Wagners Tannhäuser und die unterschiedlichen Fassungen

  • Hallo Forianer,


    der "Tannhäuser" ist innerhalb dieses Forums recht kurz weggekommen. Die Titelpartie stellt sehr hohe Ansprüche an den Sänger, noch im dritten Aufzug, in der Rom-Erzählung wird dem Sänger vieles abverlangt.


    Drei Fassungen der Oper gibt es:
    - die Dresdner Fassung
    - die Pariser Fassung (hier spielt die Tristan-Chromatik mit hinein)
    - die Mischfassungen


    Zu empfehlende Aufnahmen aus meiner Sicht:


    Dresdner Fassung:


    Hopf, Grümmer, Fischer-Dieskau, Schech, Frick, Wunderlich
    Chor der Deutschen Staatsoper Berlin, Staatskapelle Berlin, Konwitschny
    - Hopf tut sich schwer, trotzdem eine sehr lohnenswerte Aufnahme:
    Grümmer, Frick, Wunderlich!


    Windgassen, Nilsson, Nilsson, Fischer-Dieskau, Adam, Laubenthal
    Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin, Gerdes
    - ingesamt sehr interessante Aufnahme: Nilsson als Elisabeth und Venus


    Pariser Fassung:


    Kollo, Dernesch, Braun, Ludwig, Sotin, Hollweg
    Wiener Philharmoniker, Solti
    - Braun als Wolfram fehlbesetzt, ansonsten sehr luxuriöse Aufnahme


    König, Popp, Moll, Weikl, Meier, Moll, Jerusalem
    Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks, Haitink
    - König ist nicht jedermanns Geschmack


    Mischfassungen:


    Windgassen, Silja, Wächter, Bumbry, Greindl, Stolze
    Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Sawallisch
    - hervorragende Einspielung mit der schwarzen Venus


    Seiffert, Eaglen, Hampson, Meier, Pape, Gudbjörnsson
    Chor der Deutschen Staatsoper Berlin, Staatskapelle Berlin, Barenboim
    - aktuellste Neueinspielung auf dem Markt; Eaglen stört den insgesamt
    sehr guten Gesamteindruck


    Was meint ihr?


    Herzliche Grüße
    LT :hello:

  • Ich bevorzuge eindeutig die Dresdner Fassung, sie ist für mich der "originale" Tannhäuser, auch wenn Wagner gegen Ende seines Lebens gesagt haben soll, er sei der Welt noch den Tannhäuser schuldig. In der Pariser Fassung stimmen für meinen Geschmack die Propirtionen nicht: der Venusberg wird zu lang, die geänderte Musik bricht eher heraus.


    Das Bacchanal finde ich eh verzichtbar, dadurch wird die Musik des Anfangs (Ouvertüre + Bacchanal) zu lang. Daher stellen auch die Mischfassungen für mich keinen Gewinn da.


    Und nun zur Besetzung: der Tannhäuser ist für mich die am schwierigsten zu besetzende Wagnertenorpartie. Gibt es vom Tristan einbe ganze Reihe sehr überzeugende Interpreten (Lauritz Melchior, Max Lorenz, Ramon Vinay, Ludwig Suthaus, Günther Treptow (von mir ausdrücklich hier auch erwähnt!), Wolfgang Windgassen und v.a. Jon Vickers), so kenne ich vom Tannhäuser eigentlich keinen rundum befriedigenden. Am ehesten würde ich Ludwig Suthaus nennen (Berlin 1949 mit dem blutjungen FiDi), daneben Vinay (Bayreuth 54) und Winmdgassen in den früheren Aufnahmen (v.a. Bayreuth 55). Melchior hat eine großartige Romerzählung gesungen, die Liveaufnahmen aus der Met finde ich eher enttäuschend. Max Lorenz Aufnahme (Ausschnitte aus Berlin 1942) kenne ich nur z.T.


    Als Wolfram gibt es Fischer-Dieskau (am besten Bayreuth 54), dann lange nichts und dann viele gute.


    Elisabeth? Maria Müller natürlich, aber leider 1930 im allerersten Bayreuthmitschnitt in schlechter Gesellschaft (einer der unbefriedigendsten Tannhäuser!) Post-War: Lucia Popp in ihrer einzigen Wagneraufnahme (von Rheintöchtern abgesehen).


    Venus: Waltraud Meier und Christa Ludwig.


    Die anderen Rollen sind unproblematisch.


    Dirigent? Solti (leider Pariser Fassung); Cluytens und Keilberth (leider Mischfassung).


    Welche Aufnahme? Hier tue ich mich echt schwer! Summa summarum überzeugt mich trotz Pariser Fassung am ehesten Solti, trotz Mischfassung der Bayreuthmitschnit von1954 unter Keilberth (wen Mono nicht stört), von den Aufnahmen der Dresdener Fassung alles in allem Haitink (klingt jetzt vielleicht inkonquesent).


    Noch einige Ausfälle IMO:


    Gerdes: nicht gut dirigiert, große Namen, die allesamt versagen (Windgassens und Nilssons schlechteste Aufnahmen); Sinopoli wegen des radebrechenden Domingo, der zwar alle Töne singt, aber weiß Gott keinen Tannhäuser und einer in ihrer Rolle etwas deplazierten Agnes Baltsa.


    Ich bin gespannt auf Anmerkungen, Zurechtweisungen, Bestätigungen o.ä.


    Bis dahin viel Spaß wünscht
    vitelozzo-tamare

  • Hallo vitelozzo-tamare,


    schon dein Name klingt wie Musik.Des Italienischen nicht sooo mächtig,erlaube die Frage nach dem Sinn.


    Hallo Liebestraum,


    Tannhäuser,meine Lieblingsoper von Wagner,ist mir in der Dresdener Fassung lieber.Da lenkt nichts von der herrlichen Musik ab.
    Der Konwitschny-Tannhäuser wäre mit Windgassen anstelle Hopf sicher das Non-plus-Ultra aller (früheren) Aufnahmen gewesen.Ich hab zum Glück beide,also auch die Bumbry-Venus und den einmaligen Windgassen in einer seiner Paraderollen.
    Wunderlichs Walther von der Vogelweide in erstgenannter Aufnahme läßt erahnen,wozu dieser Sänger noch bei weiterer Entfaltungsmöglichkeit fähig gewesen wäre.


    Heute ist Peter Seiffert stimmlich die erste Wahl,darstellerisch hab ich so etwas Probleme mit ihm.Das war schon bei seinem Max so,wie beim Stolzing.Ein so gewichtiger Sänger bewegt sich eben recht behäbig.Man kann nie alles haben.


    Zum Abgewöhnen finde ich die Domingo-Aufnahme,wie alle seine deutsch gesungenen Partien.Da ist das Geld schlecht angelegt,zumal die Walther-Szene im 2.Akt "Den Bronnen,den uns Wolfram nannte,..."einfach rausgeschnitten wurde.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Siegfried!
    Ich antworte einfach mal auf den gesamten Beitrag.
    vitelozzo-tamare ist eine Figur aus einer Oper des 20. Jahrhunderts, keine besonders positive im übrigen. Ich lass es mal als Rätsel stehen.


    Auf Konwitschny bin ich nicht extra eingegangen, obwohl es vielleicht wirklich die insgesamt "rundeste" Aufnahme ist. Hans Hopf stört wirklich, war vermutlich gar kein so ungeeigneter Tannhäuser, aber halt überhaupt keine phonogene Stimme, ist außerdem viel zu direkt aufgenommen, wodurch der quallige knödelige Ton unerträglich wird. In Liveaufnahmen ist er besser. Ich finde aber auch, dass die Aufnahme für die hochgeschätzte (auch von mir!) Eliswabeth Grümmer zu spät kam (deutliche Schärfen in der Höhe) und Marianne Schech als Venus blass bleibt. Als letztes halte ich es für eine der schwächsten Darbietungen des großen Gottlob Frick auf Schallplatte. Bite - das ist kein Verriss! Die Aufnahme ist in toto hervorragend!


    Das Herausschneiden der Walther-Szene aus deem Sängerkrieg entspricht übrigens der Pariser Fassung, die Sinopoli in Reinform bietet. Soweit ich weiß, war der Walther der Pariser Erstaufführung nicht im Stande, das Lied zu singen.


    Gruß aus Lübeck
    vitelozzo-tamare

  • Mir war nicht bewusst, dass es sich um ein Rätsel handelt: also, du bist Schrekers "Die Gezeichneten" entsprungen!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo!


    Ich bin noch nicht lange Opern- und Klassikfan, wenn man das mal so sagen darf.


    Ich wollte Euch jetzt mal fragen, ob ihr mir diese Oper empfehlen könnt.
    Habe mir mal den anfang von LP angehört, ist sehr schöne Musik wie ich finde.
    Werde sie mir in Ruhe noch zu Ende anhören. :)

  • Hallo Bastian,


    ob Dir die Oper gefällt, ob sie empfehlenswert ist, hängt hauptsächlich von Deinem Musikgeschmack ab ;) .


    Das klingt wie eine blöde Antwort, aber so pauschal läßt sich Deine Frage kaum beantworten.


    Der Tannhäuser erschließt sich grundsätzlich nicht ganz so einfach die z.B. die Zauberflöte oder der Babier von Sevilla (obwohl selbst diese Aussage angezweifelt werden kann ;) ).


    Vielleicht wäre es einfacher, wenn Du aufzählst, welche Opern Du bisher kennst, damit man den Tannhäuser leichter abgrenzen kann.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo!


    Auch wenn das jetzt hier eigentlich nicht in den Thread gehört will ich dennoch gerne Bericht erstatten:


    Ich komme gerade aus dem Nationalteather in Mannheim und habe dort gerade Tannhäuser gesehen.


    Es war einfach traumhaft, die Inzenierung und die Musik. Ich fand die Oper auch nicht zu lang, geht ja ca. 3 Stunden. Es wird einem nie langweilig. ;)


    Viele Grüße Bastian

  • Hallo Bastian,


    das freut mich, dass dir die Opern-Vorstellung gefallen hat. Hast du denn schon andere Wagner-Opern gehört oder live erlebt?


    Herzliche Grüße
    LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,


    Nein, leider noch nicht. In Mannheim läuft aber diese Spielzeit, also noch bis Juli Tristan und Isolde und Parsifal. Ich war bis jetzt noch nicht oft in der Oper, habe mich erst Anfang diesen Jahres damit angefreudet. Ist jetzt die Frage (ich weiß das ist nicht der richtige Thead dafür ;)) ob ich mir diese 2 ja relativ langen Opern schon anschauen sollte.


    Ich will mir jetzt auch den Tannhäuser auf CD zulegen, kannst du mir eine Emfehlung geben, vielleichtz etwas das nicht soo teuer ist, und trotzdem gut ist.
    Ich sag mal so, ich als Neuling höre bestimmt eh nicht raus ob da ein besonders guter Sänger singt oder ein bisschen schlechterer. ;)


    Viele grüße Bastian


    edit: Habe schon die Meistersinger teilweise gehört., die Ouvertüre ist so schön, generell finde ich die Ouvertüren die ich von Wagner kenne schön. Werde auf jeden Fall zu dem Meistersingern gehen wenn es denn mal wieder gespielt wird.

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  • Hallo Bastian,


    ich würde dir auf jeden Fall noch den "Tristan" empfehlen. Für "Parsifal" brauchte ich auch etwas länger...


    Bei jpc gibts den Gerdes-Tannhäuser für 23,00 EUR. Keine schlechte Aufnahme!


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Danke erstmal für deine Empfehlung.


    Kann man denn die Musik etwas vergleichen, also zwischen Tannhäuser und Tristan oder Parsifal? Weil die Musik von Tannhäuser gefällt mir sehr gut!

  • Hallo Bastian,


    der "Tristan" ist etwas ganz anderes als der "Tannhäuser" und deshalb schwer miteinander zu vergleichen.


    Nur so viel aus meiner Sicht: Dürfte ich nur eine Oper von diesen beiden mit auf die Insel nehmen, dann wäre es der :jubel: "Tristan". :yes:


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Bastian
    Danke erstmal für deine Empfehlung.


    Kann man denn die Musik etwas vergleichen, also zwischen Tannhäuser und Tristan oder Parsifal? Weil die Musik von Tannhäuser gefällt mir sehr gut!


    Tristan und Parsifal sind von Wagner, Tannhäuser ist von einem Komponisten, den die Forscher in 500 Jahren als Proto- oder Pseudo-Wagner bezeichnen werden :stumm: :D


    Probieren geht über Studieren, wenn es nicht zu teuer ist, würde ich auf jeden Fall reingehen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke Johannes


    Da ich noch Schüler bin geh ich immer 20 Minuten vor Beginn hin und nehm dann die Last-Minurte-Tickets. Kosten 12 EUR.


    Habe bei Hochzeit des Figaro Loge bekommen , jetzt bei Tannhäuser Reihe 2. ;)


    Grüße Bastian

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  • Hallo Bastian,


    es wäre schön,wenn du etwas über die Ausführenden deiner besuchten Tannhäuser-Aufführung erzählen könntest. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Nationaltheater mannheim


    Richard Wagner
    Tannhäuser


    Musikalische Leitung
    Frédéric Chaslin


    Inszenierung
    Chris Alexander


    Bühne
    Maren Christensen


    Kostüme
    Susanne Hubrich


    Chor
    William Spaulding


    Premiere
    16. Juni 1996





    Hermann, Landgraf
    Mihail Mihaylov


    Tannhäuser
    Wolfgang Neumann


    Wolfram von Eschenbach
    Thomas Berau / Markus Eiche


    Walther von der Vogelweide
    Uwe Eikötter

    Biterolf
    Thomas Jesatko

    Heinrich der Schreiber
    Xavier Moreno / Oskar Pürgstaller

    Reimar von Zweter
    Tomasz Konieczny


    Elisabeth
    Caroline Whisnant


    Venus
    N.N.


    Ein junger Hirt
    Marina Ivanova


    Vier Edeldamen


    Yumi Kawahara / Rica
    Westenberger / Regina
    Kruszynski , Monika
    Fuhrmann / Angelika
    Krieger-Faß / Brigitte
    Rackowitz , Jonka
    Hristova / Antonia Knodt


    Habe es leider nicht übersichtlicher hinbekommen.


    Grüße Bastian