Liebe Forianer
Seit einiger Zeit bastle ich an einem Thread, der sich mit dem musealen oder auch historischen Element in der klassischen Musik auseinandersetzen soll - aber ich konnte keinen Einstieg zustandebringen.
Gestern hatt das Johannes Roehl ungewollt und unbewusst für mich erledigt, als er nämlich als Argument für eines seiner Urteile anführte, er höre mit "heutigen" Ohren - er habe keine anderen.
Heureka - das Thema ist startbereit.
Nun zunächst habe ich auch nur heutige Orhen, die keineswegs aus dem Jahre 1780 stammen - dennoch klingt mir fast alles was damals komponiert wurde,vertrauter und vor allem gefälliger, als das was heutzutage komponiert wird. Auch wenn einerseits stolz verkündet wird, man habe die Tonalität aufgegeben - neue Wege in der Musik seien unumgänglich - meine Ohren - gebaut im 20. Jahrhundert - sind da anderer Meinung. Wenn ich es mir recht überlege haben mich sowohl die klassische Musik (des 17- 19. Jahrhunderts) als auch die Malerei (des 16. und 17. Jahrhunderts) GERADE DESHALB für sich eingenommen, WEIL sie unserer hässlichen Gegenwart (ich beziehe mich hier im besonderen auf Kunst jeder Form) so entrückt scheinen - bzw es auch sind.
Natürlich weiß ich die Vorzüge des 20. bzw 21. Jahrunderts durchaus zu schätzen - Fortschritte in der Medizin, der Tontechnik, bequemes Reisen (wenngleich ich das kaum nutze) und TV, Computer,Tonfilm, Internet etc etc - in der Kunst fliehe ich diese Zeit.
Das ist nun eine durchaus persönliche Entscheidung - darüber kann man schwer diskutieren. Worüber mann allerdings diskutieren kann ist, inwieweit sich ästethische Vorstellungen vergangener Jahrhunderte in unsere Zeit übertragen lassen, bzw welchen Stellenwer sie haben - und warum.
Ich glaube jeder sieht das anders. Ich persönlich glaube nicht besonders an zeitlose Themen, die man eventuell adptieren kann, sondern an gewisse Stimmungen die man übertragen kann. So bin ich beispielsweise, wenn ich im Wiener Musikverein sitze - während eines Konzertes ein bürgerlicher Hörer des späten 19. Jahrhunderts.
Der große ("goldene") Saal hat sich seit seiner Eröffnung im Jahre 1870 baulich kaum verändert - die Gegenwert ist ferne - ich genieße meinen Beethoven, wie ein Hörer es vor ca 135 Jahren tat. Die Zeit ist nicht mehr existent- übrigens ein weiteres Plus für die klassische Musik.
Desgleichen in der Oper - hier ist es nicht mehr so einfach - haben doch unsere Freunde die Amerikaner das wunderschöne Haus augebombt - der Zuschauerraum strahlt seither den "Charme" der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts aus, weil das Geld und der Wille zur vollständigen Wiederherstellung ( wie sie in Dresden so mustergültig realisiert wurde) nicht vorhanden war. - Immerhin - die Akustik ist hervorragend - und die Inszenierungenen waren erfreulich konservativ.
Wobei man sich dabei wahrscheinlich ein falsdches Bild macht - Es waren keine "staubigen Kostüme und Kulissen zu sehen - nein die Bühnen- und Maskenbildner zauberten um ein Vermögen Hollywoodreife Ausstattungen auf die Bühne - immer realistischer und immer luxuriöser und teurer. Über die musikalische Qualität rede ich nichts, die war sowieso über jeden Zweifel erhaben bei - ca 500.000 kolportiertenEuro Defizit pro Tag (in den 70er Jahren)
Oder reden wir vielleicht doch drüber -
und stellen wir uns die Frage: Was soll an "heutigen Ohren" anders sein, als an jenen vor 150 - 200 Jahren. Allenfalls sind wir kritischer geworden was Intonation anbetrifft - die Schallplatte hat uns verwöhnt.
Aber Champagner kitzelt unseren Gaumen genauso wie vor 200 Jahren - ein Fasan im Speckhemd ist sicher einem Dreckburger vorzuziehen - und nach Beethoven kam zwar noch einiges Interessante - erreicht wurde er jedoch kaum je mehr.
Ich weiß- ich habe noch lange nicht alle Apekte dieses Themas angesprochen - aber das wird sich im Laufe des Threads ergeben.
mfg
aus Wien
Alfred