Der Thread ist dem Pianisten Karlrobert Kreitem gewidmet, der nicht, wie der Nachsatz vermuten lassen könnte eines natürlichen Todes gestorben ist, sondern vom "Volksgerichtshof" "als Volksschädling zum Tode veruteilt", anschließend am 07.09.1943, gerade einmal 27-jährig, ermordet worden ist. Der Vater, Theo Kreiten, war Dozent für Komposition und als solcher als Komponist und Pianist tätig, seine Mutter, Emmy Kreiten, war eine bekannte Sängerin.
Die Vorgeschichte der Verhaftung Kreitens ist so zu rekonstruieren:
Während eines Umzugs in Berlin übte Kreiten im Bekanntenkreis, im Glauben hier sozusagen en familie zu sein, Kritik am Naziregime. So soll er geäußert haben, mit dem Dritten Reich gehe es bald zu Ende, der Krieg sei praktisch verloren. Was folgte war die Denunziation, Verhaftung, Verurtreilung, Hinrichtung, die anschließend im Berliner 12-Uhr-Blatt durch den sattsam bekannten, inzwischen verstorbenen, Sonntags-Frühschoppler und Bundesverdienstkreuzträger Werner Höfer hymnisiert worden ist.
Das Haus Kreiten ist jahrzehntelang ein Mittelpunkt der musikalischen Gesellschaft Düsseldorfs, wo u.a. auch Wilhelm Furtwängler ein- und ausging, gewesen. Die pianistische Begabung des jungen Kreiten wird früh entdeckt und gefördert. 1929, mit 13 Jahren, tritt er in die Kölner Musikhochschule ein, wo er in der Meisterklasse von Peter Dahm aufgenommen wird. 1933 gewinnt Kreiten den Wiener Klavierwettbewerb, dem u.a. Clemens Kraus, Emil Sauer und Wilhelm Backhaus als Juroren beiwohnen vor dem "Klaviergott" Dinu Lipatti. Im selben Jahr läßt Kreiten den ersten Platz bei dem Mendelssohn-Wettbewerb in Berlin folgen. In der Folgezeit, nämlich ab 1937 wird Kreiten Schüler von Claudio Arrau, bis dieser 1940 selbst Deutschland verläßt.
Menschen, die ihn als Pianisten erlebt und zum Teil auch persönlich gekannt haben berichten über sein Spiel:
"Er war auf dem Podium ein ganz anderer Mensch; während er sonst sehr bescheiden war, fast zu bescheiden, trat er aber vollkommen frei vor ein Riesenpublikum. Sein Spiel war vorwärtsdrängend, leidenschaftlich, sehr ausdrucksstark; seine Ausstrahlung spielte eine große Rolle, weil er das alles so selbstverständlich brachte."
Claudio Arrau meinte:"Er war furchtbar lieb, ein zärtlicher, herzlicher Mensch, ein wunderbarer Schüler, nicht nur ein Virtuose, sondern immer ein Künstler.[...] Es scheint mir, daß er wahrscheinlich das größte Talent war, vielleicht dieses Jahrhunderts."
Es gibt eine bei Thorophon erschienene Platte mit Aufnahmen Kreitens, die einen Eindruck vermittelt, einen Eindruck, der, jedenfalls für mich sehr nachhaltig war. Die Platte enthält:
Chopin: Preludes B-Dur und b-moll aus op. 28; Nocturne cis-moll op. posth.;
Brahms: Paganini-Variationen op. 35; Intermezzo As-Dur op. 76 Nr. 3;
Schoeck: Toccata op. 29 Nr. 2
Theo Kreiten (Vater): Sonatine Es-Dur;
J. Strauß (Sohn): An der schönen blauen Donau, Klavierbearbeitung von Theo Kreiten