Mozart und seine Zeitgenossen: [Padre] Giovanni Battista MARTINI [1706-1784]

  • Zum 300. Geburtstag – Martini-Jahr 2006:



    Giovanni Battista Martini wurde am 24. April 1706 in Bologna geboren. Mal wieder war es Papa - Antonio Maria Martini, ein Violinist und Violoncellist – der seinem Sohn ersten musikalischen Unterricht erteilte. Später wurde Martini Schüler von A. Predieri und G. A. Ricieri; seine kompositorische Ausbildung vollendete er unter der Anleitung von G. A. Petri. Am 20. Januar 1721 bat er um Aufnahme in die Figliolanza des Franziskanerklosters in Bologna. Das Ordenskleid erhielt er am 8. September 1721, seinem Wunsch entsprechend durfte er seinen Taufnamen als Ordensnamen behalten. Als Novize verbrachte er einige Zeit in Lugo di Romagna, dort legte er auch am 11. September 1722 die Gelübde ab. Nachdem er in sein Ordenskloster zurückkehrte, widmete er sich eifrig der Musik und der Musikforschung und wurde Amtsgehilfe des amtierenden Organisten und Kapellmeisters. Nach dessen Tode 1725 rückte Martini in dessen Position auf. Martini wurde am 24. Februar 1729 zum Priester geweiht. Schon bald erreichte Martini Ruhm und Ehre als Komponist mit besonderem Augenmerk auf Kontrapunkt und Theorie. Martini verließ nur sehr selten seine Vaterstadt Bologna, lediglich 1747 und 1753 war er kurz in Rom anzutreffen und 1754 in Osimo zu Studien und musikalischen Aufführungen. Nach einem Konzerterfolg 1753 bot man ihm die Stelle des Kapellmeisters in St. Peter im Vatikan an, jedoch wollte Martini seine Heimatstadt keinesfalls verlassen und verschmähte den Job. Martini sammelte ungeheuere Mengen an musikalischem Schrifttum an, welche für sein umfängliches musikalisches Wissen verwendete. Er pflegte sehr enge und ausgiebige Kontakte mit zahlreichen Musikern und Gelehrten in ganz Europa. Aus seinem Briefwechsel weiß man, dass u.a. Rameau, Tartini, Metastasio, Quantz, Joh. Chr. Bach, Myslivecek, Grétry zu seinen Korrespondenten gehörten.


    Padre Martini wurde auch sehr oft und gerne als Lehrer in Anspruch genommen, so konnten u.a. F. Bertoni, G. Sarti, J. G. Naumann, N. Jommelli, G. Brunetti, Joh. Chr. Bach und der junge W. A. Mozart bei ihm hervorragenden Unterricht geniessen. Wolfgang Amadeus Mozart besuchte Padre Martini 1770 und komponierte dort vier Rätselkanons KV 73r und ein Miserere für Alt, Tenor, Baß und bezifferten Orgelbaß KV 85 [73s], sowie einige Antiphone, Fugen und kanonische Studien. Leopold Mozart berichtet an seine Frau:


    Der P: Martino hat mich um eine Violinschule gebetten, du must also mit H: Factor Hafner sprechen, daß er die gütte hat mir eine nach Bozen zu nehmen […]


    1775 komponiert Mozart ein Offertorium de tempore KV 222 [205a], das er zur Beurteilung an Padre Martini schickt. Martini stellte Mozart ein Zeugnis aus, daß er in ihr alles finde, was die moderne Musik verlange, gute Harmonie, reiche Modulation, mäßige Bewegung in den Violinen, natürliche und gute Stimmführung […] [Original: tutto quello che richiede la musica moderna, buona armonia, matura modulazione, moderato movimento de Violini, modulazione delle parti naturael, e buona condotta].


    Padre Martini starb am 04. Oktober 1784 – in Bologna, wo sonst; es ist ja auch zum Sterben schön:



    Sein Œuvre ist unglaublich groß: Es zeichnet sich durch Kirchenkompositionen jedweder Arten aus, darunter knapp 20 ein- bis achtstimmige Messen, Gradualen, Vespern, Psalmen, Hymnen, Litaneien, Magnificat, Te Deum, 4 Requien, ein Dutzend Oratorien, unzählige Kanoni, Fugen, aber auch Weltliches: Arien, Kantaten, Sinfonien, Konzerte für Querflöte, Violine, Oboe, Violoncello, Cembalo, dto. Sonaten.


    Zu seinen berühmtesten Schriften gehören:


    Storia della Musica, Bologna 1757
    Regola agli Organisti per accompagnare il Canto Fermo, Bologna 1756
    Disseratatio de usu Progressionis Geometricae in Musica, Bologna 1767
    Esemplare o sia Saggio fondamentale pratico di contrappunto, Bologna 1774

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Ulli,


    nochmals vielen Dank für diesen Beitrag, den ich deshalb für wichtig erachte, weil gerade die Kompositionsbeiträge einiger Italiener, wie D. Scarlatti, Vivaldi aber auch Martini, JS Bach zu zentralen Kompositionen veranlaßt haben dürften. Bei Martini denke ich zuallererst an dessen Cembalosonaten, die 1740 in Amsterdam mit größter Sorgfalt gestochen wurden. Das Datum der Drucklegung wird meistens mit 1742 angegeben, dem mutmaßlichen Erscheinungsjahr der Goldberg-Variationen. Soweit so gut, in dem Martini-Druck finden wir zweimal eine Arie mit Variationen, eine Corrente in Kanon, die wie ich finde, eine große Ähnlichkeit mit der Figuration und Ausschmückung Bachs aufweisen.


    Liebe Grüße


    tom

  • Salut,


    Padre Martini kann ja quasi zu seiner Zeit als der Musik-Papst angesehen werden: Man schickte ihm Kompositionen zur Bewertung, man fragte um Rat und: Er wollte auch alles haben und wissen und verfügte dementsprechend auch über umfangreiches Wissen und eine Bibliothek, die heute unbezahlbar wäre. Eigentlich war er ziemlich egoistisch-intelligent, ohne ihm seine Glaubensstärke absprechen zu wollen: Er verschaffte sich ein gemütliches Plätzchem im Kloster und widmete sich voll und ganz der Musik. Beneidenswert...


    Ich würde nicht all zu sehr auf das Erscheinen von [wenn auch erstklassigen] Erstdrucken wert legen: Zu dieser Zeit waren die Abschriften immer noch das günstigste und am schnellsten zu beschaffende Notenmaterial. Wichtige Werke waren so sehr schnell - auch ohne Druck - weit verbreitet.


    Nicht zu verwechseln ist er übrigens mit Vicente Martín y Soler, der von seinen italienischen Berufskollegen zärtlich "Martini" genannt wurde. Demnächst werde ich auch diesem Lieblingskomponisten noch einen Thread widmen.


    Cordialement
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Nicht zu verwechseln ist er übrigens mit Vicente Martín y Soler, der von seinen italienischen Berufskollegen zärtlich "Martini" genannt wurde. Demnächst werde ich auch diesem Lieblingskomponisten noch einen Thread widmen.


    Cordialement
    Ulli



    Ich freu mich darauf!


    Besten Dank im Voraus!


    tom

  • Salut,


    Carl Ditters von Dittersdorf reist mit Gluck nach Bologna und traf dort auf Padre Martini; er berichtet:


    Bald wurde es in Bologna ruchbar, dass ich vom Padre Martino zu dem ersten Festtag der überaus großen Feierlichkeit ‚per la visità della Madonna di San Luca’ geladen sei; man wusste sogar, dass ich mir die angebotene Bezahlung ausgeschlagen und bloß zur Ehre Gottes zu spielen versprochen habe.


    Der Tag kam heran, an welchem die erste Feierlichkeit des Umganges des wundertätigen Madonnenbildes, das der Evangelist Lukas gemalt haben sollte, und welche drei Tage dauerte, begann. Wir gingen zur Vesper in die Kirche. Die Komposition war vom Padre Martino. Ach! welch ein Abstrich war zwischen dieser Musik und der von Mazzoni!! – So einen majestätischen, erhabenen und rührenden Kirchestil habe ich nie gehört. Selbst Caldaras Komposition musste dieser Arbeit weit nachstehen. In einem Psalm – mich dünkt, es war ein Magnificat – war das Amen eine achtstimmige Fuge. Ach Gott! Welch ein künstliches* Gewebe! – Man stelle sich die Wirkung vor, welche diese herrliche Fuge machen musste, da das Orchester aus 160 Personen bestand, unter welchen achtzig Vokalstimmen waren!


    Das Fest war das Fest der Erscheinung der Madonna bei dem heiligen Lukas – die Legende will wissen, dass die Jungfrau Maria dem heiligen Lukas Modell gestanden hat. Das Gemälde gelangte 1160 auf der Flucht vor den Sarazenen aus Byzanz nach Bologna, wo es bis heute als großes Heiligtum verehrt wird.


    Wer kennt das Werk, das Dittersdorf so innig beschreibt?



    Cordialement
    Ulli


    *gemeint ist in heutiger Übersetzung: kunstvoll/kunstfertig.

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Giovanni Battista "Padre" Martini, dessen Thread nun schon seit über 9 Jahren verwaist ist, wurde am 24. April 1706 geboren. Er war u. a. 1770 der Lehrer Mozarts in Kontrapunkt. Ich habe zus einem Geburtstag diese CD ausgesucht, die mit einem beeindruckenden Orgelstück beginnt:


    Heute ist die 309. Wiederkehr Martinis Geburtstag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Und heute ist sein Todestag. Er starb am 3. August 1784, nicht am 4. Oktober, wie weiter oben steht. Dazu habe ich eine CD mit Cembalosonaten ausgesucht:



    Heute ist sein 231. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).