Vom Haydn-Anhänger zum Frühromantiker: Johann Wilhelm Wilms (1772-1847)

  • ... zugegeben, viel weiß ich noch nicht über diesen mir bis von wenige monate unbekannten holländischen komponisten deutscher herkunft, der doch immerhin der bekannteste holländische komponist seiner zeit war und neben einer 'schlacht von waterloo' und diversen vaterländischen hymnen auch die inoffizielle holländische nationalhyme schuf.


    kennen- und im höchsten maße schätzen gelernt habe ich wilms durch die außerordentliche aufnahme seiner 6. symphonie d-moll op. 58 und 7. symphonie c-moll, o.op. mit dem concerto köln, bei dg erschienen.


    1772 in witzleben geboren, zog es den als pianisten, flötisten und komponisten ausgebildeten wilms früh nach amsterdam; er litt jedoch dann unter den recht provinziellen musikalischen verhältnissen dort. immerhin wird er nach uraufführung seiner c-dur-symphonie op.9 von 1806 in leipzig von der kritik als 'einer der geistreichsten, lebhaftesten und ausgebildetsten künstler' der zeit bezeichnet und in seiner heimat insbesondere als hervorragender interpret geschätzt. zum komponieren kommt er ab den 1820er jahren immer seltener. die späten symphonien enstehen in immer größer werdenden abständen.


    während seine vier ersten symphonien, alle vor beethovens 1. enstanden, unter dem einfluß haydns und mozarts stehen sollen, reflektiert die 1820 entstandene 6. neben kontinuierlicher bewahrung 'alter' kontrapunktik, auch leichte beethoven-anklänge und weist m.e. auf schubert und die frühromantiker voraus. noch stärker wird dies m.e. in der anfang der 30er jahre entstandenen 7. symphonie sichtbar, die auch 'revolutionsmusik' spiegelt.


    dennoch ist die wilssche tonsprache für mich schwer zu fassen ...sie ist ganz etwas eigenes - noch wesentlich mehr als beisp.weise der z.zt. so viel zitierte ries (ohne das werten zu wollen). kennzeichnend sind, rastlose, stürmende allegri, endlich einmal auch abwechslungsreiche, hochinteressante scherzi (!!), wunderschöne, leicht herbe langsame sätze .. alles zu maßloser freude interpretiert durch das aufgerauhte spiel des concerto kölns.


    für mich eine wirklich hochspannende, sehr originäre und originelle musik, die einem immer wieder mitreißt und überrascht .. nur zu empfehlen .... :jubel: :jubel: :jubel:


    ich bin auf weitere einspielungen gespannt ...


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • na, sehr groß scheint die wilms-fangemeinde ja nicht zu sein ... ;(


    schade .. es lohnt sich wirklich ....
    kennt denn noch jemand irgendetwas von ihm?

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Salut,


    leider noch nicht - aber der Thread hat mich neugierig gemacht, ganz klar.


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • und schon gibt es eine neue cd mit wilms-symphonien ...eingespielt unter halstead, wie ich das gerade dem neuen cpo-katalog entnahm ... aber, ich denke, man sollte mit der o.g. aufnahme beginnen ... :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von klingsor
    viel weiß ich noch nicht über diesen mir bis von wenige monate unbekannten holländischen komponisten deutscher herkunft, der doch immerhin der bekannteste holländische komponist seiner zeit war und neben einer 'schlacht von waterloo' und diversen vaterländischen hymnen auch die inoffizielle holländische nationalhyme schuf.


    Klingsor und ich führten eine ziemlich rege PN-Wechselung. Denn ich hatte noch nie von diesem Mann gehört. Und dazu noch die inoffizielle holländische Nationalhyme.
    Ich hatte eine Idee in welche Ecke ich suchen mußte, und ich hatte recht. Wilms hatte Musik komponiert zu "Wien Neerlandsch bloed", eine typisch 19. Jhdt-text. Mit Permission: zum :kotz:


    Deshalb hatte ich mich nie damit beschäftigt, wer den Komponist war. Weil in 1932 das bereits damals fast 400 Jahre alte Wilhelmus unsere Nationalhymne wurde, war das auch nicht wichtig.


    Klingsor nannte auch als unbekannten Komponist Litolff. Danksei ihm lernte ich also auch Klavierkonzerten von Litolff kennen. Wirklich komplett erstaunt war ich, als ich den 4. Satz hörte aus Concerto No 3 von diesem Litolff.
    So erstaunt, daß ich meine Ohre nicht traute und meine Mutter bat mal zu hören. Und sie bestätigte meine Vermutung.
    Das war ja eine Bearbeitung der bewußte Komposition von Wilms zu WIEN NEERLANDSCH BLOED DOOR D'AADREN VLOEIT.


    Ich mag den Text nicht, aber die Musik dagegen sehr gerne. IMO konnte Wilms komponieren, und ich werde versuchen mehr von ihm zu bekommen.


    Danke Jörg und Liebe Grüße,
    Paul

  • bitte, lieber paul,


    ja, über litolff werde ich auch bald mal einen thread eröffnen ...ein ganz beachtlicher komponist mit
    wirklich wunderbaren klavierkonzerten!!!! wie wilms nur zu empfehlen .... :yes:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo


    Die mangelnde Resonanz auf diesen Thread dürfte größstenteils darauf zurückzuführen sein, daß es bis vor etwa eineindhalb Jahren überhaupt keine Einspielung dieses Komponisten gab.





    Aufmerksam auf ihn wurde ich anlässlich des Erscheinens der Archiv-Produktion-Aufnahme, und zwar deshalb weil der Betreiber der Website "Vergessene Komponisten", Kai Czepiczka mich um biographische Daten bat, die er nicht auftreiben konnte. (Die Website hat er inzwischen nach ca 5 Jahren Betrieb eingestellt)


    In diesem Zusammenhang kaufte ich auch die genannte CD.
    Mein Eindruck ist indes nicht so positiv, wie jener von Klingsor, war - und da bin ich mir fast sicher - wahrscheinlich mehrheitlich der Interpretation durch das "Concerto Köln" anzulasten ist - ein Klangkörper den ich persönlich überhaupt nicht Mag. Wenn ich denke wir schrill und unmelodiös Rosetti bei ihnen klang - den ich erst durch die Interpretationen anderer Orchester (vorzujsweise unter Johannes Moesus, dem Präsidenten der Internationalen Rosetti-Gesellschaft) lieben gelernt habe.



    Sie spielen Wilms rauh und wenig Klangschön, aufgeregt und nervös.
    Man darf nicht vergessen das Wilms ein Komponist der Frühromantik war......


    So ist aus meiner Sicht zu hoffen, daß weitere Veröffentlichungen folgen werden - um sich einen klareren BIlick über Wilms zu verschaffen


    Denn anhand einer Einzelveröffnung traue ich mir kein endgültiges Urteil zu...


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Mein Eindruck ist indes nicht so positiv, wie jener von Klingsor, was - und da bin ich mir fast sicher - wahrscheinlich mehrheitlich der Interpretation durch das "Concerto Köln" anzulasten ist - ein Klangkörper den ich persönlich überhaupt nicht Mag. Wenn ich denke wir schrill und unmelodiös Rosetti bei ihnen klang - den ich erst durch die Interpretationen anderer Orchester (vorzujsweise unter Johannes Moesus, dem Präsidenten der Internationalen Rosetti-Gesellschaft) lieben gelernt habe.


    Salut,


    Was Concerto Köln betrifft, so kann ich Dir zustimmen, sofern es um eine relativ frühe Aufnahme geht. Ich kenne die Wilms Einspielungen nicht, habe aber andere Vergleichsmöglichkeiten [z.B. Salieri-Klavierkonzert]. Der Instrumentalklang hat mich aber bei CK stets fasziniert: In neuerer Zeit aber leisten sie Spitzenqualität. In neue Veröffentlichungen hineinzuhören, lohnt sich auf jeden Fall.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die Concerto-Köln-CD mit den Sinfonien 6 in d-moll und 7 in c-moll wurde mir gestern bei 2001 für 2,99 € nachgeworfen:



    ...und ich hab sie natürlich aufgefangen :D


    Ich finde die Interpretation sogar ziemlich gut. Sie ist überhaupt nicht schrill und stammt ja auch (schon) aus dem Jahre 2002.


