Epigonale Schätze der klassischen Musik

  • Liebe Forianer,


    Immer wieder (und es ärgert mich ein wenig ;) ) ist von "braven epigonalen Handwerkern" und "Kleinmeistern" etc die Rede - und gerade ersteren sei dieser Thread gewidmet. Gäbe es nur mehr von ihnen !!


    Zur Erläuterung meines Gedankenganges:


    Beethoven hat eben nur 9 Sinfonien geschrieben, sein Stil scheint einzigartig- unverwechelbar.


    Aber da gab es einen gewissen Ferdinand Ries, der diese Tonsprache aufsog und - manchmal durchaus eigenständig und stets hörenswert -
    benutzte. Neuerungen in der Musikgeschichte hatte Ries aber nicht zu bieten - Immerhin 8 Sinfonien im Stile Beethovens - mit eigenen Themen. Grund genung für mich einen Freudensprung zu machen.


    Gernsheim wiederum schrieb wie Brahms - nur weniger düster und kompakt - wer kennt ihn heute noch ?


    Pleyel - der "Ersatzhaydn" (schon Mozart bestätigte dies) - er ist zwar nicht vergessen - aber irgendwie wird auch von ihm nicht alzuviel Notiz genommen. (Das mag sich 2007 -Ein Pleyel-Jahr- vielleicht ändern)


    Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen - und vielleicht sollten wir das auch tun - um weiteres Material für künftige Threads zu sammeln - aber das ist hier eigentlich nur ein Nebenthema.


    Ich stelle die Wertung von Epigonen in Frage - weil sie genau das machten, was der Konzertbetrieb einst von ihnen verlangte:
    Werke zu schreiben, die dem Publikum gefielen (Man darf nicht vergessen - der Stempel der Zweit- oder gar Drittklassigkeit - wurde diesen Komponisten in der Regel erst im 20. Jahrhundert aufgeprägt - als man "Neues um jeden Preis" suchte und Originalität vor Schönheit stellte.)


    Ich finde - es ist mir persönlich egal - ob ein Komponist etwas "neues" einführte - oder ob er "nur" Melodien schrieb, die mir gefallen.


    Ohrwurmthemen in Sinfonien sind ja heute verpönt - ja selbst von Komponisten ersten Ranges allenfalls geduldet.


    Ich hingegen sehe Sinfonien nicht als Stücke mit "Aussage" oder der Selbstfindung von Künstlern sondern als Kompositionen zum Vergnügen des Souvereigns: des nahezu allmächtigen PT. Publikums.......


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut,


    ich teile Alfreds Auffassung, dass man nicht pauschal von Epigonen sprechen kann: In aller Regel haben alle Komponisten irgendwelche zeitgenössischen Komponisten als Lehrer und/oder als Vorbild gehabt: So war dies Johann Christian Bach bei Mozart, Antonio Salieri und Joseph Haydn bei Beethoven, Mozart bei Hummel, Beethoven bei Ries; dergleichen Beispiele wird es zuhauf geben. Ganz logisch, dass gewisse Stilelemente bei den Schülern [zunächst] haften bleiben, wie auch gewisse Vorlieben der lehrenden Komponisten. Mozart wurde in Bezug auf seine Opern Mithridate und Lucio Silla, die ganz dem Gusto Joh. Chr. Bachs entsprechen, ebenso wenig als Epigone bezeichnet, wie Beethovens frühe Werke als epigonal jemals in der Musikgeschichte auftauchen – allenfalls als Übung. Letztlich sucht man ja nur nach einer Erklärung für das Unerklärbare. Nachdem z.B. der Vergleich Kraus/Mozart extrem hinkt und ins Wanken geraten ist – sicher ist nämlich bereits, dass Kraus weder Kleinmeister noch Epigone ist – zieht man nun den [heute!] etwas vernachlässigten Gluck als Vergleichsmuster heran. Ich bin schon dafür, dass man Vergleiche gerne anstellen darf: als Erklärungsversuch Personen gegenüber, welche die Musik von unbekannten Meistern nicht kennen – aber man sollte ihre Einzigartigkeit schätzen lernen und sie deswegen lieben und hervorheben.


    Lediglich den so geschimpften Kleinmeistern – eigentlich nur unbekanntere Komponisten – wird das Epigonenhafte angelastet. Der einzige Teilzeitepigone, der mir derzeit einfällt ist Louis Spohr mit seiner Historischen Sinfonie: Er ahmt hier ganz bewusst und offen den Stil Händels, Mozarts und Beethovens nach; das Werk ist aber mit einem deutlichen Augenzwinkern versehen, was nicht allein aus der Verromantisierung der ersten drei Sätze, sondern insbesondere aus dem letzten Satz „im ganz modernen Stile“ zu schließen ist – er übertreibt maßlos, so dass es an die Nerven geht.


    Lange Zeit waren ja als "Wiener Klassiker" lediglich Mozart, Haydn, Beethoven und - vielleicht - Gluck [jedenfalls namentlich] bekannt. Alles, was "neu entdeckt" wurde, galt sofort als Stilkopie oder epigonales Werk. Dass es aber in vielen Fällen genau anders herum war, dass nämlich Mozart bei anderen Komponisten sich bediente, um es dann in seinem Sinne "besser" zu machen, wird leider zumeist vergessen.


    Zitat

    Ich hingegen sehe Sinfonien nicht als Stücke mit "Aussage" oder der Selbstfindung von Künstlern sondern als Kompositionen zum Vergnügen des Souvereigns: des nahezu allmächtigen PT. Publikums


    Keine Ahnung, was ein PT. Publikum sein soll ?(


    Sinfonien haben nicht zwingend eine Aussage: Manche Aussagen werden einem Werk einfach angehängt - man schätzt und liebt es aber deswegen. Viele frühe Sinfonien Haydns und Mozarts sind definitiv ohne feste Aussage, dienen lediglich der Unterhaltung - wobei hier das "lediglich" bereits Grund genug ist, sie zu hören! Erst später - beginnend bereits mit der frühen Romantik - wird den Sinfonien von ihren Schöpfern manchmal eine echte Aussage eingehaucht - ob man diese nun zum Genießen benötigt oder nicht, ist ja egal.


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Schubert: Sinfonie Nr 5
    Grieg: Klavierkonzert


    :D:D :D :stumm:


    Man sollte nicht vergessen, dass der seinerzeitige Konzertbetrieb sehr viel gnadenloser ständig nach Neuem (auch wenn es häufig nur mehr vom gleichen war) verlangte als heute (heute will man eher, was man eh schon kennt). Und ebenso gnadenlos wurden die Sachen wieder vergessen. Zur Zeit Brahms' wurde gewiß kein Pleyel mehr gespielt, von Haydn ja nur die Oratorien und wenige weitere Werke. D.h. es ist nicht ein fieses, irgendwie besonders auf Originalität erpichtes 20. Jhd., das den Stab über die "Epigonen" (und auch über viele Nicht-Epigonen) bricht, sondern es sind die Zeitgenossen oder die wenig später Lebenden, dei sich einfach nicht mehr für deren Musik interessieren.


    Es ist ja keineswegs so, dass nur (radikale) Neuerer geschätzt würden (das sind weder Mendelssohn noch Brahms, noch Grieg, Tschaikowsky oder Dvorak u.v.a.). Aber irgendwas muß ein Komponist bieten, was ein anderer nicht ebensogut oder besser bietet. Daher bezweifle ich auch, dass abgesehen von ein paar Sammlern (oder extrem an bestimmten Epochen interessierten) wie sie sich hier im Forum finden, das größere Publikum wirklch Interesse an vielen dieser Ausgrabungen hat. Der normale Hörer ist mit einem (halben) Dutzend Haydn-Sinfonien zufrieden, was braucht er Pleyel oder Krommer, wenn er nichtmal die restlichen Haydn-Sinfonien kennt? Warum sollte jemand Onslows Kammermusik hören, wenn er von Mendelssohn höchstens das Oktett kennt?
    (Damit soll nicht gesagt sein, dass die genannten epigonal wären, sie stehen halt irgendwie zu Recht in der zweiten Reihe)

    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    Schuberts Fünfte ist sicher kein Werk, dass man als epigonal bezeichnen kann. Es mag [vielleicht!] eine Hommage an Mozart gewesen sein, vielleicht ein Gag, vielleicht Absicht, um bekannt und berühmt zu werden - oder purer Zufall, weil es Schubert eben gefiel. Als Epigonen - nicht als Komponisten! - werden ja Tonschöpfer bezeichnet, die mit einer gewissen Regelmässigkeit einem Vorbild nacheifern.


    Zu Recht steht ebensowenig jemand in der zweiten Reihe, wie jemand der eben einfach bei gleicher Tätigkeit und Qualität weniger verdient, als ein anderer. Es ist einfach ungerecht: C'est la vie...


    Was wäre denn, wenn es einen Mozart, Haydn und Beethoven niemals gegeben hätte? Wer wäre denn dann heute an der Spitze? Wohl kaum "Niemand"...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Was wäre denn, wenn es einen Mozart, Haydn und Beethoven niemals gegeben hätte? Wer wäre denn dann heute an der Spitze? Wohl kaum "Niemand"...


    Nein, nicht niemand, aber dann hätten die meisten etwas jüngeren anderen andere Werke komponiert.

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  • Salut,


    natürlich ziehst Du jetzt einen logischen Rückschluss. Das braucht man aber nicht - anders dargestellt: man stelle sich einfach vor, es hätte Mozart, Haydn, Beethoven doch gegeben - sie wären aber nicht so berühmt geworden, weil Zeitgeschmack und diverse uninteressante Umstände dies nicht zugelassen hätten. Trotzdem hätte sie ihre Schüler unterrichtet und ihre Werke komponiert. Wie wäre das heute?


    Bei aller Wertschätzung für die "Großen" habe ich fast den Eindruck, dass die überlieferten Anekdoten wesentlich mehr zur Beliebtheit beigetragen haben, als die Werke der Komponisten selbst?! Auch da ist eine Abstufung möglich: Am anekdotenbedachtetsten ist wohl Mozart, dann Beethoven, dann nichts, dann Haydn...


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    natürlich ziehst Du jetzt einen logischen Rückschluss. Das braucht man aber nicht - anders dargestellt: man stelle sich einfach vor, es hätte Mozart, Haydn, Beethoven doch gegeben - sie wären aber nicht so berühmt geworden, weil Zeitgeschmack und diverse uninteressante Umstände dies nicht zugelassen hätten. Trotzdem hätte sie ihre Schüler unterrichtet und ihre Werke komponiert. Wie wäre das heute?


    Ich halte es für zweifelhaft, dass uns "Was wäre, wenn" -Überlegungen hier weiterbringen, um zu klären, was tatsächlich war. Man kann "Zeitgeschmack" nicht von den Komponisten, die ihn wesentlich mehr als andere prägen, trennen, man kann keine Musikgeschichte schreiben und dabei so tun, als seien die einflußreichen Komponisten nicht einflußreich gewesen. Man kann nicht Beethovens und Krommers oder Hummels Plätze in der Musikgeschichte einfach vertauschen. Keiner von denen hätte den "Impact" gehabt, den Beethoven hatte und er hatte diesen nur aufgrund seiner Musik. Vielleicht kann man einzelne Künstler mal gegenüber "anonymen" Strömungen unterschätzen, aber selbst dann sind sie wichtig, weil sie eine Strömung besonders deutlich exemplifizieren. Man ist sich aber wohl einig, dass wirklich herausragende Künstler nicht einfach Repräsentanten einer Strömung sind, sondern verschiedene Einflüsse aufnehmen und auf unverkennbare Weise zu etwas Neuem, Eigenen umschmelzen


    Zitat


    Bei aller Wertschätzung für die "Großen" habe ich fast den Eindruck, dass die überlieferten Anekdoten wesentlich mehr zur Beliebtheit beigetragen haben, als die Werke der Komponisten selbst?! Auch da ist eine Abstufung möglich: Am anekdotenbedachtetsten ist wohl Mozart, dann Beethoven, dann nichts, dann Haydn...


    Das halte ich mit Verlaub für Unsinn (bzw. es trifft höchstens auf ein borniertes Publikum zu, dass sich gebildet geben wil, aber gar keine Ahnung von Musik hat, sich daher an Anekoten klammert) . Anekdoten werden überhaupt nur von solchen Leuten überliefert, die man für wichtig hält.
    Und zum hundertstens Mal: Der Einfluß (zumindest der über die unmittelbaren Zeitgenossen hinaus) eines Musikers läuft nicht über das allgemeine Publikum, sondern über andere Musiker (und nachgeordnet über ein paar andere wichtige Multiplikatoren wie Kritiker). Er hängt daher nur von gewisssen Qualitäten der Musik ab, nicht von Image, Anekdoten usw. Natürlich hatte Beethoven zu Lebzeiten schon ein "Image". Aber wir glauben doch nicht im Ernst, dass sein Einfluß auf die Musik des 19. Jhds. an diesem Image des unordentlichen, eigensinnigen, zerstreuten Titanen hängt!?!

    Schubert war zu Lebzeiten nur einem kleinen lokalen Kreis des Publikums bekannt, aber sein Werk nahm Einfluß auf Musiker wie Schumann, Brahms, Bruckner, weil es von Schumann u.a. publik gemacht wurde. Das Laien-Publikum war absolut zweitrangig für diesen Einfluß (ähnliches gilt noch viel krasser für den Einfluß JS Bachs; er war vielen Musikern, aber kaum einem Publikum in der 2. Hälfte des 18. Jhds. bekannt).


    Das ist aber eine ganz andere Diskussion als die von Alfred angeregte. Damit jemand "Epigone" ist, muß er langfristig nach dem Vorbild eines andern Komponisten oder einer Schule komponieren und zwar entweder irgendwie unoriginell oder in einer Zeit, in der dieser Stil nicht mehr zeitgemäß war. (Hätte Mozart sein Leben lang so komponiert wie er es mit ca. 14 tat, könnte man ihn wohl als JC-Bach-Epigonen bezeichnen). Daher beschimpften die Wagnerianer Brahms als Beethoven oder Schumann-Epigonen. Wenn man mit einem bestimmten Vorurteil bzgl. dessen, was 1870-80 zeitgemäße Musik sein sollte, ist das vielleicht sogar nachvollziehbar. Allerdings finde ich -selbst wenn man meinen sollte, Brahms sei allzu konservativ gewesen, dass seine Musik doch ausreichend von Schumann u.ä. verschieden ist, um den Vorwurf des Epigonentums rechtfertigen zu können.
    Da ich vermutlich zuwenige potentielle Epigonen kenne, fällt mir momentan auch keiner ein.


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Da ich vermutlich zuwenige potentielle Epigonen kenne, fällt mir momentan auch keiner ein.


    Ja, so geht es mir auch. Ich glaube nicht, dass der von Alfred genannte Gernsheim ein Brahms-Epigone war, viel eher ein ähnliches wollender Kollege, der außerdem seine erste Symphonie herausbrachte, bevor Brahms das mit der seinigen tat. Gernsheim ist natürlich (ebenso wie andere Kleinmeister) wegen seines persönlichen Stiles interessant, und nicht, weil er "Brahms-Ersatz" erzeugte (so wie Kaffee-Ersatz ...)

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Ja, so geht es mir auch. Ich glaube nicht, dass der von Alfred genannte Gernsheim ein Brahms-Epigone war, viel eher ein ähnliches wollender Kollege, der außerdem seine erste Symphonie herausbrachte, bevor Brahms das mit der seinigen tat. Gernsheim ist natürlich (ebenso wie andere Kleinmeister) wegen seines persönlichen Stiles interessant, und nicht, weil er "Brahms-Ersatz" erzeugte (so wie Kaffee-Ersatz ...)


    Ähnliches dürfte für Volkmann und Goetz gelten. Es gab aber wohl schon einen Kreis von Komponisten, die jünger als Brahms waren und sich sehr eng an diesen anlehnten; konkrete Namen weiß ich aber nicht (Fuchs?).


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Es ist ja keineswegs so, dass nur (radikale) Neuerer geschätzt würden (das sind weder Mendelssohn noch Brahms, noch Grieg, Tschaikowsky oder Dvorak u.v.a.).


    Das ist so nicht ganz richtig. Dvorak mag kein Neuerer gewesen sein, Tschaikowskij vielleicht auch nicht, aber wie Ansermet in seinem Buch "Musik im menschlichen Bewußtsein" richtig anführt, brachte Grieg durch den freien Gebrauch von Septimen und Nonen eine Erneuerung in der Harmonik.
    (Was Du immer so auf dem Grieg rumhackst. Vielleicht solltest Du mal mehr als nur sein KK op 16(!!) kennenlernen, was gewiß kein epigonales Werk ist, nur weil er sich ein großes Vorbild nimmt..ts ts :O )
    Über Brahms stellte Strawinsky einmal fest, er habe den "Braunton" in das Orchester eingeführt - also quasi,wenn ich es recht verstehe, ein neues Klangbild definiert.


    Zitat


    Der normale Hörer ist mit einem (halben) Dutzend Haydn-Sinfonien zufrieden, was braucht er Pleyel oder Krommer, wenn er nichtmal die restlichen Haydn-Sinfonien kennt?


    Wozu? Muß er doch nicht. Kann sich doch auch mit Pleyel-Sinfonien anfreunden.
    Ich kenne auch nicht alle Mozart-Symphonien (v.a. bei den frühen haperts), dafür aber einige Vanhal, Kraus, Pleyel- Symphonien. Habe ich jetzt was versäumt? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Die "großen" Werke werden einem doch aufs Auge gedrückt, die bekommt man doch eh mit...


    Zitat


    Warum sollte jemand Onslows Kammermusik hören, wenn er von Mendelssohn höchstens das Oktett kennt?


    Ganz einfach. Weil Onslow nicht zweitrangiger Mendelssohn ist, sondern erstrangiger Onslow. Ich finde Du führst ein wenig die falschen Beispiele an...


    Bei Kraus das gleiche. Der ist nicht zweitrangiger Mozart - was für ein blödsinniger Vergleich das wäre, sondern erstrangiger Kraus.


    Zitat


    (Damit soll nicht gesagt sein, dass die genannten epigonal wären, sie stehen halt irgendwie zu Recht in der zweiten Reihe)


    Johannes, das sind so Aussagen, die ich besonders liebe. :motz: Sie stehen halt irgendwie(!!!) zu Recht in der zweiten Reihe.
    Du bist doch Mathematiker, der Begriff "irgendwie" sollte Dir doch irgendwie(!) Schauer über den Rücken laufen lassen.


    Aber eigentlich geht es in diesem thread ja auch weniger um eine erneute Einteilung in "Großmeister" und "Kleinmeister" - sondern um den Vorwurf des Epigonalen - und seine Bewertung, wenn ichs recht verstanden habe.



    LG
    Wulf.
    [/quote]

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  • Was ich von Fuchs kenne (nur ein Streichtrio), hat mich eigentlich gar nicht an Brahms erinnert. Ich glaube wir sind da immer noch bei viel zu bedeutenden Komponisten. Die Heerscharen der Epigonen kennen wir einfach nicht mehr.


    Wenn man Epigonen hören will, muss man jetzt schreibende unbekannte Komponisten anhören, da ist die Chance, einen richtigen Epigonen anzutreffen, viel größer, weil sie noch nicht durch die Musikgeschichte "gesiebt" wurden. Allerdings freut man sich da eher, wenn man einen NICHT epigonalen Meister zu Ohren bekommt.

  • Salut,


    wie hat sich denn Schuberts Musik in Heute gerettet? Zu seinen Lebzeiten kannte ihn niemand, außer einem schönen Freundes- und Bekanntenkreis. Jene Anekdoten wurden überliefert, die von der "Unvollendeten", die vom "Dreimäderlhaus" und dass es da noch eine unbekannte Siebte geben soll... das macht die Sache doch spannend. Dennoch ist Schubert heute sehr viel weniger in Sinfonie-Konzerten präsent, als der Zeitgenosse Beethoven. Obwohl seine Sinfonien einen ganz ähnlichen Werdegang nehmen, nur etwas anders verteilt: Sie beginnen beide mit einer ziemlich "klassischen" Ersten und enden in einer für die Zeit mehr als modernen Neunten... dazwischen liegen unterschiedliche Entwicklungen mit - wenn man es so bezeichnen darf - "Rückfällen".


    Mozart hat den "Zeitgeschmack" am wenigsten geprägt und vertreten, nachdem er selbständig war, weshalb er ja auch ziemlich schnell weg vom Fester war: Er hat kaum Opernaufträge erhalten, das waren vielmehr die "Kleinmeister", die demzufolge sehr viel näher am Zeitgeschmack arbeiteten, als Mozart. Und Geld zu verdienen war nun einmal am leichtesten mit einer Oper, die entsprechend publikumswirksam war. Auch Vorreiter waren die "Kleinmeister", Mozart hat sich oftmals "nur" ins gemachte Nest gesetzt. Ich will mich da nicht im Detail verlieren, da es nicht mehr zum Thema passt.


    Für mich sind die heutigen Begriffe von "Epigone" und "Kleinmeister" gleichbedeutend bzw. gleichgewichtig, weshalb ich die Musikgeschichte aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachte. Also hat Brahms Johannes Ausführungen zufolge 1870 wie Beethoven komponiert? Ja und? Ich kenne die dies betreffenden Werke nicht oder nicht sehr gut. Ich bleibe aber bei meiner Ansicht, dass es der Musik selbst völlig gleichgültig ist, wann und von wem sie komponiert wurde. Wenn zum Beispiel eine benutzte "Vorlage" unbekannt - aber grandios - ist, so wird niemals jemand ein darauf aufbauend konzipiertes oder "komponiertes" Werk als epigonal bezeichnen können. Und damit ist dieser Begriff bereits nichts mehr wert.


    Die Falle schnappt spätestens dann zu, wenn ein weiterer Dritter im Jahre 1880 "wie Beethoven" komponiert, dann aber veröffentlicht, er habe eine Hommage an 1870er Brahms komponiert und von einem Beethoven niemals zuvor etwas gehört habe...


    Die Musik lebt davon, kopiert, verbessert, verändert, verfeinert, erweitert zu werden. Man wird in jedem Werk Anklänge an irgendein anderes Werk finden und kann so ganze Generationen von Komponisten quasi "zurückverfolgen".


    Just gestern kam auf dem ZDFtheaterkanal im Anschluß an Dvoráks Rusalka eine Dokumentation über die "Mozartkugel", ein Marketingbericht, den ich flüchtig und angeätzt mitverfolgte. Dabei war auch das Gespräch von einer computergesteuerten "Produktion" eines Mozart-Cello-Konzertes [das es nicht gibt] - es wurde aber anhand der Einspeisung von allerhand wichtigen [oder unwichtigen] Daten konstruiert. Es klang überhaupt nicht nach Mozart.


    Epigonen - es gibt sie nicht. Es erscheint mir eher wie ein Begriff aus der Freudschen Psychoanalyse... Namen für nicht [be]greifbare Dinge, die kein Mensch wirklich benötigt.


    Zitat

    Bei Kraus das gleiche. Der ist nicht zweitrangiger Mozart - was für ein blödsinniger Vergleich das wäre, sondern erstrangiger Kraus.


    :jubel: :jubel: :jubel:



    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Gibt es innovative Komponisten ?
    Ich glaube nicht. Es gibt auch keine Innovativen Künstler. Im Grunde ist alles eine Nachahmung die dann mit dem eigenen Stil zu etwas Neuem wird.


    So stellt die Musikwissenschaft Lully als einen der innovativsten Musiker der Musikgeschichte hin: Er kam - schuf die frz. Oper - und kloppte sich auf die Mauke um dann zu sterben...


    Aber auch er hatte seine Vorbilder (Cambefort, Boesset, Constantin, Dumanoir, Lambert, d'Assoucy etc...) er wurde zur Zentralgestalt durch die Monopolstellung die er sich schuf.


    Und wenn man jetzt die Nachfolge ansieht so gibt es sehr wohl Meisterwerke von den "Epigonen" - und diese "Epigonen" sind, oder waren vielmehr wirklich welche, denn es galt den Stil Lullys zu kopieren und zwar so perfekt wie möglich.


    Diese "Epigonen" wie Delalande, Marais, Campra, Destouches, Charpentier, Desmarest, de la Guerre, Gervais, de la Barre, Matho, Philidor, Colasse, Clérambault, Couperin, usw. (die nicht frz. Lully Epigonen lasse ich jetzt mal Beiseite ) haben aber trotz allem einen eigenen Stil der sogar deutlich wird wenn man sich näher mit der Musik beschäftigt.


    Für mich sind die größten Meisterwerke der direkten Lully Nachfolge unbestreitbar:


    ALCYONE (1704) von Marin Marais


    und


    MÉDÉE (1694) von Marc Antoine Charpentier


    das sind nur die herausragensten Beispiele, die Opern Campras sind allesamt Meisterwerke.


    Dann betrachte man sich das übrige Europa, im Grunde ist Händel ein Epigone Lullys und Scarlattis. Und genauso kann man die Verästelung ins unendliche weitersuchen bis die Informationen ausgehen.


    Ich sehe in diesen Epigonen absolut nicht verwerfliches. Wie Alfred das schon angemahnt hat, ist das eine Sichtweise des 19. oder 20. Jahrhunderts, von diesen Sichtweisen halte ich im allgemeinen sowieso nichts.
    Denn folgt man dieser dummen Sicht der Dinge, entgehen einem doch nur wunderbare Werke.
    Wieso soll denn ein Werk von diesem mehr wert sein als jenes ? Das ist wie bei Gemälden, die meisten würden es nichtmal merken wenn das Werk von einem anderen stammen würde.... :stumm:

  • Lieber Lullist,


    wenn Du Delalande als Epigonen Lullys bezeichnest, ist das Dein Problem, und berechtigt Dich nicht, den Epigonen-Begriff abzumontieren. Das ist doch eine absurde Argumentation.

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  • Dann hast Du anscheinend noch nie etwas von Delalande gehört oder kennst seine Wurzeln nicht.
    Er ist absolut ein Epigone - seine Grands Motets basieren auf den Modellen von Lully, diese wiederrum auf Dumont etc.
    Seine Ballette stehen absolut in der Tradition Lullys.


    Ich verstehe da Dein Problem nicht, denn ich habe keins.


    Meinst Du Louis XIV hätte ihn zum Surintendant de la Musique du Roy ernannt wenn er wie Charpentier sich vom Stil Lullys ständig versuchte zu entfernen ?
    Er wählte ihn weil er derjeneige war den musikalischen Klassizismus in seinen Augen am besten weiterführen würde.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Er ist absolut ein Epigone - seine Grands Motets basieren auf den Modellen von Lully, diese wiederrum auf Dumont etc.


    Das vor dem "-" und das nach dem "-" bitte nicht gleichsetzen!


    Außerdem unterstelle mir bitte nicht, nichts von Delalande zu kennen, ja?

  • das habe ich nicht getan.


    Aber ich glaube dass niemand auf anhieb sagen kann, diese Motette stammt von Delalande, diese von Lully.
    Es sei denn er kennt alle 11 Grands Motets Lullys und alle 75 von Delalande und kann sie deshalb unterscheiden.


    Das zu behaupten ist in meinen Augen absurd.


    Ich weiß ja nicht wieso Du hier so einen Stress veranstaltest, aber ich weiß ehrlich nicht worauf Du hinaus willst.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Glaubst Du ernsthaft, dass Schumann durch Anekdoten auf Schuberts Musik aufmerksam gemacht wurde?


    Salut,


    wie Schumann an Schubert geriet [vermutlich durch einen Liederdruck aus dem Diabelli-Verlag], ist mir nicht bekannt. Ich weiß lediglich, dass er nach Schuberts Tod den Bruder Ferdinand [in Wien?] besuchte und sich dabei für die "große C-Dur"-Sinfonie begeisterte und wohl dafür einsetzte, dass sie 1839 unter Felix Mendelssohns Leitung uraufgeführt wurde.


    An Werken Schuberts waren jedenfalls zu dieser Zeit maximal Lieder und vielleicht einige Klaviersonaten gedruckt. Dafür muß man sich ja nicht unbedingt begeistern, um nach Sinfonien zu suchen...


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • :hello: Lullist


    Verzeihung, es hat mich geärgert, dass Du mit Beispielen gegen den Epigonenbegriff argumentierst, die niemand als Epigonen nennen würde und dann die Sicht als "dumm" bezeichnest, die manche Musikschaffende als epigonal bezeichnet.


    JR hat schon sehr schön den Begriff etwas konkretisiert:


    "Damit jemand "Epigone" ist, muß er langfristig nach dem Vorbild eines andern Komponisten oder einer Schule komponieren und zwar entweder irgendwie unoriginell oder in einer Zeit, in der dieser Stil nicht mehr zeitgemäß war."


    Dass zahlreiche Werke verschiedener Künstler einander so ähnlich sind, dass die Zuschreibung schwierig ist, ist mir, der sich einen Sport daraus macht, in Museen die Maler zu erkennen, natürlich klar. Bei Rubens, van Dyck und Jordaens komme ich doch immer wieder ins Schwimmen, um einmal drei bedeutende NICHT-Epigonen zu nennen. Hätte Delalande nur Werke komponiert, die auch von Lully stammen könnten, würde Delalande uns heute kein Begriff sein.


    Ich will darauf hinaus, dass weder Lully Epigone Dumonts ist, noch Delalande Epigone Lullys, sondern dass die Epigonen eine ganz andere Menge von Komponisten sind, von denen ich aber im Bereich des Barock keine kenne.

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  • Salut,


    ohne die Werke im Detail zu kennen, kann ich nachvollziehen, was Matthias meint: Der Auftrag, einen anderen Komponisten zu möglichst 100% zu kopieren. Damit aber ist der Beauftragte eben kein Epigone - der Begriff wird definiert als unschöpferischer, unbedeutender Nachfolger bedeutender Vorgänger; Nachahmer ohne eigene Ideen.


    Selbstverständlich werden hier dem Auftragnehmer vom Auftraggeber einige dieser Merkmale als Vertragsbestandteil aufgedrückt, wie z.B. das Nachahmen [des Stiles], zudem sind sie auch Nachfolger von bedeutenden Vorgängern, aber eben nicht unschöpferisch, unbedeutend oder ohne eigene Ideen... würden sie dieselben Ideen verwenden, wären die Werke ja ein Clon... das kann also nicht sein. Auch eine Melodie ist bereits eine eigene Idee.


    Natürlich mag es schwierig sein, die Motetten auseinanderzuhalten, aber genau das spricht ja gegen ein epigonales Verhalten: Die Werke müssten ja schlechter und damit unschwer als billiger Abklatsch erkennbar sein. Es bedarf nicht einmal einer Enttarnung.


    :hello:


    Ulli

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  • Nun da gehts ja hitzig zu - kein Wunder bei diesen Temperaturen - aber bitte kein Stress.


    Mitr sind im Rahmen der Diskussion zwi statements aufgefallen, die mir gefallen haben


    Zitat

    Ich glaube nicht, dass der von Alfred genannte Gernsheim ein Brahms-Epigone war, viel eher ein ähnliches wollender Kollege


    und


    Zitat

    Epigonen - es gibt sie nicht


    Man kann jetzt darüber streiten ob- oder ob nicht - selbst bei Ferdinand Ries, dessen erklärtes Ziel es ja war Beethoven zu "gleichen" bringt - wenn man genau hinhört - derart viel "persönliches" mit ein, daß die vordergründige Ähnlichkeit nach einiger Zeit des Einhörens verblasst - belanglos wird.


    Ich finde auch die "verdiente zweite Reihe" zumindest diskutierenswert - ja es gibt Werke (und auch Komponisten) "2. Wahl", aber jeder definiert das anders. Ich würde einen Komponisten nur dann als "zweitrangig" einstufen, wenn seine Kompositionen keinen "Wiedererkennungswert" hätten, also "belanglos" wären, wenn keine "prägnanten" Themen da wären - einmal hören und dann vergessen, beim nächsten Mal weiß man gar nicht mehr, daß man das schon mal gehört hat. -aber ich bin mir bewusst, daß es für andere andere Kriterien gibt.


    Die Legendenbildung und "PR" - auch wenn von - J. Roehl (glücklicherweise "mit Verlaub" :D ) als Unsinn abgetan - sie spielt IMO schon eine bedeutende Rolle über die posthume Berühmtheit eines Komponisten,
    Interpreten etc etc. Natürlich ist sie allein kkein Kriterium. Aber letztlich entscheidet doch "das Publikum" - was am Spielplan steht und was nicht - zumindest war das in der Zeit vor den staatlichen Subventionen der Fall - und ist im wieder kommen.


    Franz Liszt beispielsweise - ich sehe wenig hervorragendes -, sein Hauptwerk scheint aus Klavierparaphrasen zu bestehen und eher selten gehörten sinfonischen Dichtungen - seine exaltierte Art, sein weltmännisches Auftreten, einige "Geschichterln" - und er steht als Weltstar in der ersten Reihe (wo er als PIANIST wahrscheinlich wirklich anzusiedeln ist)


    Es geht mir nicht darum Liszt zu verunglimpfen, sondern zu zeigen, welche Kleinigkeiten oft über Erfolg und Mißerfolg eines Werkes - und somit eines Komponisten - vor allem für die Nachwelt - entscheiden...


    LG
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es gibt doch den schönen Spruch: "Wenn es wie eine Ente watschelt, wie eine Ente quakt und Federn wie eine Ente hat, dann ist es aller Wahrscheinlichkeit nach eine Ente".


    Also: Wenn eine Musik eine Melodik wie Wagner hat, eine Harmonik wie Wagner hat und eine Instrumentierung wie Wagner hat, aber nicht von Wagner sondern beispielsweise von Charles Templeton Strong ist, dann wird man wohl nicht fehlgehen, Mr. Strong als einen Wagnerepigonen zu bezeichnen unabhängig davon, daß Strong symphonische Dichtungen und nicht Opern schrieb.

    ...

  • Hallo Edwin,


    dann müsste Deine Übertragung aber eigentlich so lauten:


    Wenn eine Musik eine Melodik wie Wagner hat, eine Harmonik wie Wagner hat und eine Instrumentierung wie Wagner hat, dann ist es aller Wahrscheinlichkeit nach ein Wagner.
    Oder?

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Wulf,
    Natürlich; ich wollte aber verdeutlichen, was zumindest ich unter dem Begriff Epigone verstehe.
    LG


    Salut,


    der Begriff ist aber, wie es in einer Sprache sein sollte, fest definiert. Es gibt da keine Interpretationsmöglichkeit. Werke von vermeintlichen Epigonen sind - platt ausgedrückt: Schrott.


    Das einzige, was ich akzeptiere ist, wenn sich jemand selbst als einen Epigonen bezeichnet. Damit wiederum würde er sich selbst ein Zeugnis absoluter Dämlichkeit ausstellen - wer gibt schon zu, jemanden im Verhältnis 1:1 kopieren zu wollen und dabei aber nur Müll zu produzieren?


    Ich glaube nicht, dass Ferdinand Ries dies tat. Dass er seinem Lehrer Beethoven gleichziehen wollte, hat für mich ja eigentlich nur Positives: Ohne Ziel kein Weg! Seine Musik ist weitesgehend wunderschön, sehr eigen, ein Schimmer Beethoven - oder ist es doch nur Zeitgeschmack? - das späte Klavierkonzert gefällt mir aber stilistisch gar nicht.


    Das Entenbeispiel trifft ja auch absolut auf Matthias Lully-Delalande-Vergleich zu. Delalandes Musik ist demnach Lully - etwas anderes wäre am Hofe nicht geduldet worden. Die Kriterien allerdings wird man heute vermutlich ganz anders beleuchten, als damals - wie sonst hätte man die Werke ohne Namensangaben herausfischen können?


    "Zweitrangige Komponisten" - das sind solche, die nach subjektivem Empfinden in einer Überzahl als subjektiv empfundene zweitrangige Werke komponiert haben. Wer will sich schon anmassen, darüber zu urteilen, außer Menschen namens Schreiber oder Amrosius?


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Kurzstückmeister,


    ja jetzt verstehe ich langsam was Du meinst. Friede :D
    Mir geht es ja da eben genauso, auch in der Malerei. Auch ich könnte niemals hundert prozentig behaupten zu wissen was jetzt ein Rubens, was ein Jordans und was ein van Dyke ist - vor allem dann nicht wenn die 3 auch noch zusammen ein Bild gemalt haben (hier in Kassel haben wir so ein Exemplar)


    Und in der Musik ist das ähnlich. Also so wie Ulli Epigonen charakterisiert hat würde ich den Begriff nie sehen, da ich nicht weiß ob es solche Komponisten überhaupt gibt, also ich kenne bisher keinen. (Ich finde es ja sowieso vermessen Kunst zu bewerten, aber das hatten wir ja schon mal)


    Aber gerade Delalande komponierte so sehr im Stile Lullys das man kaum einen Untershied hören kann. Hatte er neue Ideen ? Ich meine nicht. Er hält sich ganz klar an alle alten festgesetzen Regeln und erreicht ohne weiteres die gleiche Qualität.


    Gerade bei den Balletten folgt er dem alten Modell und vielleicht ist das auch der Grund weshalb diese Seite von Delalandes schaffen total im Schatten seiner geistlichen Werke steht. Aber unterscheiden sich die Motette von denen die Lully schuf ?
    Es macht vielleicht einfach die Masse an großartiger geistlicher Musik die ihm die Bezeichnung "ein Lully des Lateinischen" einbrachte.
    Für mich gehört Delalande zu meinen liebsten Komponisten - deshalb würde ich sein Werk niemals abwerten.
    Aber er wußte dass er auf dem Gebiet der Oper und dem Ballett niemals Lullys Ruhm erreichen konnte, da sein Vorgänger schon längst zum Gott erhoben wurde, was blieb war die geistliche Musik und da machte er sich dann breit und das mit Erfolg, das konnte er aber nur weil Lully diesem Gebiet eben nur geringe Aufmerksamkeit schenkte.



    Als unschöpferisch kann ich Epigonen jedenfalls nicht bezeichnen, allein dadurch dass sie etwas schreiben, malen etc. sind sie ja schöpferisch tätig, somit ist der Begriff teilweise schon sinnlos.



    Ulli, Du hast es perfekt formuliert :lips: :jubel::jubel:

  • Hallo Ulli!
    Ich frage mich nur, ob man die Problematik für jede Epoche gleich betrachten kann. Originalität ist doch primär eine Forderung der Romantik - was nicht heißen soll, daß es bis zur Romantik nicht originelle Künstler gab. Nur wurden andere Parameter (Beherrschung des Handwerks etc.) mindestens ebenso hoch angesetzt wie die Originalität. Wenn ich also meine heutigen ästhetischen Kriterien auf den Barock anwende - sind sie dann nicht im Grunde untauglich?
    Daher mein Beispiel mit dem kopierten Wagner: Um 1900 gelten die Kriterien. Wenn sich einer hinsetzt und bis zur Verwechselbarkeit in der Manier Wagners komponiert, ist er IMO ein Epigone und produziert Schrott.
    Auf Delalande trifft das Diktum des Epigonalen nicht zu, weil die ästhetischen Kriterien der Zeit andere waren.
    LG

    ...

  • Edwin,


    wenn Du Wagners Musik ebenfalls als Schrott betrachtest - und das suggerierst Du ja - , ist Deine Behauptung für Dich ja richtig - dagegen kann ich nichts sagen.


    Wie man die Messlatte anlegt, das ist sicher ein Problem - dennoch meine ich, es ist einfach zu lösen: Wer einen Komponisten 1:1 kopieren will, der muß eben nur alle Details seiner Musik mitkopieren. Das sind mal mehr, mal weniger - mal mehr die Ästhetik, mal die Harmonik, die Instrumentation... der Stil ist mal so, mal so - je nach Komponist.


    Matthias:


    Delalande wird - ich kenne glaube ich wenig bis nichts von ihm - verschiedene "Gerüste" z.B. Harmonische oder Ballettabläufe verwendet haben. Aber er wird doch "eigene" Musik - natürlich im Stile Lullys bzw. an den Stil angelehnte - komponiert haben und nicht nur aus Lullys Hinterlassenschaft etwas zusammengeklebt haben, oder? Ansonsten wäre er kein Komponist, sondern ein Potpourist.


    Das einzige, was man Komponisten dieser Art wirklich "anlasten" kann - wenn man es denn unbedingt muss - ist doch, dass sie sehr oft zumindest nicht Neues schaffen, sondern "in alter Tradition" weitermachen. Daran aber finde ich überhaupt nichts schlimmes - im Gegenteil: Ich finde es ganz wunderbar. Schließlich ist es künstlerisch gesehen vielleicht in einigen Fällen sogar weitaus kunstfertiger, etwas 1:1 kopieren, was vorher vielleicht eher durch Zufall entstanden ist...


    Viele Grüße vom
    unerschöpflichen
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • ... wo wir gerade schon bei Wagner sind:


    Wie wäre es mit seinem Sohn Siegfried Wagner (1869-1930), um mal ein konkretes Beispiel eines Komponisten zu nennen, von dem ich bereits mehrfach den Vorwurf des Epigonentums gelesen habe.


    Wäre ja in seinem Fall auch kein Wunder: Sohn eines schier übermächtigen, um 1900 europaweit verehrten Vaters zu sein und dann selber Opern komponieren (und die Libretti selber schreiben)... kann das gut gehen?


    Man kennt von seinen zahlreichen Opern dem Titel nach heute doch nur noch den Bärenhäuter aus dem Jahr 1898, aber wer führt schon mal Opern von Siegfried Wagner auf, wenn er gleich das Original Richard haben kann??

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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