ich möchte hier ein Sichtweise beschreiben, die mich seit langem beschäftigt, da sie für mich unlösbare Probleme darstellt.
kurz beschrieben:
für mich gibt es Musik, die exakt so ausgeführt werden muß wie notiert, und solche, bei der der Interpret einen notwendigen Teil zum Gelingen des Werks liefern muß.
das kann ich nicht genau festlegen, welcher Komponist wohin gehört - es ist eher die Beobachtung, daß einige Werke an Wirkung verlieren, je mehr man als Interpret dazutut.
andere - mein extremstes Erlebnis war Schumanns Kreisleriana - benötigen beinahe ein Aufführungskonzept - die Feindynamik muß vom Interpreten erst ergänzt werden. (Beispiel: 2.Teil, B-Dur - die dynamischen Bezeichnungen sind bei allen wiederholten Phrasen gleich - so kann man das Werk nicht spielen. auch der letzte Satz der Schubert B-Dur Sonate ist so ein Fall.
mein Orgellehrer war prinzipiell immer der Ansicht: "aus dem Stück muß man was machen" so hat er überall seinen interpretatorischen Senf (besser wäre - seine Barbecuesauce, um etwas banales zu charakterisieren, sein Ketchup...) darübergeschüttet - um seine Marke erkennbar zu machen.
Klar, seine Schüler kann man an jenen Merkmalen erkennen...(keine Sorge, kaum einer ist noch musikalisch tätig...)
ich habe dagegen revoltiert und immer mehr die Meinung entwickelt: so wie das Stück komponiert ist, stimmt das auch. Ich sehe mich als Medium, das sich während einer Interpretation dem Komponisten zur Verfügung stellt.
Mein Ziel ist es, die Komposition "durchscheinen zu lassen" ohne eigene Zutaten.
Natürlich hab auch ich typische Merkmale entwickelt - Dinge, die ich immer wieder sage, Stereotype - es ist schwer, das zu finden und zu eliminieren.
Schwierigkeiten bereiten mir z.B: Programme oder Namen, da sie IMO eine Verdoppelung der musikalischen Aussage sind.
Konkret im Fall der Pathetique op.13 von Beethoven:
Bedeutet der Titel, daß es sich um eine pathetische Sonate handelt - also eine reine Beschreibung?
IMO ja, da es kein Programm von Beethoven ist.
mir wäre trotzdem lieber das Stück nur unter Sonate c-Moll aufzuführen!
was ist, wenn Hörer meinen, daß meine Interpretation ja gar nicht pathetisch genug ist - die Sonate heißt doch so...
ich sehe es so:
das komponierte Stück ist pathetisch
aber ich will es nicht zusätzlich pathetisch spielen
ähnlich bei Trauermusik oder Passionen,
warum sollte der Interpret noch ein "Betroffenheits-Schäuferl" nachlegen?
wahrscheinlich wird man mir intellektuelle Kälte, mangelndes Einfühlungsvermögen... vorwerfen.
wie steht Ihr dazu, welche Interpreten geben eurer Meinung nach zuviel oder zuwenig?