Antonín Dvorák und seine einzige Messe op.86

  • Hallo werte Dvorák-Interessenten!


    Heute möchte ich einmal wieder einen Thread über das Schaffen eines mir sehr am Ohre liegenden Komponisten eröffnen.


    Im Jahre 1887 schrieb Dvorák seine einzige Messe in D im Auftrage des tschechischen Kunstmäzen und Gründer der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Josef Hlávka.
    Der vermögende Architekt wollte eine neues Werk - seinem Wunsche nach eine Messe - zur Weihe seiner gerade erbauten Schlosskapelle seines Gutes bei Pilsen. Ohne zu zögern stimmte Dvorák diesem Wunsche zu - und weil es ihm selbst am Herzen lag, ging es sobald als möglich auch an die Arbeit: nach Vollendung der Partitur zu seiner Oper Der König und der Köhler am 26.März 1887 begann er mit den Skizzen zu seiner Messe in D für gemischten Chor und Orgel.
    Zwei Monate und drei Wochen später war die Partitur fertig gestellt. Erfahrungen konnte Dvorák schon in früher Jugendzeit sammeln, als er zum einen selbst Instrumentalist in Dorfkirchen bei Messen war, aber auch im Alter von 19 Jahren einen ersten Versuch einer Komposition unternahm - die Messe in B ist leider nur bruchstückhaft erhalten...
    Diese Messe schrieb er auf seinem jederzeit geliebten Landsitz in Vysoká, von wo er am 17.Juni voller Stolz verkündete: Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass ich die Arbeit glücklich vollendet habe und mich aufrichtig über das Ergebnis freue. [...] Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir den Anlass gegeben haben, ein Werk in dieser Form zu schreiben, denn bisher habe ich Werke von ähnlicher Art nur in großen Dimensionen komponiert [...].


    Schlicht und einfach ist diese Messe - eine bescheidende Besetzung: Soli, Chor und Orgel. Passend für ländliche Gottesdienste - die Gegebenheiten in der Kapelle Luzanys trug ihren Teil dazu bei, dass es zu einer solch einfachen Besetzung kam und hier erklang die Messe auch am 11.September 1887 zum ersten Mal. Anlass war die Weihe der Schlosskapelle von Luzany.
    Josef Klicka, Professor am Prager Konservatorium, trug den Orgelpart vor, unter den Solisten war Dvoráks Frau und er selbst dirigierte.


    Später wurde der Orgelpart durch zwei Harmonien ersetzt - für die Druckausgabe 1892 instrumentierte er die Orgelbegleitung.
    Die Orchesterversion wurde dann ein Jahr später in London erstmals aufgeführt.




    Nun erst einmal meine Frage: Kennt ihr diese Messe? Wenn ja: Was haltet ihr von ihr?
    Das Übliche eben.



    Auf interessante Beiträge gespannt wartend:


    Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Lieber Maik und an alle anderen,
    ich kenne die Messe eigentlich recht gut, soweit man dies als Laie sagen darf.
    Ich habe die Messe relativ oft, an die 10 X in den beiden häufiger gespielten Fassungen gesungen, also in der Orgelfassung als auch in der Orchesterfassung, die Fassung für zwei Harmonien kenne ich nur vom hören/sagen.
    Ich habe die Messe immer sehr gerne gesungen, obwohl sie teilweise sehr anspruchsvoll ist (z.B. Beginn des Gloria) und ich hoffe es ist mal bald wieder soweit.
    Es ist eigentlich wie immer bei Dvorak (und das ist überhaupt nicht negativ gemeint): eine ungeheuer große Anzahl wunderschöner Melodien - das Brahms-Zitat in Maiks Profil sagt alles und das aus berufenen Mund).
    "Meine" Aufnahme ohne den Anspruch einer Empfehlung:
    Marcela Machotkova (S), Stanislava Skatulova (A), Oldrich Lindauer (T), Dalibor Jedlicka (B); Chor und Orchester der Tschechischen Philharmonie; Ltg. Vaclav Smetacek
    Liebe Grüße
    Bernd Hemmersbach (hemmi)

  • Hallo Bernd!


    Ich danke dir sehr für deine Empfehlung. Die CD ist ohne lange zu zögern auf dem Merkzettel gelandet - und dazu hätte ich noch eine Frage an dich. Da die Aufnahme mit dem Te Deum op.103 (ein tolles Werk) gekoppelt ist, interessiert mich, was du davon hältst! Habe erst Mitte dieser Woche das Te Deum mit Neumann kennen gelernt - Smetacek dürfte diese Musik auch sehr gut liegen.
    Irgendwann wird es sicher auch einen seperaten Thread zum Te Deum geben, aber es wäre schön, wenn du dich hier kurz dazu äußern könntest.


    Außerdem steht die Messe op.86 noch mit Guglhör auf dem Merkzettel - hat vernünftige Kritiken bekommen.
    Selbst besitze ich die Einspielung mit Lubomir Matl und an der Orgel Josef Ksica. Kann ich nur empfehlen - auch wenn ich keinen Vergleich habe.


    In dem Werk selbst gibt es viele sehr schöne Stellen. Dazu werde ich mich auch noch äußern. Ich habe das Werk zwar schon einige Male gehört, aber fühle mich derzeit nicht so, dass ich meine bescheidenden musikalischen Eindrücke niederschreiben kann...


    Liebe Grüße, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • die Messe kenn ich ganz gut - mehrmals gespielt...
    Schönes Stück...als passend für ländliche Kirchenchöre würd ich sie nicht bezeichnen ;) , da sind unangenehme chromatische a capella Stellen drin


    die Orchesterversion ist IMO sehr viel besser als die Orgelfassung, gerade der Beginn von Gloria oder Sanctus ist mit Orgel zu statisch, da müßte man ständig die Register wechseln


    aber das Benedictus ist schon ein Genuß...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Lieber Maik, liebe anderen Leser,
    wie versprochen noch einige persönliche Eindrücke der Messe und des Te Deums.
    Dies sind Äußerungen eines musizierenden Laien, kein musikwissenschaftlicher Beitrag. Deshalb auch dem Tastenwolf Dank für die Ergänzungen.
    Was mir persönlich bei der Messe auffällt ist ihre Innigkeit, die sie nur selten verlässt: im Gloria im ersten und im Schluss-Teil, im Cruzifixus, Sanctus und im Hosanna.
    Im Kyrie bittet jemand um Erbarmen, aber er fleht nicht. Da bittet jemand, der weiß, dass ihm ohnehin vergeben wird. Den Satz insgesamt empfinde ich auf eine schwebende Art als tänzerich.
    Das Christe ist durch seine leichte rhytmische Verschärung etwas etwas erdverbundener, der Ton ist etwas flehentlicher.
    Der langsame Mittelteil des Gloria ist einer dieser innigen Gesänge.
    Das Credo empfinde ich eher als einschmeichelnd.Das Incarnatus est ist unvergleichlich und scheint aus einer anderen Welt zu kommren.
    Das Cruzifixus entspricht dem Gegenstand, der vertont werden sollte Mit dem 'Et resurrexit' kehrt die Stimmung des Credo-Beginn wieder.
    Das Benediktus ist auch wieder einer der innigen Gesänge dieser Messe.


    Das Te Deum ist eines der zahlreichen Jubelgesänge dieses Genres. Es hat einen ganz außergewöhnlichen Beginn, denn es fängt mit einem Paukensolo an. Wenn die übrigen Instrumente dazukommen, scheint dies in einem völlig anderen Rhytmus zu sein. Erst dann beginnt der eigentliche Jubelgesang. Eine wunderschöne, langsamere Melodie des Solosoprans wird noch ein mal kurz vom Jubelgesang abgelöst.
    Der nächste Abschnitt beginnt mit feierlichem Blech-Geschmetter, bevor der Solo-Bass die Majestät Gottes besingt. Bei etwa 01:40 haben die Holzbläser "böhmische Melodien" zu blasen. Die Musik des Solo-Basses wird ruhiger und gewinnt nach und nach hymnische Züge.
    Der dritte Abschnitt, 'Aeterna fac' beginnt mit einer fröhlichen Agressivität, später wird der Satz sanfter.
    'Dignare' zunächst wieder für den Solo-Sopran, Choreinwürfe bauen allmählich Spannung auf. Später Duett Sopran-Bass im Wechsel mit dem Chor.
    Allgemeiner Hallelulja-Jubel aller Beteiligten.


    Ein ganz außergewöhnliches Werk!


    Herzliche Grüße
    Bernd Hemmersbach (hemmi)


    .

  • Seltsamerweise bevorzugte ich bei den geistlichen Kompositionen bisher eher die Alte Musik. Romantische Kompositionen haben mich selten vom Hocker gerissen. Nicht einmal Bruckners Te Deum würde ich als unbedingt unverzichtbar bezeichnen. Doch ich kannte bislang nicht Dvořáks geistliche Kompositionen! Die Messe D-Dur op. 86 sprach mich sofort an. Wie hier schon geschrieben wurde, ein ziemlich verinnerlichtes Werk, das dennoch glanzvolle Stellen hat. Ich bin begeistert.


    Nachfolgend meine Aufnahme, die absolut zufriedenstellt:



    Marcela Marchotková, Stanislava Škatulová, Oldřich Lindauer, Dalibor Jedlička
    Tschechischer Philharmonischer Chor
    Prager Symphonieorchester
    Václav Smetáček
    1969


    P.S.: Das Te Deum darauf ist auch sehr gelungen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe mir aufgrund Joseph II. Empfehlung diese CD gekauft und bin wirklich begeistert von dem Werk. Da ich nur die Orchesterfassung habe, kann ich die angebliche Intimität nicht ganz nachvollziehen (das gälte wohl eher für Bruckners erste Messe), aber das Werk ist wirklich sehr inspiriert. Dass es nicht bekannter ist, wäre für mich unbegreiflich, wenn ich nicht wüsste, dass Dvorák ohnehin gerne unterschätzt oder sogar ignoriert wird. Das Te deum ist auch eine beeindruckende Komposition, quasi eine Mischung aus Wagner und Mussorgsky. Um meine Bildungslücken in diesem Bereich zu schließen, habe ich mir bereits die Svatá Ludmíla bestellt.

  • habe ich mir bereits die Svatá Ludmíla bestellt


    Darf ich neugierig fragen, welche Aufnahme?


    Ich habe diese hier:


    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • ...
    Darf ich neugierig fragen, welche Aufnahme?


    Ich habe diese hier:
    ...

    Ja genau, diese hier ist es - andere habe ich gar nicht entdeckt. Außer Supraphon scheint sich niemand für das Werk zu interessieren. Bin schon gespannt!

  • Außer Supraphon scheint sich niemand für das Werk zu interessieren.


    Wirklich?


    Aufnahme: 1.–10.2.1999, Studio
    Dirigent: Gerd Albrecht
    Orchester des WDR Köln
    Chor des WDR Köln


    Borivoj: Piotr Beczala
    Ludmilla: Lívia Ághová
    Svatava: Michele Breedt
    Svatý Ivan: Ludek Vele


    oder:


    Aufnahme: 15., 16.5.2004, live, konz., Prague, Smetanahalle
    Dirigent: Jiri Bélohlávek
    Czech Philharmonic Orchestra
    Prague Philharmonic Chorus, Prague Children's Chorus


    Borivoj: Stanislav Matis
    Grolník: Ales Briscein
    Ludmilla: Eva Urbanova
    Svatava: Bernarda Fink
    Svatý Ivan: Peter Mikulás


    Ferner gibt es noch eine beindruckende Live-Aufnahme aus dem Prager Veitsdom:


    Aufnahme: 26.5.1984, live, konz., Prag, Veitsdom
    Dirigent: Vaclav Smetacek
    Prague Radio Symphony Orchestra
    Prague Radio Chorus
    Chorleitung: Milan Maly


    Borivoj: Leo Marian Vodicka
    Grolník: Lubomir Vraspir
    Ludmilla: Danièla Sounová
    Svatava: Drahomira Drobková
    Svatý Ivan: Antonin Svorc


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • An Harald:


    Danke! Jetzt ist es aber eh zu spät. Die erste Aufnahme hatte ich bei jpc nicht gefunden - wäre nicht draufgekommen, dass man "Saint Ludmila" stat dem eigentlichen Namen eingeben muss.