Robert Schumann: Symphonie g-Moll WoO 29 „Zwickauer Symphonie“ [Fragment 1832-33]

  • Salut,


    ich bitte um Informationen aller Art [Hintergründe der Entstehung, Einspielungen, das Übliche halt...] zu:


    Robert Schumann:


    Symphonie g-Moll WoO 29
    „Zwickauer Symphonie“ [Fragment 1832-33]


    Ich bin fast sicher, das Werk schon einmal gehört zu haben, kann das sein?


    Besten Dank schon mal...


    :hello:


    Ulli


    Das mit der einen Stunde früher ins Bett klappt wohl heute nicht so...

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    das kann durchaus sein.
    Besitze eine Aufnahme der "Zwickauer" mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Sir Neville Marriner - erschienen bei dem Label Capriccio innerhalb der Gesamteinspielung aller Symphonien in einer 3CD-Box.
    Wie Du schon erwähnst, handelt es sich um ein Fragment, sozusagen um Schumanns Unvollendete - mit dem Unterschied daß sie bei Schumann am Anfang seines symphonischen Schaffens steht.
    Obwohl die in seiner Jugendzeit entstanden Werke nahezu ausschließlich Klavierwerke sind, hat er wohl seit frühester Zeit sinfonischen Ehrgeiz entwickelt. Konkret wurden zum ersten mal im Jahre 1829 Pläne für eine Symphonie geschmiedet.
    Seine Fingerlähmung 1831/32 bereitete seiner Pianistenkarriere ein jähes Ende und verstärkt seine Bemühungen um die symphonische Form.
    November 1832 unternahm Clara Wieck eine kleine Konzertreise in Sachsen und es bot sich für Schumann die Gelegenheit den noch fragmentarischen Erstling in der musikalischen Provinz unverfänglich zu erproben. Der erste Satz wurde dann unter großem Zeitdruck aufführungsreif abgeschlossen und in Zwickau, seiner Vaterstadt, am 18. November 1832 uraufgeführt. Die Kritik war angeblich wohlwollend, das Publikum reagierte wohl mit Mißverständnis. Schumanns Mentor Friedrich Wieck lobte zwar Verarbeitung und Erfindung, kritisierte aber die Instrumentation als zu mager.
    Unmittelbar nach der Zwickauer Uraufführung begann er mit einer Umarbeitung des Sinfoniesatzes. Im Februar 1833 erfolgte dann schließlich die Aufführung der revidierten Fassung. Es ist wohl gut möglich , daß bei dieser Gelegenheit auch der ebenfalls überarebeitete zweite Satz aufgeführt wurde.
    Ganz ursprünglich war wohl ein viersätziger Zyklus vorgesehen. Skizzen zu einem Scherzio und einem Finale sind wohl erhalten geblieben.
    Am 29. April 1833 wurde im Leipziger Gewandhaus noch einmal die revidierte Fassung des ersten Satzes geboten, doch Schumanns Interesse an seinem Jugendwerk war zu der Zeit schon verschwunden.
    Diese frühe Jugendsinfonie kann als Spiegel einer persönlichen Krise gesehen werden.
    In der Entstehungszeit hinterließ Schumann Tagebuch-Einträge, in welchen starke Selbstzweifel zum Ausdruck kommen.


    Das Werk ist IMO schwer faßbar, da dieser Erstling kaum die Unmittelbarkeit der späteren Werke und die Einprägsamkeit ihrer Themen aufweisen kann. Dennoch meiner Meinung nach ein interessantes Werk, das man sich als Schumann-Freund nicht entgehen lassen sollte.


    LG
    Wulf.

  • Mille grazie, Wulf!


    Gibt es weitere Einspielungsempfehlungen?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    Gardiner hat im Rahmen der Gesamtaufnahme ebenfalls die "Zwickauer Sinfonie" eingespielt.



    Er ist imo Marriner auf jedem Fall vorzuziehen, bloß kostet die CD-Box mit 50 € auch a weng mehr...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Danke Norbert,


    ich werde vermutlich zu solch einer Box greifen müssen, denn einzeln habe ich bisher nur äußerst bedenkenswerte Exemplare entdeckt...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die Gardiner-Box ist sicher vorzuziehen, der Meinung schließe ich mich an.
    Dennoch empfinde ich den Marriner mit den Stuttgarten als durchaus akzeptabel, vielleicht sogar als gute Einspielung. Und sollte der Geldbeutel an Unterdruck leiden, so fällt die Entscheidungs schwer.
    Bei Brilliant Classics sind die Schumann-Symphonien auch unter Marriner erschienen, dort allerdings mit seiner Academy Of St. Martin ....
    Ob dort auch die Zwickauer aufgenommen ist? Ich glaube eher nicht.
    Eine Überprüfung wäre es natürlich wert, bei dem Preis...


    LG
    Wulf.

  • Hallo Wulf,


    ich habe die Brilliant-Box und die "Zwickauer" ist nicht mit enthalten.
    Auch sonst würde ich die Aufnahmen nicht unbedingt empfehlen, zumindestens sind sie nicht ganz mein Fall. Zum Kennenlernen bei dem Preis sind sie allerdings bestens geeignet.



    Gruß, Peter.

  • Hallo,


    Die Marriner "Box" (Doppel CD) habe ich auch, da ist aber nichts von einer "Zwickauer" zu sehen. Liegt das am Label (1Plus) oder an meinen Augen?


    Viele Grüße,
    Daniel

  • Hallo Daniel,


    mit Sicherheit am Label. :) Wie gesagt, hatte noch die Brilliant Box in Erinnerung, aber beim besten Willen nicht mehr, ob auch die Zwickauer mit von der Partie ist . Aber hätte ich mir irgendwo denken können, daß dies nicht der Fall ist.
    Meine ist ja eine 3CD-Box erschienen bei Cappricio, eh ein tolles Label.


    LG
    Wulf.

  • :motz:


    Gibt's die g-moll-Sinfonie nicht einzeln bzw. auf einer CD? Ich habe nämlich eben festgestellt, dass ich vier Sinfonien von Schumann mit den Berlinern und Herbert von Karajan habe - ich will sie nicht unbedingt doppelt haben...


    :rolleyes:


    Grüßle
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Lieber Ulli,


    warum denn nicht? Ein anderer Blickwinkel, sprich eine andere Interpretation, ist auch was schönes :)


    Ansonsten mal einen Blick in den Bielefelder...


    LG
    Wulf.

  • Nach einer Unterbrechung von 14 Jahren setze ich heute den Thread fort.

    Inzwischen ist zumindest eine weitere Aufnahme des Werkes am Markt, nämlich von cpo, 2011 aufgenommen und im Dezember 2013 veröffentlicht.

    Heute , 7 Jahre später zudem noch zum Budgetpreise von 7.99 Euro erhältilich.

    Wulf hat in seinem Beitrag (Nr. 2 dieses Threads) wohl alles Wichtige bereits beschrieben.

    Auch nach der Umarbeitung gab es noch Schwächen in der Instrumentierung - und der perfektionistisch veranlagte Schumann wusst darüber genau Bescheid, aber er erhoffte sich von der überarbeiteten Version dennoch den Durchbruch. Seiner Aussage nach haben Komponistenkollegen das Werk positiv beurteilt, das Publikum habe es indes nicht verstanden. Hatte Schumann zuerst mit einer Karriere als Pianist geliebäugelt, dann einer solchen als Komponist von Sinfonien, zog er sich zunächt auf Kompositionen für das Klavier und die Herausgabe seiner Musikzeitung zurück. Schumann hatte nicht das Interesse an dieser Sinfonie verloren - sondern er sah sich außerstande sie zu einem guten Ende zu bringen. Der Ruf eines schwachen Intrumentalisten hing ihm zeitlebens und darüber hinaus an.

    Die Sinfonien, bzw. das Fragment einer solchen war jahrelang vergessen und wurde erst 1971 wiederentdeckt. Es folgte dann (lt. Booklet von Joachim Draheim) in Lugano eine Aufführung einer "Mischfassung" mit überarbeiteter Instrumentierung.

    Die hier gezeigte Aufnahme mit der Robert-Schumann-Philharmonie unter Frank Beermann folgt der kritischen Edition von Matthias Wendt und kann in diesem Sinne als Ersteinspielung gelten.

    Der Harenberg Konzerführer erwähnt das Werk beiläufig am Rande mit einem Satz, der Konzerführer von Csampai/Holland befasst sich indes (überraschenderweise) ausführlicher damit und bezeichnet das Werk, trotz aller handwerklichen Einschränkungen als mutig und "kühnen Wurf"

    Persönlich würde ich sagen, daß man solch ein - schon historisch interessantes - Werk nicht einfach in den Archiven verstauben lassen sollte - dazu wäre es zu schade...


    mfg aus Wien Alfred


    PS: Auf der CD befinden sich noch 4 Ouvertüren

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !