Stellenwert von Kammermusik heute - Begeisterung und Ablehnung

  • Liebe Forianer,


    Als jemand, dessen Weg zur Kammermusik eher steinig war, oder anders gesagt, ich konnte mit ihr viele Jahre meines Lebens nichts anfangen, stelle ich nun an auch die Gretchenfrage:


    "Wie haltet Ihr es mit der Kammermusik ?"


    Was sind Eure Favoriten (bitte nur ganz oberflächlich, wir werden, so Interesse vorhanden, etliche Treads zu den einzelnen Themen starten),
    bzw, habt Ihr überhaupt welche ?


    Das ist ein Thema, wo sich auch jene zu Wort melden können, die mit der Kammermusik wenig bis absolut nichts am Hut haben. Vielleicht will jemand erkären, warum ihm diese Musik nichts gibt, bzw was er dabei vermißt.


    Ich gehe davon aus, daß das Thema eine interessante Endeckungsreise in vielerlei Hinsicht werden kann, weil viele Vorurteile weggeräumt werden könnten. (aber nicht müssen)


    Irgendwie, so glaube ich, wird Kammermusik auch heute noch immer mit einem "braven" Musizierstil in Verbindung gebracht, wobei 4 ältere 'Herren ein akademisches Stück zelebrieren, vor einem Publikum, wo jeder einzelne pflichtschuldigst ein Gesicht macht, wie bei einem Begräbnis. Wahrscheinllich hat es das in der Realität sowieso nie gegeben, es entspricht aber einem weitverbreiteten Cliché. :stumm:


    Wie gesagt, es geht heute nicht um spezielle Aufnahme und dergleichen, sondern lediglich um eine allgemeine Betrachtung.


    So könnte man beispielsweise definieren , wo die Sparte Kammermusik eigentlich schon endet.....



    Und nun Eure Statements zu diesem Thema



    Grüße aus Wien


    sendet


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Kammermusik scheint vor allem im Konzertbetrieb ein Schattendasein zu führen. Auch mein Fokus als durchaus häufiger Konzertgänger liegt eher bei der großen Sinfonik, ganz im Gegensatz zum Hören daheim , wo auch viel Kammermusik dabei ist.

    In Berlin lief kürzlich eine Kampagne für die Kammermusik, überall in der Stadt waren Plakate wie dieses zu sehen:



    Offensichtlich besteht also ein Bedarf, die Kammermusikveranstaltungen zu füllen. Ich selber stellte schon fest, dass es immer noch relativ leicht ist, an Kammermusikkarten zu kommen, weil selbst hochrangige Besetzungen bzw. "Schlüsselwerke" selten ausverkauft werden.

    Persönlich hat für mich Kammermusik einen sehr hohen Stellenwert, aktuell vor allem die Streichquartette von Shostakovich, Beethoven, Haydn und Schubert. Allerdings zieht es mich doch beim "Live-Konzert" eher in die großen sinfonischen Aufführungen, wobei ich selbst gerade da etwas gegensteuern will. Ist auch eine Frage der Kapazität: Da laufen also grad Mahlers Fünfte, Beethovens siebte Sinfonie und das Beethoven Violinkonzert und ich will unbedingt hin. Eine vermutlich durchaus gleichwertige Erfahrung wie ein zeitgleich aufgeführtes spätes Beethovenquartett, dass ich allerdings noch nicht kenne, bleibt mir so erstmal vorenthalten. :(

    Die Kammermusik"-"Krise" scheint sich teilweise auch auf die CD-Preise auszuwirken, so erspähte ich vor einigen Tagen die hochgehandelte Aufnahme der kompletten Beethovenquartette mit dem Alban Berg-Quartett (EMI) für 25 EUR, immerhin 9 CDs in der bekannten Pappbox.

    Gruß

    Anti

  • @Alfred


    Bei mir ist das Thema Kammermusik doch sehr "unterentwickelt"!
    Meine klaren Favoriten bei der Klassik sind ganz klar:


    1. Konzerte (Klavier, Violine & Cello)
    2. Symphonien und Klavier bzw. Geige solo.
    3. geistliche Musik


    Kammermusik finde ich bei mir im Regal fast gar nicht.


    Vielleicht kommen hier ein paar hörenswerte Empfehlungen !


    Gruss
    Richard

  • @anti Richard und @restderwelt


    Hallo, ich bin im Gegensatz zu Anti, der Ansicht, daß gerade Kammermusik das Live-Erlebnis benötigt.


