Chopin: Klaviersonate No. 3 h-moll, op. 58

  • Klaviersonate No. 3 in h-moll


    Chopins zweite Sonate hatte ein zwiespältiges Echo gefunden. Das Diktum Schumanns von den vier seiner tollsten Kinder, die der Komponist hier zusammengespannt hätte ist sprichwörtlich geworden. Mit seiner dritten Klaviersonate in h-moll, komponiert 1844, scheint Chopin eher zu einer klassischen Ausgewogenheit zurückzukehren, keiner der vier Sätze dominiert die Komposition so, wie die Marcia funebre in der zweiten Sonate.


    Die Sonate ist viersätzig:


    1. Satz: Allegro maestoso

    Der erste Satz wird von zwei Themen dominiert. Beide haben einen gemeinsamen motivischen Kern und verleihen dem Satz Form und Struktur.

    2. Satz: Scherzo Vivace

    Das Scherzo steht in Es-Dur ist durch eine rasche, perlende Achtelbewegung gekennzeichnet amutig und heiter- fast ein wenig übermütig.

    3. Satz: Largo

    Den Mittelpunkt der Sonate bildet das Largo. Nach einigen wuchtigen Einleitungstakten könnte man an einen Trauermarsch, wie in der zweiten Sonate denken, dann ändert sich die Stimmung des Satzes. Man fühlt sich hier an eines der späten Nocturnes erinnert.

    4. Satz: Finale. Presto, ma non tanto

    Das abschließende Rondo ist mit Presto überschrieben, aber eben ma non tanto, also nicht zu sehr. Ein fulminanter Schlusspunkt der Sonate. Gefragt ist hier kein "Herunterdonnern" sondern schwungvolles, kantables Spiel.

    Aufnahmen:


    Maurizio Pollini legt eine ausgewogene Interpretation der Sonate vor, mit hartem federnden Zugriff und ausgesprochen kantablem Spiel in den lyrischen Passagen:




    So, dass soll´s von meiner Seite gewesen sein. Welche Aufnahmen favorisiert Ihr?
    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo,


    ich bin ehrlich: Mit der 3. Sonate kann ich am wenigsten anfangen; bis auf das wirklich tolle Finale plätschert sie an mir vorüber und nichts will so recht hängen bleiben.


    Mag sein, dass es an meinen beiden Einspielungen liegt, dass sich dieses Werk mir einfach nicht einprägen und mir gefallen will. Da wäre zum einen die Aufnahme mit Dinu Lipatti (EMI, 1956). Schön anzuhören, ja, aber sonst? Bei Lipatti habe ich immer das Gefühl, dass ich seine Aufnahmen liebe müsse, weil ihn doch alle Welt als überirdischen Engel usw. ansah. Und wenn sich dieses Gefühl nicht einstellt, hoffe ich immer, ihn damit nicht zu beleidigen. Beide (Chopin und Lipatti) waren doch so sensibel und zerbrechlich, eigentlich müsste man meinen, hier Chopin besonders nahe zu kommen.


    Dann doch lieber Stefan Askenases beherztere und strengere Aufnahme (DG, 1951), obgleich die mich auch nicht richtig zufrieden stellt.


    Seit ich die 1. Sonate mit Nikita Magaloff kenne und gehört habe, was er aus dieser „Fleißarbeit“ herauszuholen imstande war, sie quasi in ein kleines Meisterwerk verwandelte, interessiert mich auch seine Einspielung der 3. Sonate. Mit dieser Aufnahme liebäugele ich immer mal wieder:



    Vielleicht möchte mich jemand zum Kauf animieren oder davon abhalten?


    Gruß, Cosima

  • hallo,


    chopins dritte sonate h-moll gehört schon zu seinem 'spätwerk'. die konstruktion ist recht dicht, kühne harmonien. die musiksprache ist vergleichbar seines vierten scherzos und seiner polonaise-fantasie. sie gehört zu meinen liebsten werken überhaupt. zwar nannte ich im sonaten-lieblings-thread seine 2.sonate, aber die dritte spielt für mich nahezu eine ähnlich wichtige rolle.


    als erstes muss ich erzählen, dass ich diese sonate zweimal mit ivo pogorelich live hörte: einmal vor etwa 21 jahren in essen und vergangenes jahr in essen. sehr bedauerlich, dass ivo sie nicht damals aufgenommen hatte ! ein schlüsselerlebnis damals. beim letzten mal nun wurde die ganze tragik des pianisten deutlich. den 2. un 4. satz legte er pianistisch nicht nur perfekt hin, sondern es war ein einziges furiosum, eine demonstration des lebendig seins ! dazu im gegensatz der schwierig zu gestaltene erste satz und die perle, der ruhige 3.satz. pogorelich, einiges spricht dafür, leidet möglicherweise an einer erkrankung des zentralen nervensystems. er spielte die langsamen episoden in 'zeitlupe', undzwar so, dass pro zeiteinheit immer eine begrenzte zahl von takten absolviert wurde. dabei fehlte keine note. häufig wurde die linke hand herausgemeißelt in einer weise, wie es nicht dem musikalischen ablauf entsprach. es wurde zur qual aller beteiligten !


    letztes jahr hörte ich diese h-moll sonate nochmals live, undzwar mit krystian zimerman in der düsseldorfer tonhalle (spielte übrigens auch die 2.sonate). auch exzellent, pianistisch perfekt und intensiv. man hätte mitschneiden können.


    nun, liebe Cosima, dinu lipattis aufnahme des werkes anfang der 50er jahre sowie w. kapells einspielung sind legendär ! gegen die dramatik dieser beiden hat askenase aufgrund seiner technischen grenzen keine chance.


    pollinis aufnahme bei der DG ist sehr gut, aber gegenüber den beiden historischen und dem live-konzert pogorelichs aus den 80er jahren zu brav und mit zuviel pedal.


    eine digitale aufnahme, vor etwa 2 jahren entstanden, kann tatsächlich mit lipatti und kapell konkurrieren. mein alter mittlerweile verstorbener freund und kollege hörte noch diese aufnahme und 'bescheinigte' mir, dass es die intensivste und pianistisch beeindruckendste aufnahme war, welche er in seinem leben hörte ! nelson freire ! es ist ein pianistischer 'thriller' !



    enttäuschend sind: weissenberg (EMI) mit brutalität und pletnev (DG) mit paralysierender verspieltheit und harmlosigkeit.


    leider habe ich el bacha mit dieser sonate nicht gehört, möglicherweise sensationell ?


    gruß, siamak

    Siamak

  • Hallo Siamak,


    dass gerade Nelson Freire eine so hervorragende Aufnahme (ich kenne sie noch nicht) gemacht haben soll, finde ich doch erstaunlich. Denn - obwohl das natürlich nichts heissen muss, und die beiden Sonaten nur bedingt miteinender vergleichbar sind - seine Aufnahme der Trauermarsch-Sonate finde ich, euphemistisch gesagt, durchschnittlich.


    Ich bin gespannt, Deine Empfehlungen sind ja idR grossartig.


    Grüsse, Moritz

    "Das beste, an dein Übel nicht zu denken, ist Beschäftigung."
    Ludwig van Beethoven

  • Zitat

    Original von AcomA
    sie gehört zu meinen liebsten werken überhaupt. zwar nannte ich im sonaten-lieblings-thread seine 2.sonate, aber die dritte spielt für mich nahezu eine ähnlich wichtige rolle. [...]


    nun, liebe Cosima, dinu lipattis aufnahme des werkes anfang der 50er jahre sowie w. kapells einspielung sind legendär ! gegen die dramatik dieser beiden hat askenase aufgrund seiner technischen grenzen keine chance.


    Hallo Siamak, hallo allerseits!


    Ich bin gerade ein wenig verdutzt darüber, dass ich a) die 3. Sonate so ganz anders beurteile als Du, und b) dass ich Lipattis Aufnahme so wenig abgewinnen kann.


    Sicher, Lipatti spielt sie viel raffinierter, intensiver, ausdrucksvoller usw. als der strengere Askenase, bei dem sie sich eher nach Pflichtprogramm anhört. Ich deutete es ja schon an: Vielleicht verweigere ich mich Lipatti generell (wieder Stichwort: Hörpsychologie), weil alle Welt ihn so lobt; er ist ja quasi zum Mythos geworden ob seines frühen Todes und dieses letzten Recitals in Besancon („göttliche Spiritualität“…“unberührt von allem Schmerz“). Solch eine Lichtgestalt muss man einfach lieben.


    Und trotzdem: Er berührt mich nicht, obgleich mein Ohr mir schon sagt, dass Chopin eigentlich genau so klingen sollte. Mehr noch: Chopin und Lipatti sind m.E. die ideale Verbindung, weil sie sich auch im Wesen so ähnlich waren. Beide haben sie diese sensiblen und zerbrechlichen Züge, sind in ihrer träumerischen, spirituellen Art irgendwie nicht von dieser Welt.


    Sei’s drum, vielleicht macht es bei mir ja noch „klick", ich würde es mir wünschen.


    Kapell wäre neben Magaloff eine Alternative für mich, die ich unbedingt einmal hören möchte. Es existiert von Kapell zwar eine Aufnahme der 2. und 3. Sonate, aber die scheint leider mal wieder vergriffen zu sein. X(Ich erinnere mich gerade daran, dass ich sie bereits im Mazurken-Thread erwähnt hatte; ich zitiere noch einmal:


    Zitat

    A. Csampai schrieb auf der Rondo-Seite:


    Kapell hat als einer der wenigen Pianisten das perkussive Wesen des Klaviertons begriffen, und so gründet seine Sensibilität auf einem vergleichsweise harten, prägnanten Anschlagsfundament. So plastisch und zugleich so leidenschaftlich drängend und verzweifelt-heroisch habe ich die h-Moll-Sonate Chopins noch nie erlebt wie in Kapells Interpretation von 1951.


    Liebe Grüße, Cosima


    Nachtrag: Als ich eben diese Rezension noch einmal las, fiel mir auf: „so gründet seine Sensibilität auf einem vergleichsweise harten, prägnanten Anschlagsfundament“. Das könnte es sein, was mich bei Lipatti stört: Ich empfinde ihn bei aller Sensibilität als „weich“.


    Auch Magaloff würde ich eher in Richtung Kapell einordnen.

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  • Liebe Taminos,


    weiß jemand, ob el Bachas Einspielung von No.3 noch im Handel ist? Meine Recherchen waren da nicht ganz eindeutig.


    Herzliche Grüße,:hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • hallo Cosima,


    chopins h-moll sonate mit dinu lipatti habe ich mit einer aufnahme tatsächlich von 1947 aus bukarest ! also gut 10 jahre früher als die einspielung, welche du hast. und wenn das im rahmen seines 'letzten' konzertes ist, dann würde es mich nicht wundern, dass sie nicht so wuchtig daherkommt. die 1947er-aufnahme jedenfalls ist vehement und mit pianistischer härte vor allem im 4. satz !


    gruß, siamak :)

    Siamak

  • Zitat

    Original von AcomA
    chopins h-moll sonate mit dinu lipatti habe ich mit einer aufnahme tatsächlich von 1947 aus bukarest !


    Hallo Siamak,


    mein Irrtum! Die Aufnahme ist vom 04.03.1947 - aufgenommen in London. 1956 steht auf der Rückseite der CD als Produktionsjahr, aber da weilte Lipatti ja längst nicht mehr auf Erden (er ist 1950 gestorben).


    Gruß, Cosima

  • Hallo Siamak, hallo allerseits!


    Jetzt habe ich etliche Male in Folge die Lipatti-Aufnahme gehört: Sie bleibt für mich etwas blass und nicht besonders berührend, ich kann es nicht ändern. Wirklich, ich zweifelte schon an meiner Wahrnehmung und machte mich eben auf die Suche nach Rezensionen.


    Die Aufnahme scheint doch etwas zu polarisieren, so einstimmiges Lob wie ich befürchtet hatte, scheint es nicht zu geben. Zum einen fand ich im FF-Archiv einen Artikel aus 1978 („Legende und Wirklichkeit“), in dem der Schreiber sie nicht als „Glücksfall“ unter den Lipatti-Einspielungen bezeichnet; er spricht dabei von meiner London-Einspielung. Dann stieß ich auf eine Diskussion in einem anderen Forum über die 3. Sonate: Auch dort war man sich keineswegs einig ob ihrer Qualität. Weshalb ich das erwähne: Unter den Schreibern dort nannte einer den Namen Vlado Perlemuter und lobte dessen Einspielung. Der Name begegnet mir zum ersten Mal. Weiß jemand etwas über diesen Pianisten?


    Jetzt habe ich mich doch an dieser Sonate fest gebissen und eben die Magaloff-Aufnahme bestellt. Leider hat sie einige Wochen Lieferzeit, aber ich werde berichten.


    Beste Grüße,
    Cosima

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  • hallo Cosima,


    vlado perlemutter ist ein vertreter der französischen klavierschule und unterrichtete am pariser konservatorium. er galt (lebt er noch ?() als ravel-spezialist. ich hörte mit ihm den gaspard de la nuit. sehr gut, aber kommt an z.b. pogorelich oder benedetti-michelangeli nicht heran. christian zacharias war schüler perlemutters.


    nochmals zu lipatti. die bukarester aufnahme von 1947 entstand wohl einige monate vor der londoner einspielung, nachdem er dann einen vertrag bei emi unterschrieb. ich müsste mir mal die londoner aufnahme organisieren und vergleichend hören ! sollte sie tatsächlich nicht so 'schön' sein, wäre eine erklärung, dass die aufnahme in seiner heimatstadt in einer 'unverbindlichen'athmosphäre entstand. der druck war möglicherweise in london bei EMI viel größer in dem bewusstsein, der welt ein verbindliches produkt liefern zu müssen und seine karriere voranzutreiben.


    gruß, siamak

    Siamak

  • Danke für Infos über Perlemuter, Siamak! Dann streiche ich den Herrn einstweilen wieder von meiner Liste. Er ist übrigens am 4. Sept. 2002 in Paris verstorben.


    Beste Grüße, Cosima

  • Hallo allerseits,


    eben bin ich bei meiner Suche nach Chopin-Aufnahmen auf den Namen Samson Francois (1924-1970) gestoßen. Auf dem Great-Pianist-Sampler ist ein Chopin-Walzer zu hören; klingt sehr ansprechend, sofern man das in der Kürze der Zeit feststellen kann, sehr „französisch“.


    Francois wird so vorgestellt:


    „Von seinem großen Lehrer Alfred Cortot erlernte Samson Francois jene besondere Spontaneität des Spiels, die ihn von anderen französischen Pianisten seiner Zeit unterschied. Die Eleganz seines Vortrags, gepaart mit großer technischer Gewandtheit und einem feurigen Temperament, prädestinierte ihn für Chopins Werke.“


    Feuriges Temperament - also das direkte Gegenteil von Magaloff (etwas Abwechslung darf ruhig sein). Elegant - das könnte etwas für mich sein.


    Es existiert eine Aufnahme mit den beiden Sonaten und den 51 Mazurken. Die wäre ideal, da ich letztere ja auch noch als Gesamtaufnahme suche.



    Siamak, was meinst Du? :) (Alle anderen sind natürlich auch gefragt!)


    Schöne Grüße,
    Cosima

  • hallo Cosima,


    ich habe mit samson francois die klavierkonzerte schumanns, liszts und prokofievs (nr. 3 und 5) sowie prokofievs 7.sonate. extrem schöne aufnahmen ! ein poetisches und gleichzeitig sehr modernes spiel. chopin habe ich bisher nicht mit ihm gehört. könnte mir aber vortsellen, dass es interessanter als bei magaloff erklingt.


    gruß, siamak :)

    Siamak

  • Zitat

    Original von AcomA
    könnte mir aber vortsellen, dass es interessanter als bei magaloff erklingt.


    Hallo Siamak!


    Hui, das ging aber schnell. Danke!


    Ich habe mir die Doppel-CD bestellt, bin sehr gespannt darauf. Die Magaloff-Aufnahme von 1955 muss aber auch sein. Ich kann es schwer beschreiben, aber ich habe diesen Pianisten ein wenig in mein Herz geschlossen. :)


    Beste Grüße,
    Cosima

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  • hallo Cosima,


    wusstest du, dass magaloff eine art 'vaterfunktion' für vladimir horowitz' tochter hatte !


    gruß, siamak

    Siamak

  • Hallo Cosima


    Wir lieben das Chopin-Spiel von Samson Francois sehr. Siehe bitte auch unser Beitrag zur zweiten Sonate Chopins. Dort stellten wir diesen französischen Pianisten kurz im Vergleich vor. Für das recht hohe Alter der Aufnahmen muss man im Gegensatz zu vielen Richter-Aufnahmen ;(nicht mal so ein grosser Abstrich bei der Klangqualität machen. :)


    Offenbar ist Samson Francois im deutschsprachigen Raum nicht sonderlich bekannt. In Frankreich und auch mit kleinen Abstrichen bei uns in der Schweiz kennt man den französischen Pianisten noch heute und die CD's sind noch jetzt im Fachhandel erhältlich.


    Liebe Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo!


    An Romeo und Julia: Vielen Dank für den Hinweis auf Euren Beitrag über Samson Francois. Ich habe ihn eben gelesen. Jetzt freue ich mich umso mehr auf die Aufnahmen!


    An Siamak: Nein, das wusste ich nicht. Ich weiß so gut wie gar nichts über Magaloff. Berichte doch mal bitte…


    Liebe Grüße,
    Cosima

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Lange wurde nichts mehr über die dritte Sonate von Chopin geschrieben.


    Wir möchten die heutige Radiosendung von Schweizer Radio DRS 2, die sechs Aufnahmen dieses Werkes verglichen haben, zum Anlass nehmen, diesen Thread aus dem Schlaf zu erwecken.


    Die beiden Musikexperten haben sich folgende sechs Einspielungen angehört:


    Martha Argerich, 1965 EMI


    Ivo Pogorelich, 1987 DG


    Maurizio Pollini, 1985 DG


    Mikhail Pletnev, 1997 DG


    Maria Joao Pires, 2008 DG


    Moriz Rosenthal, 1939


    dabei kamen die beiden Musikexperten auf folgenes Resultat:


    Ivo Pogorelich verlässt sich ausschliesslich auf sich selbst und neigt zu plakativen Effekten, während Maurizio Pollini Zurückhaltung übt und klassizistische Überlegenheit demonstriert. Die persönliche Auseinandersetzung mit Chopin führt bei Martha Argerich und vor allem bei Mikhail Pletnev zu Lösungen, die den visionären Aspekten dieser Sonate gerecht zu werden suchen. Pletnev erfasst nebst der untergründigen Polyphonie auch den improvisatorischen Gestus (etwa der Einleitungen des dritten und vierten Satzes) und exponiert sich mit einem ausgeprägt subjektiven Gestaltungswillen. Diese Aufnahme fasziniert und provoziert und bietet Klavierspiel erster Klasse.



    wir sind von dieser Bewertung etwas überrascht und bevorzugen klar die Aufnahmen von Martha Argerich und von Maurizio Pollini.


    nun sind wir gespannt, welche Interpretationen Ihr ins Herz geschlossen habt.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Grüezi , guten Abend , bon soir !


    das Rätsel Eurer Identität wie Eurers genauen Lebensmittelpunktes ist ja weiterhoin ein Geheimnis .


    Könnte ja nicht in der Schweiz sein, sondern in LÖ oder Schopfheim oder nahe Bale en France .


    Doch zum Thema .


    Die Auswahl für solch eine vergleichende Besprechung ist schon sehr willkürlich .


    Das werdet Ihr bedien in Personalunion auch so empfunden haben .


    Diese frühe Aufnahme von ARGERICH ( EMI und n i c h t bei der DGG ! ) ist eine ihrer besten Interpretationen überhaupt . Diese Cd insgesamt ist einfach phantastisch .


    Ich füge aus meine sicherlich 40 verschiedenen Aufnahmen auf CD ( LP lasse ich weg ) zwei hinzu :


    Emil GILELS ( "Great Pianists of the Century" ; Philips ) . Es gibt noch weitere Aufnahmen durch den grossen Emil Gilels ; diese aber ist für mich dann doch wie einer der seltenen interpretorischen Gipfel .



    Dann , auch weil ich ihn mit dieser Klaviersonate von Frédéric Chopin oft im Konzert gehört habe :


    Alexis WEISSENBERG ( EMI ; in der wirklich gut überarbeiteten Form durch die EMI -Techniker ) . Technisch perfekt , die Stimmungen und Spannungen analytisch souverän aufbauend . Wundervoller Klavierton mit allen Tonfärbungen .


    H i n w e i s :


    Leider gibtes keine Aufnahme ( mehr ) mit Keystian Zimerman . Er hat die b-Moll und h-Moll-Sonateb in Düsseldorf vor rund 10 Jahren ergreifend und mitreissend interpretiert .


    Beste Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Guten Abend Frank


    Danke für Deine Empfehlung der Aufnahme von Gilels, den wir sehr schätzen.
    Ist Deine Empfehlung dieselbe Aufnahme wie unsere aus dem Jahre 1978 der DGG?


    Übrigens bei uns in der Schweiz in Luzern tritt am 30. 03. 2010 im KKL Luzern Krystian Zimerman auf. Er wohnt nur etwa 30 km von uns entfernt. Wir haben daher den Vorteil von "vielen" Auftritten von Krystian Zimerman in unserer Region.


    In Luzern wird er die Sonate Nr. 3 op. 58 aufführen, ergänzt durch folgende Werke:
    Nocturne Nr. 2 Fis-Dur op. 15
    Sonate für Klavier Nr. 2 b-Moll op. 35 (Marche funèbre)
    Scherzo Nr. 2 b-Moll op. 31
    Barcarolle Fis-Dur op. 60


    In der NZZ vom letzten Samstag dem 27.02.2010 hatte es ein sehr interessantes Interview mit Krystian Zimerman zur Interpretation von Chopins Werk.


    Herzliche Grüsse aus der Schweiz


    romeo&julia

  • Zitat

    Original von Caesar73


    keiner der vier Sätze dominiert die Komposition so, wie die Marcia funebre in der zweiten Sonate.



    Einspruch, "Euer Ehren". Die These von der Dominanz des Trauermarsches mag der populären öffentlichen Wahrnehmung entsprechen, weil er die bekannteste „Nummer“ des Werkes ist, und viele die 2. Sonate hauptsächlich mit seinem einprägsamen, monotonen Grundthema verbinden, zu dem das lyrische Seitenthema im parallelen DES-Dur, eines der schönsten Chopins m.E., in genialem Kontrast steht. Man kann dem dritten Satz bestenfalls attestieren, dass er der thematisch dichteste, gedrängteste Satz sei.


    Ansonsten jedoch ist der Trauermarsch schon viel zu kurz (3 Seiten in manchen Ausgaben von insgesamt 25), um das gesamte Werk dominieren zu können. Wer die Sonate von den Tasten her gut kennt, wird wohl mit mir darin übereinstimmen, dass es der Kopfsatz mit seinem hastig repetierenden und von spannungsgeladenen Pausen bewusst unterbrochenen Thema in der rechten Hand ist, welcher als der wuchtigste, dominanteste der vier Sätze gelten muss (wobei der Finalsatz ja über gar kein Thema verfügt).
    Dieser erste Satz op.35 ist v.a. in der ersten Hälfte m.E. auch der mit Abstand schwierigste aller Chopin-Sonatensätze (worüber die großen Interpreten so beeindruckend hinwegtäuschen!) , insofern er im Tempo und bei Beachtung aller Pedal- und Phrasierungsvorschriften (hier lässt es sich „tricksen“, indem z.B. Ketten von drei oder vier gebundenen Achteln, z.B. mithilfe des Pedals, zu einer einzigen Kette zusammengezogen werden) an der Grenze der Spielbarkeit liegt. Der einzige Satz von op.58, der an diesen hohen Schwierigkeitsgrad von I. op.35 heranreicht, ist dessen Finalsatz, welcher insbesondere der linken Hand eine fast marathonartige Ausdauer abverlangt. In den drei ersten Sätzen liegt op.58 wesentlich besser in der Hand des Pianisten als op.35, ist weniger „sperrig“.


    Ich möchte mich in Bezug auf op.35 ausnahmsweise auf eine abratende Empfehlung beschränken, um zu sagen, wie man diese Sonate nach meinem Dafürhalten gerade nicht spielen soll: Es ist eine der späten Aufnahmen des m.E. weit überschätzten Wladimir Horowitz. Seine Deutung mag zwar einen Eindruck davon vermitteln, wie die Sonate möglicherweise der große Liszt um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu Gehör brachte und damit sein Publikum in helles Staunen versetzte, aber vom Standpunkt der Werktreue her betrachtet kann man Chopins 2. Sonate kaum weniger gerecht werden als Horowitz! Das artet zu großen Teilen in pure Effekthascherei aus - Vergleiche mit Zirkusnummern sind erlaubt - , unternimmt kaum jemals den Versuch, die formalen Strukturen der Sonate hörbar zu machen, und schon gar nicht den Versuch, die zahlreichen Anweisungen des Komponisten zu befolgen.


    Doch auch Kompositionen wie Chopins op.35, deren „kongeniale“ Interpretation so missslingt wie bei Horowitz, behalten ihren Status als genialer Wurf der Klaviermusik: Hut ab, Ihr Herren, vor dem heutigen franko-polnischen Duocentennariums-Jubilar!
    Chopin hat vermutlich von allen Komponisten der Musikgeschichte eine der absolut unverwechselbarsten Tonsprachen kreiert. Und das soll ihm erst einmal jemand nachmachen ...

  • Liebe rome&julia !



    Unbdingt hingehen !!!


    Das ist wohl das identische Programm wie in Düsseldorf . Wenn es im Schweizer rundfunk übertragen werden sollte , dann unbedingt mitschneiden . Ist ein bleibendes Erlebnis .


    Und ungleublich schwer . Denn das h-Moll-Scherzo Opus 20 ist dann schon ein Wer für Spitzenpianisten .


    Und K. Zimerman hat Stil : Raum Luzern ! Wundervoll .Da könnt Ihr ja ständig zwischen Luzern , BS und ZH hin und her pendeln . Un d Lugano ist ja auch nicht so weit .



    GILELS . 1978 DGG : ja . Auf meiner Original CD spielt Lazar Berman noch ein wenig Chopin ( es gibt Besseres von Berman in Sachen Chopin ) .


    Bitte fragt mal bei "Hug " nach, ob es die Chopinsonaten in der Schweiz gibt bzw. gegeben hat ! Danke Euch und viel Freude im Konzert !



    Meine besten Grüsse Euch in die schöne Schweiz !



    Frank


    PS.: Werd e versuchen, die NZZ zu bekommen . Viellicht geht die inline . Mal sehen .

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von PianoForte29
    Ich möchte mich in Bezug auf op.35 ausnahmsweise auf eine abratende Empfehlung beschränken, um zu sagen, wie man diese Sonate nach meinem Dafürhalten gerade nicht spielen soll: Es ist eine der späten Aufnahmen des m.E. weit überschätzten Wladimir Horowitz. Seine Deutung mag zwar einen Eindruck davon vermitteln, wie die Sonate möglicherweise der große Liszt um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu Gehör brachte und damit sein Publikum in helles Staunen versetzte, aber vom Standpunkt der Werktreue her betrachtet kann man Chopins 2. Sonate kaum weniger gerecht werden als Horowitz! Das artet zu großen Teilen in pure Effekthascherei aus - Vergleiche mit Zirkusnummern sind erlaubt - , unternimmt kaum jemals den Versuch, die formalen Strukturen der Sonate hörbar zu machen, und schon gar nicht den Versuch, die zahlreichen Anweisungen des Komponisten zu befolgen.


    Da muß ich nun doch wirklich energisch "Einspruch" erheben. Ich arbeite nun seit anderthalb Jahren an einem großen historischen Interpretationsvergleich der b-moll-Sonate. Inzwischen habe ich glaube ich ungefähr 70 Aufnahmen erfaßt. Wenn man ein solches Projekt verfolgt, dann muß man sich zwangsläufig darüber Gedanken machen über die Art von Musikkritik. Eines kann ich nur sagen: Womit man nicht weiter kommt, ist eine "ideologische" oder "ideologisierende" Kritik, die einen weltanschaulichen Standpunkt einnimmt und entsprechend abweichende musikalische Weltanschauungen verteufelt und verdammt.


    Bei der b-moll-Sonate ist es einfach ein interpretationsgeschichtliches Faktum, daß nicht der "neusachliche" Interpretationsstil der beherrschende ist, sondern poetisierende Deutungen die bestimmenden sind, die im Lichte einer poetischen Idee sich einen freien Umgang mit dem Notentext bis hin zu Eingriffen erlauben, die an eine Transkription erinnern. Sie folgen im Prinzip der ästhetischen Einstellung von Ferruccio Busoni, wonach der Notentext nicht mit der "Idee" des Komponisten identisch ist, sondern bereits eine Transkription des musikalischen Gedanklens darstellt, der deshalb auch weiter transkribiert werden kann und darf. Die poetisierende Deutung will also die "Idee" des Komponisten "besser" realisieren, als es der Komponist mit seinem Notentext selbst vermochte. (In diesem Geiste hat etwa Gustav Mahler Schumanns Symphonien neu instrumentiert.) Mit "Willkür" hat das also gar nichts zu tun. Horowitz ist hier überhaupt kein Einzelfall und sein Umgang mit dem Notentext ist im Vergleich mit anderen der ganz großen der Chopin-Interpreten sogar näher am "Original". Um einige Namen in dieser illustren Reihe zu nennen: Alfred Cortot, Sergei Rachmaninow, Wilhelm Kempff, Shura Sherkassky. Auch Artur Rubinstein muß hier genannt werden, dessen von Chopins Notierung deutlich abweichende poetisierende Deutung des Trauermarschs von vielen Interpreten immer wieder nachgeahmt wird.


    Horowitz hat im übrigen zwei frühe (!) Aufnahmen hinterlassen, die geradezu extreme Gegensätze darstellen. Die RCA-Aufnahme von 1950 ist die wohl theatralischste Darstellung, die es gibt. Aber genialisch! Horowitz gelingt es - das ist ein wahres Wunder - Chopin vollständig in die eigene Gefühlswelt zu versetzen. Dagegen verzichtet die CBS-Aufnahme von 1962 auf jede Art von Theatralisierung. Da kommt der einzigartige Klavierpoet Horowitz zum Vorschein. Mein Urteil steht jedenfalls fest: Die Interpretationen von Horowitz gehören zu den einsamen Gipfeln der Interpretationsgeschichte! Ich bin jedenfalls nicht bereit, mir als kritischem Betrachter da irgendwelche "Scheuklappen" in Gestalt eines kleinkarierten neusachlichen Puritanismus aufsetzen zu lassen.


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    GILELS . 1978 DGG : ja . Auf meiner Original CD spielt Lazar Berman noch ein wenig Chopin ( es gibt Besseres von Berman in Sachen Chopin ) .


    Lieber Frank,


    die Gilels-Studio-Aufnahme bei der DGG ist in der Serie "Steinway-Legends: Emil Gilels" wieder veröffentlicht werden. Das ist wirklich sehr komisch - denn Gilels hat diese großartige Aufnahme auf einem Bechstein-Flügel gemacht! Ein Konzertmitschnitt der h-moll-Sonate findet sich zudem in der "Gilels"-Box von Aufnahmen aus den russischen Archiven (Brilliant-Classics).


    Beste Grüße
    Holger

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  • Lieber Holger :



    Allgemien gibt es die grossen gegensätze zwischen dem Grundprinzip
    der absoluten Notentexttreue von Arturo Toscanini vor bald 100 Jahren bis heute fortgeführt von etwa Riccardo Muti "come scritto" .


    Dies soweit es den vom Komponisten niedergeschreibenen Notentext anbelangt .


    Eingriffe in diesen Notentext des komponisten halte ich für nicht zulässig, warumich auch Gustav Mahlers "bearbeitungen" der Symponien von Robert Schumann für völlig missglückt ansehe . Mahler entstellt Schumann .


    W i e ( verschiedene ) Notenausgaben - gerade bei Frédéric Chopin - gespielt werden sollten ( etwa die Edition von Paderewsky und seiner Mitarbeitern oder die Ausgabe von I. Friedman ) ist seit dem Tod von Chopin immer wieder gegenstand erregter Diskussionen . Und am 16. Februar 2010 hat Julia Spinola in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" noch einen überaus langen Aufsattz darüber verfasst, der zumindest sehr lesenswert ist .



    Viele wirkliche Entgleisungen in der Chopinexegese gehen auf das perpetuierte falsche Bild zurück, das von einigen Kresien peinlichst gepflegt worden ist und darum zwangsläufig in seine in die Irre führende Einbahnstrasse einmünden musste .


    Es ist schon sehr seltsam, dass Chopins eigene Hinweise über seine Spielpraxis dermassen ignorant "übersehen" werden konnten und die grössten Teile des Publikums diesem Irrweg auch noch weinerlich gefolgt sind .


    Es war , wie auch m. E. bei Liszt ( erste Aufnahme der h - Moll - Klaviersonate 1932 bei EMI ) und Rachmaninov ( besonders schockierend für S. Rachmaninov selbst war bekanntlich die Wildheit der Lesart des Notentextes durch Horowitz in seinem 3. Klavierkonzert d - Moll Ende der 1920er Jahre ) oder auch Schumann ( frühe Aufnahme der C - Dur - Fantasie ! ). . Nun wissen wir , dass
    Vladimir Horowitz vor allem bei Liszt wie Mussorgsky ( "Bilder einer Ausstellung" ) auch Eingriffe in die Noten vorgenommen hat, um die Werke als "schwerer spielbar" darzutsllen . Dies halte ich für nicht zulässig und , wie Alfred Brendel nachgewiesen hat, auch für objektiv nicht geglückt . Horowitz hat nicht wenige vorgeschreibene Noten weggelassen oder aus spieltechnischen Gründen weglassen müssen ( da waren Claudio Arrau z. B. oder die sog. horowitzähnlichen Supervirtuosen wie Simon Barere oder Cziffra doch sehr viel ehrlicher gewesen ) .


    Nun wissen wir , dass Vladimir Horowitz allgemein dazu neigte, nicht nur Schuberts grosse B - Dur - Sonate D 960 in einer USA - Tournee
    wie in einem Laborversuch auf die Reaktionen des Publukums hin zu spielen . Diese Phasen in Horowitz' Karriere waren seine schwächsten ( immer gemessen an seinem eigenen Können ! ) .


    Absolut teile ich Deine Meinung zu den Interpretationen der b - Moll - Sonate durch Horowitz . Der Meister hat selbst nach der letzten Aufnahme darauf hingewiesen, dass er mit den früheren Interpretatione nie ganz zufrieden gewesen sei . Diese frühen Deutungen durch Vladimir Horowitz fallen mit einer Zeit zusammen , dies ist kein Zufall, in der sich das Chopinbild endlich radikal geändert hat ! Wir denken nur an die Aussagen von Shura Cherkassky , dem berühmten Schüler des noch weit berühmterenb Josef Hofmann, etwa über das grosse Vorbild im Chopin-Spiel : Paderewsky . Höflicher hat sich Alexis Weissenberg über Paderewskys Chopinspiel geäussert . Weissenberg schreib, dass er meine , dass Paderewsky heute ( dieses Aussage stammt sden späten 1970er Jahren ) heute anders interpretieren würde .


    Bei Jorowitz ist insgesamt sehr auffallend , dass er mit zunehmendem Alter die sehr schwierigen Werke niemals mehr so beherrschte wie in seiner frühen Zeit , als er das Punlikum regelrecht mitriss und eine völlig andere Art des Klavierspieles für die emisten Zuhörer begründet hat ( Simon Barere war ihm darin nicht unähnlich ) .


    So konnte auch Arthur Rubintsein mit seiner eigenen kräftigen Hilfe zu einem Antpoden von Horowitz aufgebaut werden . Je älter Runsinstein wurde, desto "romantisierender , weicher wurden seine Interpretationen ( Mazurken , Valses , Nocturnes ) , die - Du weist ausdrücklich in Deinem Absatz 3 darauf hin schon chopinferne Interpretatione sind 8 immer gemssen am Notentext ! ) .


    Nikita Magaloff ( 1912 bis 1992 ) , der zu Recht in einem früheren Beitrag erwähnt wurde ( "Chopin Recital" ) war einer der bedeutendensten Chopininterpreten mit einer sehr frühen Sicht darauf, dass die tradierte Lehre, wie Chopin denn zu spielen sei eben gegen Chopins Intentionen gerichtet gewesen sei . Magaloff erreichte eine grosse Klangtransparenz , weil sein Ton , sein Spiel insgesamt losgelöst war von der berüchtigten Salonsüsse , der leider viel zu viele Chopinspielr anhafteten aus einem völlig falsch verstandenen Chopinbild heraus .


    Ich möchte bewusst hier nicht weiter in Dein Chopinprojekt eingreifen .


    Sehr summarisch daher meine Zustimmung zu Deinen Ausführungen in Deinem Absatz 2 "Art von Musikkritik" . Leider ist diese meist stark ideologisch oder ideologisierend geprägte Musikkritik eigentlich unerträglich und absolut nicht dazu geeignet , eine Diskussion zu ermöglichen .


    Aus Sicht sehr vieler Pianisten kommt es ihnen auf eine Wirkungsweise ihres Spieles an und nicht auf musikästhetische Überlegungen .


    Interessant find eich , dass Du Wilhelm Kempff als Chopininterpreten nennst , weil dieser heute im allgemeinen Bewusstseind fälschlicherweise vor allem , wie auch Wilhelm Backhaus , als Beetoven- und Brahms - "Spezialisten" registriert worden sind . Dies war immer falsch . Beid e spielten an ihren guten Abenden überragend Robert Schumann und auch Schubert oder im Alter seltener werdend Chopin .



    Die Aussage von Ferruccio Busoni , die hochinteresant ist , möchte ich hier ( noch ) nicht kommentiert einfliessen lassen .


    Auch keine Wort hier derzeit zu Robert Schumanns Aussage über Chopins b - Moll - Sonate .


    Die b-Moll-Klaviersonate wie die in h - Moll sind für mich unzeweifelhaft Beispiele dafür , dass Chopin bedutend e Klaviersonaten komponiert hat in einer wundervollen Tonsprache , die in ihrer Singularität einmalig bleibt !



    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Dies soweit es den vom Komponisten niedergeschreibenen Notentext anbelangt .


    Eingriffe in diesen Notentext des komponisten halte ich für nicht zulässig, warumich auch Gustav Mahlers "bearbeitungen" der Symponien von Robert Schumann für völlig missglückt ansehe . Mahler entstellt Schumann .


    Lieber Frank,


    das ist wieder ein schöner Beitrag von Dir. Doch die Sachlage ist kompliziert, wenn man auf die historisch-wandelbaren ästhetischen Einstellungen Rücksicht nimmt. Wir können heute solche Maßstäbe wie "Werktreue" usw. aufstellen. Nur ist die Frage, ob wir das zu einem "überzeitlichen" Maßstab erheben dürfen. Chopin und Liszt stammten aus der Epoche der Romantik. Ein solches Verständnis von "Werktreue", wie wir es heute haben, war ihnen damals völlig fremd. Eiin signifikantes Beispiel ist die Sammlung "Des Knaben Wunderhorn" von Arnim und Brentano. Die wird als "Sammlung alter deutscher Lieder" ausgegeben - enthält allerdings sowohl Bearbeitungen als auch Neudichtungen von Armin und Brentano, die gar nicht als solche philologisch ausgewiesen sind. Historische Treue spielte für die Herausgeber keine Rolle, ihnen ging es lediglich darum, ein Volkslied-Idiom zu schaffen. Entsprechend hat Liszt seine eigenen Werke immer wieder bearbeitet, das Komponieren war für ihn ein unabschließbarer Prozeß - Schlegel hat das Kunstwerk entsprechend als ein "work in progress" definiert, an dem jede neue Generation weiterdichten kann und soll. Wenn also Arcadi Volodos Liszt- Werke bearbeitet, dann entspricht das zwar nicht unserem von der "Neuen Sachlichkeit" geprägten Zeitgeist, wohl aber dem von Liszt und seiner "romantischen" Epoche. Wenn man wirklich historisch kritisch denkt, dann kann man ihm das eigentlich nicht übelnehmen.


    Wir leben in einer Zeit, die man gerne als "postmodern" bezeichnet. Zu ihr gehört, daß man bestimmte Paradigmen der klassischen Moderne kritisch überdenken darf. Und dazu gehört doch wiohl auch dieses Ideal der "Werktreue". Ich finde nicht, daß man Mahler vorwerfen kann, er hätte Schumanns Symphonien nicht neu instrumentieren dürfen. Denn das folgt nicht einfach aus einer Laune heraus, sondern einer ganz bestimmten ästhetischen Einstellung. Busoni hat doch recht damit zu fragen: Wie kommen wir dazu, den "Gedanken" des Werkes mit dem Notentext gleichzusetzen - im Anklang an den Philosophen Fichte - "Geist" und "Buchstaben" miteinander zu verwechseln? Was man Mahler allerdings kritisch fragen darf ist, ob er seinem eigenen, selbstgestellten Anspruch, die "Idee" des Werkes besser darzustellen als Schumann selbst, wirklich gerecht geworden ist. Das können wir als Hörer in der Tat bezweifeln und uns darüber gegebenenfalls streiten.


    Beste Grüße
    Holger

  • Lieber Holger :



    ich hatte schon die Befürchtung wir würden zerfleischt werden, weil wir uns sosehr auch der b - Moll - Klaviersonate von Chopin und einigen Grundlagen der Musikästhetik sowie im eietren Sinne der Philosophie zugewandt haben .


    Richtig : die Sachlage ist kompliziert .


    Bei Chopininterpretatione spielen diese "historisch - wandelbaren ästhetischen Einstellungen" eine zentrale Rolle wie jemand spielt , den Zeitgeiost, in dem er lebt wahrnimmt ( subjektiv ) , wie er die Interpretationen durch andere Künstler analysiert und auch sinnnlich empfindet .


    Diesen "überzeitlichen Massstab" habe ich versucht am Beispiel von Arturo Toscanini , immerhin ein grosser Name , bis zu Riccardo Muti ( dieser ausführlich im Verdijahr in der NZZ in mehreren Folgen ) exemplarisch darzulegen .


    Dann habe ich die Problematik dieses allgemeingültigen "überzeitlichen Massstabes" in Frage gestellt , in dem ich mehrere verschiendes ( keineswegs verschiedenste ! ) Interpretationswege bei hervorragenden Chopiinterpreten exemplarisch so etwas plakativ dargestellt habe, damit der Leser auch ggf. an erreichbaren Aufnahmen selbst überprüfen kann , was es bedeutet in Deinem Fall rund 70 Aufnahmen der b - Moll - Sonate und bei mir etwa 40 auf CD vergleiche zu können .


    Ich finde es schon faszinierend , dass der Schweizer Rundfunk bei der h - Moll - Klaviersonate die Aufnahme vom Mitz Rosenthal aus dem Jahr 1939 zum Vergleich heranzieht . Sehr gut, weil somit ein Pinaist aus einer anderen Eproche erklingt , der wichtig ist für das Chopinspiel .


    Romantik . Was verstehen Du und ich oder weitere Menschen unter "Romantik " ? Ich kenne aus den Diskussion heraus sehr viele höchst unterschiedliche Meinungen, was den Romantik überhaupt sei .


    Kann mann die Romantik in der Musik hinein bis in doe sog. Spätromatik mit der in Literatur oder Malerei oder Bildhaukunst überhaupt vergleichen ? Anhand des Buches von Rüdiger Safranski
    habe ich 2008 schon einmal eine ausführliche Diskussion über dieses Thema gefürhrt . Man muss in einer Diskussion keinen Konsens erreichen , aber es ist , meiner Meinung nach , schon als erreichbares Ziel zu werten , wenn die Disputanden festhalten , dass wir letztlich keine absolut gültige Definition finden können / konnten, was wir subjektib unter Romatntik verstehen .


    Es gibt bekanntlich nicht wenige , die Chopin s Schaffen entweder als völlig isoliert dastehend ansehen oder es eher bestimmten Teilen der Winer Klassik ( beonsders Mozart ) nahestehend ansehen . Aus meiner perslnlichen Sicht gibt es viel mehr Hinweise auf den "Romantiker" Chopin als auf die zurückliegenden Jahrzehnte in der Musik . Und Chopin war, wenn wir nach vorne sehen, für die Musikgeschichte etwa durchseinen direkten Einfluss auf Scriabin sehr wichtig . Manche bedeutende Chopinspieler sind auch sehr gute Interpreten der Werke Scriabins gewesen ( Horowitz , Sofronitzky , Weissenberg - diese drei auch noch bei der h-Moll-Klaviersonate von Liszt ! ) .


    D e r Romatiker im Bereich Klavierspiel war aus meiner Sicht und meinem musikästhetischen empfinden Robert Schumann . Johannes Brahms begegnete Robert Schumann bekanntlich in Düsseldorfs Bilker Strasse in jungen Jahren Schumann und hat in seinem Opus 9 ein Thema von Schumann aufgegriffen , aber er ist dann sowohl im Bereich Klaviermusik wie auch der Symphonien und des Liedes ganz eigene Wege gegangen .


    Dass sich die Interpreten bei den Klavierwerken von Schumann so überflüssige Freiheiten nehmen, das liegt , wie Claudio Arrau Anfang der 1960er Jahre in einem umfangreicher Fachzeitungsinterview betont hatte an Clara Schumann - Wieck . Brahms konnte hier in vielerlei Hinsicht noch rttend eingreifen . Die "historische Treue" in Bezug auf die Heranziehung von Notentexten darf sich bei Schumann niemals an den Editionen mit den gezielt manipulativen eingriffen der Schumann - Witwe orientieren . Wir erhalten sonst ein völlig falsches Hörbild der Kompositionen Schumanns !


    Ich denke , dass wir Schlegels Meinung nicht auf etwa Chopin oder Schumann oder die h-Moll-Klaviersonate von Liszt un die drei Sonaten für Klavier von Brahms übertragen können und dürfen !


    Ich wäre Dir wirklich aufrichtig verbunden, wenn Du mir / uns hier mit knappen Zeilen Deine persönliche Meinung schreiben könntest, was Du unter "Romantik" im Spannungsfeld zwischen Musik, Litertur und Malerei verstehst .


    Der viel bemühte "Zeitgeist" hat auch um 1830 bis etwa 1880 in der klassichen Musik existiert .



    Du selbst hattest in dem Thread "Tonos - Kunst des Hörens" in Deiner Diskussion mit Walter T. einiges in Deine Beiträge einfliesen lassen, was wir durchaus auch als jeweils zeitbezogen als "Neue Sachlichkeit" ansehen können . Und möglicherweise ist dies in breiteren Schichten auch so empfunden worden . Diesen Thread betrachte ich keineswegs als "endlich" abgeschlossen , sonder wie Du dies in Deinem bisherigen Schlusskommentar formuliert hast bleiben da viele Fragen völlig offen : Frage der Zeit , des Raumes , deren Verhältnis zueinander , die Frage der Neurowissenschaften u.a.m . ALso : als Lektüre sehr empfehlenswert !


    Meine Hinweis zu Liszt - Bearbeitungen durch pinaisten bezogen sich ausdrücklich auf die durch Vladimir Horowitz ( hörbar misslungen im driekten Vergleich in der 2. Ungarischen Rhapsodie , der VH geradezu verfremdet hat ! Da kann ich Brendels Einwände gut vesrtehen . Sehr lesenswert auch Alfred Brendels Hinweise zu dem "späten Liszt" . Leider führt er dann nichts näher aus zu den vielen Schülern von Franz Liszt un deren weitere Karriere ! )


    Ob der §Geist" im Sinne von Fichte immer aus dem "Buchstaben" entrpingt oder eben nicht, soll hier bewusst offenbleiben .


    Und , lieber Holger , w e r legt fest , welche die Gedanken in einer Komposition sind ?



    Beste Grüsse



    Frank


    PS.: Es gibt , wie der Autor vor Dir angemerkt hat , nicht wenige Horowitz-Gegner und Horowitz-Verächter .


    Ich kann mich noch gut erinnern als mein früherer Klavierlehrer, ein Schüler von Freidrich Wührer , und ich wirklich zufällig "damals" meinten , dass Horowitz einer der bedeutensten Pinaisten überhaupt sei.


    Die Blicke hätte kaum vernichtender sein können



    PPS.: Es wäre sehr erfeulich, wenn sich dieser Thread ausbauen liesse .
    F.

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    es stimmt, dieser Thread ist etwas ausgeufert und vom Thema abgewichen - typisch für Foren! Ich will ihn deshalb auch nicht über Gebühr strapazieren.


    Nur so viel: Ich bin natürlich im Prinzip auch für Notentexttreue. Aber Alfred Brendel hat darauf hingewiesen, daß Komponisten mit dem Notentext nicht alle gleich sorgfältig umgehen. Bartok z.B. feilt akribisch an der Notierung, der Viel- und Schnellschreiber Mozart dagegen macht sich solche Mühe nicht, da enthält die Textnotierung oft regelrechte Fehler. Zu Recht betont Brendel, daß der Interpret hier mitdenken muß, also nicht einfach sklavisch der Notierung folgen darf. Kein Interpret, auch der notentexttreueste nicht (z.B. Emil Gilels), folgt wirklich "buchstäblich" dem Text. Nur wenn er sich nicht an den Text halten will, dann muß er das gut begründen können. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen.


    Was den Werkbegriff angeht, ist letztlich zu fragen: Was ist die Seinsweise eines Werkes? Es ist ein Faktum, daß ein und dasselbe Werk in verschiedensten Interpretationen existiert und keine gleicht der anderen. Da kann man die Frage stellen: Wie ist die Identität eines Werkes zu fassen angesichts solcher Variabilität? Roman Ingarden hat deshalb zwischen "Aufbau" und "Konkretisation" unterschieden. Ein Werk ist immer zugleich identisch und variabel, denn der Aufbau hat eine gewisse schematische Unbestimmtheit, die durch die Produktivität des Interpreten oder Rezipienten ausgefüllt wird und notwendig ausgefüllt werden muß: das ist die "Konkretisation". Was zum "Aufbau" und was zur "Konkretisation" gehört, ist nun historisch variabel. Vor dem 17. Jahrhundert gehörte die Instrumentierung z.B. generell nicht zum Werk, sondern zur Aufführungspraxis. Mahlers Haltung in bezug auf Schumanns Instrumentierung ist also musikgeschichtlich betrachtet so ungewöhnlich nicht - für ihn ist die Instrumentierung mit Ingarden gesprochen nicht "Aufbau", sondern "Konkretisation".


    Bei der Romantik muß man letztlich das hermeneutische Grundproblem verstehen, was für sie entscheidend ist. Der junge Richard Wagner polemisiert gegen die klassizistische Vorstellung von "Monumentalkunst", wonach ein Werk überzeitliche Geltung hat. Kunstwerke sind nach Wagner Ausdruck ihrer Zeit, unterliegen der Veränderung durch die Geschichte, sind letztlich wie alles Leben vergänglich. Der Künstler hat deshalb, weil Kunstwerke ihre Zeit, in der sie geschaffen wurden, nicht überdauern, nur die Wahl, immer neue Kunstwerke zu schaffen - Wagner denkt hier schon sehr "futuristisch", das klingt fast wie eine Vorwegnahme von Marinettis Manifest. Das Grundproblem der romantischen Hermeneutik ist deshalb, wie man den "gestorbenen", "toten" Sinn einens Kunstwerk wieder zum Leben erweckt, d.h. wie man ihn von der einen in die andere Lebensepoche transportiert. Und deshalb ist die Grenze von Intepretation und Bearbeitung fließend. Der Romantiker betrachtet die Kunst nicht museal, es geht darum, sich mit ihr zu identifizieren (die "glorreiche Flamme des Enthusiasmus" für die großen Werke der Kunst bei Ludwig Tieck), sie zum Teil des eigenen Lebensvollzugs zu machen. Man soll eine Stradivari spielen können - wenn man dieses Instrument dagegen in einen Museumskasten stellt, dann ist es einfach tot. Hermeneutisch betrachtet ist das eigentlich sehr modern, wenn man an Hans Georg Gadamer denkt und seine Lehre vom Primat der "Anwendung": Die Verlebendigung des Sinnes durch eine aktualisierende Interpretation steht im Vordergrund, nicht das "antiquarische" Interesse, ein Kunstwerk so erfassen zu wollen, so wie es einmal war, als es ursprünglich geschaffen wurde. Das antiquarische Interesse der Hermeneutik betrachtet Gadamer als eine Illusion und steht deshalb der romantischen Vorstellung eines historisch veränderlichen "work in progress" doch ziemlich nahe.


    Beste Grüße
    Holger

  • Es geht um Chopins 3. Sonate, nicht um die 2., nur mal so als Hinweis... Ich bin allerdings auch zu faul, Beiträge zu verschieben, da die ja auch nicht eindeutig die 2. Sonate behandeln...


    Ich habe zwar auch nicht den Eindruck, dass der Trauermarsch (letzlich ein ziemlich simples Stück, kein Vergleich zu dem dichten Kopfsatz, da hat pianoforte29 sicher recht) die b-moll dominiert, aber ungeachtet dessen entspricht die h-moll-Sonate vielleicht doch eher dem "typischen" Muster. Dennoch steht sie an Originalität und Qualität gewiß nicht hinter der b-moll zurück (das unterschätze "späte" Werk von Chopin scheint mir dagegen die Cello-Sonate zu sein.)
    Angeblich ist das Vorbild eine Sonate (fis-moll?) von Hummel; kennt jemand dieses Werk?
    Der langsame Satz wird dagegen oft mit der belcanto-Oper (Bellini) in Zusammenhang gebracht.


    Hat jemand mal Argerichs frühe EMI mit der späteren DGG-Einspielung verglichen?


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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