Schuberts fünfte Symphonie - "ein schwacher Abguß von Mozart" ?

  • Hallo!


    Eines vorweg: Ich mag diese Symphonie sehr gerne. Das Zitat aus der Threadüberschrift stammt vom "Kritikerpapst" Eduard Hanslick; dem möchte ich vehement widersprechen - aber als Titel, der zum Diskutieren anregt, ist es wohl geeignet.


    Zu Schuberts (gedanklicher) Beziehung zu Mozart gibt ein Zitat Schuberts vom 16.6.1816 Aufschluß:
    "O Mozart, unsterblicher Mozart, wie viele o wie unendlich viele wohltätige Ausdrücke eines lichten bessern Lebens hast du in unsere Seelen geprägt."


    Einige Wochen später (September/Oktober desselben Jahres) komponierte er seine


    Symphonie Nr. 5 B-dur D 485.


    Schubert verzichtet in dieser Symphonie auf Pauken und Trompeten (Besetzung: je 2 Oboen, Fagotte, Hörner, eine Flöte, Streicher), das verleiht ihr einen intimeren, grazileren Klang.
    Die vier Sätze sind:
    1. Allegro
    2. Andante con moto (Es-dur)
    3. Menuetto. Allegro molto (g-moll)
    4. Allegro vivace


    Tatsächlich erinnert das Werk an vielen Stellen (besonders für unerfahrene Hörer) an Mozart - oder auch Haydn. Aber es ist keine bloße Stilkopie, es steckt genug "Schubertisches" darin. Oder wie seht Ihr das?


    Eine Frage an die Schubert-Experten: In meinem Reclam-Musikführer steht, daß die Uraufführung erst 1841 in Wien stattfand. Irgendwo anders hatte ich aber gelesen, daß Schubert diese Symphonie (und auch Nr. 4 und Nr. 6) für ein Amateur-Orchester komponiert hatte, das die Werke auch (zu seinen Lebzeiten) aufgeführt hatte. Was stimmt denn nun?


    Ich habe mir drei Aufnahmen angehört:
    Ron Goodman / Hanover Band ( Zeiten: 7'34 - 8'37 - 4'26 - 7'37)
    Georg Solti / Wiener Philharmoniker ( 7'31 - 11'50 - 4'39 - 5'38 )
    Arturo Toscanini / NBC Orchestra (4'41 - 7'49 - 4'40 - 5'01)


    Im ersten Satz (in dem Toscanini IMO sträflicherweise die Wiederholung wegläßt) kommt bei Solti und Goodman das Heitere, Unbeschwerte des Werks gut rüber; bei Solti warm, rund und irgendwie "wienerisch"; bei Goodman etwas spröde und kantig. Toscaninis Allegro ist hektisch, hart und kontrastreich - IMO völlig unpassend, er macht damit den besonderen Reiz des Werkes kaputt.
    Im zweiten Satz gibt es nur bei Solti Wiederholungen, weiche, schöne Interpretation. Auch Toscanini ist hier angenehmer. Die Goodman-Aufnahme ist (nicht nur hier) sehr transparent, die einzelnen Stimmen sorgfältig herausgearbeitet.
    Das Menuett nimmt Toscanini harsch und aggressiv, Goodman (angenehm) flott, Solti etwas gemütlicher.
    Der vierte Satz bestätigt die Eindrücke aus dem 1. Satz nochmals (bei Toscanini nicht ganz so schlimm), Goodman spielt hier als einziger die Wiederholungen.



    Welche Aufnahmen könnt Ihr empfehlen?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    ich habe den Experten Deutsch gefragt, der da meint:


    Erste Aufführung: Herbst 1816, im Hause Otto Hatwigs, Wien, Schottenhof


    Erste öffentliche Aufführung: 17. Okt. 1841, Wien, Theater in der Josefstadt, unter Leitung von Michael Leitermayer.


    Am auffallendsten ist wohl die Parallele zu Mozarts Sinfonie in g-moll KV 550, Menuett [III]. Der II. und IV. Satz erinnert mich persönlich eher an Joseph Haydn, wobei dem II. eine gewisse Nähe zum II. aus Mozarts "Linzer" Sinfonie [KV 425] nicht abzusprechen ist.


    Die Sinfonie hat, warum auch immer, den Werkbeinamen "Mozartsinfonie" erhalten. Das ist sicherlich eine große "Anerkennung" für Schubert, die er aber nicht nötig hat. :P


    Zitat

    Original von Hui
    Franz Schubert soll einmal gefragt worden sein - ich meine mich zu entsinnen, dass es anlässlich seiner Winterreise gewesen ist: "Gibt es eigentlich lustige Musik?"


    Schubert darauf: "Ich weiß von keiner."


    In Bezug auf die 5. Sinfonie wohl echt paradox... wenn sie vielleicht auch manchmal nachdenklich klingt, so ist sie überwiegend fröhlich.


    Ich besitze die Einspielung mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Günter Wand [29.02.1984, im Prinzip als heute 22. Geburtstag der Aufnahme]. Die "Zeiten":


    I [6'51] - II [9'54] - III [4'42] - IV [5'38]


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich mag Schuberts Fünfte nach der "Großen C-Dur" und "Unvollendeten" am meisten. Der erste Satz ist große und heitere Sinfonik, die den Vergleich mit Mozart ganz gut stand hält und sich ihm zur Seite stellt. Der zweite Satz verströmt eine himmlishe Ruhe und Gelöstheit, ich mag ihn sehr sehr gerne, auch das Menuetto und der Schlußsatz brauchen vor Haydn und Mozart keine Minderwertigkeitskomplexe zu haben.


    Die für mich bisher beste Aufnahme ist die Liveaufnahme von Günter Wands letztem Konzert (Hamburg 2001). Da ich dieses Programm auf Wands "Abschiedstournee" selbst gehört hatte und die ergriffene und konzentrierte Atomosphäre in der Alten Oper noch gut in Erinnerung habe, wird es wohl immer meine favorisierte Aufnahme bleiben!


    Bruckner 4 + Schubert 5 + ein Interview mit Wand. NDR-Orchester, Hamburg 2001



    :jubel: :jubel: :jubel:


    Um einen weiteren "großen Namen" ins Spiel zu bringen: Diese Wand-Aufnahme gefällt mir sogar noch besser als die EMI-Studio-Aufnahme von Sir Thomas Beecham!!

  • Ich mag die 5. von den frühen Schubert-Sinfonien am wenigsten (meine Favoriten sind 3 und 4); nicht nur weil sie zu Tode gedudelt wurde (früher war sie anscheinend fast die einzige der ersten 6, die überhaupt aufgeführt und eingespielt worden ist...). Sie ist sehr hübsch, in der Tat, aber die Tragödie des Ohrwums ist eben, dass man ihn bald nicht mehr ertragen kann (das ist so ein Stück, wo es reicht, seine Erwähnung im Forum zu lesen, und ich habe den Anfang des Kopfsatzes als Ohrwurm im Kopf! Ja! jetzt gerade! :wacky: ;) ). Der Mozart-Bezug ist sehr deutlich im Menuett (g-moll-Sinfonie), der auf Haydn im Finale. Das g-moll-Menuett empfnde ich überdies als "Fremdkörper" in der unproblematischen Welt der anderen Sätze
    Am "Schubertischsten" scheint mir das andante zu sein, ebenso in den anderen Sätzen Klangsinn und Melodik. Mir fehlt verglichen mit Haydn der widerborstige Humor, die Energie und die Dichte. Stilkopie ist m.E. kein Vorwurf, sondenr völlig o.k. bei einem 18jährigen Komponisten (und gilt ja auch für die ersten 4 ähnlich). Eher könnte man einwenden, dass Schubert sich beim "tragischen" Ton der 4. etwas überhoben hat und die bewußte Zurücknahme der heitere und bescheidenere Rahmen der 5. ihm besser gelungen ist. Vielleicht ist sie objektiv gesehen, wirklich die beste der frühen. Mir ist diese 5. irgendwie etwas zu glatt; ich bevorzuge den mitreißenden Schwung der 3. Auch die 6. finde ich unterschätzt, immerhin im Finale ein ganz nettes Formexperiment.


    Eine klangschöne HIP-Aufnahme gibt es mit Bruno Weil (SONY) vermutlich vergriffen... :rolleyes:
    Sehr gut (obwohl vermutlich völlig unwienerisch und ohne einige Wdh.)) finde ich auch die brillant-großorchestralen Aufnahmen des jungen Maazel (Sinf. 2-8 ) in der DG-"Masters"-Box


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Das g-moll-Menuett empfnde ich überdies als "Fremdkörper" in der unproblematischen Welt der anderen Sätze.


    ^
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    V


    Zitat

    Mir ist diese 5. irgendwie etwas zu glatt;


    Salut,


    zunächst einmal empfinde ich die Tonartenfolge sehr angenehm: B-Es-g-B. Nach dem frischen B ein warmes Es, dann ein stürmisches g und wieder die Frische [B]. Die Tonart B-Dur ist sehr lyrisch, ansich. Demnach könnte man, wie Du das auch schon ansprichst, sie als Pendant zur Vierten ansehen und "Lyrische" taufen. Dann empfinde ich gerade das g-moll-Menuett als sehr gelungen und als willkommene Abwechslung nach dem recht langen 2. Satz. Es hat die Funktion des "Wachrüttelns" - wobei ich den 2. Satz keineswegs als langweilig empfinde.


    Mozarts Menuett aus der Haffner-Serenade KV 250 ist da tonartlich sehr viel fremder und entfernter: Schubert benutzt eigentlich nur die naheliegende moll-Parallele, Mozart hingegen schweift weiter aus [parallele Molltonart zur Subdominante, was suggeriert, die Hauptsätze haben "nur" Leitfunktion als Dominante zum Menuett als Kernsatz...].


    Als Ohrwurm empfinde ich die Sinfonie keineswegs - sie begegnet weitaus weniger, als die "kleine Nachtmusik" von Mozart oder Beethovens 5. Sinfonie.


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo, Johannes!


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich mag die 5. von den frühen Schubert-Sinfonien am wenigsten. [...] Das g-moll-Menuett empfnde ich überdies als "Fremdkörper" in der unproblematischen Welt der anderen Sätze.


    Heute kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner...
    Ich sehe das eher wie Markus. Die Fünfte ist nach den beiden letzten klar mein Favorit bei Schubert.
    Die Übung "Schubert-Sinfonien-Ordnen" hätte bei mir die Zahlenfolge 8-7-5-6-4-3-2-1 als Ergebnis. IMO wurde Schubert also immer besser mit Ausnahme der 5./6.


    Ein Moll-Menuett mitten in einer Dur-Symphonie finde ich ein interessantes Stilmittel, und hier paßt es besonders gut. Begründung: Siehe Ulli (auch wenn ich es so nicht hätte formulieren können)!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    Heute kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner...


    ...aber auf die gleiche Quersumme, nehme ich an... ;)

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Pius

    Heute kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner...
    Ich sehe das eher wie Markus. Die Fünfte ist nach den beiden letzten klar mein Favorit bei Schubert.

    Da ist ja nun keine besonders exotische Position ;) ...die 5. ist sozusagen die klassische "B-Seite" der 8. (Unvollendeten, ich weiß nie, ob mit 7. die h-moll, oder C-Dur gemeint ist, daher bleibe ich bei 8 und 9). Ich fand sie nie mehr als ganz nett...



    Zitat

    Ein Moll-Menuett mitten in einer Dur-Symphonie finde ich ein interessantes Stilmittel, und hier paßt es besonders gut. Begründung: Siehe Ulli (auch wenn ich es so nicht hätte formulieren können)!

    Natürlich ist es ein ganz netter Kontrast. Ich finde zum einen die Verbeugung von Mozart ein bißchen zu offensichtlich (das allein wäre aber kein Problem, jedoch ist es weit entfernt von dem kontrapunktisch und rhythmisch vertrackten Vorbild aus KV 550), zum andern habe ich die in diesem Fall vielleicht anachronistische Vorstellung, dass man nicht den traditionell leichtesten Satz in einer ohnehin "leichten" Sinfonie durch Wahl der Molltonart "künstlich" gewichtiger machen kann. Entweder es funktioniert, dann finde ich es bizarr, das Menuett als ernstesten Satz einer solchen Sinfonie zu haben. Oder es bleibt letztlich doch ein eher harmloser Satz, trotz des Moll.
    In der insgesamt lebhafteren und dramatischeren 2. Sinfonie Schuberts finde ich das Moll-Menuett o.k. (die werden echt alle gegenüber dieser 5. unterschätzt, allein das setzt sie bei mir in Mißkredit :D ).


    Ulli Das Ohrwurmproblem ist nicht nur, wie oft etwa gespielt wird. Ein Ohrwurm ist vielleicht nicht wie Zuckerwatte (manche schon..), sondern meinetwegen wie eine Konditorpraline: es wird einem trotzdem ziemlich schnell bei einer Überdosis schlecht. Mit Beethovens 5. passiert mir das einfach nicht, weil sie keine Ohrwurmmelodien hat.



    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Gerade habe ich die Sinfonie nach langer Zeit mal wieder gehört - wozu so ein Forum doch alles gut ist.


    Neben den beiden letzten Sinfonien ist das die einzige, die ich von Schubert überhaupt kenne und ich habe auch nur eine Aufnahme:


    Frans Brüggen, Orchestra of the 18 th Century
    (gibt leider kein Bild mehr)


    Es stimmt, die Musik erinnert teilweise an Mozart. Ist sie deshalb gleich schlecht? Ich höre sie jedenfalls mit Vergnügen, wenn das auch sicher kein Werk ist, dass ich ständig hören möchte, dann käme sicher schnell eine Übersättigung. Aber so ab und zu ein wenig eingängige Beschwingtheit, schöne Melodien - warum nicht?


    Vielleicht wäre Johannes gnädiger mit dem Werk, wenn Schubert "Serenade" statt Sinfonie drüber geschrieben hätte.


    Wie auch immer, mir gefällt´s


    Mit Gruß von Carola :hello:

  • Hallo, Carola!


    Zitat

    Original von Carola
    Vielleicht wäre Johannes gnädiger mit dem Werk, wenn Schubert "Serenade" statt Sinfonie drüber geschrieben hätte.


    Aber ich nicht!
    Eine heitere Dur-Serenade, und dann kommt plötzlich ein Menuett in Moll - das paßt nicht.
    Schubert hat hier eine sehr gute Symphonie komponiert.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Zitat

    ... Aber so ab und zu ein wenig eingängige Beschwingtheit, schöne Melodien - warum nicht?


    Seufz,


    wie weit ist es mit diesem Forum schon gekommen, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man schöne Musik hört....


    :(

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • ?(


    Haffner-Serenade KV 250! Die war sogar zu einer Hochzeit komponiert... mögen sie dennoch glücklich geworden sein, die Haffners.


    Ciao
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Haffner Serenade in D-Dur, KV 250: 3. Satz, Menuett in g-moll -


    Uff, gerettet! :D


    Danke, Ulli


    Carola :hello:

  • Hallo,


    Schuberts Fünfte war eines der ersten klassischen Werke, die ich kennengelernt hatte. Ich weiß gar nicht mehr, warum das so war. Wahrscheinlich habe ich es im Radio gehört, fand es wunderbar und hatte gehofft, es einmal wieder zu hören. Ich kam sogar irgendwann auf die Idee, mir eine CD zu kaufen (ein Unternehmen, das zu der Zeit alles andere als üblich bei mir war - ich kannte das Forum noch nicht :D ). Und so war eine der ersten CDs, die ich mir gekauft habe, die Aufnahme der Sinfonien 3, 5 und 8 mit der Hanover Band und Roy Goodman.
    Erstaunt stellte ich zudem fest, dass die Anfangstakte sogar als Klingelton in meinem Nokia voreingestellt war.


    Mittlerweile habe ich noch Harnoncourt und Blomstedt in der Sammlung, ich werde demnächst mal gegenhören.
    Harnoncourt hatte ich mir heute schon mal angehört und für mich ist die Aufnahme ziemlich optimal. Das liegt vor allem am Klang des Concertgebouw Orchesters, der IMO ziemlich gut zum Schubert passt.



    Gruß, Peter.

  • Hallo


    Ohne Zweifel ist Schuberts 5. ein Meisterwerk


    Ebenso ist ihre Mozartnähe kaum bestreitbar - obwohl sie mir noch nie so plastisch vor Ohren war wie heute beim "Wiederhören" nach längerer Pause.


    Die Sinfonie wurde tatsächlich für ein Amateurorchester geschrieben und wahrscheinlich von diesem auch aufgeführt, belegt ist dies jedoch nicht.


    Zum "Ohrwurmproblem"
    Ich habe keine Probleme mit "Ohrwürmern" und wiedererkennbaren Themen - und ich bin einer der wenigen der sich das auch zu Sagen (Schreiben ) getraut.


    Theophilius schrieb:


    Zitat

    wie weit ist es mit diesem Forum schon gekommen, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man schöne Musik hört....


    Ich verwahre mich, dagegen, das mit meinem Forum in Zusammenhang zu bringen - im Gegenteil - hier ist der Platz sich dazu zu bekennen :hello:


    Die Tendenz, die sich gegen die "schöne Musik" stellt, ist der sogenannte "Zeitgeist" - er wird vergehen wie vieles vor ihm.


    Ich finde es aus meiner Sicht verwunderlich, wenn alle Welt nach einer verschwundenen Sinfonie von Schubert sucht - und kaum die vorhandenen entsprechend würdigt.


    Heute wird ein Komponist danach beurteilt, ob er was "Revolutionäres" in die Musik eingebracht hat, ob er "fortschrittlich" war, nicht ob seine Musik gefällt.


    Während ich das hier schreibe, höre ich (wie so oft in diesen Fällen) das dazugehörige Werk. Und da bin ich auf etwas interessantes draufgekommen: Ob die Sinfonie "mozartnah" klingt, oder ob da "typischer Schubert" zu erkennen ist - hängt von der Interpretation ab.


    Die Böhm-Aufnahme, die ich soeben abgehört habe, war sehr "mozartnah", unter Sir Thomas Beecham (obwohl Engländer ) ist Schuberts Eigenart (oder das was ich darunter verstehe) wesentlich präsenter.


    Abschließend noch zu Hanslicks Verdikt:


    Einmal mehr bestätigt dieser berühmte Wiener Kritiker des 19. Jahrhunderts seinen zu Recht erworbenen Titel: "Meister des Fehlurteils"



    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    Schuberts Sinfonie Nr.5 schätze ich ebenfalls sehr.
    Eine sehr wichtige und sehr gute Interpretation möchte ich unbedingt erwähnen, da sie zu den Besten zählt:
    Es ist zugleich meine erste Schallplattenaufnahme mit
    Leonard Bernstein / NewYorker PH auf CBS.
    Bei keiner Aufnahme habe ich solche wunderbar ausgespielten Details gehört wie bei Bernstein.
    Die LP ist mit der Unvollendeten gekoppelt.


    Auf CD habe ich im Rahmen der Schubert-Sinfonien-Gesamtaufnahme die Aufnahme mit Karajan / Berliner PH auf EMI, die perfekt gespielt ist, sodaß mir nie der Gedanke für einen weiteren CD-Kauf gekommen ist.
    -------------------------------------
    Nun eine Story, die aus heutiger Sicht zum lachen ist (einige werden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen) :D :D :D...:
    Als Jugendlicher hat mich der fehlende Schlaginstrumente-Part in der Sinfonie gestört. Gerade im 3.Satz Meuetto-Allegro molto höre ich die Trommeln fetzen, auch wenn keine da sind.
    Der unbestreitbare Ohrwurmfaktor dieser Sinfonie hat dazu geführt, das ich damals den fehlenden Schlagzeugpart mit meiner eigenen Trommel aus meiner Fantasie heraus gespielt habe. Eine Tonbandaufnahme davon habe ich sogar noch irgendwo in der Versenkung: Die NewYorker mit Wolfgang als Pauker ! Das hat Spaß gemacht.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wer sich glaubt, sich für irgendwas rechtfertigen zu müssen, soll das tun. Eine vertretene Ansicht auch zu begründen ist jedenfalls wünschenswert. Ich habe zumindest versucht zu begründen, warum ich andere der frühen Schubert-Sinfonien der berühmten B-Dur-B-Seite vorziehe. Aber natürlich kann man auch einen unbegründeten Geschmack haben, wer mag, soll sich gern von Pralinen und Zuckerwatte ernähren, ich bevorzuge andere Dinge.
    Was mich aber wirklich interessieren würde ist, ob Du, Pius, oder jemand anderes den Kontext des angeblichen Hanslick-Zitats kennst? Hanslick war ja nun alles andere als jemand, der das Revolutionäre, Verstörende und Außerordentliche in der Kunst propagierte, und wenn auch vielleicht etwas borniert, so doch gewiß kein Vollidiot, der Gründe gehabt haben dürfte, ein Werk, von dem doch eigentlich erwarten könnte, dass es seinen ästhetischen Kriterien, die doch wohl stark auf Beethoven und die Wiener Klassik ausgerichtet waren, entspricht (eher als Bruckner, Liszt, Wagner, Tschaikowsky), so negativ zu beurteilen.


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Wer sehnt sich nicht manchmal nach ein wenig Ruhe und Abgeschirmtheit, wo die Gedanken sich ausruhen können und fast eine Art Halbschlummer erreichen, auch wenn im Hintergrund der Ernst des Lebens nie ganz vergessen wird? Mir ging es ähnlich wie Peter, dass ich sie als eins der ersten klassischen Werke kennen gelernt habe, und seither begleitet sie mich als eine Stimmung an der Grenze zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenem. Sicher gehört sie nicht zu den großen Werken in dem Sinne, wie seit Beethoven Größe verstanden wird. Aber vielleicht erforderte es fast mehr Mut und innere Überwindung, noch einmal so einen Wurf zu wagen. Wenn die letzten Töne verklingen, kann ein wenig Wehmut entstehen, warum es nicht gelungen ist, in solchem Stil die Musik fortzuführen.


    Seit Anfang an höre ich sie mit Istvan Kertesz und bleibe dieser Aufnahme treu, auch wenn ich im Laufe der Zeit verschiedene andere Interpretationen gehört habe.



    Viele Grüße,


    Walter

  • Unglaubliche 9 ½ Jahre wurde hier nichts mehr geschrieben, was mich bei diesem absoluten Standardwerk doch etwas wundert.


    Vorweg gesagt, konnte ich mit Schuberts Fünfter auch lange eher wenig anfangen, hierin an die Ausführungen von Johannes Roehl anschließend, der ja seinerzeit dafür auf einiges Unverständnis stieß. Vielleicht erschien mir das berühmte Motiv des Kopfsatzes ein wenig zu plakativ fröhlich. Vermutlich war es einfach die falsche Aufnahme. Denn bis zum m. E. deutlich schubertischen Andante kam ich wohl selten. Das Menuett wirkt tatsächlich wie ein Fremdkörper und hat vermutlich den am wenigsten heiteren Ausdruck. Das Finale beschließt das Werk dann bekanntlich wieder so ähnlich, wie es angefangen hat.


    Ist das nun ein schwacher Mozart- oder Haydn-Abguss? Ich denke nein. Selbst im Kopfsatz meine ich doch etwas zu hören, was mich nicht als erstes an Mozart denken ließe.



    Eine Aufnahme, die andernorts bereits über den Schellenkönig gelobt wurde, ist die ganz späte von Karl Böhm mit den Wiener Philharmonikern von Dezember 1979, nicht zu verwechseln mit der vielleicht etwas bekannteren aus der Berliner Gesamtaufnahme. Und ja, ich glaube, das ist die Interpretation, die mir bisher am meisten zusagt. Das fängt schon bei dem gemessenen Tempo ganz zu Beginn an, das häufig zu hektisch genommen wird. Großartige Einspielung!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Schon im Beitrag Nr 15 dieses Threads - am 1.März 2006 - habe ich meine Liebe zu dieser Sinfonie erklärt.
    Wenn ich auch Herrn Hanslick sehr schätze - mit seiner Einschätzung, die Sinfonie wäre ein schwacher Abguss von Mozart - hat er mit Sicherheit unrecht - abgesehen davon, daß auch ein schwacher Abguß von Mozart noch hörenswert wäre. Ich würde sagen, daß Schuberts eigene Tonsprache schon sehr stark durchkommt. Na ja - im 3. Satz blitzen da schon einige mozärtliche Stellen durch. Aber das erschein mir auch gar nicht so wichtig. Mir kommt es vielmehr darauf ann, daß das musikalische Gesamtergebnis stimmig ist. Ich brauche keine Himmelsstürmer, keine Innovatoren oder sonstigen (angeblichen oder wirklichen) "Genies"
    Schuberts 5. ein Meisterwerk (wie ich schrieb) - oder doch keines? Eigentlich ist es mir egal. Wunderbare Musik des beginnenden 19. Jahrhunderts mit einigen Reminiszenzen an das 18. Was will man mehr?
    Wie man sieht habe ich diesmal eine Aufnahme unter Eugen Jochum gewählt - einer meiner Lieblingsdirigenten für Werke der Wiener Klassik (und natürlich als Bruckner-Spezialist) Audiophile seien an dieser Stelle gewarnt: Die Aufnahme stammt von 1958 und ist - bei aller Klangfarbentreue - in MONO !!*
    Jochum dirigiert das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks......

    mfg aus Wien
    Alfred


    *Die ebenfalls auf dieser CD enthalten Sinfonie Nr 9 "die Große" ist bereits in Stereo

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich habe, um wieder etwas in das Thema hereinzukommen, die Sinfonie gerade noch einmal gehört, und zwar in dieser Einspielung, aus einer meiner neueren Gesamtaufnahmen:



    Spielzeiten: 7:18 - 10:20 - 5:20 - 6:07 -- 29:05 min.;


    Zunächst einmal, lieber Alfred, kann ich für mich deine Frage, ob diese Fünfte Schubert ein Meisterwerk sei, mit einem klaren "ja" beantworten. Nicht nur findet man hier Schuberts schier unerschöpflichen Melodienreichtum bereits voll ausgeprägt, sondern auch und gerade in dieser Fünften, eine meiner Lieblingssinfonien Schuberts, wird sehr deutlich, dass er eigentlich in all seinen Werken, beileibe nicht nur in den Liedern, singt, und dass nicht nur in den späteren Liederzyklen, sondern auch schon hier in diesem Werk, dass er als Neunzehnjähriger schuf, das Dunkle, das Schicksal? in die vordergründige Heiterkeit wie der Blitz hineinfährt, so ganz meisterhaft in dem nicht nur im zeitlichen Umfang schon ganz großen zweiten Satz.
    Wenn Schubert nachgesagt wird, dass er hier nach Haydn klingt, und dort nach Mozart, und wieder woanders nach Beethoven, so wäre es ja schade, wenn nicht. Sogar Meister Mozart hat häufig hier und da links und rechts des Weges Fremdes aufgefunden und in seine Werke eingebaut, s0 z. B. den Beginn der "Marseillaise" in den Kopfsatz seines Klavierkonzertes Nr. 25 C-dur KV 503.
    Entscheidend ist, dass Schubert aus den erhaltenen Anregungen immer seinen eigenen Weg geformt hat und die Formen, die ihm zu Gebote standen, z. B. in den Klaviersonaten, weiterentwickelt hat. So hatte er auch keine Bedenken, den dritten Satz, der häufig bei Haydn und Mozart ein fröhlicher und tänzerischer war, in "Moll" zu setzen und Teile seines Lebens auch in diesem Werk widerspiegeln zu lassen.
    Wenn man die ganze Sinfonie hört, erkennt man, wie meisterhaft die einzelnen Sätze aufeinander abgestimmt sind und wie ein organisches Ganzes von großem Schwung, aber auch musikalischen Tiefen sie bilden.


    Hans Zender dirigiert diese Sinfonie mit all den Gegensätzen, die ihr innewohnen, mit frappierender Leichtigkeit, aber auch mit großen dynamischen Kontrasten und mit permanenter Spannung.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sogar Meister Mozart hat häufig hier und da links und rechts des Weges Fremdes aufgefunden und in seine Werke eingebaut, s0 z. B. den Beginn der "Marseillaise" in den Kopfsatz seines Klavierkonzertes Nr. 25 C-dur KV 503.


    Die Marseillaise wurde 1792 komponiert. Da hat Mozart bekanntlich schon nicht mehr gelebt. Abgesehen davon kommt sie in dem besagten Stück auch nicht vor. Es sei denn, man zählt jeden Tonleiterausschnitt als "Marseillaise-Zitat".

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    (Bob Dylan)

  • Vielleicht erschien mir das berühmte Motiv des Kopfsatzes ein wenig zu plakativ fröhlich. Vermutlich war es einfach die falsche Aufnahme.


    Eben! Und mit der geposteten späteren Böhm-Aufnahmen hast Du gleich den m.E. geradezu idealen Ansatz für diese Schubert-Symphonie erwähnt.
    Bei Böhm klingt der Kopfsatz wie eine sich selbst genügende Erzählung. Man kann ihr zuhören, aber diese Musik genügt sich selbst, d.h. nicht sie braucht uns, sondern wir brauchen sie. Der Tonfall bei Böhm ist narrativ, elegant, liebevoll-zärtlich und ohne jeglichen vom Dirigenten ausgehenden Zwang, befeuernd oder beweisend auftrumpfen zu müssen. Die Symphonie klingt unter Böhm so ähnlich wie eine ideal von Hans Paetsch vorgelesene Märchengeschichte, der ja - ebenso wie Böhm - ein äußerst akribischer Detailfanatiker gewesen sein muß :



    Nach dem Verklingen der letzten Töne fragt man sich mit großen Augen wie es Kinder tun: "Ist denn die Geschichte schon zu Ende?"


    Diese Symphonie führt einen bei dieser späten Böhm-Fassung bedächtig und beiläufig-sanft erzählend in den Gegenstand der Geschichte ein. Diese Geschichte enthält durchaus Höhen und Tiefen, allerdings wäre ein Verfilmung sozusagen mit FSK 0 angegeben, will sagen: der dramatische Ambitus des Dramas bewegt sich moderat und verträglich und erreicht nicht die Extreme der explodierenden Begeisterungsfreude auf der einen oder des abgründigen Grauens auf der anderen Seite.
    Trotzdem ist die Musik keineswegs flach oder langweilig, denn ihr enormer Reiz liegt in ihrem zauberhaftem Liebreiz, dieser sanften Erzählhaltung, die einen ebenfalls faszinieren und zum kindlichen Staunen bringen kann.
    Wichtig ist hierbei aber in der Tat, dass es dementsprechend interpretiert wird. Aus meiner Sicht ist das dem späten Böhm unerreicht gut gelungen. Wenn man glaubt, dass es einfach so und nicht anders gemacht werden muß, obwohl man doch eigentlich weiß, dass es diesen Zwang in der Musik selten gibt, dann hat der Interpret wirklich gut gearbeitet.
    Bei Böhm klingt der erste Satz nicht nach dem Versuch eines spritzigen Mozart-Verschnitts. Hier hören wir in jedem Takt einen echten Schubert, mit seinem bekannten Hang zu einer tiefschichtigen und unterschwelligen Dur-Melancholie, bei der Schönheit und Harmonie als etwas irgendwie Unerreichbares aus der verklärenden Sicht eines Außenstehenden dargestellt wird. Diese Unerreichbarkeit könnte auch die Unmöglichkeit des zurückblickenden Erwachsenen sein, in die glücklichen Momente der Kindheit zurückzukehren. Natürlich ist so etwas bei den beiden letzten Symphonien des Komponisten deutlicher vorhanden als hier, aber ich vernehme diesen Schubert-Ton bereits in dieser Symphonie, wenn sie so gespielt wird.


    Ich finde ja interessant, dass Alfred in diesem Fall eine Jochum-Aufnahme favorisiert, während ich mich veranlaßt sehe, die Böhm-Aufnahme geradezu als Non-Plus-Ultra zu preisen. Verkehrte Welt? Nun, bei einem kleinen Anspielvergleich stellten sich für mich Ähnlichkeiten heraus. Jochums Sichtweise kann ich durchaus etwas abgewinnen. Allerdings finde ich Böhms Tempowahl, das unter ihm noch präzisere Orchesterspiel (bei dem z.B. auch die Akzente eleganter und kultivierter klingen) und den goldenen Klang der Wiener Philharmoniker dann doch um einiges mehr ansprechend. Wenn man dann noch den weiten Unterschied der technischen Aufnahmequalität hinzunimmt, ist für mich die Bevorzugung der späten Böhm-Aufnahme durch viele gewichtige Argumente untermauert.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich wunderte mich ja immer, wieso auch gerade der für seine Kühlheit bekannte Otto Klemperer dieses Werk aufnahm. Klemperer spielte ja alles, was nur den Anschein von Kitsch hatte, einfach nicht (z. B. Mahlers Dritte, zu Unrecht, wie ich finde). Ich habe die Aufnahme allerdings ewig nicht mehr gehört. Vielleicht ist sein Ansatz ja auch referenzträchtig?



    Philharmonia Orchestra
    Kingsway Hall, London, 13., 15. & 16 Mai 1963


    Kennt die sonst jemand? Bis zum Erscheinen dieser Box war sie jahrelang schwer greifbar.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe die Box links, aber keine präzise Erinnerung, ob ich die Schubert 5 daraus gehört habe. Die C-Dur fand ich meiner Erinnerung nach zu monumental, die "Unvollendete" sehr gut (das ist allerdings die Aufnahme, die ich schon vorher und damit am längsten kannte).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Johannes Roehl: Die Marseillaise wurde 1792 komponiert. Da hat Mozart bekanntlich schon nicht mehr gelebt. Abgesehen davon kommt sie in dem besagten Stück auch nicht vor. Es sei denn, man zählt jeden Tonleiterausschnitt als "Marseillaise-Zitat".

    So gesehen hast du Recht. Aber es kann eine Verbindung geben. Darauf weist ein Ausschnitt aus dem Wikipedia-Artikel hin:


    Zitat

    Wikipedia: Eine Überleitung, in welcher sich Trompeten und Pauke feierlich äußern, führt zum zweiten Thema. Dieses weist auf die später entstandene französische Nationalhymne, die Marseillaise, hin.

    Außerdem gibt es Hinweise, dass der offizielle Verfasser der Marseillaise, Claude Joseph Rouget de Lisle, möglicherweise gar nicht der whare Urheber sei:


    Zitat

    Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde bestritten, dass de Lisle Urheber der Marseillaise sei; Mitte des 19. Jahrhunderts und erneut 1915, anlässlich der Überführung von de Lisles Gebeinen in den Invalidendom in Paris, erschienen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, denen zufolge die Melodie ausgerechnet von einem deutschen Komponisten (einem gewissen Organisten Holtzmann in Meersburg) stamme oder jedenfalls auf eine alte deutsche Melodie zurückgehe.

    Dann könnte es doch so sein, dass diese sieben Töne auf ungekehrtem Wege in die Marseillaise geraten sind?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Diese Symphonie führt einen bei dieser späten Böhm-Fassung bedächtig und beiläufig-sanft erzählend in den Gegenstand der Geschichte ein. Diese Geschichte enthält durchaus Höhen und Tiefen, allerdings wäre ein Verfilmung sozusagen mit FSK 0 angegeben, will sagen: der dramatische Ambitus des Dramas bewegt sich moderat und verträglich und erreicht nicht die Extreme der explodierenden Begeisterungsfreude auf der einen oder des abgründigen Grauens auf der anderen Seite.
    Trotzdem ist die Musik keineswegs flach oder langweilig, denn ihr enormer Reiz liegt in ihrem zauberhaftem Liebreiz, dieser sanften Erzählhaltung, die einen ebenfalls faszinieren und zum kindlichen Staunen bringen kann.
    Wichtig ist hierbei aber in der Tat, dass es dementsprechend interpretiert wird. Aus meiner Sicht ist das dem späten Böhm unerreicht gut gelungen. Wenn man glaubt, dass es einfach so und nicht anders gemacht werden muß, obwohl man doch eigentlich weiß, dass es diesen Zwang in der Musik selten gibt, dann hat der Interpret wirklich gut gearbeitet.
    Bei Böhm klingt der erste Satz nicht nach dem Versuch eines spritzigen Mozart-Verschnitts. Hier hören wir in jedem Takt einen echten Schubert, mit seinem bekannten Hang zu einer tiefschichtigen und unterschwelligen Dur-Melancholie, bei der Schönheit und Harmonie als etwas irgendwie Unerreichbares aus der verklärenden Sicht eines Außenstehenden dargestellt wird. Diese Unerreichbarkeit könnte auch die Unmöglichkeit des zurückblickenden Erwachsenen sein, in die glücklichen Momente der Kindheit zurückzukehren. Natürlich ist so etwas bei den beiden letzten Symphonien des Komponisten deutlicher vorhanden als hier, aber ich vernehme diesen Schubert-Ton bereits in dieser Symphonie, wenn sie so gespielt wird.


    Das kann man schon sehr schön an den Hörschnipseln nachvollziehen, lieber Glockenton. "Gelassenheit" läßt das Innere der Musik aufleben. Muß ich wohl haben... :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    es freut mich, dass Du nach dem Urlaub wieder da bist und meine Ausführungen Dir anhand der Hörbeispiele nachvollziehbar erschienen.
    Die CD kann ich sehr empfehlen, wobei ich - im Gegensatz zu manchen Anderen hier im Forum - die auf der CD enthaltene Pastorale nicht so unvergleichlich gut finde. Bei dieser Beethoven-Symphonie erklingt es mir etwas zu oberlehrerhaft und pedantisch, trotz aller Richtigkeit und Genauigkeit vorbei am Ziel der Vermittlung jener zu Herzen gehenden ländlichen Idylle. Man vergißt hier leider nicht so unmittelbar die Situation mit Partitur, Symphonieorchester und Dirigent, während man bei den besten Aufnahmen dieser Symphonie sozusagen an den Ort des Geschehens transportiert wird, d.h. zum Kern der künstlerischen Aussage durchdringen kann (alles, wie immer, aus meiner subjektiven Sicht).


    Aufnahmetechnisch klingt die Schubert-Symphonie ebenfalls etwas wärmer und natürlicher als die Pastorale, finde ich.


    LG nach Münster :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • ...ich entschuldige mich.
    Schon wieder wird diskutiert um die Klangschönheit diverser Aufnahmen, das Werk rückt in den Hintergrund.
    Wie so oft hier im Forum: es wird um Klang diskutiert, nicht um ein Werk.


    Als bekennender Schubert - Befremdeter würde ich hier nicht das Wort ergreifen.
    Ihr mögt ihn, ich nicht.
    Darum würde ich Eurer Liebe zum Werk nicht zu nahe treten wollen.
    Aber der Eures Klangideals? Das "Versaufen" in Hedonismus, unabhängig vom Werk.....


    Hat mich beschäftigt. Ins Private hinein.
    Einem Freund schrieb ich diese Zeilen:
    "Aber ja! Ist ein Meisterwerk! Natürlich! Ist doch von Schubert!
    Wehe, diesem Werke drohte, als ein Werk Peter von Winters entdeckt zu werden .... plötzlich wäre es noch ein schönes Eingangsthema mit einer Fortspinnung, die einem "Musikalischem Spaß" angemessen wäre, ebenso das moll-Menuett, das nicht aufgefangen wird im Finalsatz wie bei Mozart oder gar Haydn.
    Aber wohl dem Werk, es wäre von von Winter! Denn dann rückten die späteren Sinfonien ja noch mehr in die Jugend des Halbgottes.

    Ironie kommt ja im Forum nicht gut an. Seltsam .... woher kommt eigentlich das "Allgemeinwissen" des "Wiener Schmäh"?!?
    Bei Beethoven darf man fünf gelungene GA nennen, bei Schubert zwei oder drei. Die ironische Frage, ob bei Haydn mehr als vorhanden, wird ernst genommen und ernsthaft die Frage gestellt, ob ich der Meinung wäre, kein Pianist oder Streichquartett hätte adäquat alle Beethoven-Sonaten oder -Quartetten abgebildet ...... Müßig, Dir darauf zu antworten."


    Wer also kennt eine neue Aufnahme der "Jenaer Sinfonie"?
    War es ein Werk Beethovens, war es genial - war es plötzlich Witt, schert sich keine Sau mehr drum.
    Dabei ist sie als Komposition nicht kümmerlicher als diese Schubert-Sinfonie.
    Die ein so wunderschönes Eingangsmotiv hat, das eben nur so dilletantisch ausgesponnen wird. Und Im Zirkel des Viersätzigen auch versagt.


    Nun denn, Hauptsache, ein namhafter "Ventilator" wirbelt die Wiener Philharmoniker auf: die könnet alles schee.
    Auch Jugendwerke zu "Kampf der Titanen" erheben - oder aber Friedrich Witt zu: "Was? Wer?" zu machen.
    Kurz später nur nach einer "Jenaer Sinfonie".


    Wie gesagt: ein wunderschönes Eingangsmotiv, das so kläglich fortgeführt wird. Den Vergleich zu Haydn oder Mozart nicht standhalten muss, sondern ein eigenes ist.
    Ich respektiere Schuberts Musik ja durchaus, ich zweifle allerdings an der Objektivität hier, ihn im Kontext zu hören.


    Den er nicht braucht, ich weiß, was kommt. Schubert ist Genie und seine Musiksprache unantastbar.
    Mozart wird ja auch nicht hinterfragt. Haydn aber?
    Und wer fragt hier nach der Musiksprache Haydns?
    Da doch eigentlich zuletzt immer alles im Klang versinkt.


    Argggh....
    Tammm da da didamm ...


    Herzliche Grüße,
    Mike

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