Britische Komponisten des 20. Jahrhunderts

  • Liebe Taminoianer,


    Gestern las ich hier in diesem Forum die Behauptung, daß Britische Komponisten des 20. Jahrhunderts nicht besonders gut auf CD repräsentiert seien (zumindest hab ich das so verstanden).


    Um das Gegenteil zu beweisen wurde dieser Thread gestartet.
    Er sollte eher allgemein gehalten sein und auf Eurer Meinung nach wilchtige Komponisten hinweisen.
    An Hand dieses Threads möchte ich dann Einzelthemen starten, über jene Komponisten, die häufig genannt wurden. Dort werden wir dann auch auf die einzelnen Aufnahmen eingehen und eventuell, so erwünscht, Stellung beziehen.


    Also formulieren wir mal gleich die Frage:
    Welches sind Eurer Meinung die wichtigsten britischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, eventuell unter Nennung ihres Hauptwerkes , etc ?
    Hier kann auch, so bekannt, ein historischer Zusammenhang oder eine stilistische Ähnlichkeit mit "kontinentalen" Komponisten behandelt werden. Über die Aufnahmen im Speziellen werden wir in eigenen Spezialthreads nach Komponisten geordnet diskutieren.....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    nun, es existieren derzeit einige Aufnahmen mit zeitgenössischen (bzw. des20. Jhdts.) britischen Komponisten in zum Teil sehr guten Aufführungen.


    Die für mich wichtigsten (vielleicht nicht mit ihrten Hauptwerken, sondern den für mich guten Werken, bzw. den Werken, die ich überhaupt kenne :D):


    Benjamin Britten (1913 - 1976) mit einer Vielzahl von Werken:
    Serenade für Tenor, Horn und Streichorchester (1943); War-Requiem (1961);
    Young persons Guide to the Orchestra (1946 - auch für Leute geeignet, deren Repertoire normalerweise nur bis 1945 reicht :D)


    Arnold Bax (1883-1953) - Sinfonie Nr.7, aber auch 1-6
    Malcolm Arnold (*1921) - Sinfonien 1-9
    Arthur Bliss (1891-1975) - Cello Concerto
    Alan Rawsthorne (1905-1971)- Klavierkonzerte, Violinkonzerte
    William Walton (1902-1983) - Belshazzars Feast; The Quest;
    Michael Tippett (1905-1998 )- Sinfonie Nr.2
    Benjamin Frankel (1906-1973) - Streichquartette
    Peter Maxwell Davies (*1934) - Sinfonie Nr.1


    Auch Holst, Elgar und Vaughan-Williams müssten noch zur neueren Garde der britischen Komponisten gezählt werden.


    Grüße aus Hamburg
    Uwe

  • Hallo Alfred,


    Die Aussage war so gemeint, dass ich in meinen Wohnumfeld (ca. 50 km) kaum an Aufnahmen, außer über Bestellung herankomme. aber herzlichen Dank für den Thread.


    Britten kann ich nur unterstützen, Walton auch (1.Symphonie istauch sehr schön) und auch Sir Arthur Bliss. Von ihm habe ich mal Morning Heros im Radio gehört, war sehr angetan, aber habe mir noch keine Aufnahme zugelegt. Dies soll demnächst geschehen.
    Elgar, Williams und Holst sind ja auch bekannt, ich würde gerne noch mehr über Holsts Chorwerke hören.


    Gerne würde ich auch noch Komponisten aus dem Commonwealth hinzuziehen, sofern sie "britisch komponieren". Da wäre nämlich mein Vorschlag Percy Grainger.


    Grüße
    Nubar

  • Abgesehen von denen, die bereits genannt wurden möchte ich folgende Komponisten Eurer Aufmerksamkeit empfehlen:


    Mark Anthony Turnage, geb 1960 in Essex, sozusagen der "shooting star" der britischen Komponistenszene, sehr erfolgreich im In- und Ausland
    Oliver Knussen, geb. 1952 in Glasgow (Die Schotten mögen mir verzeihen, daß ich ihn unter die britischen Komponisten reihe (Käch, Käch)), sehr erfolgreich, Lehrer von Turnage und auch viel als Dirigent tätig
    Ethel Smyth, geb. 1858 in London, gest. 1944 in Wohing, zahlreiche Opern ("Standrecht" ("The Wreckers") in Deutschland uraufgeführt)viele Orchester- und Kammermusikwerke; Dame Ethel Smyth war eine echte Suffragette und hat die Hymne der Suffragettenbewegung "The March of the Women" geschrieben. Zweifellos eine sehr interessante Frau.


    Grüsse
    yarpel

    Einmal editiert, zuletzt von yarpel ()

  • Hier fällt mir fast nur Benjamin Britten ein:
    Seine Opern Peter Grimes, Billy Budd, das War-Requiem liebe ich nahezu und ich freue mich schon auf die Aufführung von Peter Grimes an der Staatsoper.
    Vaughn Williams' Sinfonien: Die vierte gefällt mir am besten, allerdings habe ich alle nur einmal, die vierte einige Male gehört.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo Alfred,


    nach längerem Nachdenken fiel mir noch der Name Thomas Adès (*1971) ein. (Ich habe einmal ein Stück von ihm beim vorletzten Sylvesterkonzert in der Hamburger Musikhalle (Who is afraid of 20th century music? - ich weiß, wer :D) gehört. Nicht schlecht (ich hätte fast gesagt, für so'n jungen Kerl), nein, das könnte sicher noch was werden.


    Gruß
    Uwe

  • Hallo,

    Auch wenn es vielleicht vonmir gar nicht erwartet wird, so werde auch ich mein Scherflein zu diesem Thema beitragen:

    Während mich seine Sinfoien bvisher zumindest nicht zu Begeisterungsstüremen hinreissen konnen, muß ich dagen daß mir die Streichquartette Nr 1 und 2 von Arnold Bax (1883-1953) doch recht gut gefallen. Kein "Neutöner, aber gewisse Modernismen sind nicht zu überhören. Interessante Musik auf alle Fälle, noch dazu ausgezeichnet eingespielt durch das Maggini Quartett. Alles zum Naxos-Budgetpreis.



    Für die ganz Neugierigen, die sich nicht vorstellen können warum ich diese CD gekauft habe: Kennengelernt hab ich sie durch einen der monatlichen Sampler von Gramophone


    Freundliche Gruße aus Wien

    Alfred

    .

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo allerseits,
    unbedingt erwähnen in diesem Zusammenhang muss man m.E. noch Frederick Delius (1862-1934), auch wenn er Jahrhundert-mäßig ein Grenzgänger ist. Ich besitze eine CD aus der Emi-Serie "Great Recordings of the Century" mit Beecham und dem Royla PO - fantastische Musik, die unbedingt empfehlenswert ist! Ich will mich mit diesem Komponisten auf jeden Fall noch näher beschäftigen.
    Ergänzen könnte man noch Ernest John Moeran, dessen Symphonie in G-Moll und die Sinfonietta(auf Naxos) ich sehr schätze, von dem ich aber sonst nichts kenne.
    Zu Britten's "War Requiem" habe ich noch eine Nachfrage, die m.E. keinen eigenen Thread lohnt: Wer gibt hier eine Empfehlung ab, welche Aufnahme man sich zulegen sollte?Vielen Dank schon vorab
    Achim

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Hallo achim,


    ich würde dir diese hier empfehlen: Britten dirigiert selber; zwar schon älter, aber authentisch, dramatisch und sehr gut eingespielt.



    Als Alternative die Aufnahme mit Gardiner und dem NDR SO: schlank, energisch und packend mit sehr guten Sängern und dem Monteverdi Choir:



    Gruß
    Uwe

  • Hallo Uwe,
    vielen Dank für den Tipp, habe inzwischen einige Rezensionen gelesen und danach ist Deine Empfehlungs zu Britten's eigener Einspielung bestätigt!
    Gruß
    Achim

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber Uwe,


    völlig unabhängig von Deinen Empfehlungen zum War Requiem, will ich nur darauf hinweisen, daß Britten den Wunsch geäußert hat, daß das War Requiem in jedem Land in der Landessprache aufgeführt werden möge, damit größtmögliche Textverständlichkeit sichergestellt sei.
    Vielleicht gibt's ja doch noch eine Empfehlung für eine deutschsprachige Aufnahme (bitte keine Verweise auf die Booklets 8)), die neben den genannten bestehen kann. Selbst kann ich nichts beitragen, weil ich mit dem Stück nie so richtig etwas anfangen konnte. Das wundert mich zwar, weil ich i.A. ein Britten-Bewunderer bin, hilft aber nicht.


    Schöne Grüße
    yarpel

  • Hallo yarpel,


    sorry, da kann ich auch nicht weiterhelfen. Dieser Wunsch Brittens war mir auch nicht bekannt (aber durchaus nachvollziehbar). Neben diesen beiden besitze auch nur noch eine weitere englische Aufnahme (Brabbins / BBC Scottisch SO - Naxos), so dass ich auch nicht verifizieren kann, ob dem Wunsch jemals entsprochen worden wäre.


    Grüße aus Norderstedt
    Uwe

  • Wie konnte ich sie nur bisher vergessen,


    Harrison Birtwistle, am 15.07.34 in Accrington, England geboren
    Werke z.B. Oper Punch and Judy. 1968; Triumph of Time, für Orchester 1972; Oper The Mask of Orpheus 1973-1983, aufgeführt 1986; Oper Yan Tan Tethera 1986; zahlreiche weitere Opern und andere Werke


    Peter Maxwell Davies, 08.09.1934 in Salford geboren, hat zusammen mit Harrison Birtwistle am Royal College of Music studiert
    Werke z.B. Eight Songs for a mad King 1969, Musiktheater für einen Sänger und Ensemble; An Orkney Wedding, with Sunrise 1985, für Orchester oder Kammerorchester und Higland Pipes (Dudelsäcke); Symphony Nr 5 1994, für Orchester. Zahlreiche weitere Werke.
    Website: www.maxopus.com


    Gruß
    yarpel

  • Brian, Havergal (1876-1972)


    ein etwa aus der Mahler-Nachfolge kommender Freund wilder Stilmischungen (ohne atonale Anteile im Mix).


    Foulds, John (1880-1939)


    ein ebenfalls aus der Spät/Nachromantik kommender an indischer Musik interessierter sehr eigenwilliger Kopf (z.B. frühe Verwendung von Vierteltönen).


    Sorabji, Kaikhoshru (1892-1988 )


    ein hochvirtuoser Busoni-Übertreiber.





  • Alfred, Deine Sucht nach neuen Tönen beunruhigt mich etwas. Aber ich will natürlich auch mein Scherflein beitragen.


    Die großen Namen wie Britten, Tippett und Walton etc. nenne ich jetzt einmal nicht. Lieber will ich auf ein paar Komponisten hinweisen, die es, aus welchen Gründen auch immer, nicht so ganz geschafft haben, ihrem Können entsprechend bekannt zu werden.


    Frank Bridge (1879-1941): War anfangs Nachromantiker mit impressionistischen Elementen, begeisterte sich dann für die Musik des Schönberg-Kreises und nähert sich in seiner späten Kammermusik Berg an - also kein Zufall, dass Bridges Meisterschüler Benjamin Britten bei Berg weiterstudieren wollte. Als Britten Bridges "The Sea" hörte, beschloss er, Komponist zu werden. Noch besser sind das dritte und das vierte Streichquartett, das Cellokonzert "Oration" und das Klavierkonzert "Phantasm".

    Gustav Holst (1874-1934): Vergessen wir einmal die "Planeten", die Holst selbst nicht sonderlich schätzte. Seine wichtigsten Werke verzichten auf romantischen Schwulst und bevorzugen klaren Kontrapunkt und eine auf Quarten, Tritonusintervalle und auf selbst konstruierte Skalen gestützte Harmonik. Durch die Beschäftigung mit indischer Literatur und Kunst gelangt Holst zu einer Musik, die auch dann Zeichen des Mystischen setzt, wenn sie nicht unmittelbar auf indischen Themen aufbaut. Kennen sollte man die kurze Kammeroper "Savitri", ein Juwel der Opernbühne, vergleichbar in ihrer Schönheit etwa Milhauds "Malheurs d'Orphée", die gewaltige "Choral Symphony" und die eigentümlich gespannte "Hymn to Jesus".


    Die Waliserin Grace Williams (1906-1977) war Schülerin von Egon Wellesz, der seinerseits dem Schönberg-Kreis nahestand. Weiters war Williams eine Brieffreundin Benjamin Brittens, und in welcher Richtung der Einfluss ging, ist nicht mehr feststellbar. Williams schrieb ausdrucksintensive Musik auf einer erweitert tonalen Basis; ihre sechs Lieder nach Gerald M. Hopkins für Frauenstimme und Streichsextett stehen ebenbürtig neben Brittens "Serenade", ihre erste Symphonie ist eine der wuchtigsten und aggressivsten symphonischen Arbeiten, die in Großbritannien bis zur Zeit von Maxwell Davies geschrieben wurde.


    Ebenfalls Waliser war William Mathias (1934-1992), der grandiose Chormusik schrieb. Kleine Sekunden, Quarten und chromatische Nebentöne destabilisieren die tonale Basis seiner Musik. Die Erste Symphonie ist energiegeladen, wuchtig - und mündet in ein Finale von unwiderstehlicher rhythmischer Energie. Die Frühlingskantate "This Worlde's Joie" nimmt die Idee von Brittens "Spring Symphony" wieder auf - und braucht sich neben diesem prächtigen Werk nicht zu verstecken.


    Und übrigens - was ein Tippfehler alles anrichtn kann: Ethel Smyth's fulminante Oper "The Wreckers" heißt auf deutsch "Strandrecht". Obwohl "Standrecht" als gedanklicher Zusammenhang nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

    ...

  • Nun, ich gestehe gerne ein, daß meine Kenntnisse hinsichtlich britischer Musik des 20. Jhdts. nahe an der Nulllinie angesiedelt sind. Bis auf Walton, Britten, Vaughn-Williams, vielleicht noch etwas Holst, vermag ich nichts beizutragen.


    Deshalb meine Frage an die Experten, ob sich die Insellage auch auf die Musik ausgewirkt hat, d.h., ob britische Komponisten eigenständige, eben typisch britische Konzepte, entwíckelt haben (wenn ja, wie läßt sich dieses Konzept beschreiben?), oder ob sich die zeitgenössische britische Musik nicht als national, sondern als international darstellt.


    Gibt's dazu Hinweise/Meinungen?

  • Dringend ist allen Interessierten der Besuch dieser Webseite zu empfehlen:


    wehwehweh.britishclassicalmusic.com


    Da werdet Ihr geholfen.


    Soweit ich das laienhaft beurteilen kann, stehen die Anfänge der britischen nantionalen Schule (zu diesen Schulen muß man sie wohl rechnen) noch ganz unter dem Eindruck der deutschen Romantik, zB. bei den beiden wichtigsten Exponenten britischer Musik im 19.Jahrhundert, Charles Stanford (1852-1924) und Hubert Parry (1848-1918 ) Weitere zentrale Figur ist Edward Elgar (1857.1934). Diese drei haben sozusagen die moderne brit. Musik aus der Taufe gehoben, wobei Elgar der bedeutendste der drei ist..


    Der spätromantische Stil hielt bis weit in das 20.Jahrhundert an. Das Idylisch-Romantische haftet der engl. Musik (meines Erachtens zu Unrecht) als Klischee an, wohl weil die entsprechenden Stücke in der Publikumsgunst weiter vorn stehen als die modernen Werke brit. Komponisten.


    Ich persönlich sehe zwei besondere Charakteristika brit. Musik:


    1. Die große Vielzahl von Chorwerken, zumeist kirchlichen Ursprungs, die ihre Grundlage in der reichhaltigen Chortradition des Landes haben, und zu den schönsten Werken ihrer Art gehören. Beispielhaft seien genannt einige Werke von Herbert Howells wie das Stabat Mater, das Magnificat, "Take Him Earth, For Cherishing", und vor allem das Hymnus Paradisi. Praktisch alle nach 1945 entstanden und ganz in tonaler Tradition.


    2. Ich sehe einen Schwerpunkt bei den zahlreichen Tongedichten, zB von Bax, und den vielen kleineren Orchesterwerken, zB von Bridge, Delius, Butterworth, Finzi, Holst, Rawsthorne, Rubbra, uva.. Dies scheint mir eine besondere Stärke brit. Komponisten zu sein, wobei sich die meisten auch an großorchestralen Werken versucht haben. Durch besondere Abenteuerlust beim Komponieren zeichnen sich dabei nur wenige Komponisten aus. Die Tonalität wird zwar ausgeweitet, teils bis an die Grenze, aber nur selten über Bord geworfen.

  • Ich setze einfach fort, wo Robert mit seinen völlig richtigen Ausführungen geendet hat.


    Neben der nationalen Schule, die auch auf der Volksliedtradition beruht, gibt es eine internationale Strömung. Bereits Frank Bridge lehnte die nationale Schule als dilettantisch ab und orientierte sich an der kontinentalen Moderne von Ravel bis Berg.


    Sein Schüler Benjamin Britten schrieb eine international orientierte Musik, die auf heftigen Widerstand stieß. Britten orientierte sich an Alban Berg, Gustav Mahler und Dmitri Schostakowitsch, dessen "Lady Macbeth" ihm einen tiefen Eindruck hinterließ, der im Aufbau des "Peter Grimes" nachwirkt. Auch die in Großbritannien damals (spr.: frühe 30er Jahre) keineswegs übliche Führung einiger weniger intensiv instrumentierter kontrapunktischer Linien dürfte auf die Beschäftigung mit Schostakowitsch zurückzuführen sein.
    Das alles verbindet Britten mit einem bewussten Rückgriff auf die barocke Tradition Henry Purcells in der Vokallinie, die er als affektgeladenes Rezitativ mit ariosen Wendungen gestaltet.


    Der internationale Erfolg Brittens und seine wachsende Anerkennung im Inland führt zu einer Neuorientierung der britischen Musik: Für die jüngere Komponistengeneration gelten nicht mehr die Folkloristen als Vorbild, sondern Britten, der damit eine Art zweite Nationalmusik begründet hat.


    Michael Tippett bleibt dabei der große Außenseiter: Er vernichtet nahezu komplett sein Frühwerk und macht einen Neubeginn in einem postromantisch-neoklassizistischen Stil, der einen ersten Höhepunkt in der Oper "A Midsummer Marriage" findet. Bereits die folgende Oper "King Priam" wendet sich allerdings von der Tonalität ab. Tippetts weitere Werke (wichtig die Opern "A Knot Garden", "The Ice Break", die Dritte und die Vierte Symphonie) setzen blockhafte Ereignisse mosaikartig aneinander - eine Technik, die entfernt an Messiaen erinnert, nicht zuletzt, weil auch Tippett Mystiker ist, allerdings klanglich mit Messiaen kaum Parallelen aufweist. Tippett bleibt dabei ohne Schule, er hat keine Nachfolger.


    Mitte der 60er-Jahre beginnt die Revolution der Manchester Group, bestehend aus Peter Maxwell Davies, John Ogdon und Harrison Birtwistle, die sich um den Komponisten und Anreger Alexander Goehr (Sohn des emigrierten Dirigenten und Komponisten Walter Goehr aus dem Schönberg-Umfeld) versammeln.


    Goehr tendiert dabei zu einer Nachfolge der Schönberg-Schule, während Davies entdeckt, dass eine Verwandtschaft zwischen seriellen Verfahren und denen mittelalterlicher Musik besteht. Birtwistle schreibt eine klangbetonte, mitunter an Boulez erinnernde Musik, die allerdings weniger auf Reihen als auf Multiplikationen kleiner Zellen beruht.


    Davies baut einen ersten Skandal mit den "Eight Songs for A Mad King", Birtwistle einen zweiten mit der Oper "Punch and Judy", uraufgeführt bei Brittens Aldeburgh Festspielen. Britten verließ demonstrativ das Auditorium. Goehrs Skandal fand dafür in Hamburg statt, nämlich bei der Oper "Arden muss sterben", in der ein Passus an das "Nicht Wissen" der Judenermordung im Dritten Reich erinnerte. Sonst verlief Goehrs Karriere wenig spektakulär.


    Sowohl Davies als auch Birtwistle wurden in der Folge "romantischer". Birtwistles Aggressivität wich einer grandiosen Ritualisierung (Opern "A Masque of Orpheus", "Gawain", Orchesterwerke "A Triumph of Time", "Earth Dances"). Davies schrieb - und schreibt - unter dem Einfluss von der selbst gewählten Isolation auf den Orkney-Inseln eine Musik, die auf gregorianischen Gesängen und naturmystischen Erlebnissen aufbaut und in der Einflüsse von mittelalterlicher Polyphonie, Sibelius und einem selbst entwickelten System der Tonhöhenmanipulation zusammenfließen und in bedeutenden Opern ("The Lighthouse", "The Martyrdom of St. Magnus") und Orchesterwerken (2., 3., 6. Symphonie, Trompetenkonzert) kulminieren.


    Die jüngeren englischen Komponisten orientieren sich verstärkt an kontinentalen Vorbildern. In der Musik von George Benjamin war sein Lehrer Messiaen und die spektrale Musik eines Tristan Murail bestimmend, ehe sich Benjamin einer Neuromantik zuwendete. Auch Robert Saxton liebäugelt mit einer Polyphonie auf der Basis der Spektralen Musik (die Linien werden in die Klänge gleichsam eingeschrieben) - bedeutend vor allem seine Oper "Caritas". Oliver Knussen hat eine von Messiaen beeinflusste, klangintensive Frühphase abgeschlossen (hervorragend die 2. Symphonie und die Oper "Where the Wild Things Are") und komponiert jetzt vor allem Orchesterminiaturen von zunehmender neuromantischer Klangvirtuosität (etwa "Fireworks"). Mark-Anthony Turnage, der hochbegabte Benedict Mason (Orchesterwerk "Lighthouses") und Thomas Adès sind von Hans Werner Henze beeinflusst.


    Wenig Einfluss auf die Entwicklung der britischen Musik hatten frühe britische Zwölftöner wie Elizabeth Lutyens (1906-1983), die mit der bedeutenden Kantate "O saisons, o châteaux" nach Rimbaud und fein ziselierter Kammermusik eine eigenständige Webern-Nachfolge antrat, und der geniale Cornelius Cardew (1936-1981, bei einem Verkehrsunfall von einem Autofahrer getötet, der Fahrerflucht beging), der verwegene Improvasationsexperimente ("Treatise") machte und seine Musik in den Dienst des Marxismus stellte ("Thälmann Variations", "The Great Learning") und schließlich auch Songs und Arbeiterlieder ("Smash the Social Contract") schrieb.


    Charakteristisch für die Musik Großbritanniens sind auch geniale Eigenbrötler wie Havergal Brian, der einen großen Teil seiner herben, aus kurzen Blöcken zusammengesetzten Symphonien im Alter von über 70 Jahren komponierte oder Robert Simpson, der über Bruckner nicht nur ein kluges Buch schrieb, sondern auch in seiner Musik den Einfluss Bruckners erkennen lässt. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch Malcolm Arnold, dessen neun Symphonien an Mahlers Ironie geschult sind, ohne einen philosophischen Weltentwurf anzustreben, und John Tavener, der nach genialen Klangflächenexperimenten ("The Whale") zu einer stark vereinfachten Klangtechnik gefunden hat, die fest im griechisch-orthodoxen Glauben verankert ist und entfernt an Arvo Pärt erinnert.

    ...

  • Hallo,


    der Erwähnung wert wäre auch noch Humphrey Searle (1912 - 1985), weitgehend ein Autodidakt (kurzes Studium bei Webern in Wien), der im Stil der Schönberg-Schule und des Serialismus komponierte, gleichzeitig ein bedeutender Lehrer und Musikwissenschaftler (Spezialgebiet: Franz Liszt). Schrieb daneben auch Filmmusik und war ein Freund von Gerard Hoffnung, für dessen "Hoffnung"-Konzerte er einige Stücke schrieb (z.B. Duett aus der komischen Oper "The Barber of Darmstadt").


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Freunde britischer Musik,


    Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich ratlos, weil ich gerne so vieles zu diesem Thema beitragen würde, mich aber einerseits aufgrund von Zeitmangel und andererseits wegen der enormen Fülle an hörenswerten Werken britischer Komponisten im Moment etwas überfordert fühle. Nachfolgende Komponisten-Aufzählung soll zumindest bezüglich der Quantität einen ersten Eindruck vermitteln, wieviel da an Kostbarkeiten schlummert, was der Entdeckung harrt. (Gleichfalls legen ja die zuvor geposteten Beiträge ein beeindruckendes Zeugnis ab, wie umfangreich und vielseitig dieses Gebiet der Musik in Wahrheit ist.) Durch Fettdruck hervorgehoben, habe ich die Komponisten, deren Werke und Stil ich recht gut zu kennen glaube und die ich auf keinen Fall mehr missen möchte (also eine rein subjektive Auswahl, kein allgemein gültiges Qualitätsurteil):


    Hubert Parry (1848-1918) - Sir Charles Villiers Stanford (1852-1924) - Sir Edward Elgar (1857-1934) - Dame Ethel Mary Smyth (1858-1944) - Williams Wallace (1860-1940) - Frederick Delius (1862-1934) - Sir Granville Bantock (1868-1946) - Sir John Blackwood Mc Ewen (1868-1948) - Ralph Vaughan Williams (1872-1958) - Gustav Holst (1874-1934) - Samuel Coleridge-Taylor (1875-1912) - Cyril Rootham (1875-1938) - William Yeates Hurlstone (1876-1906) - Havergal Brian (1876-1972) - Roger Quilter (1877-1953) - Rutland Boughton (1878-1960) - Frank Bridge (1879-1941) - Sir Herbert Hamilton Harty (1879-1941) - John Ireland (1879-1962) - Cyril Scott (1879-1970) - John Foulds (1880-1939) - Sir Arnold Bax (1883-1953) - George Dyson (1883-1964) - George Butterworth (1885-1916) - Eric Coates (1886-1957) - Philip Sainton (1891-1967) - Sir Arthur Bliss (1891-1975) - Herbert Howells (1892-1983) - Ernest Moeran (1894-1950) - Patrick Hadley (1899-1973) - Gerald Finzi (1901-1956) - Edmund Rubbra (1901-1986) - Sir William Turner Walton (1902-1983) - Alan Rawsthorne (1905-1971) - William Alwyn (1905-1985) - Michael Tippett (1905-1998) - Howard Ferguson (1908-1999) - Benjamin Britten (1913-1976) - George Lloyd (1913-1998) - Robert Simpson (1921-1997) - Sir Malcolm Arnold (*1921) - William Mathias (1934-1992) - Peter Maxwell Davies (*1934) - Geoffrey Burgon (*1941) - John Tavener (*1944) - Michael Berkeley (*1948) . . . . . . . . . .


    Bei Gelegenheit werde ich mich zu dem ein oder anderen Favoriten noch äußern.


    Schöne Grüße
    Johannes



    P. S. an die Moderation: Könnte man den Thread evtl. in die Rubrik 'Allgemeine Klassikthemen' verschieben? Die Einordnung unter 'Klassische Instrumentalaufnahmen' finde ich mehr als unglücklich, da ja gerade die Briten nicht nur auf dem instrumentalen, sondern insbesondere auf dem vokalen Sektor (Chorwerke, Lieder, Oper) sehr viel zu bieten haben.

    Wunsch erfüllt. Verschiebung abgeschlossen.
    Gruß, Maik
    Moderator

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • mein lieber johannes, wie so oft sprichst du mir mit allem aus dem herzen ... schon lange plante ich einen ausführlichen thread über die unbekannten briten (und nicht nur die), bei denen auf die einzelnen komponisten eingegangen werden sollte, denn was das für SCHÄTZE schlummern .... ungeheuerlich ... :yes: ) aber die zeit .... ;(


    hallo, edwin, ich freue mich außerordentlich, daß du hier im forum 'angekommen' bist ... unser musikgeschmack und unsere einstellungen gleichen sich fast aufs haar .... gerne würde ich mich momentan detaillierter zu den themen äußern ... aber ... ;(


    vielleicht wirds ja irgendwann wieder besser ?(


    es grüßt herzlich

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    der Erwähnung wert wäre auch noch Humphrey Searle (1912 - 1985)...


    Unbedingt - zumal man, jpc/cpo sei Dank, an seine sehr schönen Symphonien relativ leicht herankommt. Es sind Werke auf zwölftöniger Basis, stellen aber keine wirklichen Hörprobleme dar.


    Noch interessanter bei den britischen Zwölftönern scheint mir aber Richard Rodney Bennett (1936 geboren) zu sein, den ich oben in sträflicher Nachlässigkeit vergessen habe: Bennett komponiert Jazz- und Filmmusik (z.B. "Mord im Orientexpress") auf völlig tonaler Basis. In seiner Konzertmusik und seinen Opern allerdings verwendet er relativ konsequente Reihentechnik. Aber - jetzt kommt's: Obwohl man die Töne alle schön nachzählen kann - hören tut man's nicht! Das ist eine blut- und glutvolle Musik, und die Oper "The Mines of Sulphur" sind ein echter Knüller in bester Britten-Nachfolge. Auch die Kantate "Spells" ist ein kraftvolles Werk mit imponierenden Höhepunkten und echten Melodien.
    Was Bennett in letzter Zeit so schreibt (u.a. eine Dritte Symphonie), geht allerdings leider in die Richtung Kitsch.

    ...

  • Hallo alle miteinander,


    Britische Komponisten sind mein Hauptsteckenpferd, toll, daß dieses Thema hier diskutiert wird.
    Ich kann eigentlich nur noch ergänzen, wenn das Einzugsgebiet des Commonwealth gestattet ist.


    Da wäre zum einen der Australier Arthur Benjamin, der außer einer klangschönen Sinfonie und seinem "Hit", dem "Jamaikan Rumba" zwei sehr interessante Werke für Klavier und Orchester(Concertino sowie"Concerto quasi una fantasia") und eine schwelgerische "Romantic fantasy" für Violine, Bratsche und Orchester(gibt es u.a. mit Heifetz und Primrose)komponierte.Außerdem stammt von ihm die "Storm Cloud-Cantata", der Höhepunkt von Alfred Hitchcocks zwei Verfilmungen von "The man who knew to much".


    Dann wäre da der vor allem als Dirigent bekannte Sir Eugene Goossens, von dem mir zwei interessante Sinfonien vorliegen.


    Ist eigentlich der unlängst verstorbene Malcolm Williamson(der seinerzeitige "Master of the Queens Musick")schon genannt worden?
    Mir liegen drei mit Witz und Esprit komponierte Klavierkonzerte vor, außerdem gibt es von ihm u.a. noch ein für Menuhin geschriebenes und auch von ihm bei EMI aufgenommemes Violinkonzert.


    Ein Favourit in meinem Freundeskreis ist außerdem noch Ernest John Moeran.Seine wunderbare Sinfonie haben wir oftmals in allen verfügbaren Einspielungen verglichen, wobei uns jedesmal die historische Aufnahme unter dem dmals quasi auf dem Totenbett liegendem Leslie Heward am besten gefällt, gefolgt von Vernon Handley-wem sonst?)
    Von Moeran sind auch die Streichquartette, seine Rhapsodien und das Konzert für Violine sowie dasjenige für Cello sehr zu empfehlen.Ein absoluter Meister aus der "zweiten"Reihe, trotz einer manchmal an Delius orientierten Harmonik sowie der gleichen Vorliebe wie Holst oder Vaughan-Williams für die Volksmusik, mit einem ganz individuellem Stil.


    Der von mir sehr geschätzte Alan Rawsthorne ist ja schon erwähnt worden.Ich würde gerne noch seinen besten Freund Constant Lambert erwähnen(Rawsthorne ehelichte nach Lambetrs frühem Tod-ja,ja,der Alk-übrigens seine Witwe).
    Von Lambert gibt es einiges mit sehr,sehr viel Esprit, fast, als wäre er die englische Zweigstelle der groupe des six(tschuldigung wenn falsch geschrieben-isch kann keen französisch)gewesen.Bei den Proms wurde übrigens unlängst sein "Rio Negro" aufgeführt.



    best wishes,


    Michael

  • Zitat

    Original von myron
    Von Lambert gibt es einiges mit sehr,sehr viel Esprit, fast, als wäre er die englische Zweigstelle der groupe des six(tschuldigung wenn falsch geschrieben-isch kann keen französisch)gewesen.Bei den Proms wurde übrigens unlängst sein "Rio Negro" aufgeführt.



    Michael


    Den finde ich auch gut. Beim ersten Reinhören dachte ich, huch, was ist das denn für ein Kitsch, aber dann habe ich ihn dutzende male gehört! Es gab da eine ganz billige Deccascheibe, die ich mir vor einigen Monaten geholt habe ( 3 Euro). Die Serie heißt "The British music collection" von Decca, und kostet wiegesagt 3 Euro pro CD bei JPC ( falls es die da noch gibt), Doppel CD glaube ich noch billiger. Da gibts auch die Scheibe mit dem Rio Negro und auch dem sehr schwungvollen "Horoskop" obwohl ich kein Anhänger der Astrologie bin :D


    Mein "Hauptsteckenpferd", wie bei Michael ist die englische Musik zwar nicht, weil ich keine Steckenpferde reite, aber ich schätze sie sehr.


    Das fängt natürlich bei Elgar an. Wundervoller Komponist. Ich mag seine beiden Sinfonien, die Konzerte, auch Kammermusik, die Sea Pictures. Nur mit seinen Oratorien kenne ich mich nicht aus. Sind die gut? Gab es überhaupt mal einen Thread zu Elgar? Wenn nicht, sollten wir mal einen aufmachen.


    Zu Vaughan William und Malcolm Arnold gab es erst neulich von mir ins Leben gerufen Threads, deshalb fasse ich mich kurz: Ich schätze diese Komponisten sehr!


    Delius mag ich auch. Ich habe eine CD aus der ebenfalls sehr günstigen RPO Collection ( RPO steht für Royal Philharmonic Orchestra), sehr schön, habe ihn auch im Radio gehört.


    Britten stellt für mich ein Problem dar. Es gibt Sachen, die finde ich toll, aber ich habe mich erst neulich mal wieder dran gemacht, seine Sinfonie da Requiem zu hören und fand sie langweilig ( wie auch einiges andere, zum Beipiel die Sinfonie für Cello und Orchester). Aber es gibt natürlich tolle Sachen von Britten. Ich mag die Frank Bridge Variationen, die Zwischenspiele aus Peter Grimes, die Serenade für Tenor, Horn und Orchester, und den Young persons guide natürlich auch. Vielleicht finde ich hier ja wieder mal Anregungen, Britten neu zu hören, zum Beispiel eine Scheibe mit dem Klavierkonzert und anderem, die nur einmal gehört wurde und dann für ewig in den Archiven verschwand.


    Arthur Bliss höre ich gerne. Es gibt da eine schöne Naxosscheibe mit der Coloursinfonie und Adam Zero, die ich ausgesprochen gerne und oft gehört habe. Das hier schon von jemandem angesprochene Cellokonzert von ihm kenne ich auch ( wieder aus der billigen Decca Collection). Mir war es höchst sympathisch, es ist nett zu hören, aber richtig zünden wollte es bei mir nicht.


    Walton kenne ich nicht sehr gut. Ich mag seine erste Sinfonie, die mir sehr gut gefiel. Dann hörte ich seine zweite und sie gefiel mir nicht, sowenig wie das Bratschenkonzert, das ich sogar in zwei verschiedenen Versionen habe, aber das ändert nicht viel. Facade ist nett zu hören, erschien mir aber etwas oberflächlich zu sein.


    Von Holst kenne ich natürlich seine Planeten. Es gibt eine sehr schöne Version der Planeten mit Handley aus der RPO Collection, mit einer sehr frischen St. Pauls Suite.


    Howells wurde vom Penguin Guide sehr gelobt. Er schrieb Kirchenmusik. Der Penguins Guide schrieb, diese CD ( die es jetzt auch in der British music collection von Decca gibt), würde jeden zur anglikanischen Kirchenmusik bekehren und versah sie mit einer Rosette ( der selten vergebenen höchsten aller Auszeichnungen). Die Rosette half nichts, ich fands langweilig - nicht faszinierend spirituell, sondern langweilig sakral.


    Bridge kenne ich aus dem Radio. Da schnitt ich mir "Phantasma" mit, so ein Stück für Klavier und Orchester. Erst mochte ich es nicht ( zu modern), dann hörte ich es aber doch ganz gerne.


    Warlock kenne ich von einer CD mit seiner Warlocksuite. Ganz nett. Ich habe auch noch eine CD aus der British music collection, vielleicht sollte ich der noch mal meine Aufmerksamkeit widmen.


    Von Tippet habe ich eine CD "A child of our time". Mein Emailpartner Julian ( er arbeitet an der Musikbibliothek in London) lobte dieses Stück über den grün Klee. Ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, daß ich dieses Oratorium eher langweilg fand ( wie auch das Bratschenkonzert von Walton, das er ebenfalls großartig fand).


    Bax hörte ich vor langer Zeit mal mit einer Sinfonie zu den goldenen Zeiten, als es den JPC laden in Hamburg noch gab. Gefiel mir nicht und so nahm ich vom Erwerb der Sinfonie dann auch Abstand. Ich holte mir dann trotzdem die CD aus der British music collection. Da gefiel mir dann auch auch nicht alles, aber "Tintagle" hat mir gut gefallen.


    Maxwell Davies hörte ich mal im Plattenladen und ich mochte ihn überhaupt nicht. Schade, daß es solche Plattenläden nicht mehr gibt. Wie trauere ich dem JPC Laden in Hamburg nach ... :(



    Gruß Martin

  • Hallo Martin,


    "Howells wurde vom Penguin Guide sehr gelobt. Er schrieb Kirchenmusik"


    Das stimmt so leider nicht.Howells war nach Ende des ersten Weltkrieges bis zur Mitte der zwanziger Jahre das hoffnungsvollste Kompositionstalent Englands und komponierte in jedem Genre,Kammermusik sowie Orchesterwerke.Als er dann sein Klavierkonzert Nr.2 vorstellte erwartete jeder nun das ultimative englische Meisterwerk dieser Gattung.Dazu kam es dann leider nicht.Obwohl das Werk , wie ich finde, sehr gut ist, war es damals für Howells ein katastrophaler Reinfall und kostete in seine Reputation als Komponist.


    Ich kann das ein wenig nachvollziehen, da sich dieses Werk in seiner Verschachtelung quasi selber rechts überholt.
    Howellls wollte alles zeigen, was er kann und überfrachtete dieses Werk dann schlußendlich.
    Aber das war nicht sein letzter Schicksalsschlag.


    Als nächstes starb sein kleiner Sohn und darauf verstummte er vollständig.In dieser Zeit komponierte er seinen "Hymnus Paradisi"-nur für sich selber und für die Schublade(das Werk wurde dann sehr viel später dann doch aufgeführt).Nach einiger Zeit, nachdem er sich gefangen hatte, fing er wieder mit dem Komponieren an, aber er schrieb "nur" noch Kirchenmusik für Orgel oder Chor sowie einige weitere beeindruckende Werke für Chor und Orchester wie seine "Missa Sabrinensis" und sein "Stabat Mater".Werke mit einer religiösen Haltung halt.


    Mit dem Steckenpferd ist das so eine Sache.Ich liebe es, dies zu reiten, da ich mich dieser Musik nicht nur hörend annähere, sondern sie auch als Musiker im Konzert vorstellen möchte.Als nächstes steht übrigens das Klavierquartett von Howells von 1915 auf dem Programm.Die Streichquartette von Foulds und Moeran sowie die Sonaten von Bax, Delius, Ireland und Rawsthorne haben meine Freunde und ich in den letzen 20 Jahren recht oft aufgeführt.Nach der Erstaufführung der Cellosonate von Rawsthorne in St.Petersburg vor 11 Jahren wurde ich Ehrenmitglied der Rawsthorne-Gesellschaft.Insofern reite ich dieses Steckenpferd schon lange und mit Freude.


    Das schließt aber natürlich in keinster Weise Musik aus anderen Ländern, von anderen unbekannten Konponisten, oder das sogenannte Standardepertoire aus-im Gegenteil.
    Das gehört jetzt eigentlich nicht hierhin, aber ich möchte es einmal sagen(siehe Lothar M. ganz unten....).
    So toll diese Musik, über die wir hier sprechen, auch ist, es gibt wirklich nichts schwierigeres als auch nur einen Takt eines Werkes von Mozart zu spielen.Die Erarbeitung der 1.Cellosonate von Bax(immerhin 38 min. in es-moll- Horror...)war nichts im Vergleich zum 1.Takt von Mozarts g-moll Klavierquartett....


    Halt, da gibt es doch noch einen Komponisten, der das bisher schwerste Kammermusikwerk(und auch so ziemlich mit das beste des 20.Jahrhunderts), welches ich kenne, geschrieben hat.
    Und zwar John Foulds und sein "Quartetto Intimo".
    Bei Pearl gibt es eine tolle Aufnahme mit dem Endellion-Quartett von 1980.
    Leider ist dies auch bis 2002 die einzige Aufführung des 1931 geschriebenen und nie( wie bei so vielen von Foulds Werken) gedruckten Werkes gewesen.


    Nach jahrelanger Suche fand ich endlich den englischen Musikwissenschaftler Graham Hatton, der die gesamten erhaltenen Manuskripte von Foulds besitzt.Er hat uns dann liebevoll eingebundene Kopien der Orginalhandschrift geschickt und so waren wir endlich in der Lage, dieses außergewöhnliche Werk(voll von aberwitzigen Rhytmuskombinationen,Tonskalen und Vierteltönen, entsprechend seiner großen Leidenschaft für indische Musik) einzustudieren und zweimal öffentlich aufzuführen.
    http://www.clockwork.de/ms.htm


    Der Mittschnitt dieser 2.Aufführung wurde dann von der BBC ausgestrahlt, da einer ihrer Produzenten auch John Foulds-Fan ist.


    Lieber Martin,
    bitte gebe Howells noch eine Chance und höre Dir einmal die drei Hauptwerke von ihm an, und zwar den "Hymnus Paradisi", die "Missa Sabrinensis" sowie das "Stabat Mater".Diese Werke bekommst Du in hervorragenden Einspielungen bei Chandos, obwohl mir im Falle des "Hymnus" die Einspielung von Vernon Handley(wer sonst?) am besten gefällt.Diese Musik hat eine solche Kraft, der man sich nicht entziehen kann.
    Auch Johannes hat ja schon mehrfach auf Howells hingewiesen.


    Ich glaube, diese Aufnahmen sind mittlerweile im midprice-Segment von Chandos erhältlich.


    Auch bitte ich um eine weitere Chance für Sir Arnold Bax.Aber dann in den Aufnahmen unter Vernon Handley(wer sonst)bei Chandos.Obwohl ich die eine oder andere Lyrita-Einspielung ebenbürtig finde, kann eigentlich nur diese Gesamteinspielung ohne wenn und aber empfohlen werden.Fang doch mal mit dem ersten Satz der 7.Sinfonie an, dann die 6., welche in meinen Ohren seine beste ist.


    Dann gibt es wie bei Bruckner noch seine Sinfonie Nr.0(die sogenannte "Springfire Symphony) in einer Einspielung mit.....Vernon Handley(w.s.?), eine Sinfonie, deren komplettes Notenmaterial vor der Uraufführung verbrannte und die später rekonstruiert wurde.


    Tolles Werk!Da Bax sie selber nie gehört hatte, verwendete er das Material später anderweitig und mein Erstaunen bei der Vorbereitung seiner 1.Cellosonate war groß, im langsamen Satz Ausschnitten dieser Sinfonie wiederzubegegnen.


    Beste Grüße,


    Michael

  • Zu den oben genannten Komponisten noch ein paar Anmerkungen, weil man nicht alles so stehen lassen kann.


    Tippetts "Child" ist nicht nur "of Our Time", sondern auch ein problematisches. Am enervierendsten ist, dass Tippett in den Soli nahezu jede Prase genau ein Mal wiederholt. Wenn man dann hört "I have no money for my bread", weiß man schon, wie die nächste Phrase lauten wird, nämlich: "I have no money for my bread".
    Man darf aber nicht übersehen, dass dieses Werk Tippetts erster Gehversuch nach dem selbst bestimmten Neuanfang war und dass sich Tippett ganz anders weiterentwickelte. Seine Oper "The Midsummer Marriage" (äh - worum geht es da eigentlich? Der Komponist selbst hatte Probleme, mir die Handlung zu erklären...) ist musikalisch ein toller Wurf, und später geht's ab in Richtung Atonalität und Mystizismus, und aus dieser Periode gibt's eine grandiose 4. Symphonie, die Solti eingespielt hat.


    Waltons Fehler war, aus "Facade" Orchestersuite zu machen. Die sind nett zu hören, aber kaum mehr. Das Original für Kammerorchester und genau rhythmisierte Sprechstimme ist glänzend, frech, witzig - und fast so gut wie der frühe Milhaud. Weiters ist Waltons "Troilus and Cressida" eine der wenigen modernen Opern, die repertoiretauglich wären und wirklich auch Stoff für Sänger bieten.


    Britten an der "Sinfonia da requiem" zu messen, ist unfair. Das wäre in etwa, wenn ich Bruckner an seinen drei Orchesterstücken messen würde. Soll heißen: Die "Sinfonia" ist sicherlich ein Stück, das zeigt, wie brillant Britten ist, das aber seine abgründige Seite noch nicht verrät. Abgesehen davon: Wenn Britten aus der Zickzack-Figur des Zweiten Satzes die Begleitfigur für das Wiegenlied des Dritten macht, ist das schlicht genial. Und der Dritte Satz ist einfach schön. Insgesamt muss man Britten vor allem an seinen Opern und am "War Requiem" messen!


    Warlock, der in Wirklichkeit Philip Heseltine hieß und sich in einem Anfall von Depressionen umbrachte, ist als Instrumentalkomponist völlig vernachlässigbar. Nicht aber als Liedkomponist, wo er eine Hugo Wolf nicht unähnliche Stellung einnimmt. Seine Lieder sind harmonisch reich, raffiniert und melodisch einfallsreich. Norman Bailey hat die besten aufgenommen (ob sie derzeit zu bekommen sind, weiß ich nicht).


    Foulds ist wahnsinnig spannend: Es gibt Stücke bei ihm, die nicht weit entfernt sind von Unterhaltungsmusik. Aber die Beschäftigung mit indischer Musik führte ihn nicht nur zu eigentümlichen Rhythmen und Tonleitern, sondern auch zu mikrotonaler Musik. Wer sich Foulds nähern will, versuche seine "Drei Mantras" für Orchester. Das dritte ist ein unglaublicher Sog an Energie.


    Maxwell Davies schreibt zwei Stile: Einen, in dem er mittelalterliche Praktiken und solche der seriellen Musik verbindet (ohne jemals 12ton-Musik geschrieben zu haben), und einen folkloristischen, in dem er die Musik der Orkneys geradezu glorifiziert. Der erste mag etwas schwer zugänglich sein (obwohl ich die 2. und 3. Symphonie für zutiefst bewegende Werke halte), aber der zweite macht einfach Spaß: "An Orkney Wedding - with Sunrise" und "A Spell for Green Corn" sind fabelhaft. In der faszinierenden Kammeroper "The Lighthouse" (ein Thriller der Spitzenklasse, spannender kann Oper nicht sein!) gibt's Vermischeungen der beiden Stile - unbedingt hörenswert!


    Howells begeistert mich persönlich weniger, seine Musik finde ich (wie die von Bax) etwas überladen. Allerdings gibt's zwei tolle Werke von Howells, die man gehört haben sollte: "Hymnus Paradisi" und "Stabat Mater". Da wird die Musik völlig klar und ausdrucksstark, ist von jener überzeitlichen Schönheit, bei der man nicht mehr fragt, ob das noch "zeitgemäß" ist. Hier erreicht Howells eine Größe, wie nur wenige seiner Landsleute, deren Chorwerke meiner Meinung nach allzu oft nach der gleichen Masche gestrickt sind und die sehr rege englische Chor-Szene bedienen.



    Hallo Michael!
    Shocking! Arthur Benjamin - Australier. Malcolm Williamson - Australier. Eugene Goossens - Australier. Eingereiht als englische Komponisten! The Koalas are not amused!
    Aber da wir schon einmal den Känguruhs in den Beutel schauen:


    Goossens schrieb eine tolle Oper: "Judith" (Harold Moore sei Dank, hab' ich sie auf australischer EMI-Schallplatte), klingt wie "Salome" mit Anleihen bei den Expressionisten. Ein 70-minütiger Klangrausch, der es wirklich in sich hat.


    Williamson schrieb auch zwei entzückende Kinderopern: "Julius Caesar Jones" mit deutlichen Britten-Anklängen und einem hinreißenden Terzett, das ich zu den schönsten Ensembles der angloamerikanischen Oper zähle, und "The Happy Price" mit einem wirklich berührenden Finale, das fast schon kitschig ist - aber eben nur fast.


    Und dann will ich im Zusammenhang unbedingt Peter Sculthorpe nennen, sicherlich der arroganteste Komponist, der mir je untergekommen ist (ich habe in einem anderen Thread davon erzählt), aber er kann was! Der "Sun Music"-Zyklus hat viel mit Klangflächenmusik zu tun, ist aber differenzierter als der frühe Penderecki. Später wendet sich Sculthorpe dann einer einer rhythmisch pulsierenden Musik zu, die wirklich Drive hat. Allein "Earth Cry" wäre die paar Euro wert, die die Naxos-CD mit Orchesterwerke Sculthorpes kostet!

    ...

  • Lieber Edwin,


    ich habe eine hohe Wertschätzung für Deine Fachkompetenz und die Qualität Deiner Beiträge und lese Deine Beiträge immer mit großer Freude und großem Genuß.


    Aber warum Du dann einerseits bei der Nennung Deiner 10 Lieblingssinfonien folgende Angabe machst ( im Sektor Instrumentalaufnahmen)



    also die Brittensinfonie in die "Topcharts" aufnimmst, dann aber in diesem Thread erklärst:


    Zitat

    Britten an der "Sinfonia da requiem" zu messen, ist unfair. Das wäre in etwa, wenn ich Bruckner an seinen drei Orchesterstücken messen würde.


    ist etwas, was ich mir ehrlich gesagt dann doch nicht ganz erklären kann.


    Gruß Martin

  • Hallo Martin,
    ich kann es Dir erklären: Ich liebe auch Stücke, die nicht als Ganzes perfekt sind. Zu meinen Lieblingswerken gehören auch solche, an denen ich eine bestimmte Facette so bewundere, dass ich die objektiv erkannten Schwächen subjektiv in Kauf nehme.


    Brittens "Sinfonia da Requiem" etwa ist für mich im letzten Satz so unendlich berührend und erschütternd, dass ich den primär virtuosen 2. Satz akzeptiere und den etwas mäandernden 1. auch (den ich aber wieder wegen dieser faszinierenden Stelle bewundere, wo das Zweiton-Thema ganz hoch gegen ganz tief ausgespielt wird). Subjektiv gehört daher dieses Werk zu meinen Lieblingssymphonien, obwohl ich objektiv die Fehler sehe und schon verstehen kann, wenn man dieses Stück weniger mag. Ich mochte es übrigens auch lange Zeit nicht sonderlich - und jetzt dafür umso mehr. (Mit Mahlers 6., die auch in der Liste aufscheint, erging es mir ebenso: Jahre hindurch ein Buch mit nicht nur 7 sondrn wahrscheinlich 23 Siegeln - und jetzt "meine" Mahler-Symphonie.)

    ...

  • Hallo Edwin,


    Du schriebst:


    "Shocking! Arthur Benjamin - Australier. Malcolm Williamson - Australier. Eugene Goossens - Australier. Eingereiht als englische Komponisten! The Koalas are not amused! "


    Ich habe doch extra geschrieben zu hoffen, daß der ehemalige Commonwealth mit einbezogen werden kann.



    Ich habe nirgendwo Australische Komponisten als Engländer bezeichnet!



    Es geht hier um britische Komponisten, sonst müßte zum Beispiel auch auf William Mathias oder Grace Williams(Waliser) verzichtet werden.


    Auch Delius, der als Fritz Delius in Deutschland aufwuchs, die meiste Zeit seines Lebens in der Nähe von Paris verbrachte und der englischen Sprache kaum mächtig war, gehörte dann auf den Prüfstand.


    Desweiteren habe ich bei Malcolm Williamson darauf hingewiesen, daß er (als Nachfolger von Bax und Bliss übrigens) der "Master of the Queens Musick" war, ein Titel, den nur britische Komponisten erhalten können.


    Arthur Benjamin war im 1.Weltkrieg Kampfflieger in der britischen Royal Air Force und wurde sogar einmal abgeschossen.


    Die Familie Goossens, welche nicht nur mit Eugene einen bekannten Dirigenten, sondern mit seinem Bruder Leon den wichtigsten Oboisten und mit seiner Schwester Sidonie die bekannteste Harfenistin Großbritaniens hervorgebracht hat, sah sich selber mit Sicherheit zuerst als Briten(nicht Engländer)und nicht als Australier.


    Die Zeiten haben sich mittlerweile geändert, aber diese Komponisten waren Bürger des British Empire.


    Insofern verstehe ich Deine Mitteilung nicht.


    Gruß,


    Michael

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