    Wenngleich ich das Plakat für äusserst geschmacklos halte, so trifft es in gewisser Hinsicht doch einen wesentlichen Punkt: Die Intime Atmospäre, die bei einem Kammerkonzert herrscht machr aus Ausführenden und Publikum eine verschworene Gemeinschaft.
    Das lässt sich nicht erklären, daß muß man erleben.


    Ferner bin ich der Meinung (man mag mir widersprechen),
    daß Kammermusik lediglich über Kophörer oder sehr gute
    analytische und trotzden warm klingende Lautsprecher "gut rüberkommt", Durchschnittsanlagen verfälschen die Klangfarben hörbar und verwischen quasi die Klangbühne


    Richard Ross schrieb:


    !


    Das ist IMO völlig normal.
    Zunächst werden die "Reisser" angeschafft,
    dann natürlich auch alle Werke die im ersten Moment schon
    überzeugen. Kammermusik benötig mehr Aufmerksamkeit, und ich gebe zu (dtsch: ich räume ein), daß ich in meiner Jugend nicht für Kammermusi zu begeistern war, vom Forenquintett einmal abgesehen :yes:
    Man soll daher auch nichts erzwingen, aber sich ein offenes Ohr dafür behalten, vielleicht kommt man eines Tage drauf, was man versäumt hat. Kammermusik erfordert nun mal mehr Aufmerksamkeit als andere Spielarten der klassischen Musik.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint:


    Man sollte die Kammermusik aus der Ecke des Elitären herausholen. Meist denkt man bei ein Gemeinschaft von Verschworenen an die späten Beethoven-Quartette ( bei denen man Beethoven oder die moderne Musik schätzen muss), aber Kammermusik ist doch mitreißend und berührend ( wobei ich mal Violinsonaten nicht dazu rechne, by the way, die kreutzersonate wäre sicher ein eigener thread wert).
    Wenn ich mit Beethoven anfange, dann tue ich Haydn und Mozart unrecht, denen Kammermusik ein großes Anliegen war, bei dem sie ihre Könnerschaft zeigen konnten, aber als Freund der Leidenschaftlichkeit fange ich mit Beethoven an: die Rasumovsky-Quartette können einen schon elektrisieren, nicht umsonst aht Reich Ranicki einen Auszug davon als Erkennungsmelodie seines Literarischen Quartetts. Von Schubert kann man neben dem Forellenquintett für die düsteren Stunden immer auf D. 810-Tod und das Mädchen- verweisen, für andere Zeiten auf sein Oktett, bei Brahms ist sein erstes Klaviertrio ebenso hinreißende Musik, wie sein erstes Klavierquartett, dessen letzter Satz doch eigeltlich eine Art Gassenhauer ist.
    Kammermusik ist nicht spektakulär,aber keinesfalls eleitär verschlossen. Wenn man mit den richtigen Werken einsteigt, kann sich daraus eine profunde Leidenschaft entwickeln. Bei mir -Dank des Kronos-Quartetts- bis tief in die Moderne hinein.

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  • Tag,


    Kammermusik, d.i. Musik, von deren Textur einer in einem typischen Raum potentiell alles hören kann. Von Orchestermusik hört einer in einem typischen Raum längst nicht alles der Textur (siehe: Leo Beranek, Concert Halls and Opera Houses, Springer, New York 2002). Arnold Schönbergs Instrumentierung für großes Orchester von Johannes Brahms' Klavierquartett op. 25 - Begründung "ich möchte ein Mal alles hören" - ist die Ausnahme, den Regelfall bestätigend. Die Schönberg-Version ist dann auch satzweise extrem laut.


    Kammermusik ist die wirkliche Freude, Belehrung, Unterhaltung, Anregung zum Denken, Erregung. Wenn, dann meinte Schopenhauer Kammermusik als er befand "Wenn einer Musik hört, dann weiß er nicht, dass er philosophiert". Man muß wissen, "keine Philosophie zu haben ist auch eine Philosophie", es geht also nach Schopenhauer auch ohne ausdrückliche Philosophie.


    In der Kammermusik, eine Face-to-Face-Association, kommt es auf jeden an, Als-Ob ist nicht ohne Entdeckung möglich. Echte Kammermusikvereinigungen halten lange.


    Kammermusik ist die bessere Hälfte des Musiklebens. So sieht dann auch der Plattenschrank aus. Kammermusik ist meistgehört.


    MfG
    Albus

  • Ich kenne eigentlich keinen ernsthaften Geiger, Bratscher oder Cellisten, der
    nicht die Gattung des Streichquartetts in sein Herz geschlossen hätte. Es liegt
    eine eigenartig-ideale Ausgewogenheit in der Besetzung Geige - Geige - Bratsche
    - Cello. Woran es letztlich liegt, daß gerade diese Besetzung vielen Streichern
    als das Vornehmste erscheint, läßt sich wohl nicht schlüssig begründen. Und
    doch ist es so. Was das aktive Entdecken (das soll heißen: das Entdecken durch
    eigenes Spiel, nicht durch "Nur-Hören") eines mittleren oder gar späten
    Beethoven-Quartetts "anrichten" kann, läßt sich schwer in Worte fassen. Aber
    mit "elitären" Gefühlen - etwa vergleichbar solchen der philologischen
    Beflissenheit ergrauter Herren beim altgriechischen Abend - hat das rein gar
    nichts zu tun. Dabei traue ich selbst manchen ergrauten Herren beim
    altgriechischen Abend sogar auch noch zu, daß Ihnen das das pralle Leben
    bedeutet - es mag dann nur dem Fernstehenden Schauer der Verdächtigungen des
    Elitären den Rücken hinunterjagen, und das ist dann sein Bier!


    Die späten Quartette von Mozart, ebenso die von Schubert (Tod und das Mädchen
    und opus post., auch der Quartettsatz in c-moll), die je drei Quartette von
    Schumann [vor wenigen Jahren in gleich mehreren hervorragenden Einspielungen
    nach längerer Pause neu interpretiert!] und natürlich Brahms gehören zusammen
    mit den schon erwähnten Beethoven-Quartetten zum Besten, was einem Streicher
    passieren kann. Dichtauf folgen die Mendelssohn-Quartette und natürlich die
    reifen Haydn-Quartette, auch Dvorak (der ja nicht nur das "Amerikanische"
    geschrieben hat). Die Literatur erscheint unerschöpflich: Tschaikowsky, Borodin,
    Tanejew, Schostakowitsch, Smetana... Selbst Verdi, Puccini, Cherubini haben zur Gattung beigetragen; Debussy, Ravel, ach, es ist einfach eine endlose Liste wahrer
    Kostbarkeiten. :):) :] =)


    Hat jemand eine Aufnahme vom 2. Milhaud-Quartett? Ich habe noch nie eine
    gehört, doch arbeiten wir schon seit längerem an dem Quartett.


    Bei mehr als vier Streichern fallen mir als erstes Schuberts Quintett mit 2
    Celli, die beiden Brahms-Sextette und das "wie Sekt schäumende" Oktett von
    Mendelssohn ein.


    Und wäre es nicht schon spät, würde ich nun noch die Kammermusik nennen, bei
    denen Klavier und/oder Bläser beteiligt sind. Das ist noch mal eine neue Welt!!


    Bis zum nächsten


    Lagenwechsel


    P.S. Aber am schönsten ist und bleibt das Streichquartett. :yes:
    Und der Text von Albus ist Klasse!

  • Morgen,


    und guten Morgen Lagenwechsel - das Kompliment kann ich dankend erwidern: schön gesagt!


    Weitere erwähnenswerte Streichquartette von stammen von Sibelius, Voces Intimae, von Martinu, besonders das 6. Streichquartett, insgesamt sieben hatte Martinu komponiert, dann der (von Europa aus) weit entfernte Charles Ives, 1. und 2. Streichquartett (mit eigenartigen Satzhinweisen, darunter 'Call of the Rocky Mountains', 'Discussions, fight and shake hands', aber nichts Befremdliches). Sämtlich werden die genannten Werke selten oder gar nicht mehr aufgeführt. Aufnahmen gab/gibt es? Sibelíus: Kopenhagener Streichquartett, Sibelius-Quartett; Martinu: Novak Quartett (einzigartig, ganz schwierig zu bekommen, Supraphon, Mitglieder waren geflüchtet in der kurzen Zeit des Prager Frühlings, der NDR hat ein Exemplar), Panocha Quartett; Ives: Kohon Quartett of New York University (hat der NDR), Concorde Quartett (Nonesuch). Das Warten auf ein Vorkommen dauert und dauert an (Sibelius und Ives habe ich mittlerweile, aber Martinu und die Novaks ..., nicht einmal in Polen war die Supraphon-Platte zu finden).


    Von Mozart, die kantablen Streichquintette KV 515, 516, dunkle Schönheiten. Von Mozart die Gran Partita für Bläser und Kontrabass, ach ja. Schönberg, die Verklärte Nacht, für Streicher (Sextett oder auch größere kammermusikalische Besetzungen), von Brahms' Streichsextett her angeregte Dunkelheit.


    MfG
    Albus

  • Ich stimme den letzten Beiträgen voll zu. Für alle bisher nicht Kammermusik-Fans sollten wir Anregungen geben. Nach meiner Meinung ist die Kammermusik die Krone der klassischen Musik. Für Musiker sind die Kammermusik-Besetzungen (nach Harenberg, Kammermusik-Führer Besetzungen bis zum Nonett) vor allem die Quartette und Trios, die Musikform, die die höchsten Anforderungen stellt. Das Aufeinanderhören, die Abstimmung muss absolut stimmen. Gute große Orchester sollten in diesem Sinne kammermusikalisch spielen. Also meine Tipps zu den unverzichtbaren Stücken:


    1. Schubert, Streichquintett (Einspielung Alban Berg Quartett mit Heinrich Schiff oder historisch - 1953 - mit Isaac Stern, Pablo Casals, Paul Tortelier u.a. - Sony - etwas rauschig aber umwerfend intensiv).
    Wie kann man leben ohne das Schubert, Streichquintett . Die Quartette von Schubert sind bereits genannt.


    2. Die sechs späten Beethoven Streichquartette. Mein absolut kundiger Freund empfiehlt Emerson-String-Quartett; ich höre noch Alban Berg Quartett.


    3. Schostakowitsch Streichquartette sind bereits benannt worden. Ich möchte eines besonders hervorheben: Quartett No 15 - besteht aus sechs Adagios - und ist ungemein intensiv in der Einspielung mit Gidon Kremer/Daniel Phillips/Kim Kashkashian/Yo-Yo-Ma - 1985


    4. Äußerst harte Kost, aber wenn man den Zugang gefunden hat, von größter Intensität - wie die späten Beethoven-Quartette:
    Bartok, Complete String Quartets - ich kann diese Musik nur aushalten mit dem Juilliard String Quartet Aufnahme von1963 Sony. Man höre etwa das Allegretto pizzicato aus Quartett No 4.


    5. Unverzichtbar Bach 6 Suiten für Violoncello solo (Pierre Fournier 1961, Janos Starker oder Rostropovich 1995


    6. Bach Sonaten u. Partiten Violine Solo Arthur Grumiaux 1961 oder Christian Tetzlaff


    und viele andere - kann ergänzt werden.


    P.S.: Für Martinu String Quartets 3, 4 und 5 gibt es eine neue sehr empfehlenswerte Einspielung mit Emperor String Quartet 2004 BIS


    Mit besten Empfehlungen: Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

    Einmal editiert, zuletzt von MStauch ()

  • warum hat es die kammermusik so schwer, die ihr gebührende anerkennung zu erhalten, aber vor allem begeisterung hervorzurufen? das würde mich von euch interessieren. welche thesen habt ihr?


    ich weiß nur, daß ich auch erst mit ende zwanzig meine helle begeisterung dazu entdeckt habe. und nun finde ich, daß kammermusik (und die liedkunst) eigentlich der inbegriff der musik, des innigen musizierens ist.


    vielleicht ist ein guter weg dazu folgender: mit den 'orchestralen' , d.h. klangvoluminösen werken anzufangen (d.h. klavierquintette, -quartette, -trios, dann die duos mit klavier) und sich dann zu den streichquintetten und -quartetten etc. vorzuarbeiten... so habe ich es auch gemacht und es nieeeeee bereut ... :D


    und dann könnte ich noch persönlich feststellen, daß es nichts beglückenderes gibt, als zu zweit zu musizieren - vollkommen in einklang ... herrlich und jedem zur nachahmung zu empfehlen es gibt nichts beglückenderes, ehrlich :D :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Hallo,


    ich gehöre auch zu jenen, die der Kammermusik nicht das abgewinnen können, was sie eigentlich verdient.
    Meine These ist einfach: ich habe einmal eine Freundin gehabt, die Violine studiert hat und für sie war und ist Kammermusik etwas vom Feinsten. Da ich aber kein Instrument spiele und so keinen emotionalen Bezug zur Kammermusik haben kann, habe ich auch noch nie dieselbe Euphorie entwickeln können.
    Wenn bei einem Streichquartett die Stimmen auf das Minimum reduziert werden, mag zwar eine ganz eigene Stimmung herrschen - ich aber muss zu geben, dass ich lieber Grossformationen habe.


    Du schreibst es ja selber, als Beteiligter ist Kammermusik eine Welt für sich! als Aussenstehender habe ich jedoch (mit einigen wenigen Ausnahmen) keinen Zugang zu dieser Welt. Ausnahmen sind Werke von unmesslicher Schönheit, der Rest bleibt mir nach wie vor verschlossen.


    Liedkunst hingegen würde ich persönlich nicht als Kammermusik bezeichnen, denn ich singe ja auch Arien mit einem Pianisten zusammen und auch wenn es ein intimes Zusammenspiel sein mag, so bin ich als Solist der Chef und der Pianist muss mir folgen. Kammermusik ist für mich aber ein Zusammenspiel gleichwertigerer Partner als dies zwischen einem Solisten und einem Begleiter der Fall ist.



    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Salut,


    klingsor, Du hättest es nicht besser beschreiben können... mir ging es absolut in jedem Punkt ganz genau so... so habe ich auch erst jetzt, also Ende vergangenen Jahres, mein erstes Streichquartett komponiert!


    Man muss natürlich auch sehen, dass allein der Begriff Kammermusik einiges aussagt: die Werke dieses Genre waren geradezu dazu erdacht, im "häuslichen Kämmerlein" musiziert zu werden und nicht gar öffentlich. Zu Zeiten Mozarts und Haydns trafen sich eben diese, um die Kammermusik [hier: Streichquartette] zu pflegen [natürlich mit zwei weiteren Komponisten]. Da es damals noch kein Tamino-Forum und vergleichbare Aktivitäten gab, gesellte man sich und musizierte Kammermusik.


    Viele, ja eingetlich alle Komponisten nutzen diese "Marktlücke" aus und komponierten en masse Duos, Trios, Quartette [sinngemäß richtiger - und so wurde es "früher" auch geschrieben: Duette, Terzette...], welche sogleich bei einem Verlag verlegt und verkauft wurden. Es war eine recht angenehme Geldquelle für die Komponisten des 18. Jahrhunderts; wegen der im Verhältnis zu Orchesterwerken wenigen Stimmen waren solche Werke relativ schnell komponiert, und der Erwerber war "seinem Komponisten" nahe, ohne in ein Konzert gehen zu müssen. So ist es m. E. nach heute auch noch. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich eigentlich durch Beethoven daraus eine neue Kunstform entwickelt, die kaum zu überbieten war/ist. Beethovens Spätwerk ist wohl in keinster Weise mit den ersten Mozart- und/oder Haydn-Quartetten zu vergleichen, das ist einfach etwas total anderes.


    Nun, Liebhaber dieser Werke gibt es durchaus mehr, als Du annimmst [wenn Du die vollen Konzertsääle bei Recitals, Solo-, oder Quartettabenden anschaust].


    Die Kammermusik ist m. E. sehr viel filigraner konzipiert, als "große" Orchesterwerke, je nach Epoche handelt es sich bei den Quartettspielern mehr ode weniger um vier Solisten, was die Ausübung dieser Musiken erschwert - und damit auch das Hören resp. Genießen.


    Sans, souci
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo!
    Ich kann mich hier nicht aus der Sicht des Kammermusik aktiv betreibenden äußern, sondern nur aus der Sicht des Kammermusik hörenden.
    Klingsor, Deine Frage, warum Kammermusik so wenig Anerkennung erhält und bei so wenigen Begeisterung auslöst, halte ich für eine sehr interessante Frage, und ich hatte gehofft, daß Du von einigen Leuten, auf die das zumindest tendentiell zutrifft, hier Antworten erhälst. Denn mich interessiert das auch. Aber vielleicht ist die geringe Beteiligung an dieser Fragestellung auch bezeichnend für diesen Sachverhalt. Ganz allgemein gehts im Kammermusik-Forum ja ziemlich ruhig zu...
    Jetzt zu meiner subjektiven Sicht: In den ersten zwei Jahren (so etwa), in denen ich vermehrt Klassik gehört habe, haben es, soweit ich mich erinnere, nur zwei Kammermusikwerke in mein "Hörrepertoire" geschafft, nämlich das Forellenquintett von Schubert und das Kaiserquartett von Haydn. Das lag vor allem daran, daß ich zuerst die populären Symphonien, Konzerte, Ouvertüren, Klaviersonaten etc. kennengelernt haben, weil sie sich am Markt für Klassik-Eisteiger auch viel mehr "aufdrängen".
    Aber spätestens als ich das erste Beethoven-Streichquartett kennengelernt habe, "war es um mich geschehen". Eine bis heute ungebrochene Begeisterung für die Meisterwerke der (nicht nur beethovenschen) Kammermusik hatte - ganz ohne "Eingewöhnungsphase" eingesetzt. Inzwischen höre ich sogar große Orchesterwerke tendentiell seltener und dafür lieber Kammer- und Klaviermusik.
    Aber den beschriebenen "Kammermusik-Effekt" konnte ich in meinem Freundeskreis recht gut beobachten. War der ein oder andere für ein Symphoniekonzert oder eine Oper durchaus mal zu gewinnen und auch mit Freude dabei, so kam es vor, daß einer bei einem Streichquartettkonzert neben mir einschlief bzw. ich ganz allgemein nach einem Kammermusikabend gesagt bekam "So was lieber nicht wieder". Nichtsdestotrotz habe aber auch ich beobachtet, daß die Kammermusik-Konzerte auch ausverkauft sein können. Also ganz so schlimm kann es nicht sein.
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    ich empfand Kammermusik früher, d.h. vor 10-15 Jahren, auch ziemlich "ätzend"... selbst die süsseste Melodie konnte mich nicht dazu bewegen, "durchzuhalten". Mittlerweile mag ich diese Formation[en] sehr, da ich auf die einzelnen Instrumente Rücksicht nehme - also deren eigene Klangfarben sehr schätze, was ich quasi durch Solo-Konzerte erlernt habe.


    In der Kammermusik sind Klänge und Klangfarben möglich, die ein Orchester niemals vollbringen könnte. Auch das könnte ein Grund sein - die [noch] fehlende Übersättigung am Orchesterklang...


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Hallo!



    Dazu fällt mir eine interessante Redewendung von meinem früheren Musiklehrer ein:
    Diese Art Musik ist für viele noch "un-er-hört". (erhören hier im Sinne von erarbeiten)
    Ich mag solche Wortspiele und es trifft die Sache recht gut.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Liebe Forianer,



    die hier geführte Diskussion habe wir bereits in einem früheren - inzwischen etwas vergessenen - thread geführt:


    Stellenwert von Kammermusik heute - letzter Beitrag aus November letzten Jahres.


    Vielleicht kann der noch wiederbelebt oder es können beide threads zusammengeführt werden. Oder sonst einfach mal nachlesen. Die Argumente über die Verkennung der Kammermusik sind immer ähnlich. Das kann nur geändert werden, wenn wir auch in diesem Forum die Highlights der Kammermusik benennen und so für alle deutlich machen, was ihnen entgeht. Das argumentative Bedauern bringt nach meiner Meinung wenig.


    Mit besten Grüßen


    Matthias



    Danke für den Hinweis -Threads wurden verbunden
    Alfred, Moderation

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Hallo, Matthias!

    Zitat


    Das kann nur geändert werden, wenn wir auch in diesem Forum die Highlights der Kammermusik benennen und so für alle deutlich machen, was ihnen entgeht. Das argumentative Bedauern bringt nach meiner Meinung wenig.


    Da hast Du natürlich recht. Ich nehme mir fest vor, hier einige meiner Lieblingswerke bzw. meine Eindrücke zu ihnen zu beschreiben. Hoffentlich hilfts! ;)
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    Das kann nur geändert werden, wenn wir auch in diesem Forum die Highlights der Kammermusik benennen und so für alle deutlich machen, was ihnen entgeht. Das argumentative Bedauern bringt nach meiner Meinung wenig.


    Na dann fangen wir doch gleichmal an:


    Brahms und Mozarts Klarinettenquintette, ebenso wie Brahms Klarinettensonaten, Kreutzer- und Frühliingssonate von Beethoven, Griegs Violinsonaten


    Wer bietet mehr?

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo, Christian!
    So hatte ich das nicht gemeint. Ich meinte, daß ich versuchen werde, mich in (alten oder neuen) threads ausführlich ausgewählten Werken der Kammermusik zu widmen (wie bereits zu op.18 Nr.1 von Beethoven geschehen) in der Hoffnung, daß es zum Hören und/oder Diskutieren anregt.
    Ich will hier aber natürlich niemandem verbieten, seine Lieblingskammermusikwerke zu nennen! (für mich sind Beethovens Streichquartette die Krone der Kammermusik)
    Aber das hätte eigentlich seinen eigenen thread verdient: "Essentielle Aufnahmen - Kammermusik" oder ähnliches.
    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Dadurch das ich ja von der Geige herkomme bin ich schon ziemlich interessiert an Kammermusik, insbesondere am Streichquartett. Mein Lieblingsquartett war und ist bis heute "Der Tod und das Mädchen" von Franz Schubert. Durch mein eigenes mitwirken in Streichorchestern kann ich mich auch sehr für die Streicherserenaden von Suk, Tschaikowsky, Dvorak, Elgar etc. begeistern. Bläserkammermusik spricht mich nicht so besonders an, am ehesten noch die Bläserserenade von Dvorak oder die Bläserouvertüre von Mendelssohn, sofern man diese noch als Kammermusik bezeichnen kann.


    Warum die Kammermusik heute keinen solchen Stellenwert besitzt wie früher kann ich mir ehrlich gesagt kaum erklären. Durch die Initmität und Ergriffenheit dieser Werke fühlen sich vielleicht "nicht eingeweihte" etwas verschreckt, diese flüchten sich dann in die "offenere" und "größere" Symphonik.

  • Hallo,


    ich liebe an Kammermusik die Verdichtung des musikalischen Geschehens und die unprätentiöse Darstellung.


    Den Zugang zur Kammermusik habe ich mit Beethovens Streichquartett Nr. 12 op.127 gefunden. Nach gut zwanzig mal hören ist der Groschen gefallen...(Heute frage ich mich, warum das so eine schwere Geburt war ;)).


    Vielleicht muß man sich einfach in ein bestimmtes Stück verbeissen und der Rest kommt dann von alleine.


    Ein Beethoven ohne 5. Sinfonie ist für mich genauso unvorstellbar wie ein Beethoven ohne Streichquartette.


    Gruß,
    Oliver

  • Hallo, Oliver!


    Zitat


    Den Zugang zur Kammermusik habe ich mit Beethovens Streichquartett Nr. 12 op.127 gefunden. Nach gut zwanzig mal hören ist der Groschen gefallen...(Heute frage ich mich, warum das so eine schwere Geburt war ;)).


    Das ist auch nicht gerade der "einfachste" Zugang zur Kammermusik! Dennoch ist es Dir anscheinend geglückt... und wenn man erst mal den Zugang zu den späten Beethoven-Quartetten gefunden hat... :)
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Klingsor und alle anderen Kammermusikfans!


    Meine Beziehung zur Kammermusik fing ganz ähnlich an. Ich kam über Oper und Orchesterwerke mit ca. Ende Zwanzig zu Lied und Kammermusik und bin heute ein erklärter Kammermusikfan, weil ich finde, dass man bei dieser Musiksparte den Aufbau und die Struktur eines Musikstückes am Besten erkennt. Mein absolutes Lieblingsstück ist Schuberts "Der Tod und das Mädchen".

  • Ohne daß eine durch Zahlen und Fakten minutiös untermauerte Analyse stattfindet:
    Wenn ich mir so die Konzertprogramme in Wien ansehe, glaube ich nicht, daß die Kammermusik unterrepräsentiert ist (ABQ, Küchel-Quartett, Artis etc.). Dies meine ich, und da begebe ich mich auf gefährliches Eis, in Relation zu den Kompositionen im Vergleich zu Konzert oder Oper.
    Vielleicht ist die Kammermusik nicht ganz so populär und erschließt sich weniger Musikliebhabern als die bombastische Oper oder die Sinfonie oder das Konzert.
    Warum ich diese Musikgattung liebe (ich bin so der Clon von Erna)
    a) weil ich einmal Freikarten für das Alban Berg Quartett erhielt, diese mit meiner Frau nutzte und durch dieses Erlebnis zum Abonnenten des ABQ für lange Jahre wurde.
    b) weil der Aufbau einer Komposition für mich viel transparenter als bei der Großen Sinfonie ist,
    c) weil es mir gefällt.


    Das Publikum, so scheint mir, ist sich zumeist des Status des Elitären manchmal zu bewußt, dies ist mir aber sehr egal.


    Lieblingsstücke:
    Janaceks Streichquartette, Schubert (v.a. "Der Tod und das Mädchen" und das Quintett), natürlich Beethoven, Haydn und Mozart.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

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  • Hallo Rienzi,


    als Fan des "ABQ" wird Dich diese Meldung dann sicherlich besonders betrüben, falls Du sie nicht schon kennst:


    "Tod von Thomas Kakuska (Alban Berg Quartett)
    Der Bratschist des Alban Berg Quartetts, Thomas Kakuska ist nach schwerer Krankheit im Alter von 64 Jahren am 4. Juli gestorben. Der gebürtige Wiener studierte an der Hochschule für Musik und Darstellene Kunst seiner Heimatstadt, war Mitglied der Wiener Solisten und des Wiener Streichtrios bevor er 1981 Bratscher beim Alban Berg Quartett wurde. In der letzten Zeit vertrat ihn bei Konzerten des Ensembles bereits die Bratscherin Isabel Charisius. Ob sie in Zukunft ganz beim Alban Berg Quartett tätig sein wird, ist noch nicht bekannt."


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Rienzi,


    habe gerade gesehen, daß Du selber die Meldung im Thread "Was höre ich gerade?" verbreitet hast. Das kommt davon, wenn man die Threads nicht in der richtigen Reihenfolge abarbeitet. :D


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Lieber Giselher,


    Dies tat ich aus zwei Gründen:
    a) weil es mir gerade einfiel,
    b) als es mir eingefallen war, dachte ich, daß im Thread "was höre ich gerade" mehr Leser sind als wenn ich einen eigenen "in memoriam" im Schächtelchen Kammermusik eröffne. Ich finde, daß Herr Kakuska viele Leser wie auch Zuhörer verdient hat.


    Wie schon erwähnt, war ich jahrelang Abonnent des ABQ. Daß ich es nicht mehr bin, hängt damit zusammen, daß ich das Pech hatte, bei den wochentägigen Konzerten des ABQ zuvor der Wichtigste in der Firma und im Konzern zu sein (ist sonst nicht der Fall). Dann kam ich mit wehender Krawatte ins Konzerthaus. Dann hat sich fallweise die Situation ergeben, daß mir die Musik sehr auf die Nerven ging und ich wie ein angeschlagener Boxer der Pause, dem Ende entgegentaumelte.
    Jetzt hebe ich mir die Band für die nahende Pension auf.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Heutzutage gibt es einfach keine Kammern mehr, wo man Kammermusik aktiv, sprich live, aufführen könnte. Kammermusik - da denke ich an einen Abend in einer gutbürgerlichen Villa, wo viele Gäste geladen sind - der ausgedehnte Freundeskreis des Gastgeberpaares - und von diesen haben jene, die ein Instrument beherrschen, eben Werke einstudiert, die sie nun zu Gehör bringen. Kammermusik im Konzertsaal ist völlig verfehlt. Kammermusik gehört in einem kleinen, intimen Salon in einer Villa oder Palais aufgeführt, auch wenn die romantische Vorstellung, der ich oben gefrönt habe ("...ausgedehnter Freundeskreis des Gastgeberpaares...jene, die ein Instrument beherrschen...") natürlich nicht durchführbar ist. Es gäbe wohl in jeder Stadt solche passenden Aufführungsorte, nur sie werden allzu selten bespielt.


    Ich persönlich mag Kammermusik aufgrund ihrer größeren Intimität und des durchsichtigeren Satzes auch sehr gerne, aber ich muss schon eingestehen, dass das Zuhören viel mehr Konzentration abverlangt, als das bei einem größer besetzten Werk der Fall ist.

  • hallo liebe musikfreunde,


    das feld der kammermusik ist sehr weit. es reicht von duos bis oktetts oder gar kammersymphonien (?). fest steht, das die bedeutendsten komponisten (bis auf wenige ausnahmen) mitunter ihre intimsten und teilweise komplexesten aussagen in der kammermusik fanden. beethovens streichquartette z.b. sind viel dichter in ihrer konstruktion als seine symphonien. das heißt, das kammermusik nicht nur für den hausgebrauch sondern auch für hochprofessionelle instrumentalisten geschrieben wurde.


    neben den standardformationen, die heutzutage als feste mannschaft ihren lebensunterhalt verdienen, spielt die kammermusik auch für große solisten eine wichtige rolle, da sie z.b. im klaviertrio auch zur eigenen freude und ergötzung sich zusammenfinden können und sich dabei im sinne einer musik-reha vom stress des virtuosendaseins erholen können.


    gruß, siamak

    Siamak

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