Barockmusik auf modernem Instrumentarium: Paillard, André, Leppard...

  • Schon öfter wurde ja über die historiesierend informierte Aufführungspraxis diskutiert, die einen akzeptieren keine alten Instrumente, die anderen hassen es wenn Bach wie Wagner klingt...
    Ich will hier die Diskussion nicht wieder aufreißen, sondern eher an die großen Verdienste erinnern und den ein oder anderen Künstler wieder ins Gedächtnis rufen.


    Ich persönlich stehe zwar auch der HIP wesentlich nähe, aber auch ich bin mit der konventionellen Interpretation aufgewachsen.
    Allerdings mochte ich von Anfang an den Stil von Richter nicht.
    Über Güttler und Rilling gebe ich gar kein Kommentar ab.


    Doch gibt es auch Aufnahmen, bzw. Dirigenten die mit ihren Interpretationen mir auch Heute noch gefallen, wie z.B. die Aufnahmen von Jean Francois Paillard....


    Als 12 jähriger stieß ich auf Aufnahmen von Erato, eine Serie "Goldenes Barock" ( nicht zu verwechseln mit der Serie gleichen Namens bei Philipps ) die ich absolut in Ehren halte:
    Es waren je 3 CD's in einer Box:


    Box I:
    CD 1: Vivaldi 4 Jahreszeiten / I Solisti di Veneti / Siimone
    CD 2: Händel: Wassermusik / Feuerwerksmusik / Orchestre de Chambre / Paillard
    CD 3: Pachelbel / Albinoni / Händel / Bach Vivaldi div.


    Box II: "Vivaldi Konzerte" I Solisti di Veneti / Scimone
    CD 1: Mandolinenkonzerte
    CD 2: Oboenkonzerte
    CD 3: Flötenkonzerte ( Jean Piere Rampal )


    Box III: "Trompete" ( Maurice André )
    CD 1: Werke von Purcell / Händel / Krebs / Fischer
    CD 2: italienische Barock Konzerte
    CD 3: Trompete & Orgel

    Box IV: "Flöte" ( Jean Pierre Rampal )
    CD 1: iatlienische Barockkonzerte
    CD 2: deutsche Barockkonzerte
    CD 3: französische Barokkonzerte


    Box V: "Orgel" ( Marie Claire Alain )CD 1: Bach - Orgelwerke
    CD 2: Händel Orgelkonzerte / Orchestre de Chambre / Paillard
    CD 3: Trompete & Orgel ( André & Alain )


    Box VI: "geistliche Musik" ( Michel Corboz )
    CD 1: Bach: Magnificat / Vivaldi: Gloria
    CD 2: Charpentier: Te Deum / Beatus vir / Salve Regina
    CD 3: Vivaldi: Nisi Dominus, Dixit Dominus, Stabat Mater



    ein recht buntes Programm, aber für mich waren diese Boxen wirklich toll. Sie waren günstig und mir gefielnen die Aufnahmen, auch wenn da solche Abscheulichkeiten wie "Trompete und Orgel" dabei sind.


    Doch worauf ich eigentlich hinaus will, ich bewundere besonders Leppard und Paillard, da sie in den 60er Jahren auch Werke einspielten an die sich ein Karl Richter nie im Leben getraut hätte.
    Mir sind von Karl Richter Aufnahmen mit barocker Musik ausschließlich von Bach und Händel bekannt. lasse mich da aber gerne belehren.





    Jean Francois Paillard


    Neben den bekannten Werken die er in den 60ern und 70ern eingespielt hatte, wagte er sich auch ziemlich viel unbekannte Musik.
    Er strebte einen eher schlanken, flotten und vibratoarmen Klang an, wieviel er von der Alte Musik Bewegung mitbekommen hat, weiß ich nicht...
    Neben Bach, Vivaldi und Händel setzte er sich vor allem für die französische Barockmusik ein.
    Eine Pioniertat!
    Zwar gab es vor ihm auch schon Versuche, man denke nur an die Arbeit von Roger Desormiere, Roland Douatte etc.


    Doch erst mit Paillard und seinem Orchestre de Chambre wurde diese Musik zurück ins Bewußtsein der Liebhaber geholt.





    Raymond Leppard


    Leppard ging noch weiter, auch er verstand es das bekannte Repertoire gekonnt zu interpretieren.
    Doch auch er wagte es unbekannte Meisterwerke aufzunehmen.
    Seine interpretationen von Lully, Campra und Rameau halte ich in allen Ehren.
    Er wagte es sogar eine Aufnahme der Cavalli Oper "L'Ormindo" zu machen, verbindet man doch eher den Namen René Jacobs mit Aufnahmen venezianischer Opern des 17. Jahrhunderts.



    Maurice André


    André gilt wohl immer noch als einer der berühmtesten Trompeter, zwar ist es manchmal schon lustig was er alles transkripierte nur um es spielen zu können - aber warum auch nicht ? :D






    Eventuell gibt es ja noch ein paar Taminos die diese Herren, oder andere ebenfalls kennen.
    Für mich hat diese Interpretation einen ganz eigen Reiz.
    Ich bevorzuge zwar aktuelle Interpretationen, aber oftmals findet man Werke die bisher nicht wieder aufgenommen wurden.


    Sehr schade ist, dass die hervorragende Lully Einspielung von Raymond Leppard niemals auf Cd veröffentlicht wurde, bei Paillard ist da zum Glück ein Großteil wierder auf CD aufgelegt worden, wie z.B. die "Symphonies pour les Soupers du Roy" oder die Opernauschnitte aus Isis und Armide von Lully und nicht zu vergessen die Jagdkantate von Jean Baptiste Morin und vieles mehr....


    :hello:

  • Ohne den Oberlehrer geben zu wollen - nur: Karl Richter sah sich nie einzig als Bach- oder allenfalls noch Händel-Spezialisten; diesen Stempel hat ihm insbesondere die DGG aufdrücken wollen !
    Tatsächlich hat er für die Teldec etwa eine heute noch maßstäbliche Einspielung von Mozarts "Requiem" vorgelegt, für die DGG auch Symphonien von Bruckner sowie Beethovens "Messe in C-dur" aufgenommen, auch Glucks "Orfeo ed Euridice", und hatte die Verträge für die große Brahms-Edition des gleichen Labels, wofür er dessen a-capella-Chorwerk einspielen sollte, und Mendelssohns "Elias" bereits unterschrieben, als er plötzlich starb.
    Im übrigen: Auch eine Professur am Mozarteum für Orchesterdirigieren (und nicht etwa für Orgel oder Kirchenmusik !!) war schon in trockenen Tüchern - auch diese wurde durch sein jähes Ableben verhindert.


    Soviel also nur kurz zum angeblich "mutlosen" Symphoniker Karl Richter, der insbesondere in Wien für seine Bruckner-Darbietungen enthusiastisch gefeiert wurde; zudem war er nach dem Tode Rudolf Kempes und dem grandiosen Gedenkkonzert (Mozart, Schumann), das Richter mit den Münchener Philharmonikern gestaltet hatte, sogar als dessen Nachfolger ernsthaft im Gespräch ...


    Gruß,


    Gerd

    10 Mal editiert, zuletzt von Gerd ()

  • ja das mag alles sein, aber es geht hier um Barockmusik. ;)
    Und da sind mir außer den Werken von Bach und Händel keine weiteren bekannt.


    :hello:

  • Hallo lieber Lullist,


    ich hätte eine Frage an Dich:


    Ich sehe Ludwig Güttler nicht gar so kritisch, wie die schreibende Majorität des Forums, kann aber manche Kritkpunkte durchaus nachvollziehen ( z. B. geglättetes Trompeten- Brillieren)


    Mich verwirrt aber um so mehr, daß Du Maurice André dagegen schätzt. Stellt er doch für mich viel stärker als Güttler einen Show-Trompeter dar, der aber auch jeden Gassenhauer spielen mußte - gekonnt, aber für mich meist belanglos.


    Güttler hingegen BEMÜHT sich aktiv, entlegeneres Repertoire ( insbesondere des Dresdner Barock) dem Vergessen zu entreißen - siehe Hasses Missa in g oder sein früher Einsatz für Pisendel, Heinichen, Zelenka u.a.


    Hätte ich nur die Wahl zwischen André- und Güttler-Aufnahmen wäre mein Votum für Güttler klar!


    Wenn ich André da zu einseitig sehe, bin ich sehr an einer Horizonterweiterung interessiert!


    :hello:
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Da bin ich zugegeben einem Mißverständnis unterlegen - aber bitte:


    Barockwerke mit Karl Richter (außer Bach und Händel):


    Alessandro Scarlatti, Solokantate Suo le sponde del tebro (mit Maria Stader); DGG 1961


    Heinrich Schütz, Musikalische Exequien op. 7, SWV 279-281; DGG 1953


    Georg Philipp Telemann, Konzerte für Oboe, Streicher und b.c. e-moll; Konzert für Querflöte, zwei Violinen und b.c. G-Dur; Konzert für Oboe, Streicher und b.c. c-moll ; DGG 1966


    Grüße,


    Gerd

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd ()

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  • Also mittlerweile schätze ich André nicht wirklich - da gibt es echt schlimme Sachen....
    Im Grunde hast Du Recht, keine Frage.
    Der Unterschied liegt vielleicht auch darin, dass André in den sechziger und siebziger Jahren aktiv war. Da war die alte Musik Bewegung noch im Anfangsstadium.
    Güttler spielt die Sachen immer noch so ohne die HIP irgendwie zur Kenntnis zu nehmen.
    Gerade was die dresdner Barockmusik anbelangt - der Unterschied z.B. zur Musica Antiqua Köln, die ja einiges eingespielt haben - ist frappierend.
    Ich denke der größte Vorwurf an Güttler ist, dass er die Erkenntnisse der letzen Jahre ignoriert.


    Aber das ist halt eine Frage des persönlichen Geschmacks.
    Von André hab ich Jahre nichts mehr mitbekommen, keine Ahnung was der treibt. ( ich weiß auch nicht ob mich das interessiert :D )
    - das hat für mich eher nostalgischen Wert, da ich solche Sachen mit 10 kennenlernte.


    Die drei Leute waren ja nur als Beispiele genannt, es gibt ja noch viele andere, einige die ich immer noch schätze wie eben Paillard und Leppard.



    ich glaube die Schützaufnahme habe ich mal gesehen, kann mich auch irren - würde mich direkt interessiern... falls man die noch bekommen kann.
    Von den beiden anderen Aufnahmen habe ich wirklich noch niewas gehört, aber vielen Dank für die Information.


    :hello:

  • Sagitt meint:


    Wenn ich damals - mit 10 und mehr- Barockmusik hören wollte und dies an Richter vorbei, stiess man automatisch auf Paillard oder Leppard.Im Vergleich zu Brandenburgischen unter Karajan war das natürlich schlanke Kost.
    Aber heute, mit Gardiner,Pinnock,Christie,Jacobs, natürlich auch Altmeister Harnoncourt, sollte ich Dido mit Leppard hören, wenn ich Pinnock,Hogwood,Hanrnoncourt oder Gardiner hören kann?
    Ich habe Dido mit Leppard noch ( nach meiner Erinnerung aus den sechzigern), aber ich höre es nicht mehr- gegen die genannten ist aus " schlank"" vollschlank" geworden.

  • Schlankheit ist ja nichts per se Erstrebenswertes, unabhängig von anderen Faktoren... Ich bin jetzt zu faul nachzusehen, wer Janet Bakers Dido von ca. 1960 dirigiert, aber die ist jedenfalls sehr hörenswert, und nicht nur in dem Bewußtsein, dass man es heute "besser" weiß. Ich kenne sonst noch ein paar Händel-Sachen mit Leppard, ebenso wie Marriner wirklich ziemlich gut, wenn man nicht auf alten Instrumenten besteht. Etwa in der Feuerwerksmusik transparent und flexibel ohne das der Prunkfaktor eines etwas klangmächtigeren Ensembles verloren geht. Richters deutsche Aufnahme des Messias, die ich vorletze Weihnachten oder so mal meiner Mutter geschenkt habe, fand ich dagegen enttäuschend, wirklich sehr behäbig und unflexibel, auch verglichen mit Gleichzeitigem wie Davis Messiah (1966).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Besagte Schütz-Aufnahmen (noch mit dem "Heinrich-Schütz-Kreis", der sich wenig später in "Münchener Bach-Chor" umbenannte) könnten noch im Katalog der DGG verzeichnet, dürften jedenfalls via Internet (amazon u.ä.) zu ergattern sein.


    Die beiden übrigen Einspielungen sind auf dem Kontinent seinerzeit nur auf Schallplatte erschienen, in Japan jedoch auch auf CD gepresst worden und bis vor einem Jahr dort tatsächlich noch erhältlich gewesen.


    Gruß,


    Gerd

  • hier ich hab sie:




    ist vom Preis auch recht annehmbar...


    Auch wenn ich höchstwarscheinlich die Aufnahmen von Cantus Cölln, Herreweghe etc. weiterhin mehr schätzen werde,
    ist es für mich immer wieder spannend wie man Barockmusik vor 30, 40, 50 oder 60 Jahren gespielt und gesungen hat.
    Man erlebt immer mal Überraschungen und ich persönlich höre ältere Aufnahmen immer noch gerne.
    Gerade weil die Aufnahme ja von 53 ist würde sie mich wirklich sehr interessieren, mal sehn....


    :hello:

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  • Das Thema, wie die Alte Musik aufzuführen sei, ist ja nicht selten Anlass für erbitterte ideologische Auseinandersetzungen. Ich staune, wie kultiviert die Argumente in diesem Thread ausgetauscht werden.
    Irgendwie koam's mir immer so vor, als hätten die "Modernen" und "Historisierenden" Angst, sich gegenseitig etwas wegzunehmen.
    Zuerst wurden die Alte-Musik-Spezialisten eher belächelt für ihre eigenartige Bogentechnik, für ihr unaufgepolstertes, quasi knöchnernes Klangideal, für die Rehabilitation altertümlicher Blasinstrumente, die anfangs von kaum einem Spieler auch nur halbwegs befriedigend beherrscht wurden, für ihr kerzengrades, vibratoloses Singen... Irgendwann musste man die historisierende Aufführungspraxis dann doch ernst nehmen - es gab immer mehr Ensembles, die immer versierter wurden und zahllose in Vergessenheit geratene Meisterwerke neu zur Diskussion stellten. Die rhetorischen Ungelenkigkeiten der ersten Tage verloren sich, Herreweghe, Christie und Co. setzten spielerisch-oppulente Kontrapunkte zum brillanten, aber sachlichen Klangideal der Briten... Inzwischen ist eine faszinierende Bandbreite und eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Musik vor 1750 gewachsen. Neuerdings holen sich die "modernen" Orchester Alte Musik-Spezis ans Pult, um ihre (lang verpennten) Hausaufgaben zu machen. Unsere Radiophilharmonie in Hannover ist ein gutes Beispiel - in dieser Saison wurde der "Ring Barock" aus der Taufe gehoben: Erst beglückte uns Robert King, dann Reinhard Goebel und demnächst kommt Andrew Manze. Das Orchester nimmt sich veil Zeit zum Proben und findet sich erstaunlich souverän in die spieltechnichen Finessen der HIP ein. Diese stilistische Versiertheit gehört heute einfach zur "Grundausstattung" eines modernen Orchesters. Umgekehrt gehen die Promis der Alte Musik-Szene inzwischen auch recht regelmäßig "fremd" - es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Herreweghe seinen ersten Ring in Bayreuth dirigiert (Wagnerianer werden mich dafür killen...)
    Mir scheint als sei der Graben zwischen "alt" und "neu" ein wenig schmaler geworden... Irgendwann wird es (außer für Dogmatiker oder Überexperten natürlich) kaum noch einen Unterschied machen, wer welche Musik spielt. Der Tod des Orchesters ist ein Dirigent, der ihm ein unverrückbares Klang- und Stilideal aufpfropft.


    LG :hello:
    Daniel

  • ES ist einige Zeit seit den letzten Einträgen in diesem Thread vergangen und ich würde ncht sagen, daß sich die Anhänger der beiden Gruppen aneineander angenähert hätte. Allenfalls könnte man registriererne , daß eine gewisse Gleichgültigkeit eingetreten ist, weil mal abgesehen von Bach , Händel und 5 weiteren Komponisten, siich die Verfechter neuer Instrumente sowieso nicht für alte Musik interessiert haben. Gleichzeitig stelle ich fest, daß die konsequente Praxis, des Musizieren s auf "Originalinstrumenten" so manches unbekannte Wer, bzw auch unbekannten Komponisten aus der Versenkung geholt hat. Die Vivaldi-Renaissance - ober treffender gesagt Rehabilitierung _Vivaldis, auch "Entdeckung für unsere Zeit" wäre ein passender Begriff - ist meiner Meinung nach eng mit der Verwenung originalen oder nachgebauten Instrumentariums der Enstehungszeit seiner Werke verbunden...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !