Livemitschnitt oder Studioaufnahme ?

  • Liebe Taminoianer, Taminoesen, Taminoiden und Artverwandte,


    Neine dieser Thread war noch nicht da, es gab einen, der vom Titel her änlich klang, aber ein ganz anderes Thema behandelte: Liveerlebnis oder Tonkonserve. Der Titel war etwas unglücklich gewählt und so hieß er: Konzert oder Studioaufnahme?


    Unser Thema behandelt aber die Frage ob ihr im Tonstudio gemachte Aufnahme bevorzugt, oder ob ihr Livemitschnitte bevorzugt.


    Ich räume ein, daß die Frage eine rein theoretische ist, weil aus Kostengründen heutzutage leider fast nur Livemitschnitte gemacht werden - was meiner Meinung ein Rückschritt ist - die Technischen Möglichkeiten werden nicht voll ausgeschöpft. Unter Einsatz aller Mittel könnte höchste Durchhörbarkeit mit mit optimaler Räumlichkeit verbunden werden.


    Ich war in meiner Jugend ein geradezu militanter Gegener von Live - Mitschnitten. Ich erinnere mich nur zu gut an abgeschittenen Ausklang der Instrumente am Ende des Stückes, weil man den einsetzenden Applaus nicht haben wollte, der die Live-Aufnahme als solche entlarvt hätte, ebenso wie den eigenartig stumpfen Klang, der manchen dieser Aufnahmen anhaftete, offenbar der Preis für weggefilterte Nebengeräusche.....
    Heute ist in dieser Hinsicht manches besser geworden - ja in seltenen Fällen kann sogar die mitgelieferte Raumakustik der Live-Aufnahme einen gewissen Reiz darstellen - oft aber reizt sie einen bis aufs Blut...


    Studioaufnahmen - von Könnern gemacht - können absolut perfekt sein - da stimmt dann alles: Die Klangbalance - die Durchhörbarkeit und die angestrebte Akustik. Manche sagen jedoch der Studiotechnik eine gewisse Sterilität nach....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe schon eine Weile überlegt, ob ich diesen Thread aufmache, aber jetzt bist Du mir zuvor gekommen ;)


    Ich finde es zu ersteinmal nicht gut, dass viele Aufnahmen gar nicht richtig als Live oder Studio bezeichnet werden. Aus keiner CD-Beilagen der Bachkantaten unter Herreweghe geht dies eindeutig hervor.


    Grundsätzlich gibt es sowohl bei den Studioaufnahmen, als auch bei den Liveaufnahmen Gutes und Schlechtes. Im Studio kann man vieles machen, was live nicht möglich ist, weshalb Liveaufnahmen sicherlich wahrheitsgetreuer sind. Eine gute Liveaufnahme kann eine Eigendynamik entwickeln, die so im Studio nicht möglich ist. Auch klangtechnisch ist dabei heutzutage auch schon so viel möglich, dass man eine Liveaufnahme kaum mehr von einer Studioaufnahme unterscheiden kann. Bei älteren Aufnahmen - vor allem mit großen Besetzungen bevorzuge ich jedoch eindeutig Studioeinspielungen, da der Klang voluminöser und nicht, wie aus der ersten Reihe mitgeschnitten klingt (so klingen Liveaufnahmen bis in die 90ger hinein schonmal ganz gern).


    Dann gibt es ja noch die Liveaufnahmen, die ohne Publikum entstehen. Diese mag ich mitunter am liebsten (in Kirchen z. B., wenn die Aufnahmetechnik stimmt).


    Kann mir vielleicht jemand von Euch sagen, um was für Aufnahmen es sich hinsichtlich der Bach-Kantaten bei Harmonia Mundi unter Herreweghe handelt?

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Manche sagen jedoch der Studiotechnik eine gewisse Sterilität nach....


    Hallo Alfred,


    die Sterilität von Studioaufnahmen kommt meines Erachtens eher durch den fehlenden Gesamtzusammenhang des Stückes. Außerdem kann man schonmal etwas die Lust verlieren, weil eine Passage ständig wiederholt werden muß weil´s wieder nicht richtig geklappt hat. Bei Studioproduktionen werden ja die zusammengepuzzleten Teile immer kleiner, weil die Zeit drängt und Zeit Geld ist, was bekanntlich keiner mehr hat. Die Vorbereitungs- und Probenzeiten werden immer kürzer, die Zeit im Tonstudio auch. Was im Ergebnis dann oft fehlt, ist der Gesamtzusammenhang des Stückes.


    Zudem hat man bei einem live-Mitschnitt immer den Moment konserviert. Oftmals ist die Ausführung unter Konzertbedingungen deutlich anders als im Studio. Sie ist spannungsreicher, lebt viel vom Augenblick. Das muß natürlich nicht immer positive Auswirkungen haben, aber meist ist das der Fall.


    In diesem Sinne habe ich lieber ein paar Nebengeräusche oder kleine Unsauberkeiten in der Ausführung als ein Stück ohne die Energie eines Konzertes. Da ich zudem nicht über Kopfhörer höre, fallen Nebengeräusch beim Hören nicht so stark ins Gewicht. Zudem sind heute viele Ensembles so perfekt im Konzert, dass das Ergebnis fast mit Studioproduktionen hinsichtlich der Fehlerlosigkeit der Ausführung mithalten kann.


    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von Masetto
    Kann mir vielleicht jemand von Euch sagen, um was für Aufnahmen es sich hinsichtlich der Bach-Kantaten bei Harmonia Mundi unter Herreweghe handelt?


    Das sind Studioaufnahmen, die an verschiedenen Orten gemacht wurden, darunter auch Kirchen.



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von salisburgensis


    Das sind Studioaufnahmen, die an verschiedenen Orten gemacht wurden, darunter auch Kirchen.


    Und aus den Booklets derer, die ich habe (etwas ältere aus den 80er/90ern) geht das auch eindeutig hervor.


    Alfreds Behauptung, dass aus Kostengründen fast nur noch live-Mitschnitte gemacht werden, muß man doch deutlich einschränken. Das gilt vielleicht für Opern (und gerade da kann ich es gut nachvollziehen, klingen doch manche Studioaufnahmen hier wirklich wenig theatermäßig), sonst aber überhaupt nicht.
    Bei Kammer- und Klaviermusik sind Live-Aufnahmen meines Wissens immer noch die absolute Ausnahme (außer eben konkrete Recitals, da gehts dann aber um genau diesen Pianisten live). Auch von größer besetzten Werken gibt es durchaus noch Studioaufnahmen. Harnoncourts "Pariser" Sinfonien, die frühen Mozart-Sinfonien sind Studio (die Schöpfung allerdings live), Barenboims Beethovensinfonien IIRC auch Studio, Jacobs' Saul ebenfalls.


    Die Live-Mode ist übrigens nicht ganz neu. Meinem Eindruck nach kam sie in den 80ern auf, angeführt von der altehrwürdigen DG mit Bernstein und auch Giulini und Abbado, also in Boomzeiten, wo der Kostenfaktor sekundär gewesen sein dürfte.


    Ich habe da allerdings überhaupt keine Präferenzen, finde es unmöglich unabhängig von einer konkreten Aufnahme zu entscheiden, was besser ist (zumal live oft nicht ganz stimmen, weil etliche Konzerte oder Aufführungen zusamengemixt werden). Klangliche Einbußen kann ich auch nicht durchgehend feststellen; es gibt großartig klingende live- und ziemlich mies klingende Studioaufnahmen.



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Sagitt meint:


    Die glühendste Version der Goldbergvariationen ist von 1959- live von den Salzburger Festspielen, bei allen Gould remakes ausgelassen, aber unbedingt anzuhören. So nachdrücklich hat er weder 1955 noch 1981 gespielt.
    Umso erstaunlicher, weil Gould live verabscheute.

  • Prinzipiell sind mir Live-Mitschnitte lieber, weil sie die Opern- bzw. Konzertsituation dokumentieren und nicht den Willen des Tonmeisters, der nahezu zum quasi Zweitinterpreten wird.
    Wenn ich sage "live", meine ich aber auch "live" - also aufgenommen beim selben Anlaß - bei Opern zumindest als Aktdurchlauf, bei Symphonien als Satzdurchlauf.
    Was man heute allerdings immer öfter erlebt, ist das, was ich "Semi-Studio" nenne: Mehrere Durchläufe werden aufgenommen und dann im Studio mit einer unzähligen Menge Tricks nachbearbeitet und aneinandergeklebt. Was dadurch möglich ist, daß man sogar schon Geschwindigkeiten modifizieren kann, ohne daß die Tonhöhe verzerrt wird. De facto sind solche Aufnahmen Studio-Aufnahmen vor Publikum. Und da ist mir dann eine ehrliche Studio-Aufnahme lieber als eine gefälschte Live-Aufnahme.

    ...

  • Ohne Studioaufnahmen hätte es wahrscheinlich niemals Klemperers "Lied von der Erde" in der uns bekannten und geliebten Form gegeben.



    Die Einspielung entstand in mehreren Aufnahmesitzungen von II/1964 bis VII/1966 und wurde mal in der Kingsway Hall und mal im Studio Nr. 1 der Abbey Road Studios aufgenommen. Christa Ludwig und Fritz Eunderlich sind sich während dieser Aufnahme niemals begegnet. Mehr "Patchwork" ist mir aus keiner anderen Produktion bekannt.


    Ohne Liveaufnahmen hätte es niemals Kubeliks "Lied der Erde" gegeben, denn für die DGG und auch sonstwo hat er es nie aufgenommen.



    Enstanden ist die ebenso geliebte und faszinierende Aufnahme an einem Abend-dem 27.02.1970


    Ich denke, damit ist die Eingangsfrage hinreichend beantwortet... ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Wohin ich letztlich tendiere weiß ich nicht, auf der einen Seite stimme ich Thomas zu was die Lebendigkeit anbelangt, aber auf der anderen Seite ist das Publikum (besonders wenn noch der Bronchialchor anwesend ist) ein dermaßener Störfaktor, dass mir das die ganze Oper versauen kann - ich hasse das schon wie die Pest wenn ich im Konzert und in der Oper selbst sitze und da wird gehustet was das Zeug hält.
    (ich wüßte nicht, dass ich mich jemals das gewagt hätte...)


    Dann finde ich das Getrampel auf der Bühne ebenfalls sehr nervig, besonders bei den Balletten, sowas will ich auf der CD eigentlich nicht haben.


    Glücklicherweise gibt es auch Live Mitschnitte, bei denen man das nur am Schlußapplaus merkt. Ich denke mit der Tontechnik ist es durchaus machbar alle störenden Nebengeräusche auszublenden.


    Ich möchte eigentlich, wenn ich eine Aufnahme kaufe, eine möglichst perfekte Wiedergabe der Musik, da will ich dann keinen Schlußapplaus der 5 Minuten vor Ende einsetzt, oder ein Publikum das auch nach der fünften Arie nicht kapiert hat, das der Begriff "Da capo Arie" sich von der Wiederholung ableitet oder ein Publikum das mit seinen Hustenanfällen besser daheim geblieben wäre...

  • Die LIVE-Aufnahmen-Liebhaber werden mir zustimmen, wenn ich sage:
    Der Schlußapplaus gehört dann auch dazu !


    Die DG filtert aber in allen mir bekannten Aufnahmen diesen Schlußapplaus weg und macht so eine "Quasi-Studioaufnahme" daraus. Ich finde diese Methode allerdings voll akzeptabel, da mich zu Hause dieser Schluapplaus stören würde. Das es eine Live-Aufnahme ist hört man während des Konzertes.


    Ähnlich wie Alfred habe ich früher auch Studioaufnahmen vorgezogen, da die Klangtechnik bei Liveaufnahmen früher einfach nicht so vollendet war.
    Inzwischen ist die technische Qualität angeglichen und mir ist es egal -
    Hauptsache die Interpretation ist TOP und gefällt mir.


    :) Als ganz hervorragendes Live-Schmankerl würde ich die DG-Bernstein-Aufnahmen (fast alle Live) bezeichnen, die heute klassischen Dokumentarwert eines der größten Dirigenten des 20.Jhd. haben und technisch in den meisten Fällen sehr gelungen sind:
    Bernsteins Amerika (DG-5CD-Box), Schumann-, Brahms-, und Beethoven-Sinfonien mit den Wiener PH, Hindemith-Werke mit dem Israel PH, Bernstein-Sinfonien und sinf.Werke mit den NewYorker PH, Chicago SO, SanFrancisco SO und Israel PH, u.v.m.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Moin,


    mag sein, dass der Schlussapplaus dazu gehört bei Live-Aufnahmen, aber beispielsweise bei der Alpensinfonie unter Welser-Möst aus dem Musikverein kriege ich jedes Mal einen Mordsschreck, wenn auf einmal der Beifall aufbrandet ;).


    Ansonsten würde ich nicht generalisieren wollen, was mir letztlich lieber ist. Aber bei Opernaufnahmen stelle ich eine Tendenz zu Live-Mitschnitten fest. So habe ich jüngst die Meistersinger unter Karajan mit den Dresdnern erworben (vielen Dank an kundige Taminoaner für den Tipp :jubel: ), und da stört mich das teils Unbelebte, Klinische doch ein wenig. Da dann lieber ein bisschen Getrampel und Gepolter und wandernde Stimmen.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Servus Alfred,


    Frage ob ihr im Tonstudio gemachte Aufnahme bevorzugt, oder ob ihr Livemitschnitte bevorzugt.


    Auf CDs bevorzuge ich eindeutig Studioaufnahmen ohne irgendwelche Nebengeräusche, auch wenn die Aufnahmen angeblich "steril" klingen. Live-Atmosphäre mag ich nur, wenn ich mittendrin sitze ;-)


    LG
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Hallo,
    wir können uns freuen,daß wir beides haben.
    Ohne Studioaufnahmen wüßten wir nicht,wie Caruso oder
    Schaljapin gesungen haben.Wir wüßten nicht,wie A.Schnabel
    oder B.Hubermann spielten und wir wüßten nicht,wie A.Nikisch
    dirigierte.
    Ohne Liveaufnahmen wüßten wir nicht,wie die Callas in Neapel
    oder in Mexico City sang.Wir hätten auch nicht die zahlreichen
    Mitschnitte aus der Met (30er Jahre bis Heute),mit all den
    herrlichen Stimmen.
    Also ergötzen wir uns an Studio und Live !


    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Ich persönlich bevorzuge LIVE-Aufnahmen, da das musikalische Ereignis mit den kleinen Schwächen und Pannen "ehrlicher" ist, als eine zusammengestückelte (unterschiedliche Pegel), sterile Studioaufnahme.
    Allerdings gibt es natürlich auch fantastische Studioaufnahmen, aber Live
    ist Live. Die Tonqualität steht bei mir an zweiter Stelle, denn auf die Interpretation kommts doch in erster Linie an, oder ?
    (Mich wundert es, das die meisten Hörer an erster Stelle an die Tonqualität denken..)


    Gruß Heldenbariton :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Guido,


    kann Deiner Meinung bedingt zustimmen. Es hängt, denke ich, erheblich vom Werk ab. Ich behaupte mal, je klangorientierter, je farbenreicher ein Werk, desto wichtiger wird die Tonqualität. Wenn ich einzelne Instrumentengruppen nicht mehr raushören kann, vermag mir auch eine Top-Interpretation nicht weiterzuhelfen.


    LG
    Wulf.

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  • Hallo Wulf,
    da ist was dran, aber ich habe mich "sammlermäßig" auf LIVE-Aufnahmen
    (auch historisch) spezialisiert, was nicht heißt, das ich keine STUDIO-Aufnahmen habe.


    Gruß Guido :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Guido,


    weiß ich doch. ;) Hab das ja auch mehr auf dein Unverständnis gegenüber den "Tonqualität-Puristen" bezogen.
    Aber ich bevorzuge auch eine sehr gute Interpretation und bin dann auch gerne bereit bis zu gewissen Grenzen Abstriche in der Tonqualität zu machen.


    :hello:
    Wulf.

  • Salut,


    für mich gilt: Lieber eine gute Studioaufnahme, als eine schlechte Liveaufnahme!


    Dennoch bevorzuge ich gute Livaufnahmen :D


    Besonders bei Opern finde ich sie lebendiger - das "Bühnengetrampel" gehört einfach zu einer Oper dazu. Wenn ein Acteur von A nach B geht, möchte ich das akustisch wahrnehmen können. Hingegen stört mich bei Studioaufnahmen das "getürkte" Einspielen von irgendwelchen Geräuscheffekten...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    ganz einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Es kommt bei Studioaufnahmen wirklich darauf an, in welchem Maße sie manipuliert wurden.


    Aber wer wie ich schon einmal selber als Musiker an Studioaufnahmen teilgenommen hat, wird wohl grundsätzlich Live-Mitschnitte bevorzugen. Es ist erschreckend, am eigenen Leibe zu erleben, auf welche Art und Weise im Studio zusammengeschnitten und gestückelt wird! Das, was hinterher dabei herauskommt, hat mit der "Wirklichkeit" und mit lebendigen Linien kaum noch etwas zu tun. Vordergründig konnte ich mich hinterher zwar als Superoboist (der ich gewiss nicht bin!) erleben, aber ich hatte eigentlich nicht mehr das Gefühl, selber etwas Entscheidendes geleistet zu haben.


    Hinzu kommt, daß durch Studioaufnahmen eine völlig überzogene, in gewisser Hinsicht "unmenschliche" Erwartungshaltung hinsichtlich der Perfektion von Live-Konzerten geweckt wird. Gerade bei meinem Instrument, bei dem es so viele Unwägbarkeiten gibt - Wasser in den Klappen, wenn die Kirche kalt ist, oder Veränderungen des Röhrchens bei zu trockener oder zu feuchter Luft - ist es fatal, wenn der Zuhörer einen staubfreien Zusammenschnitt zum Maßstab nimmt. Und auch dynamische Extreme, die auf der Oboe sehr schwierig und nur mit großem Risilko zu realisieren sind, machen im Studio überhaupt kein Problem...


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Bernd,
    du sprichst mir aus der Seele.... :jubel: es ist die Manipulation, die mich davon abhält, ein bearbeitetes Studio-Produkt zu kaufen; es sei denn die Interpretation überzeugt mich vollends.


    Hallo Wulf,


    es ist kein Unverständnis gegenüber den "Tonqualität-Puristen", sondern ein Unverständnis darüber, die Güte, die Interpretation einer Aufnahme von der Tonqualität abhängig zu machen.


    Gruß Guido :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Hallo Guido,


    Ich bin gar nicht gegen "Live". Aber ich bin gegen - was leider dann sehr oft geschieht - schlechte Mikrophonregie.
    Freilich, es gibt gute Beispiele. Aber meine Erfahrungen sind gemischt. 50 - 50 schätze ich ein. In jenem Fall präferieire ich Studio.


    LG, Paul

  • Hallo Paul,
    natürlich ist die technische Seite entscheidend dafür, "wie es rüberkommt", aber ich glaube generell, dass es keine Aufnahme gibt, die perfekt ist..


    LG, Guido :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Ich bevorzuge in den allermeisten Fällen Studio-Aufnahmen.
    Was mich an den Live-Mitschnitten am meisten stört, sind eben die Nebengeräusche des Publikums. Allerdings gibt es auch hier sehr vorbildliche Ausnahmen, ich denke da z. B. an die Kissin/Karajan-Einspielung des Klavierkonzerts von Tschaikowsky [Silvesterkonzert 1988], wo es keine störenden Nebengeräusche gibt und man erst beim Schlußapplaus merkt, daß das live war.
    Ideal wäre also eine Live-Aufnahme, die keine Huster etc. beinhaltet, aber mit Schlußapplaus. [Oder eine Studio-Aufnahme mit engagiertem Publikum, das lediglich für den Beifall am Ende antreten muß (die Idee hätte doch vom alten Karajan stammen können :D)].

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Ich bevorzuge in den allermeisten Fällen Studio-Aufnahmen.


    Ich bevorzuge die bessere Interpretation. Das mag bei dem einen oder anderem Künstler bzw. Ensemble die Studio-Aufnahme sein. Oft genug ist das aber eine Live-Aufnahme. Spontaneität und innere Spannung, ein Publikum, das inspiriert und Künstler, die ein Publikum erreichen - das alles spricht für den Konzertmitschnitt. Ein Furtwängler, eine Callas im Studio ist etwas ganz anderes als im Konzert- bzw. im Opernhaus.


    Gerade die heutigen Praktiken im Studio, die mich an Frankensteins Monster erinnern, wo aus Leichenteilen ein Wesen zusammen geschnippselt wird, machen mich eher misstrauisch. Am Ende kann bei all der Trickserei eben ein Plastikprodukt stehen.


    Zitat

    Was mich an den Live-Mitschnitten am meisten stört, sind eben die Nebengeräusche des Publikums. Allerdings gibt es auch hier sehr vorbildliche Ausnahmen, ich denke da z. B. an die Kissin/Karajan-Einspielung des Klavierkonzerts von Tschaikowsky [Silvesterkonzert 1988], wo es keine störenden Nebengeräusche gibt und man erst beim Schlußapplaus merkt, daß das live war.


    Chacun à son goût - als Liebhaber von alten Aufnahmen habe ich auch bei neueren kein Problem durch solche Geräusche hindurch zu hören. Im Konzertsaal ertrage ich auch das schwere Atmen meines Nebensitzers wie das Knistern nebenan, ohne dass mich das in meiner Konzentration auf das Kunstwerk und seine Interpretation stören kann.


    Liebe Grüße Peter

  • Hallo Peter,


    ich habe im Prinzip natürlich nichts gegen Live-Aufnahmen.
    Der These, daß viele Interpreten - ob Sänger oder Dirigenten, ja auch Orchester - live, wenn nicht besser, so doch zumindest spontaner wirken, würde ich zustimmen.
    Es gab ja auch einige Dirigenten, die allergisch gegen Studio-Produktionen waren - neben Furtwängler (der ja zumindest ein paar Aufnahmen im Studio machte) fallen mir spontan v. a. Knappertsbusch und Celibidache ein. Bei solchen ist man dann ja sowieso gezwungen, zur Live-Aufnahme zu greifen.
    Andererseits gibt's auch den umgekehrten Fall: So wurde hier im Forum irgendwo schon mal Solti als ein "Studio-Wagner-Dirigent" bezeichnet. Die Aufnahmen sind trotzdem größtenteils hervorragend.


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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