    Bei Wilms' Musik werde ich unweigerlich an fidelen Haydn erinnert. Gelegentlich (in der c-moll-Sinfonie) begegnet mir Mozarts 'Titus'-Ouvertüre und Beethovens 2te Sinfonie. Die Musik ist, wie auch jene des cpo-Kollegen Fesca, auf Dauer etwas nervtötend - aber ich bin sicher, daß Concerto Köln hier herausgeholt hat, was geht (was man von Beermann und der NDR Radiophilharmonie nicht gerade behaupten kann...).


    Übrigens hat Arthur Schoonderwoerd im Rahmen seines holländische Komponisten Projekts Wilms' Klavierkonzert E-Dur op. 3 eingespielt:



    Das fand ich allerdings auch eher überflüssig.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo!


    Die von Klingsor oben erwähnte Aufnahme ist nun um 8€ bei unserem Werbepartner zu erwerben.


    Ich würde das gerne tun, möchte aber vorher noch die Meinung jener Taminos/Paminas hören, die die CDs schon haben, obwohl bei Halstead, dessen Cpo- JC Bach-Aufnahmen allesamt hervorragend sind, eigentlich nichts verkehrt sein sollte. Allerdings kenne ich das Orchester nicht...


    Danke vielmals für die (hoffentlich) zahlreichen Postings.


    LG joschi

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  • Hallo zusammen


    Seit etwa einem halben Jahr besitze ich diese SACD, welche mir von einem Experten empfohlen wurde:



    Bis jetzt hat mich noch keine Ars-Aufnahme enttäuscht.


    Gruss Beat

  • Liebe Forianer, liebe Mitleser


    Die von xuser gezeigte Aufnahme sollte eigentlich bei meiner laufenden CD-Bestellung dabei sein. Das Hineinhören via jpc-Klangschnippsel hat mir Gusto gemacht.


    Überhaupt beurteile ich heute Wilms vilel positiver als zu Beginn des Threads, entweder habe ich mich an die Feinheiten seiner Klangsprache gewöhnt, oder es war einfach das zu mir wenig kompatible Klangbild, von "Concerto Köln", welches mich zu einer eher kühlen Beurteilung voin Wilms' Werken veranlasste.


    Die damals von mir sehr kurz besprochene Aufnahme der DGG Archiv-Produktion ist übrigens identisch mit der von Ulli weiter oben vorgestellten Brilliant Classics-CD.


    Wims, auch wenn die Forianer noch wenig von ihm kennen ist also durchaus eine Empfehluing wert, und es gibt nach und nach immer mehr Aufnahmen mit Werken von ihm, die belegen, daß er ein durchaus interessanter, hörenswerter Komponist ist, dem die Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte offenbar Unrecht angetan hat, indem sie ihn der Vergessenheit anfallen ließ. Seine Zeitgenossen wussten ihn nämlich durchaus zu schätzen.




    Am 1. 3. 2009 erschien bei Carus eine weitere Aufnahme, welche das Werk von Wilms dokumentiert und zwar die vierhändigen Klaviersonaten op 31 und op 41. Sie stehen ab sofort auch meinem Wunschzettel, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube sie sind sogar auch schon bei der an mich abgegangenen Lieferung dabei....


    Schon ein kurzes Hineinhören macht (mir) Appetit auf mehr - ich muiß diese Aufnahme haben.
    Stilistisch ist sie nach den mir bis dato zur Verfügung stehenden Klangschnippseln schwierig einzuordnen: Einiges klingt nach Mozart-Reminiszenzen, allerdings eher kräftig zupackend, als überfilligran, anderes ist noch "männlicher" ohne aber - so der erste Eindruck - an Beethoven zu erinnern. Ich werde berichten sobald ich die Aufnahme besitze.
    Interessenten können sich schon jetzt ein wenig selbst orientieren - indem sie das oben abgebildete Cover als Link zu jpc nutzen und in die Klangschnippsel hineinhören.....


    mfg aus Wien


    Alfred,
    der sich wieder mehr musikalischen Beiträgen
    als der ausschliesslichen Moderation des Forums
    widmen will.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Inzwischen ist Die unten abgebildete CD tatsächlich bei mitr eingetroffen
    Und ich haber bereits das darauf befindliche Klavierkonzert op 12 angehört, das unverkennbar Züge von Mozarts Spätwerk trägt, beispielsweise die strahlend - strenge Einleitung, die mich ein wenig an das Krönungskonzert erinnert....
    Dazwischen lieblich-süße Einschüber des Orchesters, und dann beginnt der perlende Part des Klaviers, für den bei dieser Aufnahmen ein Hammerflügel Baujahr 1815 von Sakvatore LaGrassa verwendet wurde,
    ein Instrument der Wiener Schule.
    An sich ein wunderbar perlendes Instrument ohne gröbere akustisch-mechanischen Mängel und sehr klangschön, so würde mich das Werk dennoch mal auch modernem Flügel gespielt interessieren.


    Der zweite Satz, sehr intim und getragen hat zahlreiche Einschübe, die an Solostellen anderer Instrumente erinnern...


    Ohrwurmqualität ist dem dritten Satz auf anhieb zu bescheinigen, das Klavier beginnt hier mit dem Orchester fast gleichzeitig und schwebt luftig und leicht beschwingt über dem quirligen Klangteppich des Orchesters. Auch hier wieder gelegentlich eingesetzte de Facto - Solo -Auftritte einzelner Instrumente.....


    Bei allen (sehr oberflächlichen Anklöängen) an Mozart, die allerdings nur zart "durchschimmern" hat Wilms hier eine eigene Tonsprache gefunden - man sollte die kennen.....



    mfg aus Wien
    Alfred








    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es wäre ein Euphemismus, zu behaupten. daß Wilm wenigetens hier im Forum den Durchbruch geschafft hätte.

    In Punkto Veröffentlichungen seiner Werke auf Tonträger ist man indes auf einem guten Weg.

    Ich komme auf diesen Thread zurück, weil ich heite eine noch originalversiegelte CD ausgepackt und angehört habe.


    Dazu nääheres in meinem nächsten Beitrag.

    Interessant war auch - unf damit möchte ich mich hier befassen, warum Wilms zu Beginn seiner Karrierres so erfolgreich war und dann dein Ruhm um 1820 geradezu schlagartig verblasste. Das Booklet der von mit zitierten CD (ich stelle Sie anschliessend in meinemnächsten Beitrag hier vor) hat hier durchaus einleuchtende Theorien,

    Man kann Wilms im weitesten Sinne in der Nachfolge Mozarts sehen . nicht in jener von Beethoven, Sein Stern begann also bereits um 1820 zu sinken. Eigentlich kamm der Autor des Booklets in anderer Hinsicht zu einer ähnlichen Schlussfulgerung wie ich; Wilms war nicht "erfolglos", das Themea "Komposition" interessierte ihn einfach nicht mehr, Er wird hier zitiert, daß er das Komponieren als nutzlosen Luxus betrachtete.

    Kieber verkörperte er gewisse Posten in der damaligen Musikszene, und gab Unterricht oder spielte im Orchester.

    Natürlich komponoierte er weiterhin - aber nichts Bedeutendes, sondern Auftragsmusik zu bestimmten Anlässen. Die ist heute als unbedeutender eingestuft, brachte aber sicher zum Zeitpunkt ihres Entstehens mehr . und vor allem sichereres Geld als fir "freien Kompositionen,


    Dazu kommt, daß die Holländer ihn als Deutschen sahen, die Deutschen indes als Holländer...

    Er hat sich zwar durch ein paar patriotische Kompositionen in Holland einen gewissen Namen gemacht -aber sowa ist schnell vergessen.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nach langem Zögern habe ich mich entschlossen, diesen Thread hier als "allgemeinen" Weiterzuführen, aber - beginnend mit den Sinfonien - einieger Spezialthreads zu starten, welche leichter zu finden sind und die Eigenarten des Komponisten besser herausbringen. Wenn wir Beethoven bei jeder Sinfonie einen eignen Thread bewilligen UND dann noch jeden Zykus extra besprechen, dann sollten für Komponisten wie Wilms zumindestens je ein Thread über seine Sinfonien, seine Konzerte, seine Kammermusik und seine Klaviermusik solo möglich sein. Er hat uns genügend Werke hinterlassen und allmählich werden die auch aufgenommen. 2022 wird dann ein "Wilms Jubiläumsjahr - hoffen wir das Beste....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !