Ach Du lieber Himmel! Sind die bald fertig... Das Rezitativ

  • Salut,


    der Thread-Titel ist von meiner Seite aus nicht grundlegend ernst gemeint.


    Mein Freund Tastenwolf wollte ihn auch bereits starten, den Thread. Nun moag i nimma watn. :O


    Ich werde ersteinmal gar nicht viel schreiben - nur ein paar Fragen:


    - Wie steht Ihr im Allgemeinen zu Rezitativen?
    - Haltet Ihr sie für verzichtbar / unverzichtbar? ["Rezitativ-Wegzapper"]
    - Gibt es tatsächlich "Best of Recitatives..." ?
    - Cembalo oder Klavier?
    - Ist das Musik?
    - gerne weiteres...


    Neugierige Grüße


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Rezitative gibt es ja eine ganze Reihe unterschiedliche "Versionen" im 17. & 18. Jahrhundert.
    Der Stilwandel von den Anfängen um 1600 bis zu den Opern Mozarts ist ja frappierend.



    Die französischen Rezitative liebe ich besonders , das ist reine musikalische Poesie.



    Bei vielen Opern des 18. Jahrhunderts kann das aber auch mal nerven, besonders wenn die Rezitative schlecht gemacht sind - was immer an den Interpreten liegt.


    Das es aber auch ganz anders gehen kann zeigt z.B. René Jacobs.
    Er ist ein absoluter Meister darin, aus Rezitativen kleine Kunstwerke zu machen, er benutzt stets ein großes Generalbaß und legt sehr großen Wert auf die musikalische Ausgestaltung, die weit über die einfache Begleitung hinaus geht.
    So müssen Rezitative gesagt und gespielt werden, dann sind sie alles andere als trocken und langweilig.



    Im 17. Jahrhundert, ganz zu Beginn der Oper war das Rezitativ das Ideal, da dachte man gar nicht daran, dass einmal diese musikalische Dichtung von Kolloraturarien die nur zum Angeben dienten verdrängt werden sollte.... ( was nichts daran ändert, dass sie trotzdem toll sind :D )


    Rezitative sind für mich unverzichtbar und ich kenne einige Rezitative, besonders frz. die an Dramatik von keiner Arie übertroffen werden.


    Am schönsten sind sie wenn eben ein reich besetzter Generalbaß zur Verfügung steht:


    mindestens 2 Cembali
    Theorbe, Laute und Gitarre
    Harfe
    Gambe und Cello
    eventuell noch Orgel und Kontrabaß

  • Letzthin "unterhielt" ich mich mit dem Tastenwolf über Rezitative, nachdem ich in 'seinem' Stück MOZART UND SALIERI war und mir diese Rezitative unheimlich auf den Geist gingen, alles übrige war spannend und fesselnd, die Sänger wirklich großartig. In allen barocken Opern finde ich, sind die Rezitative ein Problem. Sie tragen die Handlung, aber könnte es nicht etwas natürlicher wirken? Es gibt bis jetzt noch keines, das mich melodisch gefesselt hätte.

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)

  • Salut nala,


    ich kann Dich gut verstehen. Mir geht es oft auch so.


    Zum Hintergrund allgemein:


    Im 18. Jahrhundert war es durchaus üblich, dass man sich während des Rezitativs unterhielt, sozusagen dem Alltagsgeschäft nachging :D - bitte frage jetzt niemand nach Quellen, ich weiß es im Moment nicht [mehr]. :O


    Allerdings - le maître de couleur hat bereits darauf hingewiesen - es gibt ganz hervorragende - lebendige! - Rezitativgestaltungen. Ich möchte da unbedingt auf Östmans Don Giovanni hinweisen: Egal, ob man die Sprache versteht oder nicht, man ist involviert, gefesselt - ein Flüstern, ein [unerwartetes?] plötzliches Gebrülle, man erschrickt! 8o So muß es sein!


    Bei faden Rezitativen kenne ich keine Gnade: Wegzappen! Gleichfalls reagiere ich allerdings auch bei Arien u.a. - :D


    Du sprichst die "Melodie" im Rezitativ an. Nun, bei den meisten Rezitativen werden eigentlich sprachlich bedingte "Muster" verwendet. Ein Text XY wird fast immer gleich im Rezitativ dargestellt werden - es gibt vielleicht ein paar dramatische Unterschiede. Das ist auch der Grund, warum Mozart beispielsweise Süßmayr die Arbeit des Rezitativschreibens für die Clemenza übertrug - da kann eigentlich nicht viel schiefgehen... Der natürliche Sprachverlauf spielt hier eine große Rolle. Das Wort "Me-de-a" beispielsweise würde bei einem entsetzten Ausruf immer auf "Me-" und "de-" in der gleichen Tonhöhe erklingen, das "a" hingegen [eine Quarte] tiefer und das "de-" länger als das "Me-". Bei einer Frage hingegen würde das "de-" höher sein, als das "Me-" - und das im krassen Gegensatz zu einer natürlich gesprochenen Frageform "Medea?", wo sich die Stimme gewöhnlich am Ende hebt. Sowas ist interessant, finde ich.


    Als ich erstmals bei einer Mozartoper ein Klavierakkompagnement anstelle des obligatorischen Cembalos hörte, war mir ganz fremd. Mittlerweile - nachdem ich in Erfahrung gebracht hatte, dass es gegen Ende des 18. JH durchaus üblich war, ein Fortepiano zu verwenden - finde ich es sehr hübsch. Dennoch finde ich, es passt nicht unbedingt zu jeder Oper. Bei der Zauberflöte, beim Don Giovanni und Figaro: Ja. auch im "Stein der Weisen" wird ein Fortepiano verwendet - das ist in dem Fall sehr viel dramatischer.


    Cordialement
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die Rezitative in den Bach´schen Passionen und einigen Kantaten finde ich ungeheuer spannend, ich habe da schon einiges, was eine CD "Best of Recitative" füllen könnte...


    Auch die Rezitative in den Mozart/da Ponte-Opern finde ich spannend. (natürlich nur, wenn die Sänger gute "Theatraliker" sind)


    Als ich meinen ersten Ring (-> Wagner, Richard) von CD gehört habe, kam ich mit dem teilweise recht rezitativig erscheinenden Gesang nicht gleich klar, aber auch das mag ich heute; mir sind viele Stellen, die gewisse Ähnlichkeit mit einem Rezitativ haben (Walküre, zweiter Akt) sogar lieber als so mancher berühmte Arien- oder gar Chor-Kracher.


    Ein Thema, zu dem es noch einiges zu sagen gäbe..

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard


    Ein Thema, zu dem es noch einiges zu sagen gäbe..


    Bitte...


    :beatnik:

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  • Zitat

    Nun moag i nimma watn.


    Falsche Lautverschiebung! Richtig heißt es:


    Nun mog i nimma woatn.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Salut,


    bin eben kein guter Dialektiker...


    ;)

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  • Zitat

    Original von Ulli
    Der natürliche Sprachverlauf spielt hier eine große Rolle. ... Bei einer Frage hingegen würde das "de-" höher sein, als das "Me-" - und das im krassen Gegensatz zu einer natürlich gesprochenen Frageform "Medea?", wo sich die Stimme gewöhnlich am Ende hebt.


    Hallo Ulli,


    Es kann sein, daß meine Sprache anders handelt als Deine. Fragend wäre bei uns das "a" am Ende senkend.
    Übrigens denke ich am Ölber. Da habbe ich eine MP-Ausführung, wo als Unterstützung nicht nur das Clavecimbel benützt wird, sondern auch ein Fagott (+ Kontrabass?). Nie hatte ich das beklimmen der Treppe so gut gehört.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil


    Es kann sein, daß meine Sprache anders handelt als Deine. Fragend wäre bei uns das "a" am Ende senkend.


    Diesen Unterschied in zwei recht nah beieinanderliegenden Sprachen finde ich gravierend. Wo kommt das her?


    ?( ?( ?(

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  • Ich glaube die beiden zentralen Probleme sind fantasielose Interpreten und die Tatsache, dass die meisten von uns zu schlecht italienisch verstehen. Dazu kommt ggf. die unnatürliche Situation beim Plattenhören zu Hause ohne Bühnenhandlung (u. mitunter die fehlgeleitete Auffassung, Oper sei ein Melodien- und Kostümfest, kein musikalisches Drama). Mit Textverständnis und Handlung sind secco-Rezitative in aller Regel ihrem Nachfolger in einigen Operntraditionen, nämlich dem gesprochene Dialog, überlegen, da immerhin noch ein wenig musikalischer. Dazu kommt, dass Meisterlibretti wie die Da Pontes wirklich richtig komisch sind, wenn man den Text versteht (d.h. mit Übersetzung verfolgt, wenn man die Sprache zu schlecht kann) oder wenn die Texte gut übersetzt werden. Und entsprechend komödiantisch müssen dei Reziative eben dargeboten werden, dann funktionieren sie auch.
    Dagegen sind weite Textpassagen des Dialoges z.B. im Freischütz (und gewiß auch anderswo) kaum zu retten...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Ich glaube die beiden zentralen Probleme sind fantasielose Interpreten [...]



    Salut,


    ich bevorzuge daher mittlerweile Liveaufnahmen, wo die Handlung zumindest "hörbar" ist - auch das Gerumpel auf der Bühne gehört für mich dazu. Besonders die Rezitative wirken bei Liveeinspielungen m. E. lebendiger - auf die Musik mag das mitunter auch zutreffen. Es ist alles nicht so statisch / päpstlich "heruntergeleiert".


    Manche Rezitative sind auch unumstösslich mit der folgenden Arie verbunden - insbesondere bei den Recitativi accompagnati, aber teilweise auch in den "normalen" Rezitativen werden im Bc Melodien aus der folgenden Arie bereits "vorweggenommen" - eine Vorbereitungshandlung also.


    Cordialement
    Ulli

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  • Zitat

    Original von Ulli


    Diesen Unterschied in zwei recht nah beieinanderliegenden Sprachen finde ich gravierend. Wo kommt das her?


    Mehr als 10 Minuten haben wir hier einander Fragen zugerufen. Ich muß mich teilweise bei Dir entschuldigen.


    Also, bezüglich Medea:
    Bei einer nicht betonte Frage, also eine Frage die nebenbei gestellt wird, senkt das "A" wenn man seine Sprache korrekt prononziert. In der Volksmund wird das "gesenkte A" schnell zu ein "A" auf dieselbe Höhe als das "E".


    Bei einer betonte Frage, also mit Emotion beladen, steigt auch bei uns das "A".


    Kannst Du hiemit was anfangen?


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Ulli


    Manche Rezitative sind auch unumstösslich mit der folgenden Arie verbunden - insbesondere bei den Recitativi accompagnati, aber teilweise auch in den "normalen" Rezitativen werden im Bc Melodien aus der folgenden Arie bereits "vorweggenommen" - eine Vorbereitungshandlung also.


    Accompagnato-Rezitative hatte ich stillschweigend ausgeschlossen, da sich hier oft die eindrücklichsten dramatischen und emotionalen Stellen von Opern finden und ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, was jemand dagegen einwenden könnte (außer er haßt Oper...aber das ist ja uninteressant)


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Original von Ulli

    - Wie steht Ihr im Allgemeinen zu Rezitativen?


    Unterschiedlich, das geht von "eher langweilig" bis "total spannend". Es kommt eben immer auf den Komponisten und das jeweilige Werk an, allgemeine Aussagen möchte ich da keine treffen. Würde die Frage lauten:"Was haltet ihr von Arien?" wäre das auch nicht anders. :D


    Aber um mal anhand eines konkreten Komponisten ein Beispiel zu nennen:Rossini. In seinem Barbier sind die Rezitative durchweg flott, musikalisch ansprechend und alles andere als langweilig, in der Cenerentola dagegen meiner Meinung nach eher uninspiriert und zäh, das schleppt sich ohne Spannung dahin. Ich weiß nicht, wie andere das sehen, aber für mich leidet da durchaus die Gesamtattraktivität einer Oper, wenn es nach jeder Arie dermaßen stark abflacht.


    Zitat


    - Haltet Ihr sie für verzichtbar / unverzichtbar? ["Rezitativ-Wegzapper"]


    Also ich habe Figaros Hochzeit unter Karajan, bei der die Rezitative weggelassen wurden, und das stört mich erheblich. Okay, ich bin ein Fan von George London und hätte sie mir auf jeden Fall gekauft, aber prinzipiell finde ich das nicht in Ordnung, wenn einfach ein wichtiger und dem Verständnis dienender Bestandteil der Oper unter den Tisch fällt.


    Außerdem gibt es eindeutig absolut unverzichtbare Rezitative, nämlich diejenigen, die integraler Bestandteil der nachfolgenden Arie sind. Bestes Beispiel auch hier der Figaro, etwa vor der Arie des Grafen"Hai gia vinto il causa...Vedrò mentr'io sospiro..." oder "Tutto é disposto..." vor der letzten Figaro-Arie. Die sind natürlich auch in obiger Aufnahme vorhanden, geht ja auch kaum anders.


    Und man sieht auch an diesem Beispiel des recitativo accompagnato, wie fließend der Übergang von Rezitativ zu Arie eigentlich ist.


    Ein anderes Beispiel für so einen fließenden Übergang ist die Szene des Attila aus der gleichnamigen Oper von Verdi. Erst erzählt Attila in einem Rezitativ seinem Getreuen, dass er eine Erscheinung hatte: "Uldino! Non hai veduto?". In der darauffolgenden Arie "Mentre gonfiarsi l'anima" schildert er den Traum, dann nochmal ein kurzes Rezitativ zusammen mit Uldino und darauf dann die abschließende Kabaletta, in der er die Angst abschüttelt und beschließt, Rom anzugreifen. Meiner Meinung nach darf da kein Ton wegfallen, wenn man die Wirkung der gesamten Szene nicht brutal einschränken will.


    Zitat


    - Gibt es tatsächlich "Best of Recitatives..." ?


    Also mein absolutes Lieblingsrezitativ ist die Szene des Raphael "Gleich öffnet sich der Erde Schoß" vor seiner zweiten Arie"Nun scheint in vollem Glanz..." Ich finde es köstlich, wie er da vom brüllenden Löwen über Hirsche und Schafe quer durch den ganzen Tiergarten spaziert, bis er am Schluß ganz am Boden beim Gewürm landet. Muss natürllch entsprechend gesungen werden, ich habe die Aufnahme unter Clemens Krauss mit Georg Hann, der dabei (wie Gottlob Frick) das tiefe D auch wirklich singen kann.


    Zitat


    - Cembalo oder Klavier?


    Eindeutig Cembalo, ist aber wohl auch eine Frage der Gewöhnung, ich kann's mir gar nicht anders vorstellen.


    Zitat


    Ist das Musik?



    Ist die Frage ernst gemeint? :D


    Kurt, der ein gutes Rezitativ einer schwachen Arie vorzieht :D

  • Also,mir ist ein flottes Secco-Rezitativ (Cembalo-Begleitung) allemal lieber als ein dümmlich übersetzter und schlecht artikulierter Dialog.


    Und die Accompagnato-Rezitative (Orchester-Begleitung) halte ich für unersetzlich,da sie den Spannungsbogen zur jeweils nächsten Musiknummer aufbauen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Salut,


    besonders witzig finde ich das "...che folle è quel cervello che sulla franca ancor vende l'uccello." in der Cosí fan tutte, Don Alfonso, Ende der Scena IX.


    Eine besondere Form [?] ist übrigens der Melolog - Mozart verwendete ihn in seinem -Singspiel "Zaide" KV 344: Hier wechseln sich sprechender Acteur und Orchesterbegleitung ab, manchmal wird auch während der Musik einfach nur gesprochen.


    Gibt es übrigens Rezitative, in denen über längere Strecken mehrstimmig rezitiert wird?


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Rezitative können unheimlich packend, aufregend, witzig sein. Ich liebe z.B. viele Rezitative aus Cosí fan tutte, da könnte ich mich schieflachen. Die Rezitative z.B. in der Matthäus-Passion von Bach könnten wohl kaum packender in Arien o.ä. verarbeitet werden. Dennoch frage ich mich hin und wieder doch wann z.B. die Final-Rezitative z.B. im Idomeneo oder in der Clemenza di Tito endlich vorbei sind, ist ihm da nichts besseres eingefallen?


    Zitat

    Original von Ulli
    Gibt es übrigens Rezitative, in denen über längere Strecken mehrstimmig rezitiert wird?


    Du sprichst wohl z.B. auf die Rezitative in der Cosí an wo 2stimmig ( bzw. auch 1mal 3stimmig ?( ) rezitiert wird?
    Über längere Strecken fällt mir nichts ein, ist eigentlich auch nicht ganz im Sinne des Rezitativs, da es ja IMO um "realistische" Gespräche handelt und es normalerweise doch relativ selten vorkommt das Leute über längere Strecken dasselbe sagen.


    LG, Michael

  • Salut Michel,


    Du hast mich ertappt - ich kam durch die Cosí darauf. Aber das ist ja in dem Sinne nichts "Besonderes". Wenn ich nicht irre, gibt es im klass. Schauspiel [Goldoni] durchaus stellen, wo der gesamte Hofstaat durcheinanderredet [kein Mensch versteht das dann mehr]. Bei Duetten war das urprünglich auch so, dass man sich abwechselte, wenn ich nicht irre, und auf einmal singt man [aus der Not heraus? --> Missa brevis?] verschiedene Texte gleichzeitig.


    Ich dachte mir auch, dass es dem Rezitativ widerspricht, aber auch im normalen Leben reden manchmal mindestens zwei Menschen gleichzeitig gegeneinander... Gibt es solche Stellen?


    Beim Idomeneo finde ich, steigert es die Spannung auf den Schluß...


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Rezitative sind - verglichen mit gesprochenem Zwischentext - ohne Zweifel das kleinere Übel.
    Johannes Roehl hat ganz richtig angedeutet, daß man Oper als "Musikdrama" sehen kann - und dann ist das Rezitativ sicher die geeignete Wahl.
    Daß Rezitative auch spritzig und musikalisch unteressant sein können, kann man bei den Einspielungen der Da-Ponte Opern Mozarts unter René Jacobs hören.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Auch wenn es vielleicht ein bisschen zu sehr in die Interpretation geht, so empfinde ich doch sehr viele der Rezitative Mozarts als solche, das "sich-gegenseitig-ins-Wort-fallen" ist halt nicht ausgeschrieben.
    Deswegen empfinde ich auch die Accompagnato-Interpretation von Harnoncourt ( Solist immer freigestellt ), so sehr es auch Quellen dafür gibt, als extrem unnatürlich da sie den "Gesprächsfluss" des Rezitativs ins Stocken geraten lässt und dieses gerade von der Lebendigkeit und dem "inneinander überfliessen" lebt.


    Gerade beim Idomeneo empfinde ich es als unpassend, da alles was darin gesagt wird ja schon von "La voce" vorher gesungen wird, es ist also nur eine Wiederholung bzw. ein "veröffentlichen" dessen und birgt somit, für mich, keine Spannung mehr. Im Titus ist es wenigstens insofern noch aufregend da man ja noch nicht weiss ob er Sixtus begnadigt oder nicht.


    LG, Michael

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Daß Rezitative auch spritzig und musikalisch unteressant sein können, kann man bei den Einspielungen der Da-Ponte Opern Mozarts unter René Jacobs hören.


    :D


    Wie meinst Du das jetzt wirklich????


    Und wie meinst Du das mit dem "kleineren Übel" - die 'Zauberflöte' [und auch die 'Entführung'] hat [außer wenigen accompagnierten] keine Rezitative.


    :hello:


    Ulli

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  • Salut Michel,


    beim Titus hat Mozart selbst gesagt, dass Mazzola [nicht Keimöl :D ] aus dem Libretto "eine wahre Opera" gemacht hat - er hat gekürzt ohne Ende [von 3 auf 2 Akte].


    Beim Idomeneo hingegen handelt es sich doch von der Textvorlage her immerhin noch um eine wirkliche Seria [abgesehen von den "zu vielen" Chören zwischendurch, auf die ich aber keinesfalls verzichten möchte :D ].


    Die Begründung, es sei nur Wiederholung akzeptiere ich ausnahmsweise mal nicht - denn der Zuschauer/-hörer weiß ja ohnehin, wie es ausgeht... ;)


    Liebe Grüße
    Ulli

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  • Naja, ich versuche mir immer vorzustellen, als würde ich die Handlung nicht kennen. Ansonsten könnte man ja auf den Text ( und somit insbesondere auf die Rezitative ) als ganzes verzichten. :(

  • Salut,


    welche Stelle meinst Du jetzt eigentlich?


    Nach der 'La Voce' [Nr. 28] folgt das Recitativo Nr. 29, welches durch die [jeweils 2] Flöte, Oboe und Fagotte - die quasi fragend in den Raum pusten - charakterisiert ist: "Oh ciel pietoso!", dann Nr. 30 schon fast eine Arie "Popoli, a voi..." und dann kommt schon der Schlußchor...


    :hello:


    Ulli

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  • Ich hab jetzt ganz ehrlich die Partitur nich tim Kopf, aber nach der LaVoce kommt die Elettra-Arie und dann kommt dieses Elends-Lange Accompagnato ( zumindest in der "Grazer Fassung" )

  • Salut,


    aha! Die Elettra-Arie c-moll [Nr. 29] und auch die Arie des Idomeneo "Torna la pace" Nr. 30a [oder ähnlich] hat Mozart bereits bei der UA gestrichen. Das Rezitativ Nr. 30 [Idomeneo solo] hingegen nicht. Es steht in Es und ist kanonosich. Meinst Du das? Es sind ca. 50 Takte. Die anschliessende Arie "Torna la pace" ist auch in B. Danach kommt der Schlußchor.


    Nr. 30 ist für mich eine der schönsten, sinnlichen Stellen...


    :hello:

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ja, es wird mit einem kleinen kanon eingeleitet, die Arie ist in Graz gestrichen, der Schluss-Chor folgt direkt auf das Rezitativ ( passt harmonisch nicht 100%ig zusammen, aber was will man von diesem Regieteam auch erwarten :kotz: ). Mit der Arie würde es vielleicht einen Sinn ergeben, aber so ist es einfach nur eine Wiederholung des bereits gesagten und, als solches, für mich nicht sinnvoll und auch nicht spannungs-aufbauend, sondern einfach nur lang ( ca. 7 Minuten ). Aber irgendwie gehen wir ziemlich off-topic

  • Salut,


    das hat nichts mit Graz zu tun, Rezitativ in B und Arie sind voneinander "unabhängig" - ursprünglich schloß die Arie "Torna la pace" an - ebenfalls in B-Dur und dann gleich der Schlußchor in D. Mozart hat selbst die Arie bei der UA ausgelassen :D - hingegen nicht das wunderschöne accompagnierte Rezitativ... aber sieben Minuten halte ich für zu gedehnt...


    So war's halt. Das wichtigste an der Seria war der Text und die Form, :D


    Davies benötigt für das "Popoli" 6'36'' - Pritchard hingegen nur 3'30''. Ich müsste allerdings jetzt probehören, ob er's gekürzt hat.


    Cordialement
    Ulli

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  • Das ist ja auch nur eine Gefühlssache, als Chorsänger ( und in dieser Inszenierung noch dazu im Zuschauerraum sitzend ) kann ich da nicht wirklich auf die Uhr schauen, wie gesagt Gefühlssache, und das sagt mir --> laaaaaang :D


    Das wir da nicht auf einen grünen Zweig kommen werden, ist wohl mittlerweile klar, vielleicht sollten wir das per PN fortsetzen, denn wirklichen Bezug zum Grundthema hat das eigentlich niht mehr?

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