Der norwegische Komponist Antonio Bibalo, der mir lange Zeit meines Lebens menschlich sehr nahe stand, komponierte Shakespeares "Macbeth" im englischen Original. Als ich Bibalo etwas verdattert fragte, ob er auf der Bühne nicht die Konkurrenz Verdis fürchte, antwortete mir Bibalo: "Warum? Mein ,Macbeth' ist besser als der andere."
Nach der Osloer Uraufführung dieser wirklich fabelhaften Oper Bibalos folgte allerdings der Tiefschlag in den Kritiken. Wenn es wenigstens Verdi gewesen wäre, gegen den er ausgespielt worden wäre (oder notfalls Ernest Bloch). Aber nein. So eine dänische Zeitung verglich Bibalos Werk mit der Macbeth-Oper eines unbekannten dänischen Komponisten - natürlich zu dessen Vorteil. (Wobei natürlich die dänische Oper ebenfalls besser war als die andere, die von Verdi...)
Aber um Bibalo selbst geht es mir gar nicht.
Wir wissen alle, dass massenhaft Opern über den gleichen Stoff komponiert wurden. Sogar, wenn der Stoff bereits von prominenten Komponisten vertont worden war. Ich denke an Rutland Boughtons "Tristan"-Oper aus den 20er-Jahren.
Ein anderer Fall ist unglückliche Manfred Gurlitt, der zur gleichen Zeit wie Berg den "Wozzeck" komponierte und von Berg in den Schatten gestellt wurde, und der lange vor Zimmermann die "Soldaten" vertonte und dann eben von Zimmermann weggefegt wurde.
Mir geht's um die Fälle, in denen die unbekanntere Oper in Euren Ohren gleichwertig oder vielleicht sogar besser ist als die berühmte.
Womit ich mich auch gleich oute: Mir geht's wie Bibalo: Ich halte seinen "Macbeth" für besser als den von Verdi. Allein die schlafwandelnde Lady mit Rezitativ zu einem vereinsamten Solo-Cello und die zu Schlagzeugklängen brabbelnden Hexen halte ich für unübertrefflich.
Aber es gibt sicherlich etliche solche persönlichen Umkehrungen des allgemeinen Werturteils - und genau an denen bin ich jetzt brennend interessiert.