In eine der ältesten holländischen Adelsfamilien hineingeboren, sein Vater war Botschafter der holländischen Republik in Berlin und Düsseldorf, verbrachte er seine Kindheit in Den Hag und auf Schloss Twickel zu Delden. Von 1710 bis 1713 studierte er Jura an der Universität zu Leiden. Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1715 erbte er das Twickel-Anwesen und den Titel der Riddershap (Ritterschaft) von Overijssel.
    Danach begab er sich auf die obligatorische Kavalierstour, die ihn höchstwahrscheinlich über Paris nach Italien, Wien und Prag führte, aber nichts genaueres weiß man nicht!

    Wappen der Familie Wassenaer


    Weiters gibt es keinen Beleg, dass Willem Musik studierte, bzw. ein Instrument erlernte.


    In Düsseldorf lernte er Werke von Agostino Steffani, Arcangelo Corelli, Attilio Ariosti und Georg Friedrich Händel. In der Hofbibliothek befanden sich auch die dramatischen Werke von Lully und Campra, sowie Instrumentalwerke von Händel, Bononcini, Corelli, Telemann, Tartini, Geminiani usw, die Willem oft selbst abschrieb oder eben abschreiben ließ.


    1723 heiratete er eine junge friesische Adelige und das Paar bekam drei Söhne. Er wurde wie sein Vater in den diplomatischen Dienst berufen und war als Botschafter in Paris, Köln und am Kongress von Breda, wo er ganz Holland vertrat.


    Am 9.11. 1766 starb Willem in Den Haag, wo er auch begraben wurde.



    Nach seinem Leben möchte ich nun eine Aufnahme vorstellen:

    6 concerti armonici – Aradia Ensemble unter Kevin Mallon


    Der Komponist der 6 Concerti armonici war für 200 Jahre in Vergessenheit geraten. Er hatte aber selbst dafür gesorgt, dass man ihn nicht als Urheber dieser Werke nennt, denn in den diplomatischen Kreisen, in denen er verkehrte, galt es als unschicklich „Compositeur“ zu sein. Zuerst wurden sie Carlo Ricciotti zugeschrieben, dann in die Werksammlung Pergolesis aufgenommen. Strawinskys Pulcinella- Suite enthält bekanntlich ja auch Werke von Pergolesi und da diese Concerti ja ihm zugerechnet worden waren, findet sich hier auch einen Tarantella, die auf dem letzten Satz des zweiten Concerti beruht.


    1740 wurden die Concerti in Den Haag erstmals veröffentlicht. Sie waren dem Grafen Willem Beutick gewidmet worden, einem Jugendfreund des Komponisten. Die Widmung wurde von Carlo Ricciotti, dem späteren Leiter des Opernhauses in Den Haag auf Wunsch Wassenaers vorgenommen, um nicht an seiner Handschrift erkannt zu werden.
    1755 erschienen die Concerti in London. Darum waren die Concerti auch in England lange Zeit weit verbreitet.


    Im Jahre 1908 erwarb eine Washingtoner Bibliothek eine Abschrift und schrieb die Werke, nun Concertini genannt, Pergolesi zu.
    1979 traf Albert Dunning, ein Musikwissenschaftler, mit holländischen Historikern zusammen, die ihm von einer Inventarliste auf Schloss Twickel erzählten, wo sie Musikmanuskripte auflisteten, die sie nicht kannten. Dunning untersuchte sie und fand heraus, dass Uncio Willem van Wassenaer diese Concerti armonici komponiert hatte.


    Diese Concerti armonici sind im Stile Corellis geschrieben, man hört das sehr deutlich heraus, vor allem in den langsamen Sätzen. Der Graf hat wahrscheinlich lange an ihnen geschrieben, vermutlich mehrere Jahre! Es handelt sich um Konzerte für 4 Violinen, Cello, Viola und b.c., sodass bis zu siebenstimmige Sätze entstehen.


    Mir gefallen die Concerti sehr gut und bin nun gespannt auf eure Meinung und ob ihr noch mehr Werke von ihm kennt!!


    LG Joschi


    PS: als Grundlage benutzte ich meist das Booklet zu der oben gezeigten CD!

  • Hallo Don Basilio,


    ich finde es prima, dass Du über einen Thread über Unico startest. Ich habe in Kurzform vor einiger Zeit etwas geschrieben in


    Rätselhaft, angehende Komponisten studierten zuerst Jura!


    Vielen Dank für Deine ausführliche und inhaltsreiche Darstellung. :]


    Es gibt noch zwei andere empfehlenswerte Einspielungen dieser sechs Konzerte mit Ton Koopman/Amsterdamer Barockorchester (bei ERATO),



    und Roy Goodman/Brandenburg Consort



    Mit freundlichen Grüßen aus dem Nordwesten, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Lieber Joschi,


    Ich bedauere es, daß unsere Rundfunk noch immer nicht auf meine Bitte reagiert hat.
    Sobald ich eine Antwort bekomme, wirst Du es wissen.


    Du hast meine Kentnisse über die Familie Van Wassenaer, und besonders über Unico, ziemlich nachgeholt.


    Am meisten bin ich aber erstaunt über dieses Wappen. Denn im Mittelalter gab es nur einmal drei wachsende Monden. Und außerdem auf ein grünes Feld. An sich ist das intrigierend. Denn da ist dann zweifelsohne Heirat und Vererbung Schuld an, daß das Wappen z.Zt. Unicos so geändert war. Wie es heute ist, weiß ich nicht. Das werde ich mal nachfragen beim Hohen Rat der Adel. Wie gesagt, solche Dinge lassen mir nicht in Ruhe.


    Meine Aufnahme der Concerti muß ich doch einmal erneuern. Es gibt offenbar gute Einspielungen.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von DonBasilio
    Diese Concerti armonici sind im Stile Corellis geschrieben, man hört das sehr deutlich heraus, vor allem in den langsamen Sätzen. Der Graf hat wahrscheinlich lange an ihnen geschrieben, vermutlich mehrere Jahre! Es handelt sich um Konzerte für 4 Violinen, Cello, Viola und b.c., sodass bis zu siebenstimmige Sätze entstehen.


    Also "im Stile Corellis" sind sie nicht, da gibt es erhebliche Unterschiede.


    Auf mich wirken sie etwas verzettelt/unausgewogen in krassem Gegensatz zu Corellis Werken. Ich nehme auch Einflüsse von Stilen wahr, die nach Corellis Tod aufkamen. Vivaldi und Locatelli werden Wassenaer wohl bekannt gewesen sein, woher die schon etwas an Vorklassik erinnernden Elemente kommen könnten, kann ich jetzt noch nicht sagen.


    Im Gegensatz zu den etwas altmodischen stilistisch sehr reinen und ausgewogenen Concerti Manfredinis (um einen anderen Kleinmeister der selben Generation zu nennen) würde ich die Concerti armonici als etwas eklektizistisch aber nicht minder reizvoll ansehen.


    Im neuen Booklet der apex-Koopmann-Aufnahme wird die Zuschreibung an Wassenaer als nicht ganz sicher angesehen.
    :hello: