Ich "begehe" jetzt schuberts geburtstag - Sonate D 784

  • na gut, wenn mister mozart in meinem rezel nicht scoren will, kriegt er jetzt eine idealvorlage aufgelegt (-wir sind beide keine fußballer, ich schreib das nur für den rienzi :hello: )


    schubert: klaviersonate a-moll, op.posth.143 d784


    nach über 3-jähriger pause entsteht im februar 1823 seine 13., 14. oder 15. sonate (je nachdem, ob man diverse fragmente mitzählt oder nicht).
    [einschub an die hochlöbliche forumsadministration: bitte im thread-directory bei den schubertsonaten die nummern eliminieren, schaffen nur verwirrung, deutsch ist eindeutig. und bitte endlich d960 nachtragen. ich verspreche auch täglich mind. 2x das directory zu benutzen]
    die mittlere seiner 3 in dieser tonart (+ d537 und d845). der beginn seiner "reifen" sonaten. schluss mit den fragmenten (nur noch die schon gethreadete reliquie d840).
    es folgen nunmehr 7 höhepunkte der klavierliteratur: d845, d850, d894, d958, d959, d960.
    der autograph befindet sich in der großen schubert-sammlung der ub lund in schweden.
    die erstausgabe erfolgte 1839 bei diabelli.


    nicht so artistisch-pianistisch wie die wenige monate zuvor komponierte wanderer-fantasie d760.
    das werk ist nur 3-sätzig, aber vollkommen und vollendet! es dauert ca. 20 minuten und ist daher häufig auf cds und in konzertsälen anzutreffen.
    allegro giusto
    andante
    allegro vivace


    im ersten satz gibt es eigentlich keine melodie, sondern akkorde, voll, tief, oktaven, tremoli, fortissimo-steigerungen, obsessive rhythmik. ziemlich bedrückend bis dann das nebenthema die erlösung bringt.
    in manchen beschreibungen wird auf die primitivität der (nicht)entwicklung hingewiesen. ich assoziiere das pendeln eines an hospitalismus leidenden zoobären. (ist das jetzt tierischer ernst oder wider?)
    der zweite satz ist auch nicht gerade ein lustspiel. wenn badura-skoda da von einem "frühlingsgesang" schreibt, so ist für mich der dritte satz ein berückendes schneegestöber. die triolen erinnern an smetanas moldau (jaja, -umgekehrt). das ganze schöne stück endet in moll und fortissimo.


    :hello:aus schubert-town

  • Zitat

    Original von observator


    im ersten satz gibt es eigentlich keine melodie,


    Salut,


    wehementer Widerspruch!


    Gerade das Anfangsthema, die ersten vier Takte, ispirierten mich einst, daraus eine vierstimmige Fuge zu machen - ich liebe diese Melodie. Die Arbeit war zu Unterrichtszwecken für einen Schüler gedacht... und blieb liegen:



    Wenn es allzu anmassend sein sollte - kann es gelöscht werden. Zu seinem Geburtstag aber fand ich es jetzt passend.


    Zitat

    nicht so artistisch-pianistisch


    Die Tremoli im ersten und die beidhändigen oktavierten Triolen im zweiten [25ff.] und im dritten Satz [260ff.] sind anstrengend genug. Und Takt 61 im dritten, linke Hand, macht auch nicht gerade Spaß. Klingt aber schön.


    Sehr sinfonisch, wie so oft bei Schubert: Satz 1, Takt 137ff. rechte Hand, punktierter Rhythmus: das ist die Oboe, wie in D936A. Das Thema hat was von D940, Beginn.


    Du hast nicht erwähnt, dass A. Diabelli die Erstausgabe Felix Mendelssohn-Bartholdy 1839 gewidmet hat.


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • ich hab meinen text gestern wegen des jahrestages noch unbedingt reinstellen wollen, trotz größerer zeit- und konzentrationsnot, -irgendwann werd ich noch suspendiert wegen vernachlässigung meiner dienstpflichten. dann werd ich wahrscheinlich bei alfred anklopfen (wohnt ja nur 5 gassen weiter –eigentlich ein ziemlicher zufall in einer millionenstadt). vielleicht kann er mich als festplattenpolierer oder so anstellen.


    ich möchte noch ein paar einspielungen anführen, bevor dann hoffentlich einige interessierte mehr als nur unser factotum :baeh01: + :jubel: antworten…


    die ersten 103 takte stehen zur wiederholung frei, daher die zeitunterschiede.
    paul badura-skoda benutzt seinen conrad graf hammerflügel von 1824.
    er spielt zügig, herrlich kracht es im gebälk (-ich liebe den klang dieser alten kisten!) 20:40
    alfred brendel liefert die notorisch klassische interpretation, die mich immer weniger anzuzünden vermögen, je mehr ich andere pianisten vergleichshöre, bei aller dankbaren hochachtung für seine schubertverbreitungsarbeit. 20:30
    michael endres, weitverbreitet wegen des konkurrenzlosen preises ( :hello: acoma, der dalberto wird in wien immer noch um 56€ verkauft), ist auch flott unterwegs 21:10
    naum grubert (ich hab die cd vor jahren um 49 ats = 3,50 € gekauft, jetzt kostet sie beim internethändler 20 eier, soviel zur transparenten preispolitik der branche :rolleyes: ) spielt den ersten satz kräftig mächtig, gefällt mir sehr gut, braucht 24:50
    wilhelm kempff stellt wieder einen geschwindigkeitsrekord auf: 18 minuten, der 1. satz in 8:45 (ich weiß, als info ist das dürftigst, aber mir geht de zeid oo!) er „tupft“ im 2. und 3. satz auffällig.
    sviatoslav richter drusch am 7.2.1979 in tokyo auf einem yamaha concert grand cf die ff stellen ganz beeindruckend, im andante vermeint man sich wieder zu verlieren. der andere rekord: 25:20
    gilbert schuchter, bösendorfer, unauffällig, 21:40

  • Zitat

    Original von observator
    sviatoslav richter drusch am 7.2.1979 in tokyo auf einem yamaha concert grand cf die ff stellen ganz beeindruckend, im andante vermeint man sich wieder zu verlieren. der andere rekord: 25:20


    Die reine Spielzeit ist 25:15.


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • D.784, eine dunkle Sonate voller Schmerzen und Abgründe.
    Der erste Satz ist wunderbar, mir aber aufgrund der ersten Wiederholung insgesamt zu lang.
    Der zweite Satz gefällt mir nicht so besonders, ich weiß nicht, es passiert einfach zu wenig.
    Der dritte Satz jedoch hat mich gleich beim ersten mal hören vom Hocker gerissen, ja, so stell ich mir ein kräftiges, düsteres Allegro Vivace vor!


    mit Grüßen
    Christoph

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  • Da alle Taminos, die hier gepostet haben, einschließlich des Threadgründers "observator" nicht mehr Forumsmitglieder sind, werde ich mal den ersten beitrag seit 7 Jahren und 10 Monaten schreiben. Es ist nur ein kurzer, und er bezieht sich auf die Interpretation Alfred Brendels vom Juni 1976/Juni 1977? bei Radio Bremen, die in dieser DVD-Box enthalten ist.:



    Diese Sonate hat es in der Tat in sich. Wilhelm Kempff hat einst in den höchsten Tönen von ihr geschwärmt:

    Zitat

    Wilhelm Kempff: In der großartigen Sonate a-moll D.784 und noch mehr in der C-dur-Sonate (D.840, der sogenannten "Unvollendeten") hören wir Bruckners Stimme. Fast könnte man versucht sein, bei solchem Geschehen auf ein mystisches Verbundensein der Geister jenseits der menschlichen Begriffe von zeit und Raum zu schließen.

    Alfred Brendel sagt in der Einführung zum Kopfsatz: "Das ist tödlicher Ernst". In der Tat ist der Kopfsatz das beherrschende Element dieser Sonate, in der man einen lieblichen, entspannten langsamen Satz, die man bei Beethoven zu Hauf findet, vergeblich sucht. Nach dem markerschütternden Kopfsatz kommt ein Andante, das auch von dramatischen Passagen erfüllt ist, und in den ersten Takten des Finales "Allegro vivace" meint man plötzlich bei Mendelssohnschen Geister und Kobolden gelandet zu sein. Und immer wieder wird der Rhythmus und der Fluss unterbrochen.
    Ich finde, Alfred Brendel hat den Geist dieser hochdramatischen Sonate sehr gut eingefangen, und man sieht auf der DVD auch sehr gut, wie es in seinem Gesicht pausenlos arbeitet, wie es ihn mitnimmt. Ich glaube, Brendel lässt die Musik sehr nahe an sich heran. Aus diesem Grunde, dass die Schubertsche Musik einem sehr zusetzen kann, sagte mir vor langer zeit einmal ein Bekannter, er könne Schubert nicht mehr spielen, weil er dann immer so viel weinen müsse.
    Ich habe mir die Noten heruntergeladen (http://www.kreusch-sheet-music.net), wo die Noten der späten Sonaten bis auf D.840 und D.850 kostenlos zu haben sind.
    Ich werde in den nächsten Tagen fortfahren, die Sonaten aus der Brendelbox kurz vorzustellen, sofern ein Thread vorhanden ist, um einfach auch einmal daran zu erinnern, dass er vorhanden ist.


    Liebe Grüße


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Heute war die Sonate Nr 14 D784 auf meinem Hörplan

    Ich hatte vor einen Thread darüber zu starten. Als ch sie hörte war mein erster Gedanke:

    ÜBER DIESES SCHRECKLICHE STÜCK WERDE ICH KEINEN THREAD STARTEN !!!

    Ich habe dann versucht Werkbeschreibungen zu finden - wurde aber nicht schlau daraus.

    Bei weiterer Recherche habe ich dann herausgefunden, daß es beim Tamino-Klassikforum bereits einen Thread gibt,

    nämlich diesen hier:

    Und hier habe ich immerhin einige Aussagen gefunden, denen ich zustimmen kann:

    im ersten satz gibt es eigentlich keine melodie, sondern akkorde, voll, tief, oktaven, tremoli, fortissimo-steigerungen, obsessive rhythmik. ziemlich bedrückend

    Wie wahr !Trübsinnig, sperrig und unangenehm anzuhören


    in manchen beschreibungen wird auf die primitivität der (nicht)entwicklung hingewiesen

    Ich empfand das ähnlich. Wie von einem (unmusikalischen) Kind gespielt...


    alfred brendel liefert die notorisch klassische interpretation, die mich immer weniger anzuzünden vermögen, je mehr ich andere pianisten vergleichshöre

    Als mir die Sonate mißfiel, habe ich zur Kontrolle seine Aufnahmen ein paar Minuten lang angehört. Ich fand, sie noch schrecklicher


    Alfred Brendel sagt in der Einführung zum Kopfsatz: "Das ist tödlicher Ernst".

    Ja - und GENAU SO spielt er ihn auch !!

    Vermutlich völlig richtig - den Intentionen des Komponisten entsprecfhend - aber grausig anzuhören


    der zweite satz ist auch nicht gerade ein lustspiel.

    Euphemistisch ausgedrückt ....;)


    Bei den Interpretationsvergleichen:

    gilbert schuchter, bösendorfer, unauffällig, 21:40

    Ich würde sagen, daß die Trübsal durch den klaren Diskant des Bösendorfer (oder die "schlanke" Interpretation ?) ein wenig abgemildert wird - aber natürlich bleiben meine Haupteinwände dennoch bestehen.....


    mfg aus Wien

    Alfred


    PS: Schuchters Version war die einzige die ich ertragen konnte.....mehr aber auch nicht....

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine gelungene Interpretation der dreisätzigen Klaviersonate D. 784 stammt von Radu Lupu.


    (Die Wiederholung bei 3 min 28 s befolgt er nicht. Seine Aufnahme dauert 18 min 43 s.)


    Schon ein erster Blick in den gedruckten Notentext offenbart, dass Schubert die Dynamik differenziert einsetzt: ff steht neben p und pp, ppp mit sordini, mf, fp, ffz, fz, crescendi, decrescendi, diminuendi. Ich gehe davon aus, dass diese Angaben dem Urtext des Autographen folgen. Das Autograph befindet sich in der Universitätsbibliothek Lund in Schweden.


    (Gewisse ppp-Stellen im Andante hätte ich mir in Radu Lupus eindrücklicher Interpretation noch leiser gewünscht.)


    Die Artikulation, den Anschlag hat Schubert genauestens notiert: staccato mit und ohne Legatobogen, staccatissimo, legato, non legato, Betonungen mit >, geforderte Betonungen auf unbetonten Takt-Schlägen im 3. Satz.


    Wenn man die Sonate mit diesem Blickwinkel von Dynamik und Artikulation beurteilt, ist sie für mich eine Studie der Gegensätze.


    Pianistisch versiertere Taminos können die einkomponierten Anforderungen an die Ausführung noch genauer konkretisieren.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Maria João Pires spielt die Klaviersonate D. 784 a-Moll Op. 142 live in der Fundação Calouste Gulbenkian in Lissabon.


    Der You Tube Beitrag ist ein Transfer von einer VHS-Kassette.

    Man sei mit Bild- und Tonqualität nachsichtig.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Und an Svjatoslav Richter kommt man nicht vorbei, wenn es um Schubert geht.


    In Tokyo hat er die Klaviersonate D. 784 am 1. und 7. Februar 1979 gespielt.




    Im gleiche Jahr war er in London und hat vor Publikum die Sonate interpretiert.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
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  • Für Freunde des Partiturlesens und ambitionierte Pianisten:


    Im ersten Band der Urtextausgabe des Henle-Verlages ist die Klaviersonate D. 784 enthalten.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Nach so viel modernem Flügelklang eine Interpretation auf einem historischen Instrument: Ein Fortepiano von Conrad Graf, Serie 432 (Wien, 1824)


    Paul Badura-Skoda spielt auf dem Instrument seiner eigenen Sammlung. Wenn der 3. Satz erklingt, sieht man das Fortepiano, das zum Einsatz kam.


    * * * * *


    ÜBRIGENS: Ich hatte mich bei den Erben von Paul Badura-Skoda erkundigt, was mit der Sammlung historischer Tasten-Instrumente geschehen sei.

    Die Antwort: Museen zur Historie der Musik


    Ich werde mich nach dem Verbleib und der Unterbringung bei den Verantwortlichen der Musikuniversität Linz erkundigen, sprich etwas Feuer unterm Hintern machen, nahm ich mir vor. Als ich die Antwort von Herrn Badura-Skoda erhalten hatte, fehlte mir eine zielführende Mail-Adresse zur Uni. Nach etwas Recherche, hatte ich eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gefunden und formulierte damals eine Anfrage. Eine Antwort hatte ich keine erhalten. Ich habe heute eine weitere Erkundigung nach der Unterbringung der Instrumente abgeschickt.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • (Gewisse ppp-Stellen im Andante hätte ich mir in Radu Lupus eindrücklicher Interpretation noch leiser gewünscht.)


    Vielen Dank für das Video mit den mitlaufenden Noten, die ich von dieser Sonate nicht besitze. Ein ppp ist schwer zu realisieren, auch in D.960 gibt es am Ende der Durchführung so eine Stelle, die nur wenige Pianisten anzudeuten vermögen. Hier hätte ich kein ppp vermutet, insofern sind die Noten aufschlussreich. Zudem steht ja auch noch Sordini, also mit Dämpfer. Die schnell zu spielenden, punktierte Bewegung erschwert wohl die Umsetzung. Bei Richter finde ich es am besten, wobei er den Satz auch am langsamsten spielt.

  • Pianistisch versiertere Taminos können die einkomponierten Anforderungen an die Ausführung noch genauer konkretisieren.

    Ich finde die Sonate ehrlich gesagt nicht besonders schwer. Die dynamischen Anforderungen sind bei Schubert grundsätzlich, besonders im unteren Bereich, extrem, aber hier ist doch wenigstens fast immer sofort klar, welchen musikalischen Sinn sie haben. Und rein pianistisch gibt es nur eine einzige wirklich schwere Stelle, nämlich die Oktaven ganz am Ende des dritten Satzes. Aber auch das ist lösbar, weil die Passagen ja in beiden Händen jeweils nur sehr kurz sind. Musikalisch finde ich an der Sonate alles sehr klar und problemlos zu verstehen. Dass es ein insgesamt sehr dunkles, tragisches Stück ist, liegt auf der Hand, aber dass es deshalb "keine Melodie" gebe, ist natürlich Unsinn.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Ich habe mir die oben verlinkte Einspielung mit Maria Joao Pires angehört und finde, dass dies eine wundervolle Einspielung ist. Trotz der ernsten, mitunter auch düsteren oder dramatischen Momente zeigen sich auch immer wieder sehr schöne, eindrucksvolle sangliche Partien. Auch wenn dies im ersten Moment eine eher verschattete, stellenweise grollende und sogar abweisende Komposition zu sein scheint, offenbart sich für mich jedoch auch eine große Zartheit in vielen Momenten, die beim mehrfachen Hören die grimmige Fassade immer wieder durchbrechen. Für mich gewinnt das Stück zusehends an Reiz bei jedem Durchlauf.

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  • Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass diese Sonate überhaupt kontrovers gesehen wird. Ich halte sie für ziemlich eingängig, und die pianistischen Anforderungen sind so moderat, dass man das Stück auch als mittelprächtiger Hobbymusiker technisch recht passabel bewältigen kann. Mir macht es jedenfalls immer wieder Freude, diese Sonate zu spielen.


    Natürlich kann man anführen, dass einem die Sonate insgesamt zu düster ist, aber innerhalb Schuberts Gesamtwerk gibt es doch noch ganz andere Kaliber in Sachen Düsternis. Wenn einem D 784 deswegen bereits nicht liegt, was macht man dann z. B. mit dem langsamen Satz aus D 959 oder der f-moll-Fantasie?


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass diese Sonate überhaupt kontrovers gesehen wird. [...]

    Natürlich kann man anführen, dass einem die Sonate insgesamt zu düster ist, aber innerhalb Schuberts Gesamtwerk gibt es doch noch ganz andere Kaliber in Sachen Düsternis. Wenn einem D 784 deswegen bereits nicht liegt, was macht man dann z. B. mit dem langsamen Satz aus D 959 oder der f-moll-Fantasie?

    Auch die c-Moll-Sonate ist so gut wie durchgehend dunkel und tragisch. Im ersten Satz z.B. das quälend auf dem Grundton verharrende Thema und die skelettartig makabren chromatischen Skalen vor der Reprise, im zweiten Satz die abgebrochenen Phrasen und "surrealen" harmonischen Rückungen, dann ein Scherzo ohne jede Spur von Heiterkeit oder Freude und ein Totentanz als Finale. Insgesamt eine der extremsten Klaviersonaten überhaupt. Vielleicht merkt das nicht jeder Zuhörer, weil sie so schön fetzig ist ;). Nach einem Konzert mit der f-Moll-Fantasie kam mal eine Zuhörerin zu Silke-Thora Matthies und mir ins Künstlerzimmer und bedankte sich überschwänglich für das heitere und optimistische Stück. Manchmal ist es besser, wenn man nicht weiß, was in den Köpfen der Zuhörer vorgeht :).

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Ich werfe da noch die "Winterreise" sowie das für mich radikalste und düsterste Stück Franz Schuberts ein: Das G-Dur-Streichquartett, über das ich hier geschrieben habe: Hasiewicz: Unverzichtbare Klassik-Aufnahmen


    Gutes Hören


    Christian Hasiewicz

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ashkenazy macht im zweiten Satz den Unterschied zwischen p und ppp sehr gut hörbar!

    Die Aufnahme hatte ich gar nicht mehr im Kopf.


    Im weiteren Verlauf ist dann ja sogar zwischen pp und ppp zu differenzieren. Hier allerdings ahnt man den Unterschied nur noch, wenn man die Noten kennt. Und zwar bei allen mir bekannten Interpreten.


    Insofern finde ich schon, dass auch diese vermeintlich „leichte“ Sonate genügend Herausforderungen bietet ;-)


    Viele Grüße und Danke für den Hinweis auf Ashkenazy!

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  • Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass diese Sonate überhaupt kontrovers gesehen wird. Ich halte sie für ziemlich eingängig, und die pianistischen Anforderungen sind so moderat, dass man das Stück auch als mittelprächtiger Hobbymusiker technisch recht passabel bewältigen kann. Mir macht es jedenfalls immer wieder Freude, diese Sonate zu spielen.


    Natürlich kann man anführen, dass einem die Sonate insgesamt zu düster ist, aber innerhalb Schuberts Gesamtwerk gibt es doch noch ganz andere Kaliber in Sachen Düsternis. Wenn einem D 784 deswegen bereits nicht liegt, was macht man dann z. B. mit dem langsamen Satz aus D 959 oder der f-moll-Fantasie?


    LG :hello:

    Sogar ich als Laie wundere mich, oder gerade deshalb ? Musikalische Unbedarftheit kann ja auch nützlich sein.

    Ich habe jetzt meine Sammlung durchsucht. Zuerst habe ich Christian Zacharias gehört, jetzt läuft Lupu. Beide Aufnahmen berühren mich. Lupu empfinde ich als etwas melancholischer ( nicht düsterer ) und auch dynamischer als Zacharias. Alfred bemerkt " Trübsinnig, sperrig und unangenehm anzuhören ". Dem kann ich mich nicht anschließen, natürlich heiter oder fröhlich ist sie nicht. Aber gerade im zweiten Satz höre ich viel lyrische Momente. Und Melodien. Vielleicht höre ich später noch Michael Endres.

  • Nach einem Konzert mit der f-Moll-Fantasie kam mal eine Zuhörerin zu Silke-Thora Matthies und mir ins Künstlerzimmer und bedankte sich überschwänglich für das heitere und optimistische Stück.


    Das ist wirklich kurios! ^^ Unter diesen Umständen können wir natürlich auch die a-moll-Sonate problemlos als Ausbruch schierer Heiterkeit deklarieren. ^^


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Unter diesen Umständen können wir natürlich auch die a-moll-Sonate problemlos als Ausbruch schierer Heiterkeit deklarieren.

    Ich staune auch immer wieder über die Popularität der Moments musicaux D.780.

    Wahrscheinlich verdankt sie sich allein dem tänzerischen dritten Stück in f-Moll.


    Der Rest und vor allem das letzte Stück in As-Dur (!) lässt jegliche Vergnügungen weit hinter sich. Die Monotonie dieses langen Stücks (bei Sviatoslav Richter 11:45) wirkt auf mich ausgesprochen hoffnungslos und deprimierend. Das Stück führt nirgendwo hin. Das ist schon sehr radikal komponiert.


    Pianistisch gilt D.780 auch als eher einfach, aber was heißt das schon bei Schubert?

  • Ich habe mir die oben verlinkte Einspielung mit Maria Joao Pires angehört und finde, dass dies eine wundervolle Einspielung ist. Trotz der ernsten, mitunter auch düsteren oder dramatischen Momente zeigen sich auch immer wieder sehr schöne, eindrucksvolle sangliche Partien.

    Lieber Don_Gaiferos,


    mir scheint, daß die Damen der Klavierkunst diesem etwas spröden Werk mehr abzugewinnen verstehen als die meisten ihrer männlichen Kollegen. Ich schätze z.B. sehr diese alte, aber auch klanglich ausgezeichnete Version mit der vor nicht langer Zeit verstorbenen Wiener Künstlerin Ingrid Haebler:

    Great Pianists 42 by Ingrid Haebler (1999-01-01)

    Die Doppel-CD aus der PHILIPS-Serie "Great Pianists" enthält außerdem noch diverse andere hörenswerte Aufnahmen. Mit etwas Glück ist sie gebraucht noch zu haben.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).