Auf den Spuren von Beethoven? - Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 C-Dur, D 944 "Die Große"

  • Liebe Schubertfreunde,


    Obwohl der Thread über Schuberts sechste Sinfone, die Sogenannte "Kleine" C-Dur Sinfonie (bisher) nicht gerade ein Renner war, starte ich mutig diesen neuen, der die 9. Sinfonie, die sogenannte "große" C-Dur Sinfonie D 944 zum Inhalt hat.





    Kenner mögen einwenden, daß die Numerierung falsch sei, und da haben sie wahrscheinlich sogar recht, aber da die Schallplattengesellschaften mehrheitlich an der alten Numerierung festhalten, mache ich das aus pragmatischen Gründen auch.


    Schuberts 9. Sinfonie straft alle jene Lügen die seinerzeit behaupteteten, nach Beethoven könne man keine Sinfonien mehr schreiben, Schubert hätte es gekonnt, leider war ihm die Zeit nicht gegeben. Umso verwunderlicher stimmt mich die Tatsache, daß ausser 8. Sinfonie D 759 ("unvollendete") und der "Großen" Schuberts andere Sinfonien sträflich vernachlässigt wurden und werden.


    Die Sinfonie D 944 wird heute als Nr 8 gezählt, es wird auch behauptet, daß es sich hiebei um die als verschollen geführte sogenannte "Gasteiner Sinfonie" handle, jedoch werden die "wissenschaftlichen Erkenntnisse" in etwa alle 10 bis 20 Jahre widerlegt, so daß ich dem keine allzugroße Bedeutung beimesse. :D


    Das genaue Jahr ihres Entstehens ist unbekannt, entgegen ersten Annahmen, die das Werk auf 1828 datierten, scheint es 2-3 Jahre früher entstanden zu sein.
    Die Partitur wurde erst 1838 entdeckt, und zwar von Rober Schumann in Wien. Die Uraufführung fand am 21 März 1839 in Leipzig unter Felix Mendellsohn-Bartholdy statt.


    Während mein Konzertführer aus Wien (1978 ) die Wiedergabe durch Karl Böhm als "kongeniale Nachschöpfung" rühmt, wird diese Aufnahme im "Harenberg Konzertführer" nicht einmal erwähnt. So ändern sich die Zeiten.


    Ich persönlich weigere mich, diese Sinfonie zu deuten, während sie vor ca 30 Jahren als jubelnd-strahlend charakterisiert wurde, wird ihr heute Doppelbödigkeit nachgesagt, sicher auch eine Frage der Interpretation.


    Wenngleich das Werk nicht soo oft aufgenommen wurde, wie etwa Beethovens 9. so können wir dennoch auf einen festen Bestand guter Aufnahmen zurückgreifen.


    So, und nun könnt Ihr Eure Meinung über das Werk und seine Aufnahmen schreiben.


    Freundliche Grüße aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    tja, die Symphonie mit den Längen, aber was stören die Längen, wenn man sich danach wie im Himmel fühlt :D.


    Ich kann diesem Ausspruch Schumanns (?) nicht ganz beipflichten, für mich ist sie schlicht und ergreifend zu langweilig. Dennoch habe ich eine Aufnahme, die ich alles in allem für sehr gelungen halte:


    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Hallo,
    auch bei mir hat - bisher - kaum eine Schubert-Symphonie außer der Unvollendeten wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen. Vielleicht kommt das noch.
    Die 9. habe ich darum auch nur einmal, und zwar ebenfalls von Wand mit dem NDR-SO.
    Gruß
    Achim

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Hallo Taminos,


    das mit den Längen kannte ich anfangs auch, bis ich mir diese hier unter die Ohren kam: George Szell / Cleveland Orchestra



    ...seitdem meine Schubert-Lieblings 9.: gerade, straff und vorwärtsdrängend
    Und langweilig finde ich sie kein bischen mehr, auch nicht mehr bei anderen Aufnahmen.


    Kürzlich bei ebay ersteigert und auch sehr schön ist die Aufnahme mit Thomas Schippers und dem Cincinnatti SO, der eine ganz andere Version bietet: sehr leuchtend, sehr schwingend und doch recht transparent.


    Grüße aus Hamburg
    Uwe

  • Schumann:


    "<...> Hier ist ausser meisterlicher musikalischer Technik der Komposition, noch Leben in allen Fasern, Kolorit bis in die feinste Abstufung, Bedeutung überall, schärfster Ausdruck des Einzelnen, und über das ganze endlich eine Romantik gegossen, wie man sie schon anderswoher an Franz Schubert kennt. Und diese himmlische Länge der Symphonie, wie ein dicker Roman in vier Bänden etwa von Jean Paul, der auch niemals endigen kann und aus den besten Gründen zwar, um auch den Leser hinterher nachschaffen zu lassen. Wie erlabt dies, dies Gefühl von Reichtum überall, während man bei andern immer das Ende fürchten muss, und so oft betrübt wird, getäuscht zu werden. <...>"



    Die Referenzaufnahme ist aus meiner Sicht die mit Furtwängler (1951).

  • Hallo


    Nie im Leben wär ich auf die Idee gekommen irgend jemand könnte Schuberts Sinfonie D944 für langweilig halten :D
    Auch zeitlich weist sie kein Überlänge auf, bei Bruckner und teilweise auch bei Mahler könnte ich solche Einwände nachvollziehen.


    Für mich stellt sich diese Sinfonie als klangschönes Werk mit markanter Thematik, zeitweise in "Ohrwurmquarlität" dar.
    Schubert setzt hier ab Beethovens 7. und 8. Sinfonie fort, ist aber desungeachtet unverwechselbarer Schubert.


    Ich liebe das Werk derart, daß ich etliche Aufnahmen davon in meiner Sammlung horte, angefangen von der eher sonnig triumphierenden Karl Böhms (entsprch der Auffassung zur Zeit der Aufnahme) über J. Tate, Günter Wand bis hin zur Neuaufnahme von Roger Norrington mit dem Radio Sinfonie Orchester Stuttgart für hänssler classic.



    Peet hat freundlicherweise das Statement von Robert Schumann, diese Sinfonie betreffend, gepostet, und ich glaube er hat so ziemlich getroffen, was ich bei dieser Sinfonie empfinde. Lediglich die "Längen" empfinde ich nicht als solche.....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Naja, Alfred, wenn wirklich alle Wiederholungen gespielt werden und das Scherzo über 15 Minuten dauert (bei Norringtons erster Aufnahme mit den London Classical Players), dann entdecke selbst ich, der ich das Werk ebenfalls schätze, die ein oder andere "Länge" ;) .


    Von und mit Böhm gibt's übrigens mindestens zwei Aufnahmen, denn am 12.01.79 spielte er Schuberts 9. live mit der Staatskapelle Dresden ein.


    Meine "Referenzen" sind die Aufnahmen mit Günter Wand und die mit Colin Davis (sehr langsam, aber ungeheuer "farbig" mit herausragender Balance zwischen Streichern und Bläsern).


    Auch die oben erwähnte Aufnahme mit Norrington gefällt mir sehr, deswegen würde mich die Meinung über die Aufnahme mit dem RSO Stuttgart sehr interessieren...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Alfred,


    für mich gibt es nur eine wirklich große, maßstabsetzende Aufnahme diese Symphonie:


    Wilhelm Furtwängler, Berliner Philharmoniker, 1951 (Studioaufnahme, Jesus Christus Kirche, Berlin), erschienen bei DGG.
    Weiterhin:
    Erich Kleiber, Kölner Rundfunk Symphonie Orchser, 1953, Decca


    Eine akzeptable stereo Aufname, technisch auf hohem Level:


    Charles Mackerras, Orchestra of the Age of Enligtenment, erschienen bei Vergin.


    Gruß


    Itzi

  • Hallo Norbert und alle Schubertianer,


    Vorausschicken möchte ich, daß ich Norringtons Londoner Aufnahme der "Großen" nicht kenne, sie war gestrichen (aus dieser Serie hab ich lediglich Nr 4, 5, 6 und 8 )


    Die Neuaufnahme, ein Livemitschnitt vom 18. 20.7.2001 aus der Liederhalle Stuttgart (Beethovensaal) präsentiert sich flott, nervös vibrierend bis agressiv, mit großen Dynamiksprüngen (kaum möchte man glauben daß die Aufnahme eigentlich für den Rundfunk entstand.
    Ein "wienerisch behaglicher" Schubert findet nicht statt, auch nicht dort, wo das möglich wäre. Jemand aus diesem Forum hat einmal gechrieben, in dieser Sinfonie würde andauernd "marschiert". Das trift zumindest bei dieser Aufnahme gewiss nicht zu, hier wird alles im Eilschritt durchlaufen :D.
    Jene, denen Schubert ansonst zu "langweilig" erscheint, werden gewiss auf ihre Rechnung kommen, auch jene, die (wie ich) gerne mal alternative Lesarten von Altbekanntem kennenlernen möchten.
    Aber es ist kein Schubert der Mitte, sondern ein drängender "deutscher" Schubert, wenngleich von einem Engländer exekutiert (Norrington ist AFAIK in Deutschland wesentlich beliebter, als in seiner Heimat oder beispielsweise in den USA.


    Alles in allem: Eine interessante, IMO sehr gute Aufnahme, die aber einige Facetten von Schubert unterschlägt, aber das ist ja bei Norrington nichts neues. Kenner sollten diese Aufnahme in ihrer Sammlung haben. Neueinsteigern würde ich einen "typischeren" Schubert anraten.


    Die Tontechnik ist übrigens (nicht nur für eine Live-Aufnahme) ausgezeichnet.


    Die Spielzeiten der Sätze: 14:02 - 12:20 - 12:44 - 11:41


    Freundliche Grüße


    aus Wien


    Alfred



    PS: Vielleicht kennt aber noch jemand diese Aufnahme und möchte mein Statement kommentieren, ergänzen, bestätigen oder kritisieren

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Die Spielzeiten der Sätze: 14:02 - 12:20 - 12:44 - 11:41


    Interessant, da Norrington in seiner Londoner Einspielung alle Wiederholungen spielte. Er kam damals auf 14:23, 12:44, 15:38 und 15:34.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Das kann ich unterstreichen. Mackerras spielt diese Sinfonie sehr intensiv, klassisch-romantisch zugleich. Seine Unvollendete scheint mir noch perfekter, von Virgin durch ausgezeichneten Sound unterstützt.


    Die Neunte von Schubert, wie gerne hätte ich die von Kleiber gehört.


    Sehr gute Aufnahmen sind auch diejenigen von Gardiner aus seiner Lyoner Zeit und von Levine vom Ravinia-Festival.


    Geradezu unverständlich, dass diese Sinfonie in Wien so lange ungespielt blieb. ich hörte mal wieder live beim Bremer Musikfest im September 2004 mit dem chamber orchestra of Europe unter Minkonwski. Es ist ein großartiges Stück Musik, doch deutlich eine andere Dimension als die anderen sechs Sinfonien, die beiden Sätze der unvollendeten Sinfonie mal draußenvorgelassen.

  • Hallo zusammen,


    diese Sinfonie ist eindeutig eines meiner Lieblingswerke, wenn ich es auch noch nicht allzulange kenne. Der erste Kontakt fand im Laden statt, eine ältere Aufnahme mit Solti, wohl seine erste mit den Wienern überhaupt. Dies geschah als Vorbereitung auf ein Konzert am darauffolgenden Tag mit Rattle und den Berlinern.
    Obwohl die Aufführung rückblickend nicht überragend war, lies mich das Werk alsbald nicht mehr los. Die immense Fülle an Melodik, Harmonik und rhythmischer Intensität fasziniert mich immens, auch viele geniale Einfälle wie das Posaunenthema im 1. Satz.


    Als erstes erwarb ich die schon gelobte Aufnahme von Mackerras und sie ist mir bis heute die liebste. Der Fokus auf das rhythmische Element und das formale Voranschreiten sowie die extrem durchsichtig musizierte Darbietung - von der guten Aufnahmetechnik unterstützt - machen sie zu meinem Favoriten. Weiterhin wird die aktuellste Partiturversion verwendet und es werden alle Wiederholungen ausgespielt, was mir sehr wichtig ist und woran leider viele ältere Aufnahmen scheitern. Alfred beklagte in einer anderen Diskussion das fehlen des "typisch" wienerischen und im Vergleichshören glaube ich zu verstehen, was er meint. Nur empfinde ich das nicht als störend, bin wohl durch den Erstkontakt mit der Mackerrasaufnahme anders geprägt.


    Furtwängler 1952 ( wo gibt es die 51 ?) ist beeindruckend, allerdings komme ich mit den Tempi im ersten Satz nicht zurecht, da ist mir das Grundtempo entschieden zu langsam, obwohl die gesamte Tempobalance des Werkes in sich durch das flotte Finale durchaus schlüssig ist.


    Böhm, Wand, Szell und Bernstein stehen auf der Anschaffungs- bzw. Anhörliste. Bei Böhm fasziniert mich das mitreißende Finale, das Seitenthema des dritten Satzes habe ich noch nirgendwo inniger gehört wie bei Wand in der späten Aufnahme mit den Berlinern.


    Gruß
    Anti

  • Schubert Sinfonie Nr.9 in C-Dur


    Hallo Tamino-Forum,
    besitze z.Zt. nur die Unvollendete.


    Habe einmal aus Neugier im Internet gestöbert und bin auf folgende Aufnahme der Sinfonie Nr.9 gestoßen, die wie folgt bewertet worden ist:


    Bertrand de Billy,


    seit 1. September 2002 neuer Chefdirigent des Wiener Radio-Symphonie-Orchesters, ist der neue Hoffnungsträger des zweiten großen Wiener Orchesters. Der 1965 in Paris geborene und am Conservatoire ausgebildete Dirigent verfügt über praktische Erfahrungen als Geiger und Bratscher. Er war Assistent von Pierre Dervaux beim Orchestre Colonne, erarbeitete sich früh ein breites Repertoire und hat gleichermaßen als Dirigent von Oper und Sinfonik Karriere gemacht.


    Im Wiener Musikverein nahm de Billy mit seinem Orchester und Schuberts C-Dur-Sinfonie im November 2002 entscheidene Hürden. Der Kritiker der „Presse“ schrieb u.a.: „Die Aufführung von Franz Schuberts großer C-Dur-Sinfonie, an der schon mancher berühmte Mann in eben diesem Saal in Ehren gescheitert ist, bewies zum einen, dass man mit de Billy einen der wirklich bedeutenden Maestri der jüngeren Generation nach Wien geholt hat. Und zum andern, zu welchen Höhen dieser das Rundfunk-Orchester zu führen vermag.“


    Diese Neuaufnahme bestätigt die Meriten und das Lob für de Billy und sein Orchester.
    Musiziert wird nach der Bärenreiter Urtext-Ausgabe, die manchen Eingriff des Schubert-Herausgebers Brahms korrigiert und die dynamische Weite wieder in ihr Recht setzt. Das Orchester spielt sehr differenziert, flexibel, homogen, akzentuiert sowie klanglich ausgewogen. Mit allen Wiederholungen kommt man auf knapp eine Stunde Aufführungsdauer. Angesichts der lebhaften Darbietung gibt es aber keine Längen!





    3060650.jpg


    Erschienen im Mai 2004 und zu beziehen bei: jpc
    Hat jemand diese Aufnahme und kann sie mir evtl.empfehlen, dann würde ich sie mir bestellen.


    Grüße aus Spenge
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Zitat

    Antracis schrieb: Böhm, Wand, Szell und Bernstein stehen auf der Anschaffungs- bzw. Anhörliste


    Nunmehr ist die von Böhm angeschafft worden, mittlerweile dank Low-Price-Label-Politik billiger zu haben, als eine Tageskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin bei nicht vergleichbarem Genussfaktor. :D




    Verglichen mit der von mir geliebten Mackerras-Aufnahme ist diese naturgemäß vollkommen anders, trotzdem für mich nicht weniger faszinierend. Alfred erwähnte mal sinngemäß, dass Sie u.a. das "Wienerische" der Sinfonie weitaus mehr heraushebt deshalb für Ihn überzeugender ist als Mackerras und ich glaube zu verstehen, was er meint - auch wenn dies frevelhafterweise ;) im Zusammenspiel mit den Berlinern geschieht. :D :stumm:


    Die Tempiwahl halte ich für äußerst glücklich, der hochgelobte Furtwängler übertreibt hier für mein Gemüt manchmal mit seinen extremen Tempogegensätzen. Böhm ist moderater, aber nicht weniger spannend. (Vor allem das im ersten Satz aufs Allegro folgende zweite Thema darf für meinen Geschmack nicht zu langsam genommen werden).
    Ein weiteres Plus bei Böhm ist die Klangkultur der Berliner, vor allem die der Holzbläser. Die Phrasierung Böhms lässt hier viel Raum zur Demonstration des Einzel- und Ensemblekönnens.
    Man achte weiterhin nur einmal auf den zweiten Satz, wenn das Hauptthema nach dem Seitenthema wiederkehrt auf die Verzierung der Melodie durch Trompete und Horn. Wahnsinn, mit welcher Akribie dieses Detail von Dirigent und Musikern umgesetzt wird.


    Abschließend ist zu sagen, dass die Klangqualität nicht die beste ist. Die Aufnahme rauscht ziemlich stark was mich aber nicht weiter stört, da die volle Frequenzbreite erhalten geblieben scheint. Allerdings ist sie im Fortissimotutti nicht sehr gut durchhörbar, was mich im zweiten Satz stört. Hier punktet Mackerras sowohl mit Orchester wie auch mit der Aufnahmetechnik.
    Der Aufnahmezeit entsprechend werden leider nicht alle Wiederholungen ausgespielt, was ich schon bedauere. Ich habe die Sinfonie in der Originalfassung nie als zu langatmig empfunden.


    Fraglich ist für mich, ob die Aufnahme für diese Low-Price-Edition klanglich überarbeitet wurde, da ich die ältere Version schon mal in einem Laden abgehört hatte, und sie dort deutlich mehr rauschte, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. Auf dem Cover steht etwas von "AMSI = Ambient Surround Imaging". Bin nicht sicher, ob hier noch mal neu abgemischt und evt. verschlimmbessert wurde.


    Wie auch immer, da im Bundle mit der ebenfalls hervorragenden Achten Böhms für wirklich wenig Geld erhältlich, durchaus eine gute Wahl. Zu beachten ist allerdings, dass man die dazugehörige Gesamtaufnahme aller Sinfonien für unter 30€ erwerben kann, wobei ich die anderen Einspielungen nicht kenne.





    Gruß
    Anti

  • Hallo Alfred und Schubert-Hörer,


    Alfred, Du schreibst:

    Zitat

    Nie im Leben wär ich auf die Idee gekommen irgend jemand könnte Schuberts Sinfonie D944 für langweilig halten


    Du siehst aber, das es einige Forumsmitglieder doch anders sehen. Das liegt klar an der Interpretation. Wenn ich hier lese, das der erste und letzte Satz, schon durch das Beachten der Wiederholungszeichen über 15MIN dauert, kann ich mir gut vorstellen, das hier eine gewisse Langatmigkeit für das Hörempfinden nicht zu vermeiden ist.


    So ging es mir auch bei meiner alten Schubert-LP der Sinfonie Nr.9, die ich nicht gerne gehört habe. Erst später auf CD meine Aufnahmen mit Karajan/BerlinerPH (DG 1965 und EMI 1976) haben diese Langeweile gründlich ausgetrieben.


    :] Eine ähnlich straffe Interpretation bietet die hier auch schon erwähnte Szell/ClevelandOrchestra-Aufnahme auf SONY von CBS 1960, die zudem eine Durchhörbarkeit und Spannung bietet, von der sich heutige Produktionen eine Scheibe abschneiden können. Die CBS-Techniker sind Spitze gewesen.

    Der 1.Satz dauert bei Szell 13:29, der 4.Satz 10:29, trotzdem läßt Szell kein Detail untergehen oder verschlucken - eine geniale Interpretation, die ich als TOP-Empfehlung bezeichnen möchte.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Seit vielen jahren beschäftige ich mich mit D 944.
    ich gehe in ihre aufführungen, sammle ihre einspielungen; trotzdem würde ich mich nicht als fantiker bezeichnen, der um die welt fährt um irgendeine rarissima zu ergattern. eher als amateur (liebender) oder dilettant (auslesender). wobei es bei beurteilungen immer auf den standpunkt ankommt: ein aussenstehender mag es wohl schon nicht verstehen, dass man überhaupt mehr als eine aufnahme eines stückes haben will - aber hier, in diesem marktplatz, sind ja alle von innen... :]


    je mehr ich dieses werk höre umso weniger kann ich sagen, welche die beste aufnahme ist. natürlich habe ich sowas wie persönliche favoriten und es gibt auch viele ohne "gänsehautfaktor", aber es ist eher so, dass mir der 2. satz von dem dirigenten gut gefällt und der 4. von jenem, die jeweils anderen sätze eigentlich weniger. ich achte beim hören immer auf bestimmte stellen, die sich als für mich entscheidend herausgestellt haben, wobei mir die suche nach kleinen "extremitäten" spass macht.
    ich schätze überhaupt extreme interpretationen, z.b. d 959 mit afanassiew oder beethoven 3.sym mit savall, ohne die "braven" geringzuschätzen.
    ich bin kein musikkritiker und halte auch nicht viel von diesem geschäft, wie man ihm täglich in den zeitungen begegnet.


    einen schönen gruss aus schubert-town (viele in dem forum sind eh von hier...)
    übrigens: wann wird der beatnik verwendet?

  • gehört zu den einsamen Gipfeln der gesamten Musikliteratur.


    Ihr Gestus macht für mich erfahrbar, warum es Musik überhaupt gibt: er ist also unbeschreiblich.


    Meine erste Erfahrung mit der Sinfonie auf Schallplatte hatte ich mit Josef Krips und dem London Symphony Orchestra. 'Eingeschlagen' hat sie bei mir mit Ataúlfo Argenta und dem Orchestre de Cento Soli. Heute liebe ich am meisten István Kertész mit den Wiener Philharmonikern (obwohl er nicht alle Wiederholungen spielen läßt - 50:00) und Otmar Suitner mit der Staatskapelle Berlin (mit allen Wiederholungen 59:36).


    Grüße aus Bonn

  • Salut,


    von diesem monströsen Werk besitze ich nur die Einspielung von Günt(h)er Wand mit dem WDR... sportlich gesehen eher im Mittelfeld mit 51:22 - daher keinesfalls langweilig. Aber ich wollte mich ja nicht zur Interpretation äußern.


    Das Werk lässt aber (leider) auch nur erahnen, was Schubert eigentlich sinfonisch im Sinne hatte... wer sich mit den Klaviersonaten D840 "Reliquie" (C-Dur) und op. posth. 143 (a-moll)- ganz zu schweigen von den drei großen, wobei hier die B-Dur weniger und die G-Dur am ehesten) beschäftigt, d.h. beim Spielen instrumentiert, erkennt ungeahnt Neues!


    Viele Grüße Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von helmutandres
    gehört zu den einsamen Gipfeln der gesamten Musikliteratur.


    Ihr Gestus macht für mich erfahrbar, warum es Musik überhaupt gibt: er ist also unbeschreiblich.


    quod erat dicendum
    :beatnik:

  • wenn ich mir erlauben darf anzumerken:
    suitner spielt nicht alle (8 ) wiederholungen. die einzigen, die das gemacht haben sind norrington in seiner ersten einspielung mit den london classical players(1988 ) und wildner mit der philharmonia cassovia(1990 )


    so alfred, jetzt musst du wieder abschneiden und zu d944 zurückverschieben ;)

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  • Kein anderes Werk hat mich so zum Nachdenken angeregt, was beim Musikhören geschieht und wie zu erklären ist, dass mal ein Funke überspringt und mal nicht. Die Beiträge bestätigen für mich eine Erfahrung, die ich in dieser Weise nur bei dieser Sinfonie gemacht habe: Wenn ich mich über andere Werke unterhalten habe – sei es Mozart, Beethoven, Mahler oder Schönberg, war es immer möglich, über unterschiedliche Eindrücke oder Vorlieben zu sprechen. Bei Schuberts 9. Sinfonie dagegen: entweder unausgesprochene Übereinstimmung oder Abwinken („damit müsste ich mich mal beschäftigen“). Ist es die exponierte Lage dieser Sinfonie unmittelbar nach der Klassik oder, wie Ulli es auf den Punkt gebracht hat: Sie lässt nur erahnen, was Schubert eigentlich sinfonisch im Sinne hatte?


    Ein Aspekt ist sicher, in welcher Interpretation ein Werk zuerst gehört wird und welche anderen persönlichen Eindrücke damit assoziiert werden. Für mich waren das die Aufnahmen von Charles Münch und Istvan Kertesz, die ich bis heute immer wieder gern höre. Und ich habe die Sinfonie mehr oder weniger am gleichen Tag zum ersten Mal gehört, als ich auch zum ersten Mal die Bilder von Van Gogh sah und werde beide Eindrücke nie voneinander trennen können.


    Von anderen Aufnahmen möchte ich zwei hervorheben: Von Furtwängler den Konzertmitschnitt von Berlin 1942. Sicher wird sich sagen lassen, dass hier seine Persönlichkeit und die Zeitumstände möglicherweise so intensiv in den Vordergrund treten, dass sie zu dominant werden, aber für mich ist es gerade das Besondere dieser Sinfonie, dass sie zu solch extremen Deutungen fähig ist.


    Die andere Aufnahme ist von Bruno Maderna und dem Saarländischen RSO. Sie ist meines Wissens leider nicht auf dem Markt. In den 1980ern hat sie Wolf Rosenberg aus den Rundfunkarchiven vorgestellt. Auch diese Aufnahme ist extrem, der zweite Satz ist in dieser Aufnahme ohne Kürzungen gerade 11 Minuten lang. Dadurch erhält das Werk eine ungewöhnliche innere Kontinuität. Zugleich ist das die einzige Aufnahme, bei der die Bläser durchgehend aufgewertet sind und geradezu eine eigene Stimme bekommen, wodurch es zu einem langen Dialog mit den Streichern kommen. Letztlich ist das meine Lieblingsaufnahme, auch wenn ich beim Mitschnitt aus dem Radio leider die ersten und letzten Takte verloren habe.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Hallo Walter,


    dass Du die Aufnahme mit Bruno Maderna und dem RSO Saarbrücken hier erwähnst, erweckt in mir (positive) Erinnerungen: Es war meine erste intensive Begegnung mit dem Werk, am Radio, gebannt wie selten später von einer Interpretation. Leider hatte ich es damals verabsäumt, die Sache mitzuschneiden, denn wie Du richtig feststellst, gibt es die Aufnahme nicht auf CD. Und im Gegensatz zu anderen ebenfalls exemplarischen Aufführungen des RSO Saarbrücken unter Madernas Leitung (etwa Ravels "La valse", ungeheuer!) ist mir dieser Mitschnitt in der Folge nie mehr begegnet.


    Kurz vor neulich lernte ich Gielens erstaunlicher Mitschnitt mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg vom 27.4.1996 aus der Royal Festival Hall in London kennen, der für mich seitdem quasi die Erinnerung an Madernas Aufführung ersetzt. Ich weiss nicht wirklich, wie nahe sich beide kommen, aber bei Gielens (tontechnisch keineswegs ganz überragend aufgezeichneter) Sicht erinnerte mich vieles an die (möglicherweise verklärte?) Erinnerung an Maderna, etwa auch das von Dir genannte Verhältnis zwischen Bläsern und Streichern und die deutliche Kontinuität über das ganze Stück hinweg. Die Aufnahme ist bei Hänssler Classic zu haben (auch innerhalb einer hochinteressanten Geburtstagsedition für Gielen) .


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Zitat

    Original von Walter.T
    Die andere Aufnahme ist von Bruno Maderna und dem Saarländischen RSO. Sie ist meines Wissens leider nicht auf dem Markt.
    Walter


    sie war aber auf dem markt: arkadia mad 012 (aufn.: -22.4.1971)


    :hello:aus schubert-town
    :beatnik:

  • Hallo,


    ja tatsächlich, Google bestätigt es, es gab nicht nur diese sondern noch zahlreiche andere Aufnahmen von Maderna, vielen Dank für den Tip. Maderna mit "La Valse"? Das wäre es. Ich werde bei Gelegenheit im Internet suchen, ob diese CDs irgendwo angeboten werden.


    Zu Giehlen habe ich bisher keine klare Meinung finden können, viele Enttäuschungen, aber auch großartige Konzerte. Aber diese Empfehlung werde ich aufgreifen.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Nach einer Ruhepause von mehr als einem halben Jahr, halte ich es für notwendig, diesen Thread mal wieder nach oben zu schaffen.


    Ich bin auch entsetzt, daß ich mich hier noch nicht zu Wort meldete... oder haben wir einen doppelten Schubert 9 - Thread?


    Es gibt viel, was hier noch zu nennen wäre: Karajans frühe und späte Aufnahme bei EMI (erstere meiner Meinung nach mißraten, zweitere OK), Bernsteins Aufnahmen, Gardiners Wiener Aufnahme...


    Interessieren würde mich, ob mir jemand zu Solti (Decca, Wien) und Boult raten würde!


    Meine bisherige Lieblingsaufnahme war der Furtwänglermitschnitt, aber vielleicht ändert sich das in den nächsten Tagen.



    Wie sehen die Böhm-Freunde das Verhältnis zwischen seiner Berliner und Dresdner Aufnahme? (es gibt auch noch einen Böhm-Mitschnitt aus Japan (mit den Wiener Philharmonikern), gell? aber nur bei DGG-Japan?)


  • Hallo,


    ich glaube, dass ich jetzt auch den Zugang zu Schuberts Neunten gefunden habe. Als ich das Werk erstmals hörte (Böhm), erschien es mir wie bereits oben geschrieben, sehr langatmig und teilweise auch langweilig.
    So legte ich sie für eine Zeit beiseite, bis ich kürzlich die Gesamtaufnahme der Schubert-Sinfonien mit Harnoncourt kaufte.
    Das Schnipsel-Rätsel von Holger hat mich dann schlussendlich dazu bewegt, mich mehr mit dieser Sinfonie zu beschäftigen und mittlerweile ist der Funke übergesprungen, ich empfinde sie nicht mehr als langweilig, sie macht mir mittlerweile sehr viel Freude.
    Ich halte Harnoncourts Aufnahme für sehr gut, obwohl ich kaum etwas anderes kenne. Böhm werde ich dann demnächst wieder hervorkramen und gegenhören.





    Gruß, Peter.

  • Ich habe zu Schubert 9. ein nicht ganz konfliktfreies Verhältnis, vielleicht bedingt durch meine allererste Aufnahme: Karajan/DG. Ich habe sie nicht mehr, aber irgendeiner der guides charakterisierte sie angeblich als "chromium heaven", d.h. die Klangästhetik paßt eher auf Richard Strauss. Auf mich wirkte es größtenteils aufgeblasen, lärmig, repetitiv und viel zu lang. (inzwischen bedaure ich fast sie verkauft oder verschenkt zu haben, vielleicht könnte ich jetzt mehr mit dem Chromstahl anfangen)


    Der Ansicht bin ich inzwischen zwar nicht mehr, ein Favorit ist das Stück aber immer noch nicht. Vielleicht habe ich deswegen eine gar nicht geringe Zahl von Einspielungen angehäuft, immer wieder neue Versuche.
    Der Furtwängler-Mitschnitt ist ein faszinierendes und extremes Dokument (wie viele andere der Kriegskonzerte), die Studioaufnahme wenige Jahre später (DG ca. 1951) klingt natürlich besser, ist aber vergleichsweise brav. Mengelberg habe ich als sehr gut in Erinnerung (in dieser Superbillig-Box), sehr zügige tempi verglichen mit den meisten anderen.
    Ich empfehle mindestens eine Einspielung zu kennen, die die Einleitung im vermutlich korrekten tempo (andante alla breve, nicht adagissimo), z.B. die
    HIP-Aufnahme mit Weil (AFAIk vergriffen, Mackerras soll angeblich ähnlich sein) oder Gielen (vermutlich auch Maderna, die ich versuchen werde zu finden)
    Noch nicht gehört, aber kürzlich erworben (in der Decca Masters Box) habe ich E. Kleibers. Sehr interessieren würde mich Leibowitz', über die ich Gutes gehört habe, kennt die jemand hier?


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Sehr interessieren würde mich Leibowitz', über die ich Gutes gehört habe, kennt die jemand hier?


    Oh, durchaus ;) .


    Die Aufnahme ist vor vielen Jahren beim Label "Menuet" erschienen, aber anscheinend mometan nicht erhältlich.


    Ich gestehe, ich habe die Aufnahme länger nicht mehr gehört, werde es aber, fast exklusiv für Dich ;) , in den nächsten Tagen nachholen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Johannes,


    das gerade die Karajan-Aufnahme DG 1965 bei Dir zu einer "langweiligen Prognose" kommt ist schon sehr verwunderlich, denn an Deinen Ausführungen, daß die Klangästhetik zu R.Strauß passt ("chromium heaven"), da ist schon etwas wahres dran. Aber es ist IMO eine Möglichkeit der Sinfonie die sogenannten himmlioschen Längen auszutreiben.


    :)Bei mir hat diese Karajan-Aufnahme als erstes den Zugang zu Schubert geschafft, nachdem ich mit meiner ersten Aufnahme mit Jochum keinen Zugang fand, wie ich schon in diesem Thread erwähnt habe.


    :)Auch die Karajan-EMI-Aufnahme von 1976 mit den Berliner PH halte ich für sehr gelungen, da ist Karajan nicht ganz so stahlhart (diese ist in meiner Schubert-Sinfonien-Gesamtausgabe integriert).


    :] Dieses Jahr habe ich dann die Szell-Aufnahme der Schubert-Sinfonien Nr.8 und 9 kennengelernt und das sind essentielle Aufnahmen - that´s Schubert !
    Das habe ich diesem Thread zu verdanken, denn dieser war der Auslöser für den Szell-CD-Kauf.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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